Adoptivsprache
Geboren zwischen gelben Weizenfeldern
und einem wolkenlosen, blauen Himmel
gelernt die Sprache meiner Mutter
gesehen graue, kahle Schächte untertage
Gerissen aus dem Leben plötzlich
und keine Zeit die mir zum Denken blieb
verfrachtet in den hoffnungsgrünen Zug
gelandet im nassen, fremden Schwarz
ohne Rot oder Gold
Gelernt die Sprache ihrer Dichter
gefühlt die lästernde Verachtung
gelichtet den Anker zum Heimathafen
gewöhnt an das Peitschen der Wellen im Schicksalsmeer
Verstummt, erschlagen von der Sprachvielfalt
war ich verwirrt vom vielen Reden-Müssen
Bewertet-Werden, Schweigen, stumme Scham
vertrocknet waren meiner Sprache Flüsse
Geschrieben über meine Not
gefunden war die Sprache wieder
Nun sitze ich mit ihr in einem Boot
und fahr den himmelsblauen Fluss, in dem sie sprudelt, nieder
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2010
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