Cover

The big intention's fallen flat
So try to break your way out of that
Create an image so contrived
Nothing at your sad demise
(Blood Red Shoes - Forgive Nothing)




1.Kapitel
Verdammt ist das alles Scheiße! Das ist mein Gedanke als ich meinen Spind öffne und mir so um die 10 Liebesbriefe um die Ohren flattern. Ohne auch nur einen von ihnen zu öffnen werfe ich sie alle in einen Mülleimer. „Laura!“ Ich wirbele herum. Eine Horde Jungs kommt auf mich zu gerannt. Ich habe keine Gelegenheit auf die nahe liegende Mädchentoilette zu fliehen, denn sofort werde ich von ihnen umzingelt. „Laura, hast du heute was vor?“ „Ich wette du stehst auf romantische Dinner bei Kerzenschein!“ „Ach Unsinn, bestimmt würde sie gerne ein Picknick am See machen!“ „Was, glaubst du sie will sich ihre feine Porzellanhaut von Mücken zerstechen lassen? Sie möchte lieber ins Restaurant gehen, da ist eine ruhige Atmosphäre!“ „Ruhig aber stinklangweilig!“ „Keines von Beidem will sie, sie möchte auf einer Party so richtig abrocken!“ Die Jungen diskutieren heftig und als sie sich zu mir umdrehen um zu fragen was ich will, sehen sie wohl nur noch wie ich in die Mädchentoilette husche. Ich blicke in den Spiegel. Ich habe hektische Flecken auf den Wangen und einen genervten Blick. Der Tag fängt ja super an! Man sollte meinen ein Mädchen wäre froh so angehimmelt zu werden, in der Schule mit Liebesbriefen begrüßt und ständig nach Dates gefragt werden. Ich hasse es. Wahrscheinlich interessieren sich nur 10% wirklich für mich. Die meisten wollen mit mir ausgehen weil ich hübsch und reich bin und eigentlich immer sturmfreie Bude habe, da meine Eltern in der Weltgeschichte herumreisen um Geld zu verdienen. Außerdem bin ich so was die goldene Trophäe der Frauenhelden, der Oscar der Herzensbrecher. Ich bin die harte Nuss die es zu knacken gilt. Ich hatte noch nie einen Freund gehabt, weil ich die Liebe scheiße finde. Man verliebe sich, heiratet und bekommt Kinder und am Ende ist die Luft raus, falls man es überhaupt soweit schafft. Ich bin mir sicher dass viele alte Ehepaare nur zusammen sind weil sie sich an den Anderen gewöhnt haben. Außerdem habe ich mich nie für einen der Jungen interessiert, oder für eines der Mädchen. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen weil die Schulglocke zum ersten Mal klingelt. Ich blicke noch ein Mal in den Spiegel. Perfekte, braune Haare, Lidstrich auch perfekt, die hektischen Flecken fast verblasst. Ich fahre mir durch die Haare, dann stelle ich mich dem unvermeidlichem und trete in den Gang. Nun stürzt sich niemand mehr auf mich, denn keiner würde es wollen, dass die Laura Carter wegen ihm zu spät zum Unterricht kommt. Doch sie folgen mir in einem bedächtigen Abstand. Schnell krame ich meinen Stundenplan hervor. Was habe ich jetzt? Mathe. Genervt stöhne ich auf. Könnte der Tag eigentlich beschissener anfangen? Ich stürme zum angegebenen Raum und lande mit dem Klingeln auf meinem Platz. Herr Hoffmann ist noch nicht da und so habe ich Zeit mich zu sammeln. Ich sitze alleine hinten, niemanden neben mir. Dies kommt daher dass ich alle meine Sitznachbarn verhemend ignoriere. Die Zettel die an mich gereicht werden lasse ich liegen und ich reagiere nicht darauf wenn ein Junge mir zeigt dass er sich meinen Namen mit einem Herzchen drum auf die Hand gemalt hat. Und auch die Konversationsansätze der Mädchen über Kleidung blitze ich eiskalt ab. Und wenn Gruppenarbeit angesagt ist, bringe ich meinen Teil zur Geltung, jedoch ohne Emotionen oder unnötige Gespräche. Ich brauche keine Freunde. Ich komme gut allein zurecht. Plötzlich fliegt ein Zettelchen auf meinen Tisch. Ich blicke auf und sehe einen Jungen hoffnungsvoll grinsen. Ich schnippe den Zettel von meinem Tisch und sein Lächeln erstirbt. Dann kommt Herr Hoffman herein und alle wenden sich zur Tafel. Noch ein Grund weshalb ich mich in jedem Kurs nach hinten setze, so bin ich ein schweres Ziel für Zettelchen, da man sich zum anvisieren umdrehen muss und so was fällt unseren Lehrern sehr schnell auf. Herr Hoffmanns Blick wandert suchend umher, dann runzelt er die Stirn und sagt: „Guten Morgen. Wissen Sie, eigentlich sollten wir heute einen neuen Schüler in diesen Kurs bekommen, aber er scheint nicht da zu sein.“ Da klopfe es an der Tür und ein Junge kommt atemlos hinein gestürmt. „Tut mir Leid Herr...“ Der Junge blickt auf einen Zettel in seiner Hand.“ „Herr Hoffmann, ich hab den Raum nicht gefunden.“ Unser Lehrer lächelt verständnisvoll. „Kein Problem. Bitte stellen Sie sich doch vor.“ Ein Hauch von Unsicherheit blitzt im Gesicht des Jungen auf, doch dann sagt er. „Hallo, uhm ich bin Steven. Steven Ansell.“ Ein leicht britischer Akzent klingt in seiner Stimme mit. Vor mir höre ich zwei Mädchen kichern. „Der hat schon bei ein paar Schülerbands als Drummer gespielt falls sie keinen hatten. Er ist echt süß.“ Sie haben Recht, schlecht sieht er nicht aus. Blonde Haare, klassische Surferfrisur, grüngraue Augen und eine leicht markante Nase. Doch dann kommt er auf mich zu. Shit! Klar, er kennt mich nicht und wird sich natürlich auf den freien Platz setzen, neben mich! Ich sehe wie meine Mitschüler die Luft anhalten. Doch das Einzige was er tut, ist ‚Hi’ zu murmeln, sich zu setzen und seine Mathesachen auszupacken. Herr Hoffmann beginnt mit dem Unterricht und meine Mitschüler wenden sich wieder nach vorne. Auch ich wende mich uninteressiert von ihm ab. Er soll bloß nicht denken ich will versuchen mit ihm zu reden. Die ganze Doppelstunde lang sagt er kein Wort, nur wenn er vom Lehrer aufgerufen wird und dann ist es immer richtig. Als es zur Pause klingelt, beginnt das ‚Weg-hier-Syndrom’. So habe ich es getauft. Bei den Fächern die viele Schüler nicht mögen, versuchen diese möglichst schnell aus dem Raum zu fliehen und der Bereich an der Tür quillt über. Oft geht die Hausaufgabe im aufgeregten Geschnatter unter. Deswegen bleibe ich immer noch etwas auf meinem Platz sitzen. Steven sieht halb entsetzt, halb verächtlich auf den Haufen Schüler der sich durch die Tür zwängt und packt langsam seine Sachen. Herr Hoffmann kommt zu uns. „Ich weiß dies ist Ihr erster Tag und sie müssen sich erst an alles gewöhnen, aber ich bitte sie trotzdem nicht so passiv zu bleiben!“ „Natürlich.“ murmelt er und verschwindet. Der Schülerknäuel hat sich aufgelöst. „Und sie, Frau Carter, ich erwarte dass sie ihn in der Anfangszeit unterstützen.“ „Klar.“ sage ich nur dass es bei mir wohl hörbar ironisch ist. Der Lehrer seufzt. „Es gefällt mir nicht, dass sie sich so abkapseln.“ „Also mir schon!“ zicke ich und verschwinde in die Pause.

