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Es war einmal eine kleine Taschenlampe. Die war so klein und flach, dass sie bequem in einer normalen Streichholzschachtel Platz gefunden hätte, wäre sie nicht am dicken Schlüsselbund vom Max befestigt gewesen. Max war bei einer Sicherheitsfirma angestellt und jedes Mal wenn er das Türschloss einer Tür öffnen und schließen musste, half diese kleine Lampe ihm immer bei tiefster Dunkelheit das Schloss zu finden. Es war eine kleine, aber sehr starke Lampe! Seit fast einem Jahr ging sie gemeinsam mit Max „auf Tour“. Darauf war sie sehr stolz! Niemals hatte sie Max in Stich gelassen und der sagte einmal zu einem Kollegen, dass er nicht wisse, was er ohne diese kleine Lampe machen würde. Da wurde die kleine Leucht noch stolzer und sie leuchtete sofort ein kleines bisschen heller! Max liebte seine kleine Luzi, wie er sie liebevoll nannte. Ja, sogar eine kleine Gravur mit ihrem Namen ließ er auf dem Titangehäuse anbringen.

Eines Tages, als Max nach Dienstschluss nach Hause fuhr, löste sich der Ring, mit der diese kleine Lampe am Bund befestigt war. Als Max zu Hause seine Haustür aufschließen wollte, fiel die kleine Luzi im Vorgarten in das Blumenbeet neben der Tür. Es gab natürlich kein Geräusch, weil Luzi in weiche, frische Erde fiel, und natürlich bemerkte Max nichts von dem Unglück. Erst am nächsten Morgen fiel ihm auf, dass Luzi weg war. Jeden Morgen wechselte er die kleine Batterie aus, was sicher Verschwendung war. Aber das war dem Max egal. Seine Luzi sollte jeden Morgen eine frische Batterie bekommen. Er trank ja schließlich morgens auch frischen Kaffee! So bemerkte er also, dass Luzi weg war. Er suchte überall. Wirklich überall. Selbst die Weisheit, dass man Gesuchtes immer am letzten Platz wiederfindet, bewahrheitete sich diesmal nicht. Max war wütend, dann traurig, dann ging er am frühen Abend zur Arbeit. Ohne Luzi.
Währenddessen lag Luzi rechts neben der Tür im Blumenbeet und war auch traurig. Sie konnte ja nicht rufen, oder sich selber einschalten! Sie war ja nur eine kleine, flache Taschenlampe, die bequem in eine Streichholzschachtel … da wurde sie vorsichtig hochgehoben.

Es war Tobias, der zehnjährige Nachbarjunge von Nummer 45. Eigentlich wollte er dem Max noch etwas total Wichtiges sagen, bevor der zur Arbeit gehen würde. Es waren Ferien und da hatte er die Idee den Max doch mal bei der Arbeit zu besuchen und ihn fragen was davon halten würde, wenn sie beide „auf Streife“ gehen würden. Das fand er cool. Er liebte Krimis mit Polizisten, die an der Hüfte vollbepackt mit Schlagstock, Taschenlampe so groß wie sein Arm und einem Funkgerät auf der Schulter für Ordnung sorgten. Nun war er aber zu spät und er fand diese kleine Taschenlampe. Seltsame Sache, dachte Tobias. Da stand sogar ein Name drauf: „Luzi“ las er. Konnte natürlich nur Max gehören. Aber wieso er sie hier liegen lassen hatte war ihm ein Rätsel. Andererseits, welcher Security-Mann braucht schon so ein kleines, läppisches Ding? Die haben immer riesige, lange und schwere Lampen. Schon fast wie tragbare Flutlichtanlagen! Hat Max sicher weggeworfen dachte er sich. Vorsichtig probierte er den Druckknopf an der Seite. Wow! In der Dämmerung stach ein kleiner heller Lichtbalken in seine Augen und er war wirklich für einen Moment geblendet. Cool, dachte er, denn alles war cool, das nicht so war wie Tobias es erwartet hatte. So steckte er die kleine Lampe ein und ging nach Hause.

In seinem Zimmer legte er Luzi zu seinen anderen Lampen. Er hatte schon drei coole Lampen! Eine war ziemlich alt. Sie war etwas so groß wie eine Zigarettenschachtel, sah auch fast so aus, wenn es keine Taschenlampe gewesen wäre. Die war cool, weil man farbige Plastikscheiben vor das Glas schieben konnte. Eine grüne und eine rote. Die war voll hell und wenn er die rote Scheibe vor das Glas schob, sah es super cool unter seiner Bettdecke aus. Richtig unheimlich. Und wenn man dann zwischen den farbigen hin- und her wechselte gab das einen coolen Effekt. Dann hatte er eine, die hatte vorne so eine kleine verstellbare Lupe. Damit konnte man einen ganz, ganz kleinen Lichtfleck auf der Hauswand des Nachbarn machen. Das fand er cool. Und dann sein Schmuckstück! Eine verchromte Stablampe mit Griff. Sah voll cool aus, wie ein großer Phaser aus Ster Trek. Nicht diese kleinen Dinger, die man kaum sah. Vor so einem Teil hätte selbst der coole Spock Schiss, dachte er sich jedes Mal, wenn er in seinem Zimmer hässliche Aliens damit erschoss.
Dahin legte er Luzi zu den anderen und er legte sich schlafen.
„He!“ rief die Phaserlampe „was bist du denn für eine?“ Ihr müsst wissen, dass Taschenlampen in der Nacht nicht schlafen. Nur tagsüber schlafen Taschenlampen, wenn es hell ist. In der Nacht, wenn alles schläft, erwachen sie und quatschen so manche Nacht über allerlei Taschenlampenangelegenheiten, bis es draußen hell wird. Die Phaserlampe rollte ein wenig zur „Neuen“ und stupste sie an. Die anderen beiden hielten sich da erstmal raus. War ja schließlich nicht ihr Problem, lag doch die Luzi neben der großen. Zufällig rollte die Star-Treck-Lampe aber gegen den Druckknopf und schaltete die kleine Lampe an. Boah! Sofort war das Zimmer taghell beleuchtet! Vor Schreck verkroch sich die angeberische Stablampe in die hinterste Ecke des Regals. „Ich bin die Luzi, wenn du mich meinst“ entgegnete die kleine selbstbewusst. Die beiden anderen versanken vor Neid, weil sie so eine Helligkeit noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Selbst die hellste Lampe, die sie kannten, und sie kannten schon einige Lampen, das könnt ihr mir glauben, war nicht so hell wie diese kleine Lampe!

