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Bei den Menschenstädten war es so: Wusste man wie eine Stadt aussah, kannte man eigentlich schon alle. Natürlich gab es Klein und Großstädte, aber im Prinzip unterschieden sie sich nicht viel. Ich war schon öfters mit meiner Mutter umgezogen, ich hatte schon in vielen Städten gelebt und immer wenn wir in eine neue Stadt gekommen waren, war ich nicht sonderlich begeistert gewesen. Sie war doch genauso wie die vorher! Diese Stadt aber war die Abwechslungsreichste die ich je gesehen hatte. Kein Haus glich dem Anderen. Eines hatte die Form eines Iglus und die Wand bestand ganz aus Wasser. Hinter ihr sah man schemenhafte Gestalten im Haus hantieren. Das daneben hatte die Form einer Zwiebel und war über und über mit Blumen bedeckt. Ein anderes wiederum sah aus wie eine umgedrehte, weiße Blüte auf der Spitze drehte sich eine skurril geformte Statue. Hätte ich alle Häuser beschreiben wollen, wäre ich wohl noch in zehn Jahren nicht fertig. Es gab sie in allen erdenklichen Farben, Formen und Größen. Und dann die Bewohner. Sie alle hatten mehr oder weniger menschliche Formen, aber ihre Variationen waren unglaublich. Manche glichen eher Tieren als Menschen und manche sahen aus wie aus der Zukunft entsprungen. Da war eine weibliche Elfe mit violetten Haaren die zu einer futuristischen Frisur geformt waren, neon-pinken Augen und metallener Kleidung. Über und unter ihren Augen waren kleine rosande Steinchen in ihre Haut eingesetzt worden. Sie war wunderschön. Der starke Kontrast stand neben ihr. Ein großer, schlanker Elf mit langen Haaren Haaren, blau wie Tinte. Er trug eine nordische Krieger-Rüstung und an seiner Hüfte hing ein Breitschwert. Die Beiden unterhielten sich lachend und feixend. Immer wenn die Elfe lachte erschienen Grübchen an ihren Mundwinkeln, was einfach zu goldig aussah. Ich wollte noch stehen bleiben, diesen faszinierenden Wesen zuschauen aber Loean lief einfach weiter. Natürlich, für ihn waren diese Wesen nichts Neues. Während ich Loean einholte fragte ich mich wieso er runde Ohren hatte, da kam auch schon die Antwort. Er blieb nämlich abrupt stehen und murmelte: „Das hätte ich fast vergessen.“ Dann fasste er sich an die Ohren und...nahm sie ab! Zumindest das obere und darunter erschienen die für diese Bewohner typischen Spitzohren. Er hatte sich irgendwie täuschend echte Menschenohren hergestellt! Doch nun kam mir ein beängstigender Gedanke. Ich hatte viele der Eigenschaften von Loean übernommen, also müsste ich folglich auch diese Spitzohren haben. Verstohlen packte ich mir unter die Kapuze und befühlte meine Ohren. Tränen schossen mir in die Augen, sie waren spitz. Musste sich denn wirklich alles verändern? Am Liebsten hätte ich mich jetzt auf den Boden geworfen und geschrieen, aber ich dachte an Loeans Rat leise zu sein. Also lief ich weiter als sei nichts geschehen. Zwei Dinge fielen mir auf als wir durch die Straßen zu einem mir unbekannten Ziel liefen. Das Eine war das die Elfen die uns entgegenkamen mich sehr wohl sahen, aber nur so, wie man einen Stein am Wegesrand wahr nimmt. Nur ganz flüchtig und man vergisst gleich wieder dass man ihn gesehen hat. Das Andere war, dass hier überhaupt keine Hast herrschte. In Menschenstädten sah man oft genug Leute die an einem Vorbeihasteten als ob der Tod höchstpersönlich hinter ihnen her war. Oder man sah diese Leute die im Schnellschritt an einem vorbei laufen mit diesem „Stör-mich-nicht-ich-habe-keine-Zeit“ Blick. Hier sah ich auf keinem Gesicht ein Zeichen von Eile oder Ungeduld. Es schien, als ob die Leute alle Zeit der Welt hatten. Wenn sie alle so alt werden wie Herr Barohn, klar. durchfuhr es mich. Irgendwann veränderte sich die Umgebung. Läden und Häuser wurden immer seltener, dafür sahen wir immer öfter Gesichter von wachenden Elfen im Unterholzt, die wohl zu den Wachen gehörten. Und dann war die Bevölkerung ganz verschwunden. Die Stille, die vorher im Wald geherrscht hatte, war unnatürlich nach dem munteren Geplauder der Elfen. Die vielen kleinen Steine unter uns hätten knirschende Geräusche machen sollen aber hören konnte ich nichts. Wir liefen schweigend und langsam wurde ich ungeduldig. Ich wollte mich nur noch hinlegen und schlafen, auch wenn ich nicht müde war. Ich hatte nur einen kleinen Funken irrationaler Hoffnung, dass wenn ich aufwachen würde alles nur ein böser Traum war. Außerdem hatte Loean mir nicht gesagt wo wir hingehen und auch nicht was mit mir passiert war. Wütend schüttelte ich meinen Kopf, das alles war mir viel zu subtil! Als hätte er meine Gedanken gelesen sagte er: „Ich weiß all das ist sehr verwirrend für Sie, aber Sie müssen mir einfach vertrauen. Ich weiß das geht schlecht wenn Sie nicht wissen wohin wir gehen, deswegen werde ich es ihnen erklären. Wir gehen zum Palast der Königsfamilie.“ Wow, ich würde eine echte Königsfamilie treffen. Diesen Fakt musste ich erstmal verarbeiten und ich überlegte, wie man hier wohl vor einem König oder einer Königin seinen Respekt zollt. Während ich darüber grübelte ob ich mich verbeugen oder doch knicksen sollte, machte der Weg eine Kurve und wir standen vor dem Prächtigsten Schloss dass ich je gesehen hatte. Es sah so fragil und zerbrechlich aus, dass man meinte es würde gleich zerbrechen. Es hatte viele kleine und große Türme und man sah öfters schneeweiße, glitzernde Blumen, die sich an den Türmen hoch rankten. Doch am erstaunlichsten und schönsten war die Farbe. Alles sah aus als wäre es mit Perlmutt überzogen worden. Mein Mund formte ein tonloses „Wow“ und ich riss überrascht meine Augen auf. Wie konnte man nur so etwas Schönes vollbringen? Loean grinste und ging noch ein paar Schritte weiter, bevor er wieder eine Hand hob und sie in die Luft hielt. Es sah aus, als würde er sie gegen eine unsichtbare Wand drücken. Ich stellte mich neben ihn und hielt auch meine Hand in die Luft. Und da war sie, eine unsichtbare, steinharte Wand, die uns das Vordringen zur Burg verwehrte. „Ohda yam, sui gunga’a nu fiere o Sanné.“ hauchte Loean zärtlich und ein violettes Loch tat sich auf. Loean trat durch das Loch und ich folgte ihm. Wir liefen über schneeweiße Mamorplatten direkt zum Schloss.