Steven
Langsam laufe ich den Gang entlang. Die ersten zwei Stunden waren ja nicht so der Burner gewesen. Das Mädchen neben mir ist ganz hübsch, aber ich habe mich nicht getraut mit ihr zu reden oder sie im besonderen Fall nach einem Treffen zu fragen. Sie hat so einen kalten, abweisenden Blick! Ich hab ja auch gehört wie sie den Lehrer angemotzt hat. Wie aufs Stichwort zischt sie an mir vorbei auf den Schulhof. Ich schüttele den Kopf. Selbst wenn sie ein Date mit mir haben wollte, ich könnte nicht...Nein! Nicht schon am ersten Schultag dran denken! Ich fahre mir mit zitternden Fingern durch die Haare und trete aus dem Schulgebäude. Der Schulhof ist gigantisch, doch es wirkt ordentlich denn alles ist getrennt, wie Müll. Ganz vorne sind die kleineren Kinder, die spielen oder neidisch zu den Älteren gucken. Hinten rechts, unter den Bäumen stehen die Goths und gucken den Rest verächtlich an. Hinten links ist die Raucherecke in der gelacht und um Zigaretten gerangelt wird. Hinten in der Mitte stehen die Reichen, Schönen und Beliebten. In der Mitte steht der normale Rest, doch auch der ist aufgeteilt in die Hopper, ‚Atzen’ wie sich dieses Volk nennt und andere Leute. Ich fühle mich nirgendwo zugehörig, deswegen lehne ich mich einfach an eine Säule und gucke mir meinen Stundenplan an. Gleich habe ich Bio in Bio7. Ich schüttele den Kopf. An meiner alten Schule ging es nur bis Fachraum 3! Diese Schule ist riesig! Die ganze Stadt ist riesig! Mein Vater ist mit der Begründung mitten in die Stadt gezogen, dass er und meine Mutter schon immer Großstadtmenschen gewesen seien und ich ja jetzt alt genug sei um mich in dem Häuserdschungel zu orientieren. Meine Mutter und er hätten dass schon geplant als ich noch ein Baby war. Meine Mutter hätte es bestimmt so gewollt, hatte er gesagt und ihre Urne zärtlich mit dem Daumen berührt. Doch ich bin mir sicher er ist nur in die Großstadt gezogen, weil er so näher am Dealer wohnt. Seit wir hier sind blüht er auf, ich aber fühle mich wie ein Pinguin den man vom Südpol in die Sahara gesetzt hat und ihm sagt „So jetzt sieh zu wie du klarkommst!“ Melancholisch seufze ich, als plötzlich ein Fußball mit voller Wucht gegen meinen Kopf knallt. Die Jungen die vorher mit ihm gespielt haben schauen mich entsetzt an. Ich versuche den Schmerz an meinem Kopf zu ignorieren und werfe den Kleinen den Ball wieder zu. Ich habe heute einfach keinen Bock auf Gefühle, vor allem auf Schmerz. Der wird schon früh genug kommen. Da erinnere ich mich an etwas, dass meine Mutter immer zu mir sagte. „Mach immer das Beste aus deiner Situation, lässt du dich erst Mal hängen kommt dir alles nur noch viel schlimmer vor.“ Es klingelt und ich blicke in grimmiger Entschlossenheit auf den Gebäudeplan. Ich mache jetzt das Beste aus meiner Situation und finde den Bioraum!


i don't know why
i can't function
in this dead end
impossible
i don't know why
it's not that i,
that i don't try,
it's not easy.
(Blood Red Shoes - You bring me down)

2.Kapitel
Laura
Genervt hetzte ich zum Unterricht. Die ganze Zeit hatten irgendwelche Jungen versucht ein Date zu ergattern, einer hatte sogar versucht mir einen Ring zu schenken. Einen Ring! Ich hatte ihn genommen, die anderen Jungen erstarrten, er sah mich triumphierend an, doch dann warf ich ihn im hohen Bogen weg. Die Jungen jubelten, er sah mich sprachlos und verletzt an, doch ich hatte kein Mitleid mit ihm. Er war selber Schuld. Ich bieg eum eine Ecke und knalle mit Steven zusammen. „Pass doch auf!“ fauche ich. „E...Entschuldigung.“ stammelt er verlegen. Ich sehe in sein bedröppeltes Gesicht und mein Zorn wurde kleiner. „Weißt du wo Bioraum 7 ist?“ fragt er hoffnungsvoll. Ich nicke. „Da muss ich auch hin. Komm.“ Ich laufe schnell weiter und er hat Probleme schritt zu halten. Helfen würde ich ihm, aber er sollte nicht auf die Idee kommen ich würde ihn mögen. Im Biotrakt war es brechend voll, da die Lehrer die Räume aufschließen musste und noch keiner da war. „Steven, Steven! Was ist mit deinem Kopf passiert?“ kreischt eine Zicke aus dem Mathekurs. Und jetzt sehe ich es auch. An seinem Hinterkopf prangte eine große Beule. „Ball gegen den Kopf bekommen.“ murmelte er und senkte den Blick. Das Mädchen wollte gerade mehr Informationen aus ihm herauskitzeln da kam unsere Bio-Lehrerin und schloss den Raum auf sodass er vor ihr fliehen konnte. Ich setzte mich auf meinen Platz und hoffte dass in diesem Kurs noch woanders ein Platz frei war doch natürlich war es nicht so und Steven musste sich wieder neben mich setzen. Ich sehe ihn nicht an und er sieht mich nicht an. Stumm arbeiten wir für uns selbst und ich hoffe dass bald jemand aus den Kursen die ich mit ihm hatte jemand austrat und er sich umsetzte, auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich war. Als es zur Pause klingelt versuche sogar ich so schnell wie möglich weg zu kommen. Nicht dass er noch fragt ob wir die Pause zusammen verbringen wollen. Ich renne zu einem der niedrigeren Bäume und klettere auf ihn. Schon sehe ich alle Jungen aus meiner Stufe den Schulhof absuchen. „Wo ist sie?“ „Vielleicht bei den Containern?“ „Oder bei den Rauchern?“ „Vielleicht ist sie auf der Toilette!“ „Genau! Ich warte da auf sie!“ Und schon rennen alle ins Gebäude zurück. Ich grinse zufrieden und beiße genüsslich in einen Muffin. Prompt verschlucke ich mich da Steven auf den Baum zusteuert. Fuck, er muss mich entdeckt haben! Doch er lehnt sich einfach nur gegen ihn, verspeist einen Apfel und studiert seinen Stundenplan. Interessiert spähe ich auf ihn. Schockiert bemerke ich dass er den gleichen Plan wie ich hat! „Shiiiit!“ rutscht es mir heraus. Steven schaut nach rechts und links aber nicht nach oben. Dann zuckt er die Schultern und wendet sich wieder dem Plan zu. Wütend kralle ich mich in die Rinde des Baumes! Meine ganze Isolation ist weg, wegen ihm! Ich möchte ihm schon kindisch auf den Kopf spucken als ein Stimmchen mich daran erinnert dass er mich dann entdeckt und er ja keine Schuld an dem Stundenplan hat. Steven schlendert wieder zum Schulgebäude und ich registriere dass es wohl geklingelt hat. Ich warte noch bis der Schulhof ein wenig leerer ist, dann klettere ich vom Baum runter und mache mich auf den Weg zu Geschichte.

