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Kapitel eins:


Es begann alles an einem kühlen Frühlingstag. Ein Junge war gerade auf dem Weg aus der Schule heraus. Sein Name war Manuel Baumann. Mit seinen 17 Jahren war er in der 10ten Klasse. Das hieß, er musste jetzt schon viel lernen. Er war 1,68 groß und besaß Augen, die grün-blau funkelten.
Die Haare waren rot und reichten ihm etwas über die Schultern.
Sein Körperbau war nicht der eines Traummannes. Er hatte bei seinem letzten Besuch auf der Waage gut 20 Kilo Übergewicht und besaß dementsprechend auch ein ziemliches Bäuchlein, was er durch schlabbrige und weite Kleidung zu überdecken versuchte.

Wirklich kräftig war er leider auch nicht, er hatte sich erst vor kurzem einen Rüffel von seinem Sportlehrer eingefangen. Er hatte es nicht geschafft sich am Reck hochzuziehen und war nach einer Runde um den Sportplatz schon ziemlich KO gewesen, hatte aus dem letzten Loch gepfiffen.

Er hatte gerade seine letzte Sportstunde für heute beendet. „Wonder Pig hat es mal wieder nicht geschafft“, ertönte hinter Manuel eine höhnisch lachende Stimme. Ja nicht nur kleine Kinder konnten gemein sein. Manuel hörte das wirklich jeden Tag, bekam es auch immer wieder zu spüren. Er griff nach einem seiner Träger seiner Tasche, drehte sich aber nicht um.

Er hatte schon seit Jahren gelernt, dass Ignorieren häufig die beste Möglichkeit war. Nur leider nicht immer. „Hey Wonder Pig. Bist du dir zu fein für uns?“, rief die Stimme ihm nach und schon wurde er von einer Schar Jungs eingekreist. Manuel schwieg noch immer und drückte seine Tasche fest an sich, sah von einem zum anderen.

„Der macht sich ja schon vor Angst in die Hose“, lachte ein blonder Junge, was auch die anderen lachen ließ. Ein ebenfalls blonder Junge entriss ihm seine Tasche und durchwühlte sie. „Schaut euch das an“, lachte er und zog Manuels Handy heraus. Es war ein uraltes Ding, hatte auch manchmal so seine Startprobleme, aber es reichte ihm.

„Unser Wonder Pig kommt aus der Steinzeit. Seht euch das an“, lachte einer der Jungs und schnappte sich das Handy, tippte eine Nummer ein und hielt es sich ans Ohr. „Lasst das“, wagte es Manuel jetzt doch. Er hatte zwar eh kaum noch Geld drauf, aber das musste ja nicht einfach so verschwendet werden. „Sieh mal einer an. Das Schwein kann doch schnarchen“, lachte ein Dunkelhaariger und sofort schloss Manuel den Mund.

Ein weiterer Grund, warum er so ungern sprach. Alle sagten ihm er höre sich an wie ein schnarchendes Schwein. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt dass es nicht stimmen würde, doch sie war nun mal seine Mutter. Sie konnte viel sagen.
„Du willst uns doch nicht etwa sagen, was wir zu tun und zu lassen haben, oder?“, damit spürte Manuel auch schon eine Faust in seinem Gesicht. Doch das sollte nicht alles sein.

Schläge und Tritte prasselten auf ihn ein. Manuel fühlte sich so schwach, wie er hier auf dem Boden lag und zusammengeschlagen wurde. „Fetti, Fetti liegt am Boden. Fetti, Fetti macht sich in die Hosen“, lachten sie im Chor, reimten sich gerne etwas zusammen.

Manuel fiel dann auch endlich in die erlösende Ohnmacht.

-°-°-°-°-

Er kam im Krankenhaus wieder zu sich. Seine Mutter saß neben ihm und hielt seine Hand. Der Arzt erklärte ihr gerade wie es Manuel ging. „Ihr Sohn hat ganz schön was abbekommen. Die angeknackste Rippe ist das kleinste Übel. Die Nase wird noch etwas brauchen, bis sie wieder ganz verheilt ist, sie ist gebrochen“, erklärte der Arzt was Manuels Mutter seufzen ließ. „Danke, Herr Doktor Weiz“, damit verschwand der Arzt auch schon wieder und sie bemerkte, dass ihr Sohn wieder wach war.

„Hey mein Schatz“, lächelte sie schwach. „Wie lange muss ich im Krankenhaus bleiben, Mama?“, fragte Manuel und setzte sich unter Schmerzen etwas auf. „Du kannst übermorgen schon wieder raus, Schätzchen“, lächelte sie ihm liebevoll entgegen. „Hm, hm. Muss ich sofort wieder zur Schule?“, fragte Manuel, dem einfach unwohl dabei war.