Schon auf dem Weg zum Schloss fühlte ich mich wie Alice im Wunderland. Wundersame Wesen tanzten herum, Pflanzen in allen Farben und Formen schlängelten sich jenseits des Weges. Ein wunderschöner, überirdischer Gesang erfüllte den Garten, zumindest ging ich davon aus dass es einer war. Dann setzte auch Musik ein, mit unbekannten Instrumenten. Ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, die Musik war so schön. Loean blieb stehen und drehte sich zu mir um. „Sie dürfen den Umhang jetzt abnehmen.“ Ich nahm ihn ab und wollte ihn auf meinen Arm hängen, doch Loean nahm ihn. Ich sah ihn fragend an doch er lief wieder weiter. Seine Nackenmuskeln waren angespannt. Wütend warf ich meine Haare nach hinten. Was war mit ihm los? Der Weg machte eine Biegung und dann standen wir auf einem idyllischen Platz. Ein Tisch mit einer blütenweißen Tischdecke und Porzellangeschirr stand in der Mitte. Einige der Elfenwesen spielten auf skurrilen Instrumenten und eine Elfe in einem Meerblauen Kleid und mit silbernen Haaren sang das Lied, welches ich schon weiter hinten gehört hatte. An dem Tisch saßen ein muskulöser Elf mir goldenen Haaren und honigfarbenen Augen. Er trug eine prächtige weste aus grünem Samt, die mit gelben Ranken bestickt war. Daneben saß eine zierliche Elfe mir, schwarzen Haaren, welche einen mitternachtsblauen Stich hatten. Ihr Gesicht war voller Liebe und Zärtlichkeit. Sie trug ein weinrotes Gewand und eine schwarzen Kristallkette. Daneben saßen zwei fast identisch Aussehende Elfen. Beide hatten kurzes, stacheliges burgunderrotes Haar und ein spitzes Gesicht, welches zwei unergründliche kupferne Augen trug. Der Einzige Unterschied war, dass die Eine Elfe weiblich und die Andere männlich war. So trug die eine, eine trägerlose grüne Bluse, die unter dem Busen endete und der Andere ein luftiges grünes Hemd trug. Beide hielten sich fest an den Händen und ihre Münder bewegten sich lautlos. Es sah aus als ob sie den Text des Liedes stumm wiederholen. Währenddessen endete die Musik und die letzte Note verklang einsam und voller Trauer. Die zierliche schwarzhaarige wischte sich die Augen und klatschte begeistert. Der Elf neben ihr lächelte froh und klatschte genauso begeistert wie seine Nachbarin. Die beiden Andern nickten nur, legten eine Hand auf ihr Herz und die Andere auf die Stirn. Ich frage mich was das bedeutete. Auch Loean fing an zu klatschen und die Köpfe der Elfen drehten sich alle gleichzeitig ruckartig in unsere Richtung. Erschrocken und beschämt guckte ich an mir herunter. All diese Wesen waren tadellos gekleidet und ich stand hier in einem schmutzigen und zerrissenen Krankenhauskittel. Dann fiel mir ein dass ich jetzt ein Zeichen von Respekt zeigen sollte. Also verbeugte ich mich. Die Elfen sahen mich alle ratlos an und ich wartete darauf dass meine Wangen anfingen zu glühen. Doch nichts geschah. Trotzdem wusste ich, wenn ich könnte wäre ich rot geworden. Der stämmige Elf stand auf und sagte mit donnernder Stimmer: „ Itao Loean Igashiru, du klan yim win dune Quenne jit waduren?