Steven
Es klingelt. Die Schule ist aus. Halb geschockt sitze ich auf meinem Platz. Die Beule an meinem Kopf pocht dumpf. Das war also mein erster Schultag hier gewesen. Ein Reinfall. Immer hatte ich neben diesem Mädchen gesessen, Laura. Ich frage mich wieso sie sonst immer alleine saß. Ich kann mir nicht vorstellen dass sie unbeliebt ist, sie sieht wunderschön aus und reich scheint sie auch zu sein, ihrer Chaneltasche zufolge. Aber sie ist so...kühl. Sie hat mir zwar geholfen, aber schien dabei sehr genervt. Egal, ich sollte so pünktlich wie möglich zu Hause sein. Zügig laufe ich aus dem Gebäude hinaus als mich eine Hand plötzlich nach hinten zieht und mich gegen die Schulwand presst. Verdattert schaue ich mich um und sehe mich von dutzenden von Jungen umzingelt, alle schauen mich wütend an. Ich kann mich nicht erinnern schon am ersten Tag etwas falsch gemacht zu haben. Ein bulliger Typ kommt auf mich zu und das Herz rutscht mir in die Hose. „Ich hab gehört du sitz neben Laura Carter.“ Sein Zeigefinger bohrt sich in meine Brust. „Uhm...Öhm...Ja?“ „Lass bloß die Finger von ihr! Sie würde sich eh nie mit einem wie dir abgeben, dafür hat sie zuviel Klasse! Sie gehört mir!“ Die Anderen die bis jetzt bei seinen Worten zustimmend genickt hatten erstarren bei seinem letzten Satz. „Nein, sie gehört mir“ „ Ne, mir!“ „Ach red keinen Unsinn, Pickelfresse!“ „Wie hast du mich genannt du Zwerg?“ Und schon prügeln sie sich, ich bin vergessen, was mir mehr als Recht ist! Schnell renne ich weg, springe auf mein Fahrrad und fahre weg. Plötzlich brüllt jemand hinter mir, sie haben bemerkt dass ich weg bin. Tränen steigen mir in die Augen. Heute ist ein Scheißtag!


Laura
Genervt schleudere ich meine Tasche in den Flur. Dieser behinderte Steven hat mir den Tag noch schlechter gemacht als er sonst gewesen wäre. Sonst futtere ich nach der Schule fast den ganzen Kühlschrank leer doch heute renne ich sofort in mein Kunstzimmer. Es ist mein Rückzugsort, mein Refugium. Hier darf keines der Hausmädchen rein, oder einer der Butler und auf gar keinen Fall meine Eltern. Schnell ziehe ich einen alten Kittel an, binde mir einen Zopf und reiße ein Tuch von der Staffelei die in der Mitte des Zimmers steht. Ich betrachte das Bild bevor ich weitermale. Man sieht ein geöffnetes Fenster in einem hellen Raum. Der Wind spielt sanft mit den Vorhängen. Eine Frau und ein Mann schauen aus dem Fenster hinaus, er hat seinen Arm zärtlich um ihre Taille geschlungen, ein Kleinkind zupft am Kleid der Frau und in der Ecke steht eine Wiege aus der sich kleine, speckige Babyarme zur Decke recken. Fast alles ist weiß oder hellblau. Es ist ein Bild des Friedens. Ich male nur zwei Arten von Bildern. Einmal die dunklen Bilder, die zeigen wie die Welt wirklich ist. Voller Verzweifelung, Wut und manchmal auch Angst sind die Bilder. Dann sind da die hellen Bilder, die meine Hoffnungen widerspiegeln und zeigen wie es sein sollte. Sie sind meine Träume. Ich seufze gedehnt und fange an zu malen. Ich bin fast fertig mit dem Bild. Ich muss nur noch das Paar anmalen. Konzentriert versuche ich die Falten des Kleides von der Frau zu malen. Die Stunden vergehen und vergehen und plötzlich lege ich den Pinsel weg und bin fertig. Ich bin überwältigt. Während ich male kommen mir meine Bilder immer plump und hässlich vor. Aber wenn ich dann das Ergebnis sehe finde ich es immer überwältigend. Doch ich kann dann nie glauben dass wirklich ich es war die dieses Bild gemalt hat. Ich schüttele den Kopf und lege das Bild zum trocknen auf den Boden. Entsetzt bemerke ich dass es schon acht Uhr. In Höchstgeschwindigkeit verschlinge ich zwei Packungen Mikrowellengulasch und setze mich an den Schreibtisch um Hausaufgaben zu machen. Steven ist vollständig aus meinen Gedanken verschwunden.

Steven
Wir sitzen am Esstisch und essen schweigend Pizza. Er hält mitten im Bissen inne und grunzt: „Woher hast du die Beule?“ „Hab nen Ball gegen den Kopf bekommen.“ murmele ich und sehe weg. Er lacht gehässig. „Hast wohl schon am ersten Tag Ärger angezettelt, was?“ „Nein!“ Wieder spüre ich Tränen. „Komm mit!“ Seine Pranke umschließt grob meine Hand. Ich habe heute wohl eine Überdosis Pechtabletten geschluckt.


just once in my life
I think it'd be nice
just to lose control- just once
with all the pretty flowers in the dust
(Evanescence - loose control)