Eigentlich wollte er gar nicht mehr zur Schule. Er hasste es förmlich und wollte eigentlich auch keinen dort mehr sehen.
„Ich habe mir da etwas überlegt“, meinte sie sanft und bekam einen neugierigen Blick von ihrem Sohn. „Ich habe mir überlegt. Wir wohnen schon so lange hier. Wie wäre es mit einem Wohnortswechsel. Vielleicht tut dir das ja gut und du findest dann endlich Freunde“, erläuterte seine Mutter ihm und etwas erstaunt war Manuel ja schon. Seine Mutter hatte immer beteuert das sie es liebte in diesem Dorf zu leben und nun wollte sie hier weg?

„Aber wohin denn?“, fragte Manuel in seiner Verwunderung. „Du träumst doch schon lange davon mal nach Berlin zu fahren. Wieso nicht dorthin“, lächelte sie ihm entgegen und Manuel bekam wirklich große Augen.

„Wirklich?“, hauchte er und bekam ein Nicken. „Das ist toll, Mum. Aber du hast doch dort gar keine Arbeit“, warf Manuel seine Bedenken ein. Da grinste sie leicht verschmitzt. „Doch. Ich schaue mich schon länger nach etwas um. Ich wurde in einem Restaurant angenommen“, zwinkerte sie ihm zu und hatte ihren Sohn im Arm hängen. „Das ist wundervoll, Mum “, Manuel lächelte glücklich. Endlich würde er von diesen Idioten wegkommen.

Er hoffte inständig, dass es in Berlin besser werden würde. Vielleicht waren die da toleranter und offener, zumindest was sein Gewicht anging. Er hoffte es so sehr!


Kapitel zwei:


