Es begab sich zu der Zeit,
als das Gold ziemlich knapp war und dicke Myrrhe-Rauchschwaden durch die Wüste zogen, dass drei Kameltreiber in ihrem Rausch sich dachten, dass es mal ganz günstig wäre nach irgendwohin zu ziehen, dort wo noch niemals ein Waise war und da mal die Sau loszulassen und einfach mal abhängen, baden, oder mal den Joseph besuchen, was denn so sein kleiner Balg so macht, der vor kurzer Zeit in einem Stall geboren wurde und nun darauf wartet, dass endlich Besuch kommt.
Gesagt - getan, so zogen die drei Kiffer vor dem Herrn los und sagten dem Waisenhaus-Direktor „Ey Aldder wir gehn dann ma!“.
Eine nette Begegnung
Auf ihrem Weg zum Joseph trafen sie drei Kamele. Na super, dachten die drei Waisen, da müssen wir ja nicht zu Fuß latschen und den ganzen Kram tragen. Na super, dachten die drei Kamele, da kommen drei Waisen ja wie gerufen, die können uns ja ein Stück tragen! So standen die sechs beieinander und keiner traute sich seine Gedanken auszusprechen. Sie redeten und redeten über allerlei belangloses Zeugs. Über Sand, Sandkörner und über Techniken Sand zu sieben. So kamen sie zum Thema Wetter und wie heiß es doch sei etc. etc. gäääähn ... eben höflich so wie nun mal Wüstenbewohner sind, wenn sie sich in der Wüste treffen.
„Naja“, sagte einer der Waisen, „wohin wollt ihr eigentlich?“
„Och“, sagte das älteste Kamel, „nur zum Joseph.“
„Na dann“, sagte der zweite Waise, „können wir doch gemeinsam gehen, rein zufällig haben wir den gleichen Weg.“ Eines der Kamele überlegte kurz und sagte zu den Waisen, wie es wohl wäre wenn sie ihre schwere Last nicht auf die Rücken der Kamele verteilen würden?
Die drei Waisen überlegten nicht lange und luden die Geschenke für Joseph auf die Kamele.
... und drei völlig uneigennützige faule Säcke ...
Nach einer Weile sagte eines der Kamele, wie es denn so sich laufen würde ohne schwere Last. Die Waisen sahen sich an und lachten und feixten und meinten, dass es ganz gut ginge und stießen sich dabei in die Seite.
Naja, meinte das jüngste Kamel, da sie nun nichts zum Tragen hätten und leichter gehen könnten, wie es denn wohl wäre, wenn die drei Waisen sich erkenntlich zeigen würden? „Nichts leichter als das“, kam es wie aus einem Munde, „sollen wir euch die Kiste mit dem Gold abnehmen?“ „Nein nein“, sagte das vorderste Kamel, „aber wenn ihr eines von uns tragen könntet, wäre das supi."
Es waren drei starke Waisen! Faul wie ein Stück Kamelscheiße und dumm wie Stroh in Kamelscheiße - aber stark. Sie sahen sich an und zuckten mit den Schultern und HOPP! hatten sie auch schon eines der drei Kamele geschultert und weiter ging es.
Nach einer Weile sagt eines der beiden noch laufenden Kamele, ob sie es wohl mach eben hochheben würden, da hinten muss doch irgendwo eine Oase sein ... Da die Waisen Durst hatten, ließen sie das Kamel von den Schultern und hoben das Kamel, das Ausschau halten wollte hoch. „Na“, riefen sie zum Kamel hoch, „ist das was?“ „Nein!“ rief es herunter, aber wenn sie es ein wenig weiter da vorne hintragen könnten? Da wäre die Sicht bestimmt besser! So ging es immer weiter, bis das dritte Kamel sich zu Wort meldete.
... doch plötzlich ...
„Ich glaube ich hab mir einen Knöchel verknackst!“ rief es und ließ sich humpelnd fallen. Also wenn ihr euren Kram nicht tragen wollt, dann müsst ihr mich eben tragen, ich kann nicht weiter! Mit DEM Knöchel etwa?“ Und es zeigte auf einen seiner Knöchel. „Man sieht ja nichts“, wandte ein Waise ein. „Na! Jetzt noch nicht, aber bald!“ stöhnte das Kamel und verzog die Schnauze.
Da die drei Waisen zu faul waren ihren Kram zu tragen, hoben sie das verletzte Kamel an, es ging schon etwas langsamer und die drei stöhnten schon leicht vor Anstrengung. Aber wenn man seinen Kram nicht tragen will... Sollen es doch die dummen Kamele!
Die Moral
So kam es, dass drei völlig erholte und erfrischte Kamele und drei völlig erschöpfte Waisen beim Joseph ankamen. Und so kam es auch, dass drei erschöpfte Waisen im Stall zu Bethlehem ganz friedlich im Stroh schliefen und drei freundliche aufgeweckte Kamele dem Sohn vom Zimmermann Joseph ihre Aufwartung machten.
Merke: Mensch! Wenn du drei Kamele in der Wüste siehst - lauf! Lauf so schnell du kannst! Sonst kann es passieren, dass du sie bis zum Mittelmeer tragen musst! Denn Kamele sind den Menschen nun mal überlegen ...
So aber nun hopp, Petrus! Ich muss um 12 in Kairo sein!
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Autor: Günter Wendt
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Versuche nie, ein Kamel von der Last seiner Höcker zu befreien, sonst befreist du es womöglich davon, ein Kamel zu sein
Gilbert Keith Chesterton