3.Kapitel
Laura
Am nächsten Morgen wache ich mit einem Lächeln im Gesicht auf. Das Bild ist fertig, über Nacht getrocknet. Schnell laufe ich in mein Kunstzimmer und hänge es auf. Auf der rechten Seite hängen alle dunklen Bilder und auf der linken meine Hoffnungsbilder. Zufrieden sehe ich mich im Raum um und gehe dann zum Frühstücken. Eine Haushälterin hat schon alles bereitgestellt. Ich verputze zwei Croissants und spüle sie mit Orangensaft runter. Dann gehe ich pfeifend in meinen begehbaren Kleiderschrank. Heute ziehe ich eine Jeansbluse an, dazu eine schwarze Hose und Peeptoes in der gleichen Farbe. Meine Haare toupiere ich ein weinig. Make-up drauf, dann schnell der Lidstrich und einen Hauch von Lipgloss. Noch ein paar große schwarze Ohrstecker und ich sehe perfekt aus. Manche würden mich wohl Fragen wieso ich mich schminke und so was alles wenn das die Jungen nur noch mehr auf mich fixiert. Der Grund ist, dass ich perfekt sein muss. So wurde es mir von Kindesbeinen beigebracht. Sei perfekt, sei immer wunderschön und zeige bloß keinen einzigen Makel. Und versuche deine Emotionen zu verstecken, denn wenn du weinst siehst du nicht perfekt aus. Und wenn meine Eltern herausfinden würden dass ich mich schlampig anziehe, was sie sofort bemerken würden, dann würde ich mächtigen Ärger bekommen, großen Ärger. Und dann müsste ich wieder einen Stylisten bekommen, was mich so was von ankotzen würde. Ich schnappe mir meine Schultasche und gehe in die Tiefgarage, in der mein rotes Cabrio auf mich wartet. Ich starte den Motor und drücke auf einen roten Knopf. Die Garagentür öffnet sich und ich fahre zur Schule. Eigentlich darf man mit siebzehn nicht alleine fahren, aber mein Vater kennt den Polizeichef dieser Stadt und somit bin ich fein raus. Jeder Polizist weiß das Laura Carter nie der Führerschein abgenommen wird. Grinsend steige ich aus dem Cabrio und stöckele auf das Hauptgebäude zu. Das Bild hat mir den Tag versüßt, also lassen mich die Liebebriefe und Angebote der Jungen heute kalt. Wir haben jetzt Englisch, eines meiner Lieblingsfächer. Englisch lerne ich schon seit ich klein bin weil Englisch eine wichtige Geschäftssprache ist und da meine Eltern wollen dass ich Geschäftsfrau nenne muss ich sie wohl oder übel lernen. Aber ich spreche auch fließend Französisch, Spanisch, Russisch und ein wenig Chinesisch und Japanisch. Als ich den Klassenraum betrete sinkt meine Laune ein wenig. Ach ja, Steven. Er steht hinten und schaut sich ein Plakat über Shakespeare an. Ich mache ihn nicht auf mich aufmerksam, ich möchte so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Steven wartet bis alle da sind und er bemerkt dass der einzige Platz mal wieder nur neben mir ist. „Morgen.“ sagt er grinsend. Ich nicke nur um zu zeigen dass ich ihn gehört habe. „Wir haben wohl echt viel zusammen.“ meint er, jetzt nicht mehr so überschwänglich. Wieder nicke ich nur. Er wendet sich von mir ab und holt seine Englischsachen heraus, ich tute es ihm nach. Unser Englischlehrer kommt überschwänglich herein. „Good Morning!“ ruft er und grinst uns an. „We are having a new pupil in this class. Please, introduce yourself.“ „I’m Steven Ansell.“ Jetzt ist der britische Akzent vollkommen hörbar. Herr Keidel zieht eine Augenbraue hoch. „So you’re from England?“ „Yes, but we moved to Germany when I was three years old. We lived in London before.“ Ich habe kaum einen glücklicheren Menschen als Herrn Keidel gesehen. Er freut sich seinen Arsch ab, nur weil Steven Engländer ist. Er erzählt uns von den Chancen die man hat, wenn man in ein anderes Land zieht und so weiter. Ich finde zwar es macht Steven noch attraktiver, vor allem weil ich nach meinem Abi nach London ziehen möchte und den Kontakt zu meinen Eltern einfrieren lassen will. Alles vergessen. Aber soweit ist es noch nicht. Noch ein Jahr und dann wäre ich sie los. Naja...aber trotzdem ist er mir egal. Nachdem Herr Keidel mit seiner Lobpreisungsrede auf Steven fertig ist beginnt der Unterricht wieder Spaß zu machen. Wir bekamen den Vokabeltest wieder, ich hatte wie immer die volle Punktzahl, dann sahen wir einen kleinen Film über Teenager in England und den Rest der Doppelstunde diskutierten wir über das Gesehene. Ich fühle mich super, das können selbst die Jungen nicht ändern die mich in der Pause umschwärmen wie Motten das Licht. Jetzt ist Politik dran und auch hier bin ich spitze, wollen meine Eltern doch dass ich später so gute Geschäfte mache wie sie! Doch dann passierte es. Wir sollen mitschreiben und voller Überschwänglichkeit drücke ich den Füller zu fest in das Papier. Krack! Die Feder spaltet sich. Alle Köpfe drehen sich zu mir. Unser Politiklehrer hat eines klar gestellt. In seinem Unterricht wird nur mit Füller geschrieben, hat man keinen ist das Pech und man darf nicht mitschreiben. Steven bricht die Stille. „Ich hab einen zweiten Füller, willst du?“ Nein, ich will deinen verfickten Füller nicht! Will ich am liebsten brüllen, doch stattdessen versuche ich zu lächeln, mein Gesicht ähnelt wohl eher einer Fratze, und sage: „Danke, das ist nett von dir.“ Unsere Finger berühren sich und mindestens in diesem Moment werden alle Jungen wütend. Steven der ihre Killerblicke bemerkt wird rot und senkt den Kopf. Wütend rümpfe ich die Nase und schreibe weiter. Mann, diese Jungen sind echte Sucker! Nach dem Politikunterricht haben wir Deutsch, auch eines meiner Lieblingsfächer, doch darauf habe ich echt keinen Bock mehr und das nur wegen Steven. Was fällt diesem Typen eigentlich ein zu existieren? Diese Pause verschanze ich mich im Mädchenklo. Ich überlege ob ich schwänzen soll, schlimm wäre es nicht weil die Direktorin mit meinen Eltern befreundet ist, sodass alle unentschuldigten Fehltage nicht auf dem Zeugnis zu sehen sind, doch trotzdem hält mich etwas zurück. Ich werde mir doch nicht von so einem Typen wie ihm den Unterricht versauen lassen! Da fällt mir etwas ein. Unser Tutor hatte am Anfang des Schuljahres gesagt dass man Kurse wechseln könnte wenn man Probleme hat. Schnell stürme ich aus der Toilette und der Überraschungsmoment ist auf meiner Seite denn die Jungen die vor dem Mädchenklo rumlungerten haben wohl nicht erwartet dass ich so herausgeschossen komme. Doch bald rennen sie mir hinterher. Es erfüllt mich mit Genugtuung dass ich selbst auf Absätzen schneller bin als sie, was wohl auch daran liegt dass sie sich gegenseitig zurückdrücken. Ich erreiche das Sekretariat, atemlos aber gefasst. Die Sekretärin sieht mich verwundert an. „Alles in Ordnung, Schätzchen?“ „Ja.“ Ich schnappe nach Luft. „Ich möchte Kurse wechseln.“ „Und welche?“ „Alle.“ Die Augenbrauen der Sekretärin schießen hoch. „Tut mir Leid Süße, aber das geht nicht.“ Sie tippt etwas auf dem Computer herum. „ Ehrlich gesagt kannst du gerade keinen einzigen Kurs wechseln, alle sind komplett belegt.“ „Was?!“ fauche ich. „Es tut mir Leid aber...“ „Ach sparen sie sich das!“ pöbele ich und stürme aus dem Sekretariat. Hoffentlich wird Deutsch besser.

Steven
Ich hatte mich so schnell wie es geht in eine abgelegene Ecke des Schulhofes verdünnisiert da ich keine Lust hatte wieder fast zusammengeschlagen zu werden. Doch die Jungs die mir begegnen werfen mir nur grimmige Blicke zu und manchmal zischen sie Dinge wie: „Pass bloß auf, dich mach ich fertig wenn du sie noch mal berührst.“ Ich will ihnen gerne hinterher rufen: „Ich hab ihr doch bloß einen Füller gegeben! Außerdem gehört sie keinem von euch, sie ist kein Eigentum!“ Doch stattdessen blicke ich nur zu Boden und versuche sie zu ignorieren. Außerdem bin ich mir sicher dass Laura mich hasst, dabei kenne ich sie erst einen Tag lang. Ihr Verhalten in Englisch war Eindeutig. Ich kann nur hoffen nicht mehr so viele Kurse mit ihr zu haben.

Laura
Deutsch in der Oberstufe ist super. Du machst nichts mit Grammatik, nur die Literatur zählt. Ich liebe es Texte zu analysieren du mich mit ihnen auseinander zu setzen. Steven würde diese Stunde nicht verbocken und wenn doch würde er meinen tödlichen Laserblick zu spüren bekommen. Unsere Deutschlehrerin, eine zierliche Frau, war begeistert von Steven: „Endlich haben wir eine gerade Zahl in unserem Kurs. Heute fällt euch das zugunsten, denn ihr werdet zu zweit Referate halten. Jetzt hat auch Laura endlich einen Partner. Den Autor den eure Gruppe behandelt werde ich euch gleich zeigen. Ihr werdet die Referate auch zuhause bearbeiten müssen.“ Während ihrer kleinen Rede wurden meine Augen immer größer und mein Mund öffnete sich immer weiter und ich warte darauf dass gleich nach Comicmanie mein Unterkiefern mit einem dumpfen Prall auf den Tisch schlägt. Langsam löst sich mein Schock und ich brodele vor Wut. Steven, Steven, Steven, immer Steven. Kann er nicht einfach wieder in den Vorort verschwinden, da wo er hergekommen ist? Während ich mit verschränkten Armen vor mich hinschmolle verteilt unsere Deutschlehrerin Zettel mit Informationen über den jeweiligen Autor. Dann kommt sie an unseren Tisch. „Ich bin froh dass du endlich einen Sitznachbarn hast Laura, jetzt musst du dich nicht immer wie das fünfte Rad am Wagen fühlen. Ich bin mir sicher ihr werdet gut miteinander auskommen. So ihr bekommt Max Frisch.“ Na gut, wenigstens ein Autor den ich mag. Ich wende mich an Steven: „Ok, wir machen das so. Du machst was zuhause, ich mach was zuhause und in der nächsten Deutschstunde picken wir uns die besten Sachen raus.“ Als hätte sie gehört was ich gerade gesagt hab ruft unsere Lehrerin: „Aber trefft euch wirklich zuhause, ich merke es wenn ihr das nicht tut!“ Ich blase empört die Backen auf, was Steven nicht entgeht. „Du hasst mich, oder?“ Seine Frage trifft mich wie ein Faustschlag. „Was?“ Er lächelt bitter. „Wieso sonst würdest du dich nicht für eine reine Schulsache mit mir treffen wollen?“ „Ich will einfach alleine arbeiten, ok?“ Er nickt aber ich habe das Gefühl er glaubt mir nicht. Entnervt seufze ich. „Bei dir oder bei mir?“ „Bei dir.“ Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. Ich sehe in verdattert an. „Mein Alter macht Stress.“ murmelt er und ich nicke nur. Dieses Mal glaube ich ihm nicht. Die Stunde lang arbeiten wir uns durch die Informationen zu Frisch und dann verabreden wir uns für Samstag. Ein Tag wunderbares Zeichnen geht flöten für ihn. Aber egal. Da muss ich jetzt durch. Am Fenster des Cabrios hängt ein Herzchen und ich will gar nicht wissen was drin steht. Auf meiner Motorhaube sitz ein Teddy. Ich schmeiß ihn auf den Boden. Mein Auto rumpelt unbarmherzig als ich über ihn fahre.

