2. Kapitel
In den nächsten Wochen suchten die Lehrer und Thomas verzweifelt die Spinne oder den Streichspieler. Doch ich hatte die Spinne schon am darauf folgenden Tag wieder mit nach Hause genommen. Niemand verdächtigte uns, was uns enorm erleichterte. Vor allem Thomas und der Direktor suchten verzweifelt, doch es gab einen, den dass gar nicht interessierte. Herr Barohn. In einer Stunde sagte er: „Also ich finde es ist absolut übertrieben noch weiter zu suchen. Entweder ist die Spinne schon längst aus der Schule herausgekrabbelt oder der Streichspieler hat schon alle Hinweise beseitigt.“ Wie Recht er doch hatte. Melinda sah mich an und ich wusste dass sie dasselbe dachte wie ich. Außerdem gab es wichtigere Dinge zu besprechen. In den letzten Wochen wurden schon zwei Mädchen vermisst. Sie waren einfach verschwunden. Spurlos, ohne jeden Grund.
In der nächsten Stunde hatten wir Sport und ich war ganz aufgeregt, denn in der letzten Sportstunde hatte ich ja nicht aufgepasst. Als ich dann in die Halle ging blieb ich abrupt stehen. Herr Barohn hatte überall Turngeräte aufgestellt! Schnell setzte ich mich zu den anderen, ich liebte turnen! Herr Barohn stand in einem Muskel betonenden T-Shirt vor der Klasse und ich bemerkte wie die anderen Mädchen ihn anschmachteten. Ich schnaubte verächtlich. „Das hier ist ein Turnpakur! Ihr springt von dem Trampolin mit einer Rolle auf den Mattenberg, klettert ihn runter und nehmt Anlauf um über den Bock zu springen, im Grätschsprung selbstverständlich. Dann turnt ihr etwas am Parallelbarren und danach, seht ihr diese Ringe da die an den Seilen befestigt sind? An denen schwingt ihr euch etwas und landet Kerzengerade. Dann klettert ihre auf diesen Kasten, und macht das bitte nur mit meiner Hilfestellung, springt auf den andern Kasten, landet dort mit den Händen, stütz euch ab damit ihr auf dem Boden mit euren Beinen landet. Um euch die Richtige Hilfestellung zu zeigen brauche ich einen Freiwilligen, Debbie?“ Was? Ich hatte mich nicht gemeldet wie die anderen Mädchen, außer Melinda natürlich. Ich zuckte mit den Schultern und ging zu dem Kasten und kletterte auf ihn herauf. Also mit einer Hand fasst ihr die anderen am Oberarm an und mit der anderen an den Oberschenkel. Er fasste mich an und ich war wie elektrisiert. Seine Haut war eiskalt, ohne die Wärme die das Blut ihm hätte geben können. Aber sie war wunderbar weich. „O.K. Debbie, jetzt springe bitte.“ Ich sprang, ich hatte das Gefühl als würde ich fliegen. Ich landete auf den Händen und stützte mich ab, sah die Decke an mir vorbeiziehen und plötzlich stand ich auf dem Boden. Ich merkte wie er seine Hand von meinem Oberschenkel wegzog doch mit der anderen hielt er mich noch fest. Das war gut, denn ich schwankte ein bisschen. Dann ließ er mich los und ich tapste zurück zu den anderen. Ich setzte mich und wollte Herr Barohn weiter zuhören als ich etwas an meinem Arm bemerkte. An der Stelle an der Herr Barohn mich angefasst hatte war ein schneeweißer Abdruck! Ich rieb an der Stelle und bald sah es wieder halbwegs normal aus. Als wir uns in einer Reihe an dem ersten Gerät anstellen sollten stritten sich die Mädchen wer als erstes dran währe doch das interessierte mich nicht. Ich überlegte immer noch, was da mit meinem Arm passiert war. Nach dem auch ein paar andere Schüler dran gewesen waren, schaute ich neugierig, ob auch jemand anderes die weißen Abdrücke hatte, doch ich konnte sie bei niemandem entdecken.
Betrübt und nachdenklich lief ich nach Hause. Der Abdruck war fast verschwunden, man sah ihn nur wenn man genau hinguckte. Trotzdem fragte ich was es damit auf sich hatte und beschloss es Melinda zu erzählen. Im Haus wehte mir ein himmlischer Duft entgegen, war ja klar dass Mom kochte bevor sie wegflog. Ich versuchte nicht mehr daran zu denken und beachtete die Koffer, die im Flur standen, nicht. Meine Mutter lächelte mich warm an, aber ich konnte nicht zurücklächeln. „Hallo Debbie.“ „Hi, Mom.“ „In einer Stunde muss ich zum Flieger und zum Flughafen dauert es zwanzig Minuten, ich hatte gehofft du würdest mich begleiten…also wenn du Lust hast dann gebe ich dir Geld fürs Taxi.“ „Klar komm ich mit, dann bleibt mir noch mehr Zeit mit dir.“ Wieder lächelte sie und nun konnte es auch erwidern. „Mom?“ „Ja, Schatz?“ „Hast du keine Angst um mich, wo doch mehrere Mädchen verschwunden sind?“ Sie lachte. „Hm, ehrlich gesagt nicht, denn du bist nun echt nicht das Mädchen das sich kreischend überwältigen lässt sondern eher eines, das vor Wut brüllend auf den Angreifer losgehen würde.“ O.K., wahrscheinlich war der Plan sie dadurch zum Bleiben zu bringen nicht so durchdacht gewesen aber sie hatte Recht. Plötzlich erinnerte ich mich an ein Ereignis, das stattfand als ich dreizehn war.