“ Während ich bei der barschen Frage des Elfen immer kleiner wurde blieb Loean ganz locker. Nach einer kurzen Pause sagte er dann: „König Iduren, ich weiß sie sind Fremden gegenüber sehr misstrauisch aber ich habe eine gute Nachricht! Die Tochter des Lebens ist hier.“ Und mit diesen Worten zeigte er auf mich. Ich sah wohl so aus wie jemand auf den gezeigt wird und jemand ruft: „Die da hat meine Handtasche geklaut!“ Und man hat keine Ahnung was gerade los ist. Auf ein Mal ruhten alle Blicke nur auf mir und nicht mehr auf Loean. Die Sängerin gab ein ersticktes Geräusch von sich und ein Elf mit grünen Haaren und türkisen Augen, stütze sich verblüfft auf seinem Instrument ab, das einer Gitarre ähnelte. Es gab ein plingendes Geräusch von sich. Die zierliche Elfe erhob sich und sah mich mit einem unergründlichen Blick an. „Wie ist dein Name, Auserwählte?“ Jetzt fühlte ich mich so, als ob man mich mit eiskaltem Wasser überschütten würde. Auserwählte? Tochter des Lebens? Was war hier los? „D...de...Debbie...“ „Nun gut, Debbie. Ich habe das Gefühl du weißt nicht worum es hier geht!“ Ach wirklich? Doch ich war zu verwirrt um eine bissige Bemerkung zu machen und nickte nur kraftlos. Sie klatschte in die Hände und die zwei Zwillingselfen, so hatte ich sie heimlich genannt, standen auf und nahmen mich in ihre Mitte. „Ihr Beiden werdet Mistress Debbie nun in eines der Schlafgemächer führen, in dem sie ich frisch machen und umziehen kann. Wenn sie will kann sie sich auch noch ausruhen. Erklärt ihr alles und kommt danach zu mir zurück. Ich denke Itao Igashiru, “ Sie warf einen strengen Blick zu Loean herüber. „hat uns eine Menge zu erzählen.“ Die Elfen nickten und hakten sich bei mir unter. Während mich die Beiden immer näher zum Schloss führten, fühlte ich mich erschöpft. Nicht körperlich sondern geistig. Was würde ich jetzt für ein erholsames Schläfchen geben, dass meine Gedanken entwirren würde! Hinter einem perlmutternen Tor befand sich ein Hof. In der Mitte dieses Innenhofes stand ein Springbrunnen. Er bestand aus einem mamorweißen Becken in dem ein eine Statue kniete. Es war eine Elfe in einem leichten Kleid, sie hatte langes Haar und hielt eine Blüte in den Händen. Sie blickte zärtlich und voller Liebe auf sie hinab. „Dies ist Bliskar, die Hüterin der Pflanzen. Sie verschrieb ihr ganzes Leben nur dem Wohlergehen von Bäumen und Blumen.“ flüsterten die Beiden gleichzeitig. Ihre Stimmen waren genauso rein wie die der zierlichen Elfe. Der Rest des Hofes bestand aus Blumenbeeten und Bänken auf denen Elfen saßen, die versonnen die Blumen betrachteten oder in die Luft blickten. Dann gingen wir durch ein Tor aus Lapislazuli und landeten in einer kristallenen Eingangshalle. Die beiden Treppen die Rechts und links nach oben führten, sie waren aus Diamant. Der Kronleuchter der an der Decke hing, er war aus Diamant. Genauso wie die Decke. Und der Boden in dem ich mich widerspiegelte. Und als ich mich sah, in diesem glitzernden Boden, da passierte es. Ich fiel in Ohnmacht.

Impressum

Texte: alle rechte bei mir Photo: made by me
Tag der Veröffentlichung: 07.11.2010

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Widmung:
Meiner Katze die regelmäßig übber meine Tastatur läuft ;)

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