Im Haus erwartet mich Helga, eine pummelige, warmherzige Haushälterin die ich seit meiner Geburt kenne. „Hallo Helga.“ Sie ist eine der wenigen Menschen die ich nicht vollständig verachte. „Ihre Eltern haben angerufen Fräulein Carter, sie sollen um halb fünf mit ihnen skypen.“ Ich verdrehe die Augen. „Na gut.“ Meine Eltern bestehen darauf dass wir einmal in der Woche miteinander in Kontakt treten. Eigentlich könnten wir uns das sparen da wir eh nur Höflichkeitsfloskeln austauschen, aber sie wollen es ja unbedingt. Bis halb fünf mache ich Hausaufgaben, dann starte ich das Programm. Es ist soweit, meine Eltern erscheinen auf dem Bildschirm. „Hallo Laura.“ „Hallo Mutter, Vater.“ „Und mein Schatz wie geht es dir?“ fragt meine Mutter, wie immer total aus dem Häuschen wegen der tollen Technik. „Sehr gut und wie geht es euch?“ Meine Stimme klingt hölzern, schon jetzt ist mein ganzer Körper angespannt. „Uns geht es gut, danke. Es freut mich zu hören dass du wohlauf bist.“ sagt mein Vater steif. Er räuspert sich. „Laura wie du weißt haben wir uns immer für dich gewünscht dass du Geschäftsfrau wird.“ Ich wittere Unglück. „Ja?“ frage ich misstrauisch. „Und naja hier kannst du in die Firma eines Freundes eingewiesen werden, nach dem Abi und Studium natürlich.“ „Aber das ist in Washington!“ rufe ich entsetzt. Meine Maske der Förmlichkeit ist von mir abgefallen. „Laura, bitte!“ ruft meine Mutter. „Ich werde es mir überlegen.“ sage ich barsch. „Eigentlich war das keine Bitte.“ sagt mein Vater und sieht meine Mutter wütend an. Ich habe genug und beende Skype. Nie werde ich nach Washington gehen, nie! Meine Eltern können mir doch nicht einfach so meine Pläne versauen! Tränen der Wut und Verzweifelung verschleiern meinen Blick. Dann atme ich tief durch und lasse mich auf mein Bett fallen! London wird mein Ziel sein und kein blödes Washington!

Steven
Ich wache auf weil ich Durst habe. Verschlafen schaue ich auf meinen Wecker. Halb zwölf, na toll. Er ist bestimmt noch wach. Ich versuche wieder einzuschlafen aber der Durst ist zu stark. Auf Zehenspitzen schleiche ich aus meinem Zimmer. „Wieso muss diese Treppe nur aus Holz sein?“ frage ich mich wütend während unter mir die Stufen ganz leise knarren. Aber ich schaffe es. Ich schleiche am Wohnzimmer vorbei in dem er sitzt und sich irgendeine Scheiße im Fernseher reinzieht. Ich habe es fast geschafft und werde triumphierend schneller, als ich auf seiner Jacke ausrutsche, die er achtlos auf den Boden geworfen hat. Ich pralle mit einem lauten Knall auf den Boden, der Schmerz zuckt durch meinen Körper. Sein Kopf schießt in meine Richtung, einen Blick wie ein Jagdhund der seine Beute entdeckt hat. „Komm her.“ blafft er. Ich rappele mich auf und gehe zu ihm, obwohl ich am liebsten weggerannt wäre. Aber das bringt auch nichts. Meistens kriegt er mich eh, noch bevor ich die Tür überhaupt geöffnet habe. Mental bereite ich mich auf den Schmerz vor, dann setze ich mich mit zitternden Knien aufs Sofa.


There's my father looking on
And there's my girlfriend arm in arm
With the captain of the other team
And all of this is clear to me
They condescend and fix on me a frown
How they love the sporting life
(The Decemberists - The sporting life)
4.Kapitel

Laura
Es ist warm. Zu warm. Verdutzt renne ich zum Fenster und reiße es auf. Warme Sommerluft kommt mir entgegen, es ist ein wolkenloser Morgen. Ein Blick aufs Thermometer, 17 Grad. Ich stöhne auf. Super. Perfekt. Scheiße. Durch diese verfuckte Wärme wird jeder gute Laune haben, der ich zum Opfer fallen werde. Unten wartet Helga auf mich, sie hat die Hände im Schoß gefaltet und sieht mich gutmütig an. „Ihre Eltern sagten Sie wären gestern sehr aufgebracht gewesen.“ Ich grunze unbestimmend. „Ich soll Ihnen ausrichten dass es das Beste für alle sei wenn sie nach Ihrem Abitur nach Washington ziehen, dort studieren und dann der Firma beitreten.“ Ihre Stimme trieft voller Mitleid, was meine Lust sinken lässt irgendetwas dazu zu sagen. „Und, wollen sie nun nach Washington gehen?“ Ich ignoriere sie geflissentlich. Bekümmert streicht sie ihren Rock glatt und steht auf. „Bis morgen sollten sie sich entschieden haben.“ Dann geht sie. Wütend beiße ich in mein Croissant. Washington, bäh. Um mich abzulenken schalte ich das Radio an. „...Das Öl tritt immer noch aus dem Tanker aus. Tausende von Tieren leiden unter dem Unfall...“ Und schon ist es wieder aus. Ich blicke es verächtlich an, als ob es an all dem Übel der Welt Schuld wäre. Ich bin wütend auf die Menschheit. Wie können sie der Natur nur so etwas antun? Langsam gehe ich zurück in mein Zimmer und versuche die Bilder von ölverschmierten Vögeln aus meinem Kopf zu verbannen. Lustlos suche ich mir Sandalen, einen kurzen Rock und ein Top aus. Ich blicke in den Spiegel um mich zu schminken und sehe wie blass ich bin. Ich seufze und fange an meinen Lidstrich zu ziehen. Als ich fertig bin setzte ich ein falsches Lächeln auf, sodass ich fast wieder in Ordnung aussehe. Heile. Ich merke schon dass mein nächstes Bild ein dunkles werden wird. Im Cabrio drehe ich die Musik voll auf. Rage against the machine. „Why stand
on a silent platform. Fight the war. Fuck the norm!“ brüllt mir Zack de la Roche entgegen. „Ja wieso?“ murmele ich und fahre los. Der Schulhof ist voll von gut gelaunten Schülern die schnatternd ins Gebäude laufen. Der erste richtige Sommertag. Wuhu. Ich steuere auf die Sporthalle 1 zu. Ich hasse und liebe Sport. Ich liebe es mich zu bewegen aber sobald Dinge mit Hilfestellung angesagt ist rangeln sich alle Jungen nur darum wer diese Ausführt um einmal meine kostbare Haut zu berühren. Kotz. Zwar hat unser Sportlehrer das bemerkt und lässt jetzt niemanden mehr an diese Aufgabe ran, doch viele versuchen immer noch ihn zu überreden. Vor der Sporthalle stehen schon einige Schüler. Fiona, ein zierliches Mädchen kommt angehüpft. „Laura! Was machst du an diesem ersten warmen Wochenende?“ quiekt sie. Sofort wenden sich die Köpfe der anwesenden Jungen interessiert zu uns. Alle außer der von Steven. Er blickt stur auf den Boden. „Was geht dich das an?“ schnauze ich angepisst. Fiona wird knallrot. Ihre Lippe zittert. Uh Oh, hoffentlich fängt sie nicht an zu flennen. Doch sie dreht sich zu ihren Freundinnen um und kreischt: „Habt ihr das gehört? Laura Carter hat mit mir gesprochen!“ Ihre Freundinnen schauen sie neidisch an. Sag mal hat denn niemand gemerkt was ich ihr gesagt habe? Verblüfft lehne ich mich gegen die Sporthalle. Plötzlich bin ich von Jungen umzingelt. „Laura, was machst du am Wochenende?“ fragen sie im Chor. Ich bin drauf und dran dem nächsten von ihnen eine zu scheuern da kommt unser Sportlehrer an und öffnet die Tür zur Halle. Noch bevor die Tür vollständig offen ist schlüpfe ich unter seinem Arm hindurch und fliehe in die Umkleidekabine. „Hey!“ ruft mein Lehrer entrüstet aber ich drehe mich nicht um. Ist mir doch egal was er davon hält.