„Naja“, sagte die mit der verstellbaren Lupe, „wir sind halt neugierig, weil Tobias seit Monaten uns nicht mehr eingeschaltet hat, weil er kein Geld für neue Batterien hat. Und nun kommt er mit dir an. Ist doch komisch, musst du zugeben.“ Und Luzi erzählte ihnen ihre Geschichte. Von Max, ihren gemeinsamen Kontrollgängen, ihrer Zeit in der Sicherheitsfirma und wie Max sie vor der Tür verloren hatte und wie Tobias sie gefunden und hier her gebracht hatte. Auch erzählte sie Geschichten von nächtlichen Abenteuern, mit Einbrechern, die sie alleine durch ihre Helligkeit vertrieben hatte und dunklen Gestalten, die sie mit Max verfolgt hatte und solche Geschichten. Waren natürlich alle erfunden. Die kleine Luzi wollte sich einfach nur wichtig machen um sich von ihrer Trauer abzulenken. So erzählte sie bis in den Morgen, bis Tobias sich reckte und wach wurde. Holla, dachte er, hatte ich die neue Lampe nicht ausgeschaltet? Und wo ist die coole Stablampe? Ah. Da hinten ganz an der Wand lag sie. Seltsam. Er schaltete die kleine Luzi aus und steckte sie in seine Hosentasche. Die anderen Taschenlampen atmeten auf. Endlich ist die Quasselstrippe weg. Als Tobias nach dem Frühstück nach draußen ging, schliefen sie bereits tief und fest.

Heute musste er im Wald seine Baumhöhle ausbauen. Das war wichtig, denn das war der Außenposten der Terraner auf dem Planeten Mjörks. Tausend Lichtjahre von der Erde. Es war ein Waldplanet und der musste für die Menschen besiedelt werden. Und dazu braucht man eben einen Außenposten!
Am Nachmittag ging es weiter. Am Abend war die Station fertig. Es waren in Wirklichkeit alte Kofferradios vom Vater und ein alter Plattenspieler ohne Tonarm, aber für Tobias waren es wichtige Funkgeräte und Sendeanlagen. Eine Hörermuschel eines alten Telefons band er sich mit einem Bindfaden um den Hals. Das war sein Kommo … Kommi … nikatordingsteil. Wie bei Perry Rhodan! Cool. Bei all seiner Arbeit merkte er nicht wie spät es inzwischen geworden ist. Es dämmerte bereits. Er wollte gerade aus der Höhle im Baum hinunterklettern, als das Seil an dem er immer hochkletterte abriss. Zum Glück war er noch in der Baumhöhle. Sonst hätte es böse ausgesehen für Tobias. Hinunterklettern konnte er nun nicht mehr. Er war ja kein Bär. Für den wäre das kein Thema gewesen. Oder für einen Typen mit Antigravantrieb. Hatte er mal in einem Science-Fiction Buch gelesen. So etwas war noch nicht erfunden, leider, dachte Tobias wehmütig. Wüsste er jedenfalls nicht, dass es so was hier in der Gegend gab. In Hamburg ganz sicher. Da gab es nichts was es nicht gab! Da fiel ihm die Luzi ein. Vielleicht könnte er Lichtsignale senden! Ja! Es ging! Er richtete den Strahl in die Richtung in der das Haus seiner Eltern sein musste. Und funkte SOS. Immer wieder. Mayday konnte er nicht morsen. Er kannte nur dreimal kurz und dreimal lang und dreimal kurz. Dann vorn vorne wieder. Das hatte er mal in einem Buch gelesen.

Zu Hause, in seinem Zimmer, sahen die anderen Lampen im Regal diese Lichtzeichen. Die Phaserlampe war zwar angeberisch, hatte aber ein helles Köpfchen! Messerscharf dachte sie an einen Notfall. Sie alarmierte die anderen und gemeinsam blinkten sie um die Wette. Max, der gerade zur Arbeit wollte, sah das Discogeflacker in Tobias Zimmer. Und er sah auch Licht im Wald!
Wie die Geschichte ausgeht könnt ihr sicher erraten. Max bekam seine Luzi zurück, Tobias bekam ein neues Seil von seinem Vater, das dieses Mal richtig fest und sicher angeschraubt wurde, und die anderen Lampen im Regal, diese alten Dinger, wurden in den Müll geworfen.

Und die Moral? Tja, wenn du auch noch so klein bist und noch so unscheinbar, bist du immer die größere Leuchte und irgendwann wird deine Chance kommen. Du musst nur warten.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Meinen Katzen, die nun im Himmel mit ihren Katzenaugen den Göttern heimleuchten!

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