Ungeduldig wartete Manuel im Krankenhaus auf den großen Tag. Linda, seine Mutter, hatte ihm erzählt, dass der Umzug schon in vollem Gange war, sie würden vom Krankenhaus also direkt nach Berlin fahren. Manuel war es nur Recht, denn er hatte die Ahnung, dass die Jungs aus seiner Gegend und seiner Schule ihm noch einmal auflauern würden.
So saßen sie in dem kleinen Wagen und fuhren durch die Straßen Berlins. Manuel sah staunend aus dem Wagen. Er war noch nie in einer Großstadt gewesen, es war also sein Debüt. Linda fuhr schlussendlich eine Auffahrt nach oben. Vor ihnen stand ein Haus, in dem drei Familien leben konnten. „Wir wohnen ganz oben unterm Dach. Komm, es steht schon alles“, lächelte Linda ihm zu und stieg aus. Schnell befreite sich Manuel von seinem Gurt und stieg etwas umständlich aus, schloss die Wagentür und lief Linda hinterher.
Seine Augen strahlten, als er den Garten erblickte, welcher vor dem Haus angelegt war. Ihm gefiel es vom Äußeren bisher sehr gut. Sein Blick wanderte über die Fassade nach oben, betrachtete jedes Fenster bis er hinter einem eine Bewegung wahrnahm. Er zuckte etwas zusammen.
Dort hinter dem Fenster im zweiten Stockwerk stand ein Mann. Er war bestimmt schon 22 Jahre alt. Er hatte ziemlich dunkle Haut und starrte ihn an. Manuel wurde unwohl bei diesem Blick, schluckte, senkte den Blick und eilte zu seiner Mutter.
„Kennst ... Kennst du die anderen Bewohner schon?“, fragte Manuel unwohl. Er hoffte, dass er hier nicht sofort Ärger mit den Nachbarn bekam. Er wollte doch einen Neuanfang. „Nur Frau Lewing aus dem ersten Stock. Sie ist eine sehr nette Frau, so wie ich sie kennengelernt habe“, lächelte Linda amüsiert und sah zu ihrem Sohn.
Dieser sah, ihrer Meinung nach, mit dem Gips an der Nase recht lustig aus. Manuel konnte nicht wirklich drüber lachen, denn dieser Gips, rundete seiner Meinung nach nur das Bild des dicken, unansehnlichen Jugendlichen ab. Seine Sommersprossen trugen nämlich nicht zum schönen Erscheinungsbild bei. Seufzend folgte er Linda nach oben und betrat ein wenig außer Puste die Wohnung.
Es standen nur noch wenige Kartons herum. Seine Sachen waren jedoch noch komplett verpackt. Einen Teil davon würde er heute Abend ausräumen, nahm er sich vor. Als er sich sein Zimmer besah, merkte er, dass es direkt unterm Dach lag. Sein Bett stand unter einem schrägen Fenster. Er legte sich hinein und konnte in den Himmel sehen. Er mochte das. In seinem alten Zimmer hatte er das auch immer machen können, aber was neu war, war der Balkon. Staunend betrat er diesen. „Wow“, lachte er und sah über das Geländer hinweg nach unten.
Sein Balkon lag auf der Straßenseite. So konnte er immer sehen, wenn jemand kam und ging. Er fand es toll. Sein Blick wanderte über den Garten vor dem Haus. Jemand verließ plötzlich das Haus. Sein Blick wanderte zu der Person. Er erkannte den Mann sofort wieder. Es war der Dunkelhäutige der unter ihm wohnte. Dieser schwang sich nun auf sein Fahrrad, stockte aber und sah zu ihm hoch. Sofort versteckte sich Manuel hinter dem Geländer. Er wusste nicht warum er es tat. Es war einfach ein innerer Drang nicht gesehen zu werden.
Er vernahm einen Moment nichts außer seinem schnell schlagenden Herzen, bis der Kies knirschte, sich das Geräusch entfernte. Erst da wagte er es wieder übers Geländer zu sehen. Der Mann war weg, sodass er erleichtert aufseufzte.
„Manuel? Ah hier bist du ja. Pack doch noch deine Sachen aus, oder willst du dir erst die Gegend anschauen?“, fragte Linda, die den Balkon betrat und die Aussicht genoss. „Ich packe heute Abend aus. Ich wollte mich ein wenig umschauen. Soll ich unterwegs irgendwas besorgen?“, bot Manuel an und Lindas Augen glitzerten. Er bereute es jetzt schon
„Warum biete ich ihr auch dauernd an was zu holen, wenn ich unterwegs bin“, grummelte Manuel, der auf den Einkaufszettel sah, den Linda ihm in die Hand gedrückt hatte. Es waren schon ein paar Sachen, aber das konnte seiner Fitness ja nur gut tun. Also steckte er den Zettel weg und sah sich um. Es war eine ruhige Gegend, durch welche er lief. Er hatte sich eine weite Jacke angezogen und einen Schal um den Hals gebunden.
Es war heute ziemlich kalt. Er fröstelte trotz seinen kleinen Fettpölsterchen. Seine Hände vergruben sich in den Jackentaschen, während er seinen Blick schweifen ließ. Es war wirklich eine schöne und ruhige Gegend. Er kam schon bald an einem Spielplatz vorbei. Angrenzend an diesen war ein Sportplatz mit Körben und Fußballtoren.
Manuel trat näher heran und besah sich diesen näher. Es war keiner da und auch der Spielplatz war bis auf zwei Mütter mit ihren Kindern leer. Die Kinder waren nicht älter als fünf Jahre. Sie spielten Ball auf der angrenzenden Wiese. Manuel lächelte als er die beiden Kinder beobachtete, lehnte dabei am Gitter zum Sportplatz.