Steven
In der Umkleidekabine suche ich mir die abgelegenste Ecke aus und wende mich der Wand zu. Krampfhaft achte ich darauf dass niemand meinen Bauch sieht. Bei jeder Bewegung die ich im Augenwinkel sehe zucke ich zusammen. Doch ich schaffe es mich umzuziehen bevor jemand etwas bemerkt. Dann verschwinde ich in die Halle. Es ist noch niemand da und ich will schon auf die Bänke zusteuern doch da merke ich dass Laura dort schon sitzt und mich wütend ansieht. Also bleibe ich wie ein Vollidiot mitten in der Halle stehen. Wenigstens scheint die Sonne. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Heute Nachmittag werde ich rausgehen.

Laura
Steven hat wohl meinen abweisenden Blick gesehen denn er bleibt mitten auf seinem Weg zu den Bänken stehen. Er wendet sich ab doch ich sehe wie er anfängt dümmlich zu grinsen. Bäh, wieso sind heute alle so gut drauf? Langsam trudeln die Anderen ein und albern herum. Fiona setzt sich neben mich und versucht ein weiteres ‚Gespräch’ anzufangen doch ich ignoriere sie dieses Mal und nach einiger Zeit gibt sie es auf. Dann kommt auch unser Sportlehrer und der Unterricht fängt an. „Heute beginnen wir mit dem neuen Thema!“ Er legt eine Kunstpause ein und die Spannung steigt. Arschloch. „Basketball.“ Na wenigstens etwas. Nichts mit allzu viel Körperkontakt. Unser letztes Thema war Kämpfen gewesen. Ich wäre fast von den Jungen überrannt worden, die mich als Partnerin haben wollte. Am Ende habe ich aber zum Glück ein Mädchen abgekriegt. Die Jungen blicken enttäuscht zu mir. Diese Stunde werden wir in das Dribbeln und Werfen eingeführt und es macht wirklich Spaß. Ich bin wirklich gut doch oft habe ich viel zu viel Kraft, was an den aufgestauten Aggressionen von heute morgen liegt. Nach der Stunde sind viele total verschwitzt, nur ich bin noch fit. Es fühlt sich an als hätte ich mich gerade erst aufgewärmt. Ich bin froh dass ich meine Aggressionen ein wenig abgebaut habe, denn ein Haufen Briefchen fällt mir in die Arme als ich meinen Spind öffne. Wie so oft frage ich mich wieso sie mir immer noch Liebesbriefe schreiben, wo ich doch noch nie einen beantwortet habe.
Unsere Musiklehrerin ist eine junge, quirlige, freundliche Frau. Ich hasse sie. Sie, die jeden Tag glücklich ist auch wenn irgendwo ein Attentat mit hunderten von Toten ausgeübt worden ist. Sie, die immer frisch aussieht, was wohl daran liegt dass sie nicht die halbe Nacht wach liegt und sich mit dem Gedanken quält dass die Welt von den Menschen zerstört wird, Stück für Stück, immer mehr. Auch heute kommt sie wieder mit einem fetten Grinsen in die Klasse. „Hallooooo.“ ruft sie und knallt ihre Tasche auf den Tisch. Dann springt sie ans Klavier und spielt irgendeine fröhliche Musik während sie bekifft grinst. Alle Lehrer haben in den letzten Tagen am Anfang der Stunde den Öltanker erwähnt der verunglückt ist, nur sie nicht. Schlampe. „Alsoooooo...“ Ich hasse es wie sie die Wörter lang zieht, wie Kaugummi. „Wir haben einen neuen Schüler im Kurs, ihr hattet ihn bestimmt alle schon in einem anderen Kurs.“ Zustimmendes nicken. „Spielst du ein Instrument?“ „Ja, Schlagzeug.“ „Supidupi.“ Meine Mundwinkel zucken verächtlich. „Spiel was!“ fordert Selena, die zickigste aller Zicken mit zuckersüßer Flirtstimme. Sie ist wie ich reich aber über ihr Aussehen lässt sich streiten. Sie ist superbeliebt aber es ärgert sie dass ich ohne mit jemandem zu reden noch populärer bin als sie. Und sogar ich habe mitbekommen dass sie sich Steven krallen möchte damit nicht jeder Junge an der Schule für mich schwärmt. Ich hoffe sie schafft es, dann stört er mich vielleicht nicht mehr so sehr. „Nö.“ murmelt Steven und in Selenas Augen blitzt Ärger auf. Jetzt fangen alle Mädchen im Chor zu rufen: „Spielen! Spielen! Spielen!“ Doch Steven wird nur verkrampfter. „Aaaaaach, der junge Herr ist doch nur schüchtern, vielleicht will er später was spielen.“ Selena schmollt und auch ich bin wütend. Hätte er nicht einfach ja sagen können und sich von Selena einwickeln lassen? Dann müsste ich mich am Samstag nicht mit so vielen Annäherungsversuchen rumschlagen! Dann beginnt auch noch diese Kackbratze die sich Lehrerin nennt irgendetwas von musikalischer Befreiung zu labern. Und spätestens da bin ich weg.

Steven
Der Kunstraum ist gigantisch. Und unordentlich. Überall stehen Farbtöpfe, Leinwände und andere Malutensilien herum. Die Wände sind voll von Bildern und die Tische sind überall verstreut. Ich liebe diesen Raum sofort. Mein Kunstlehrer, ein verrückter alter Mann, sagt mir ich soll einfach irgendwas bis zum nächsten Thema malen. Ich setze mich ganz nach hinten und da der Kunstraum so groß ist muss ich auch nicht neben Laura sitzen. Sie hat ihren Platz zwei Tische vor mir und ich habe mich extra hinter sie gesetzt damit ich nicht immer ihre eisigen Blicke spüren muss. Ich nehme ein großes Blatt und fange an zu zeichnen. Ich bin zwar nicht besonders gut im malen doch hinter meinen Bildern steckt Gefühl und das macht sie zu was besonderem. Zumindest sehe ich das so. Wenn ich zeichne vergesse ich alles um mich herum, doch trotzdem ist es nicht eines meiner Hobbys. Früher haben ich und meine Mutter immer zusammen gezeichnet, das künstlerische hatte ich definitiv von ihr. Wir saßen stundenlang und haben gezeichnet und uns gegenseitig verbessert und geredet. Und dann...Ich hatte versucht wieder mit dem Malen anzufangen doch ich vergaß mich immer so sehr dass ich dann fragte: „Was hältst du davon, Ma?“ Die Stille antwortete mir, erinnerte mich höhnisch an das Geschehene. Meistens saß ich dann einige Stunden starr auf dem Malhocker während die Tränen kleine Pfützen unter meinen Füßen bildeten. Also hatte ich es aufgegeben und malte nur noch in der Schule. Ich male ununterbrochen bis es zum ersten Mal klingelt. Ich lasse den Stift aus meiner verkrampften Hand fallen und versuchte nicht aufs Bild zu schauen aus Angst etwas gemalt zu haben dass mich erinnern lässt. Also sehe ich mir die Bilder der anderen an. Sie hatten ein Musikstück gehört zu dem sie malen sollten. Anscheinend war es sehr fröhliche Musik gewesen da fast alle Blumenwiesen malen. Auch Laura, doch ihr Bild ist anders. Die Blumen blühten in einer überwältigenden Farbenpracht, doch hinten sieht man die Skyline einer Großstadt und riesige Bulldozer und ähnliche Fahrzeuge rücken bedrohlich an sodass klar ist was gleich geschehen würde. Ich wende mich da mir jemand auf die Schulter tippt. Es ist Selena, diese nervige Zicke aus dem Musikkurs. „Was haste denn gezeichnet?“ fragt sie während sie demonstrativ an ihrem Ausschnitt rumzupft. „Uhm...“ Ich blicke auf mein Bild. Der Teich. Mir wird schlecht und alles fängt an sich zu drehen. Der Teich. Das Gesicht meiner Mutter. Der Schrei der Krähe. „Wasn mit dir los?“ Selenas nasale Stimme zieht mich zurück und ich merke dass ich meine Hände zu Fäusten geballt habe, meine Fingernägel schneiden mir ins Fleisch. „Geht dich nichts an.“ fauche ich und Selena zieht verschreckt ab. Blut sickert aus den Wunden die mir meine Fingernägel zugefügt haben. Ich starre unverwandt auf das Bild. Der Teich ist umringt von Trauerweiden. Ein paar Blumen stehen um ihn herum. Ich massiere mir meine Schläfen und weiß nicht was ich tun soll. Am liebsten würde ich das Bild zerreißen doch dann seufze ich und greife mir meine Stifte. Ich werde es zu ende malen. Für meine Mutter.


