Ich riss meine Augen auf und fuhr hoch. Ich lag in einem großen, runden Doppelbett, das von einem Vorhang aus leichtem Stoff umgeben war. Überall lagen Kissen und eine große warme Decke. Alles war in warmen Farben und zarten Nuancen gehalten. Von Apricot bis Beige und von orange bis rot. Es war warm und behaglich doch ich war zu geschockt um es zu bemerken. Ich riss den Vorhang zu Seite und sah mich nach einem Spiegel um. Und tatsächlich, gegenüber von dem Bett stand ein Mannshoher Spiegel. Langsam trat ich näher und ich sah das was ich nicht zu sehen hoffte. Meine Augen standen ein wenig schräger als früher und meine Augenbrauen die sonst immer ein bisschen unförmig waren, saßen nun perfekt. Außerdem waren meine Pupillen von einem merkwürdigem, intensiven eisblau. Mein Mund war voll und kirschrot, nichts deutet aufmeine ansonsten spröden Lippen hin. Mein sonst so rabenschwarzes, strähniges Haar war nun voll und leicht gewellt. Ein geheimnisvoller Blauton schimmerte auf wenn Licht darauf traf. Und meine Leberflecken, meine Narben und meine Pickel, sie alle waren verschwunden. Vollkommen perplex setzte ich mich auf den tiefroten Teppichboden. Zu wissen dass man sich verändert hatte war eins, aber es dann zu sehen...Ich schüttelte mich und beschloss mit aller Kraft mich abzulenken. Ruckartig richtete ich mich auf und nahm meine Umgebung in Augenschein. Das Zimmer war groß und in den gleichen Farben gehalten wie das Bett. Neben dem Spiegel stand ein Schminktischchen mit einem kleineren Spiegel und vielen kleinen Tontöpfchen. Den Brief neben ihnen beachtete ich nicht, da ich noch nicht bereit für weitere Offenbarungen war, die vielleicht dort drin standen. In dem Zimmer standen noch ein dunkler Tisch, zwei gemütliche Sessel und ein Schreibtisch. Eine große, ebenhölzerne Doppeltür führte wahrscheinlich nach draußen, doch es gab noch eine zweite kleinere Tür am anderen Ende des Raumes. Neugierig öffnete ich sie. Mir stockte der Atem als ich sah was sich dort hinter befand. Ein riesiger Kleiderschrank voller prächtiger Gewänder. Am liebsten hätte ich sie alle anprobiert, doch erst wollte ich baden. Da entdeckte ich wie aufs Stichwort eine weitere Tür am Ende des Schrankes die in ein Badezimmer führte. Es war nur mit ein paar Kerzen beleuchtet und auch hier standen verschiedene Tontöpfchen. Langsam ließ ich mich in das warme Wasser gleiten und meine Anspannung löste sich. Während ich so im Wasser dümpelte dachte ich über Melinda nach. Ob sie schon tot war? Ich wünschte Herr Barohn hätte sich eine andere Stadt zum Morden ausgesucht. Am liebsten hätte ich noch viel länger im Wasser gesessen und weiter über Melinda nachgedacht, aber ich wollte auch unbedingt die Sachen mit der „Auserwählten“ klären. Also kletterte ich aus dem Wasser, trocknete meine Haare und suchte mir ein passendes Kleid. Schließlich entschied ich mich für ein weißes Sommerkleid, vor allem deswegen, da meisten Anderen Kleider zu kompliziert zu schnüren waren. Froh wieder sauber und gut gekleidet zu sein, setzte ich mich an das Schminktischen. Nicht etwa um mich zu schminken, sondern um den Brief zu lesen. In ihm stand in verschnörkelter Schrift: Mistress Debbie,
wir hoffen dass es ihnen bald wieder besser geht und sie sich zu uns begeben können, damit wir sie über die letzten Geschehnisse aufklären können. Begeben sie sich einfach in den Schlossgarten, den Weg dorthin wird ihnen die beigefügte Karte zeigen. Falls sie noch etwas essen wollen öffnen sie einfach die kleine Tür auf der anderen Seite des Raumes.