Lachend lief ich durch den Wald, der an den Park grenzte. Hinter mir rief meine Mutter, ich solle nicht so weit weg laufen, doch ich hörte nicht auf sie. Sie war nämlich gerade von einem Auftrag von den Galapagos-Inseln zurückgekommen und ich platzte fast vor Freude. Außerdem wurde es langsam Sommer und da musste man einfach glücklich sein. Die rufe meiner Mutter wurden immer leise und verklangen bald. Ich rannte weiter und lachte, doch blieb schlitternd stehen als plötzlich ein Mann vor mir stand. Er roch streng nach Alkohol und seine Kleidung war völlig zerknittert. Ich erkannte ihn als den Mann, der immer vor dem Kaufhaus herumlungerte und bettelte. „Mareike?“ fragte er mich. Häh? Ich war vollkommen irritiert. „N…n…nein.“ Ich wollte mich umdrehen da er mir unheimlich war doch er hielt mich fest. „Doch du bist es.“ murmelte er. Und dann wurden seine Augen groß und er brüllte los. Ich erschrak und er presste mich gegen einen Baumstamm. Er schrie: „Du, du hast mein Leben zerstört!“ Und fing an mich überall hinzuschlagen. „Du verdammte Hure, du Miststück!“ „Bitte aufhören.“ wimmerte ich doch er schlug immer weiter. „Du Nutte, du Bastard, du Missgeburt! Wegen dir bin ich alles los. Unsere Kinder, meinen Job, mein Haus, meine Freunde! Ich werde dich umbringen du…!“ Der Schmerz machte mich fast bewusstlos und nach ein paar Harten Schlägen auf den Kopf begann ich in eine große Dunkelheit hinein zu gleiten. Mir wurde kalt und plötzlich hörte ich die Stimme meiner Mutter. „Hör mir zu Debbie, du bist jetzt alt genug. Also, wenn ein Mann dich an Stellen anfasst wo du es nicht möchtest oder dir weh tut dann trete ihm ganz fest unten rein und schrei um Hilfe.“ Also nahm ich meine letzten Kräfte zusammen und trat. Er keuchte, hielt mitten im Schlag inne und kippte um. Dann fing ich an zu schreien und schon bald kam meine Mutter. Ich fiel ihr heulend in die Arme und sie rief die Polizei. Ich sah den Mann nie wieder.
Ich hatte diese Erinnerung sonst immer verdrängt aber die Worte meiner Mutter hatte sie mit einem Schlag zurückgeholt. Schnell dachte ich an etwas anderes und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. „Stimmt.“
Am Flughafen drückte ich meine Mom noch einmal ganz fest und sagte: „Ruf mich sooft an wie es geht. Schreib mir Postkarten und E-Mails und bitte sei nicht traurig wenn ich nicht alles schaffe was du mir aufgetragen hast.“ Sie lächelte. „Keine Angst Süße, du weist dass ich nie wütend auf dich sein kann.“ Dann wurden wir von einer Gruppe Touristen auseinander gerissen und sie war weg. Ich fühlte mich verloren als ich den Flughafen verließ.
Als ich am nächsten Tag in der Schule ankam saß Melinda vor meinem Spind und kritzelte auf ihrem Block herum. Neben ihr standen zwei Becher Kaffee. „Morgen“ sagte ich und schielte auf einen der Becher auf dem „Café Latte“ stand. Melinda grinste und gab ihn mir. Ich seufzte „Danke.“ „Null Problemo.“ Ich überlegte wie ich mit der Sache von dem Abdruck anfangen könnte, da ebnete sie mir den Weg. „Erinnerst du dich noch an Sport? Das war so arm, wie die ganzen Mädchen ihm Schöne Augen gemacht haben! Janine hat sogar absichtlich mit ihrer Hand seinen Hintern gestreift!“ Sie kicherte und wartete auf meine Antwort. Also fing ich an: „Ja das war peinlich! Ehm…aber ist die vielleicht etwas aufgefallen, als er dich berührt hat?“ Sie sah mich erstaunt an. „Nein, wieso?“ Ich erzählte ihr von dem Abdruck und der Kälte und sie zog ihre perfekten Augenbrauen zusammen. „Seine Haut war zwar etwas kühl aber nicht sonderlich auffällig. Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung“ Ich nickte. Es klingelte zum ersten Mal und wir beeilten uns um vor dem zweiten klingeln im Klassenraum zu sein. Ich und Melinda beschlossen Herr Barohn ganz genau zu beobachten.
Texte: Photo: Made by me
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2010
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Widmung:
Für meine Schwester weil sie mir ihren Namen geliehen hat ;)