I must become a lion hearted girl
Ready for a fight
Before I make the final sacrifice

Kapitel 5.
Laura
Ich wollte gerne zu Steven hingehen und ihn anbrüllen doch gefälligst Selenas Annäherungsversuche anzunehmen. Dieser Vollpfosten hatte sie heftigst angefaucht, keine Ahnung wieso doch Selenas Reaktion darauf ist nicht sehr prickelnd. Sie tuscheln angeregt mit ihren Freundinnen und guckt immer wieder entsetzt in seine Richtung. Dieser Typ versaut einfach alles! Wütend starre ich ins Nirgendwo und wünsche mir Steven würde es nicht geben.

Ich sitze auf meinem Bett mit dem Telefon in der Hand. Soll ich sie anrufen oder doch nicht? Am Ende fasse ich mir ein Herz und drücke auf anrufen. Keiner von beiden geht ran doch die Mailboxtante bittet mich höflich doch eine Nachricht zu hinterlassen. „Hallo, Mutter, Vater, hier spricht Laura. Ich wollte euch nur sagen dass ich nicht nach Washington kommen werde. Ich habe meine eigenen Pläne. Auf Wiedersehen“ Ich lasse mich nach hinten fallen und starre die schneeweiße Decke an. Mein Puls rast. Plötzlich habe ich das Gefühl etwas Falsches getan zu haben. Das Telefon klingelt. „Hallo Laura Carter?“ „Hier ist dein Vater. Ich habe deine Nachricht abgehört. Die Handtasche deiner Mutter ist einfach zu groß um ein kleines Handy sofort zu finden.“ „Hallo.“ „Also ich komme sofort zur Sache. Du wirst nach Washington kommen.“ „Nein.“ „Oh Doch! Das wird eine super Start ins Geschäft für dich werden!“ „Was ist wenn ich das gar nicht möchte?“ frage ich scharf. Ich höre ihn entsetzt nach Luft schnappen, als wäre er nie auf so eine Idee gekommen. „Na hör mal junge Dame, wir haben dich für diesen Job großgezogen!“ brüllt er ins Telefon. „Dann tut es mir Leid das ihr euch für nichts abgerackert habt.“ sage ich eiskalt und ruhig, dann beende ich das Gespräch. Würde ich etwas für meine Eltern empfinden würde ich jetzt wegen dem letzten Satz meines Vaters weinen. Doch da ist schon lange nichts mehr. Ich versuche mich daran zu erinnern wann ich aufgehört habe sie zu lieben. Das war mit elf, glaube ich. Da wurde mir langsam klar was sie für Menschen waren. Monster. Doch schon vorher hatte ich sie nie ganz geliebt. Ich erinnere mich an eine Reise. Ich weiß nicht mehr wo es war, aber es war sehr warm und der Hauptbestandteil der Bevölkerung war dunkelhäutig. Vater wollte da irgendein Geschäft abwickeln. Am Anfang war alles bunt und wunderschön, doch dann führten meine Eltern mich, mit Bodyguards natürlich, in ein Viertel in dem alles dreckig war. Die Menschen wohnten in Wellblechhütten. Wie ich später erfuhr, war es ein Slum. Verschreckt klammerte ich mich an meinen Vater. Irgendwann blieben wir stehen und er und zeigte auf einen Mann in zerlumpter Kleidung der seelenlos nach vorne starrte und vor sich hin murmelte. „So endet man wenn man es zu nichts bringt. Also pass auf dass du so wirst wie ich und deine Mutter.“ „Können wir ihm denn nicht helfen?“ piepste ich und starrte den Mann mit großen Augen an. Mein Vater lachte gehässig. „Wieso sollten wir? Er hat es nicht anders verdient.“ Ich glaube damals war ich vier gewesen. Vaters gehässiges Lachen klebt bis heute in meinem Gedächtnis wie Kaugummi und an diesem Tag ist etwas in mir zerbrochen, dass man wohl Elternliebe nennt. Doch bis zu einem gewissen grad glaubte ich ihnen, da ich ja noch nichts von der Welt wusste. Von Slums und Ghettos und was weiß ich. Doch als ich anfing die Wirtschaft zu verstehen, da fing das Körnchen Hass an zu gedeihen und sich durch meinen ganzen Körper zu schlingen. Aber es macht mir nichts aus, denn dieser Hass zeigt mir wie die Welt wirklich ist. Und dafür bin ich dankbar. Ich rolle mich zu einer Kugel zusammen und habe wirklich das Gefühl das alles einen Rotstich hat. Es heißt man sieht rot vor Wut. Ich sehe rot vor Hass. Ich schließe die Augen und bin mir ziemlich sicher dass die Menschen die Welt nicht verdienen. Ich versuche mich so klein wie möglich zu machen, mit dem Wunsch zu verschwinden und die gesamte Menschheit mit mir zu ziehen.

Steven
Endlich hab ich einen Aspekt gefunden der mir an der Großstadt gefällt. Die Anonymität. Wenn ich spazieren gehe um meinen Kopf frei zu bekommen, dann muss ich nicht damit rechnen jemandem über den Weg zu laufen der mich kennt. Ich gehe raus um zu vergessen, aber auch um nachzudenken. Deswegen hasse ich es wenn ich angesprochen werde. In der Großstadt kümmert sich niemand um einen Jungen der einfach nur herumsteht und in den Himmel glotzt. Oder der verzweifelt die Fäuste zusammen ballt und die Lippen aufeinander presst. Niemand fragt was los ist. Doch heute bin ich glücklich. Die Sonnenstrahlen wärmen mich und ich erinnere mich daran wie ich früher mit meinen Eltern in die Stadt gefahren bin um ein Eis zu essen. Auch heute kaufe ich mir eins, aus nostalgischen Gründen. Während der Geschmack eiskalt auf meiner Zunge zergeht erinnere ich mich an die alten Tage, als alles noch perfekt war. Als Dad noch normal war. Die Erinnerung lassen mich unwillkürlich lächeln. Ich hatte schon lange kein Eis mehr gegessen.