Ich legte den Brief auf das Tischchen und drehte mich um. Tatsächlich, dort war eine kleine Tür aus dunklem Holz die auf Augenhöhe in der Wand saß. Ich sprang auf und vermutete irgendwelche exotischen Früchte vorzufinden, obwohl mir Pizza viel lieber gewesen wäre. Ich öffnete die Tür und erstarrte. Dort dampfte auf einem Teller eine verführerisch duftende Salamipizza. Perplex griff ich nach dem Teller und biss dann in die Pizza hinein. Erstaunt riss ich die Augen auf, diese Pizza schmeckte besser als jede Andere die ich bisher gegessen hatte! Hungrig verschlang ich sie und fragte mich wie die Elfen an so etwas kamen. Als ich die Pizza aufgegessen hatte sah ich bedauernd auf den Teller und bemerkte wie durstig ich war. Plötzlich standen dort ein Krug und ein Glas. Ich schnupperte an dem Krug und füllte etwas von seinem Inhalt in das Glas. Wasser. Gierig stürzte ich es hinunter und stellte Teller, Krug und Glas wieder in den Hohlraum hinter der Tür. Als ich mich umdrehte kam mir ein Gedanke und ich öffnete die Tür erneut. Die Sachen waren verschwunden. Kopfschüttelnd schloss ich sie wieder und nahm mir die Karte. Auf ihr waren die verschiedenen Etagen des Schlosses aufgezeichnet und ich stellte fest dass ich mich in der dritten Befand. Von meinem Zimmer aus begannen sich plötzlich rote Striche durch den Flur zu bewegen, eine Etage tiefer und noch eine und noch eine, durch die Eingangshalle, den Innenhof zu einem Punkt nur wenige Meter entfernt vom Schloss. Neugierig öffnete ich meine Tür und spähte in den Gang. Der Boden bestand aus rotem, warmem Gestein, die Wände waren aus grobem, grauen Stein welcher nur manchmal von einem Wandteppich mit einer Flamme drauf unterbrochen wurde. Neben jedem Wandteppich befand sich ein Kerzenleuchter, sodass alles in ein warmes Licht getaucht war. Dieser Gang ließ sich für mich nicht mit dem Äußeren des Schlosses verbinden welches so zerbrechlich und hell gewirkt hatte. Verwirrt lief ich in die Richtung die mir die gestichelte Linie auf der Karte wies und gelang zu einer Wendeltreppe. Während ich sie herunter lief veränderte sich die Umgebung und als ich in der Unteren Etage stand stockte mir der Atem. Der Boden war aus weichem Moos, die Wand sah aus als ob sich dutzende von Bäumen aneinander gedrängt hatten und kein Platz mehr zwischen ihnen war. Die Decke bestand aus dem Blätterdach der Bäume. Verzaubert lief ich den Gang entlang bis zur nächsten Treppe. Schnell stürzte ich sie herunter, gespannt darauf wie der nächste Gang aussah. Auch dieser Überraschte mich. Vorsichtshalber blieb ich auf der letzten Stufe stehen da der Boden aussah wie ein schnell fließender Fluss. Die Wände wiederum ließen den Beobachter denken um ihn herum und über ihm wäre nur endloser blauer Ozean, ein Taucher im tiefen Blau. Vorsichtig streckte ich einen Fuß aus und berührte den Boden mit meinen Zehenspitzen. Verschreckt zog ich sie wieder weg. Sie waren nass! Ich hielt mich mit einer Hand am Geländer fest und drückte den Fuß auf das Wasser und mir entfuhr ein Schrei der Verwirrung. Mein Fuß wurde nass aber blieb auf dem Wasser stehen! Jetzt trat ich auch mit dem anderen Fuß auf. Der Fluss umspülte meine Füße doch ich wurde nicht mitgerissen. Ich legte eine Hand auf den Boden und sie glitt durch ihn hindurch. Anscheinend trug der Boden nur Füße. Ich richtete mich wieder auf und ging entschlossen den Gang entlang. So musste sich Jesus gefühlt haben als er über das Wasser gelaufen war, falls er es je gemacht hatte. Ich lachte auf und machte einen Luftsprung. Es war so ein eigentümliches Gefühl über Wasser zu laufen dass man es gar nicht beschreiben konnte. An der nächsten Treppe musste ich stehen bleiben und das Geschehene