Laura
Es ist Samstag. Steven kommt um zwei. In einer halben Stunde also. Ich bin total gereizt und habe sogar Helga angeschnauzt. Doch sie hat es mir verziehen und kommt wieder an, gutmütig wie immer. „Sie hatten gesagt Sie erwarten besuch?“ fragt sie mich. Ich seufze. „Ja, ein Junge aus meinem Deutschkurs. Wir müssen ein Referat halten.“ Alles, von meiner Haltung bis zu meiner Stimme, an mir zeigt deutlich wie wenig mir das gefällt. Helga nickt verständnisvoll. „Soll ich Ihre Eltern darüber informieren?“ Erschrocken reiße ich die Augen auf. „Helga, sind Sie verrückt? Meine Eltern denken am Ende noch ich würde etwas mit einem Jungen aus der Mittelschicht anfangen und dann kommen sie hier angetanzt, was ich überhaupt nicht gebrauchen kann! Am Ende nehmen sie mich mit nach Washington!“ Helga lässt sich von meinem kleinen Ausbruch nicht aus der Ruhe bringen. „Wie sie wollen, ich werde ihnen nichts sagen.“ Dann verschwindet sie wieder. Die letzte halbe Stunde beschäftige ich mich damit, alles irgendwie Emotionale aus meinem Zimmer zu entfernen. Doch das geht schnell da ich das sowieso schon getan habe. Also nehme ich mir den Flur vor. Ein Bild von mir als Baby, weg. Ein Bild mit mir und meiner Familie, weg. Ein Portrait von mir, das meine Eltern letztes Jahr haben anfertigen lassen, auch weg. Ich räume alles in mein Kunstzimmer. Um Punkt zwei Uhr klingelt es. Vor der Tür bleibe ich kurz stehen, möchte sie nicht öffnen, doch dann atme ich noch ein Mal tief durch und mache sie auf. „Guten Tag, Steven.“ sage ich förmlich ohne mir auch nur die Mühe zu machen ein falsches Lächeln aufzusetzen. „Hallo.“ Man sieht ihm deutlich an das er nicht weiß wie er sich verhalten soll. „Du kannst deine Schuhe anlassen.“ informiere ich ihn dann drehe ich mich um und gehe in mein Zimmer. Er läuft mir hinterher und schon an seinen Schritten merke ich dass er nervös und verwirrt ist. Ich will gerade die Tür zu meinem Zimmer öffnen da kommt Helga hinaus. „Fräulein Carter, ich habe Ihnen und Ihrem Gast nur etwas zu trinken zur Erfrischung hingestellt.“ „Danke Helga.“ sage ich genervt. Ich hatte eigentlich nicht vor ihm etwas anzubieten. Naja egal. Steven steht in meinem Zimmer und sieht sich verdutzt um. „Oh, wow.“ murmelt er und hört sich perplex an. „Was?“ fauche ich. seine Wangen werden ein wenig rot. „Uhm...ehrlich gesagt hab ich mir dein Zimmer anders vorgestellt.“ „Und wie?“ frage ich zuckersüß bedrohlich. Ich hätte es dabei belassen sollen aber der Typ pisst mich einfach an. Jetzt ist er knallrot. „Irgendwie lebendiger.“ Ich verstehe was er sagen will. Er glaubt wohl, ich will nach außen hin kalt und unnahbar wirken, aber in meinem Inneren bin ich ein unverstandendes Mädchen mit Gefühlen. Tja, da muss ich ihn leider enttäuschen. Ich nicke nur knapp und deute auf einen Ledersessel. Er versteht und setzt sich. Ich fange sofort an, mein Ziel ist es Steven so schnell wie es geht aus meiner Wohnung zu bekommen. Ich merke, dass er sehr wohl intelligent ist, aber zu schüchtern ist dies zu zeigen. Na super, so muss ich fast alles machen. Trotzdem geht es zügig voran, nach einer Stunde sind wir fast fertig. „Also gut, wir müssen uns jetzt nur noch ein Werk von ihm heraussuchen und genauer darauf eingehen. Aber ich finde wir sollten jetzt erst Mal das Vortragen üben.“ Steven nickt. Ich stehe auf und fange an meinen Part vorzutragen. „Max frisch war eine der bedeutendsten, deutschsprachigen Autoren des Zwanzigsten Jahrhunderts. Er wurde am...“ Ich mache meine Sache ziemlich gut, doch dann lasse ich das Blatt fallen. Ich bücke mich reflexartig um es aufzuheben, genau wie Steven. Unsere Köpfe werden zusammenknallen, da bin ich mir sehr sicher, doch trotzdem versuche ich meinen Kopf hoch zu reißen, genauso wie er. Unsere Augen sind in gleicher Höhe, unsere Nasen berühren sich fast. Es ist, als hätte jemand die Zeit angehalten, jeder von uns bleibt in seiner Position. Wir blicken uns in die Augen. Der Sekundenzeiger tickt. Eine Fliege setzt sich auf das Blatt. Meine Augen brennen, aber ich kann nicht blinzeln. Stevens Iris hat einen merkwürdigen grüngrauen Farbton und in der Nähe der Pupille ist ein silberner Sprenkler, bei jedem Auge. Doch das ist Nebensache denn jetzt wird mir bewusste das ich mich in einer oberkitschigen Situation mit Steven befinde! Ich packe das Blatt und stehe ruckartig auf. Ws war das denn für ne Scheiße? „Los, machen wir weiter.“ fauche ich wütend und jetzt steht auch Steven langsam auf. „O...okay.“ Die Sache vorhin hat ihn wohl mehr aus der Fassung gebracht als mich. Sein Pech. Ich trage meinen Text perfekt vor, doch Steven stottert die ganze Zeit. Was für ein Dildo! Also machen wir den letzten Teil fertig und um drei kann Steven endlich nach Hause. „Üb den Text noch mal zuhause, so wie du stotterst geht das nicht.“ sage ich barsch. Er nickt, wie ein Wackeldackel. Vollpfosten. „Tschau.“ murmelt er und dann ist er aus dem Haus verschwunden. Ich hänge die Bilder wieder auf. Dann gehe ich wieder in das Kunstzimmer und fange an zu malen. Ich bin voller Wut, setze ich die Striche zielgesichert. Nach einiger Zeit nehme ich Farbe und fange an zu malen. Bis zwölf Uhr sitze ich an dem Bild, dann verkrampft sich meine Hand vollständig. Ich sinke auf den Boden und halte sie fest. Ich kann sie nicht mehr bewegen. Zehn Minuten sitze ich so rum, bis meine Hand nicht mehr so stark schmerzt. Ich schaue auf das Bild und halte entsetzt den Atem an. Ich habe Stevens Gesicht gemalt, doch nicht einfach so. Seine Formen sind viel eckiger. Er trägt ein dämonisches Lächeln auf den Lippen und ich habe ihm kleine Hörner und spitze Eckzähne gemalt. Um ihn herum ist alles schwarz und rot. Ich habe ihn gemalt wie ich ihn sehe. Mein Persönlicher Teufel der mir das Leben noch schwerer macht als vorher. Ich schüttele den Kopf und lege es zum Trocknen hin. Ich werde noch überlegen ob ich es behalte oder nicht. Ich esse nicht viel und dann falle ich so wie ich angezogen bin ins Bett und schlafe ein.

Steven
Das hier ist ein Traum ganz klar. Ich stehe auf der Wiese, die Laura gemalt hat. Eine leichte Brise lässt die Blumen tanzen. Dann sehe ich Laura. Sie tanzt in einem weißen Sommerkleid durch die Wiese und lacht. Ein glockenhelles Lachen. Sie kommt auf mich zu, ist so nah wie heute Nachmittag. Ihre Augen funkeln. Plötzlich fängt der Boden an zu wackeln. Sie entfernt sich wieder von mir und ich sehe die Maschinen anrücken. In einer Teerwalze sitzt mein Vater. Er grinst höhnisch. Ich versuche wegzurennen doch meine Beine sacken ein. Plötzlich schwebt Laura über mir. „Schlaf ein.“ haucht sie und löst sich in hunderte kleiner Blüten auf die mich bedecken.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir Cover: Made by me
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Die Vorlagen der Hauptfiguren habe ich von den wunderbaren Blood Red Shoes, zumindest vom Aussehen und den Namen^^ Im Vordergrund der Handlung soll nicht die Liebe der Beiden stehen, ehr die Art wie ein Mensch sich verändert und der Fakt Missbrauch.

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