verarbeiten. Verwirrt registrierte ich dass meine Füße wieder so trocken waren wie zuvor. Dann ging ich die glitzernde Treppe hinunter und befand mich wieder in dem Raum in dem ich umgekippt war. Zügig lief ich durch die Halle und vermied es nach unten zu sehen. Ich wollte mein neues Antlitz nicht sehen, die Veränderung nicht akzeptieren. Als ich den Innenhof betrat stellte ich verwundert fest dass die Elfen verschwunden waren. Doch trotzdem wirkte der Hof lebendig, da Schmetterlinge, Hummeln und andere Insekten emsig von einem Blumenbeet zum anderen flogen. Langsam lief ich über den Hof, ich hatte Angst vor dem was mir bevorstand. Plötzlich flog eine große Hummel auf mich zu und umschwirrte mich neugierig. Dann ließ sie sich auf meinem Arm nieder und untersuchte ihn genau. „Wieso hast du denn keine Angst?“ murmelte ich verwundert und erschrak über meine Stimme. So glockenhell und rein...Ich überlegte ob ich die Hummeln weg witschen sollte aber schon der Gedanke dieses Wesen zu verletzen war mir zu wider. Also pustete ich Sacht gegen sie. Ihr schwarz gelbes „Fell“ plusterte sich unter dem Luftzug und das kleine Tierchen schwirrte wieder zu den Blumen. Ich kicherte, dieses Wesen war so putzig! Mir wurde bewusst dass ich mich nur ablenkte um den Hof nicht zu verlassen also riss ich mich von der Hummel los und ging zielstrebig auf das Tor zu. Ich zog es auf und stapfte mit der Karte in der Hand den mir gewiesenen Weg entlang. Doch je näher ich meinem Ziel kam, desto zögerlicher wurden meine Schritte, bis ich nur noch Scheu den Weg entlang schlich. Die Stimmen der Elfen klangen zu mir hinüber, gedämpft und besorgt hörten sie sich an. Ich holte noch ein Mal tief Luft, es war komisch dass darauf keine Reaktion kam, und ging in ihre Sichtweite. Ihre Köpfe hoben sich ruckartig und alle starrten mich eindringlich an. Nur Loean saß gelassen auf meinem Stuhl und lächelte mich an. Ich sah verlegen weg und wusste nicht was ich tun sollte. Die zierliche Elfe deutete auf einen Stuhl neben sich und so setzte ich mich zögerlich auf ihn. Ich sah mir alle Elfen an. Am Tisch saßen die beiden Zwillingselfen, die Elfe die gesungen hatte, der Elf der sich auf seinem Instrument abgestützt hatte, der stämmige Elf mit der donnernden Stimme, Loean und die kleine, schwarzhaarige. Der stämmige Elf wandte sich zu mir und sagt: „Guten Tag Mistress Debbie, ich hoffe sie haben sich von ihrem kleinen Schock erholt. Ich erlaube mir nun uns vorzustellen. Ich bin König Iduren, dies ist Meine Frau Neijla, “ er zeigte auf die Zierliche, „meine Tochter Mei“, die mit der schönen Stimme, „mein Sohn Hadur und die Zwillinge sind Dunshei und Dunsha.“ Mit diesen Worten zeigte er auf den Elf mit dem Instrument und natürlich die Zwillingselfen. Ich nuschelte meinerseits ein „Guten Tag“ und schaute dann hochkonzentriert auf meine Hände. Was sollte ich nun tun? Angestrengt dachte ich nach während die Zeit verlief. Es war jetzt früher Nachmittag, zeigte die Sonne an, also musste ich mehrere Stunden geschlafen haben. Plötzlich sagte Mei: „Debbie, du bist sehr verwirrt und weißt nicht was du jetzt tun sollst. Ich schlage vor dass du jetzt erst ein Mal zu hörst und dann sehen wir weiter.“ Ihre Stimme war so unendlich sanft und voller Güte dass mit Tränen in die Augen kamen. Sie erinnerte mich an die meiner Mutter. Ich nickte und verbarg mein Gesicht in den Händen. Ich hörte wie zwei der Elfen aufstanden und ich blickte auf. Dunshei und Dunsha sahen mich an, nickten und fingen an folgendes zu erzählen: „Vor vielen Jahren als die Menschen gerade begannen intelligent zu werden lebte das Volk der Elfen schon auf der Erde im Einklang mit der Natur. Sie töteten nur wenn es nötig war und hassten den Krieg. Die Menschen waren da anders. Sie fielen in unsere Territorien an und metzelten die Bewohner unserer Städte nieder. Hätten wir kämpfen wollen hätten wir in wenigen Wochen die Tierart Mensch völlig ausrotten können aber dies wollten wir auf keinen Fall. Da bot unsere Königin Quei ihnen an zusammen zu arbeiten und sie willigten ein. Natürlich hörten sie nicht auf sich gegenseitig zu bekriegen aber im Großen und Ganzen ging die Anzahl der Kriege zurück. Nach einiger Zeit wurden die Menschen durch unseren Einfluss immer intelligenter und sie entwickelten sich weiter. Doch eines Tages kam in eurem so genannten Europa ein König an die Macht dessen Namen wir auf ewig verbannt haben. Er dachte sich dass die Menschen uns Elfen unterwerfen könnte und erfand mit seinen Beratern Methoden uns die Magie zu stehlen.“ Während die Beiden redeten formte sich über ihren Köpfen eine weiße Masse in denen mehrere Shilouetten von Männern an einem Tisch saßen und sich beratschlagten. „Um ihre Methoden zu bestätigen luden sie Elfen ein die sie dann im Schlaf überfielen.“ Eine dunkle Gestalt riss eine Andere aus einem Bett und zog einen hellen Faden aus ihr heraus worauf die Gestalt tot zu Boden fiel. „Unsere Elfen starben ob diesem gewaltigen Magieverlust. Der König präparierte die Leichen so dass es aussah als ob sie auf dem Rückweg von wilden Tieren angegriffen wurden. Nun fing er an abgelegene Elfensiedlungen anzugreifen, so dass es lange brauchte bis wir davon erfuhren und wir begriffen wer dies angerichtet hatte. Von Hass und Trauer geblendet schickte Königin Quei unser Heer in den Krieg gegen die Menschen, doch der König war mittlerweile viel zu stark geworden. Er schlug die erste Welle unserer Armee mit nur einem Zauberspruch. So griff Quei mit allen Soldaten an die sie hatte, was ein fataler Fehler war.“ Man sah ein riesiges Feld von Elfen mit entschlossenen Gesichtern die auf eine Festung zumarschierten. Ich hörte ihre Kampfschreie und Anfeuerungen „Der verrückte König hatte all seine Magie in eine kleine Glasphiole gefüllt und stand auf dem obersten Turm seiner Festung. Er glaubte er wäre stark genug und er könne die Phiole auf den Kampfplatz werfen und uns mit einem Schlag töten.“ Ein lachender Mann stand auf einem hohen Turm und schleuderte die Phiole vom Turm herunter. Sie zerplatzte auf dem Boden und eine riesige Energiewelle flutete aus ihr heraus. Dann kam Stille. Alle Elfen lagen regungslos auf dem Boden. Nur eine weibliche Gestalt klammerte sich an einen Fahne. Die Stimmlage von Dunshei und Dunsha veränderte sich, klang nun traurig und wehmütig. „Niemand außer unserer Königin überlebte. Doch auch sie starb noch auf dem Schlachtfeld wegen ihrer Trauer und Einsicht. Ihre letzten Wörter hallten bis unsere Städte in denen nur noch die schwangeren und einige ihrer Partner verweilten. Sie lauteten: „Vergebt mir Elfen, Menschen und Tiere, ich habe uns dem Untergang geweiht!“ Und mit diesen Worten brach auch sie tot zusammen. Die Wellen der tötenden Energie zogen über die ganze Welt, aber klangen zum Ende ab so dass einige wenige Menschen, Tiere und Elfen überlebten. Betrübt über das Geschehene versammelten sich die verbleibenden Elfen in ihrer größten Stadt und woben einen gigantischen Zauberspruch. Sie schafften es in diese Welt eine zweite Einzubauen in der sie ungestört und in Frieden leben wollten. Auch bauten sie einen Schutzmechanismus ein der, falls wieder so eine große Katastrophe bevorsteht, ein Kind hervorbringen würde dass stark genug ist diese Aufzuhalten. Das Kind des Lebens. Und dieses bist du.“
Texte: Ale Rechte bei mir.
Photo: made by me
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2011
Alle Rechte vorbehalten