Sein Blick fiel nach kurzer Zeit auf einige Jugendliche, die lachend näher kamen. Sie wollten wohl auf den Sportplatz, was der Ball den sie um sich herum warfen, zeigte. Manuel wurde unsicher und entfernte sich schnell von dem Gitter. Er wollte keinen Streit provozieren, doch die Jungs ignorierten ihn einfach und fingen direkt an Basketball zu spielen.
Manuel hatte sich auf einer der Schaukeln niedergelassen, beobachtete die Jugendlichen bei ihrem Spiel. Er würde auch gerne mitspielen, aber dafür hatte er zu viele Komplexe und eine sehr schlechte Ausdauer. Es war wirklich traurig. Sein Blick wanderte über jeden einzelnen Jungen, bis seine Augen auf einem blonden Halt machten. Noch eine Sache die damals in seinem Dorf zu dieser miesen Behandlung geführt hatte. Er hatte immer lieber den Jungs als den Mädchen zugesehen. Doch jetzt würde er ein neues Leben anfangen, vielleicht fand er ja auch ein interessantes Mädchen, dann wäre das Problem 'Jungs auf den Hintern schauen' endlich abgeschlossen.
Deshalb wandte er auch den Blick von dem blonden Jungen ab, erhob sich und verließ den Spielplatz. Sein Weg führte ihn zu einem Supermarkt. Er würde die Liste seiner Mutter erst einmal abarbeiten. Er suchte im Supermarkt also alles zusammen und stellte sich an die Kasse, bezahlte brav den Betrag und verließ den Markt mit vier prallen Tüten wieder.
Er fragte sich manchmal warum seine Mutter nicht mit dem Auto einkaufen fuhr. Aber nein, da musste er sich immer abschleppen. Sogar wenn sie shoppen ging und ihn mitnahm. Da durfte er immer den Träger spielen. Die Plastikgriffe schnitten heftig in seine Hände, sodass er sie nach einer Weile absetzen musste. Ihm war ziemlich warm, weswegen er den Schal ab nahm und ihn in einer der Tüten verstaute. Er richtete sich auf, um den Rücken durch zu drücken.
Es knackte unangenehm. Danach griff er sich wieder die Tüten und machte sich auf den Weg. Mit gesenktem Kopf ging er an den Leuten vorbei. Das hatte er sich die Jahre über angewöhnt. Er wollte niemandem in die Augen sehen und provozieren. Er bemerkte so auch sofort, dass irgendjemand an seinen Fersen hing. Nach etwa zwei Dutzend Schritten sah er auf. Er erkannte den Mann neben sich sofort.
„Hallo. Du bist doch mit deiner Mutter über mir eingezogen, richtig?“, fragte der dunkelhäutige Mann. Manuel sah ihn aus großen Augen an, nickte dann aber artig. „Ich bin Hakim Kutesa und wie ist dein Name?“, fragte der Dunkelhäutige, während er sein Fahrrad neben Manuel herschob. „Manuel ... Manuel Baumann“, gab dieser kleinlaut von sich, sah ihn aber nicht mehr an. „Manuel. So, so. Das hört sich recht Deutsch an“, stellte Hakim nachdenklich fest. „Ja. Meine Verwandten sind alles Deutsche ... und du?“, fragte Manuel etwas unsicher, schielte zu ihm hinüber und musterte dessen wirklich sehr ansehnliche Gestalt.
Hakim war einen ganzen Kopf größer als er selbst. Seine Statur war schlank, mit vielen Muskeln. Seine Haare bestanden aus schulterblattlangen Rastazöpfen in einem tiefen schwarz. Als er ihn ansah erkannte er schwarze Augen. Nervös leckte sich Manuel über die Lippen.
„Ich bin Deutschland geboren, habe aber afrikanisches Blut“, antwortete Hakim. Dann fügte er noch fragend hinzu: „Soll ich dir was abnehmen?“
Manuel sah ihn bei der Frage verwirrt an. Hielt er ihn für so schwach, dass er ihm etwas abnehmen musste? „Nein. Geht schon“, schüttelte er deswegen den Kopf und trug seinen Einkauf eisern selbst weiter. Hakim zuckte nur mit den Schultern.
„Woher kommt ihr denn?“, fragte Hakim weiter, da Manuel verbissen schwieg. „Schamhorst. Kleines Dorf ca. 700 Einwohner“, zuckte Manuel mit den Schultern und spürte deutlich das Gewicht der Tüten. „Kenne ich nicht und wie alt bist du? Du scheinst noch zur Schule zu gehen“, fragte Hakim ihn weiter. Manuel wagte einen Seitenblick. Kurze Zeit später standen sie vor ihrem Haus. „17 bin ich und in der 10. Klasse“, antwortete er brav und stellte die Tüten ab, um den Schlüssel aus seiner Hosentasche zu kramen. Seine Hände waren vom Tragen ganz warm und schmerzten.
Als die Tür offen war, betrat er schnell das Haus und ohne Hakim noch einmal anzusehen, verschwand er ins Innere. Dieser Afrikaner war ihm nicht ganz geheuer mit seinem Interesse. Er betrat oben völlig außer Puste die Wohnung und brachte den Einkauf in die Küche.
Aus dem Kühlschrank nahm er sich etwas zu trinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Manuel? Oh du bist ja schon wieder da“, lächelte Linda als sie in die Küche kam. „Ja. Hier der Einkauf. Ich gehe in mein Zimmer. Ein bisschen die Kartons auspacken.“ Und damit verschwand er eilig in sein Zimmer. Nur damit sie nicht auf die Idee kam ihn auch noch den Einkauf einräumen zu lassen. Wäre ja noch schöner, darauf hatte er keine Lust.

Kapitel drei:



Es kam schnell der nächste Morgen. Manuel hatte am Abend zuvor noch alle Kartons ausgeräumt und sein Zimmer eingerichtet. Nun aber saß er im Wohnzimmer auf dem Sofa und hatte sein Matheheft vor sich aufgeschlagen liegen. Er verstand Mathe einfach nicht und da konnte nicht mal seine Mutter helfen, denn sie war ebenso schlecht wie er.
Als es gegen elf Uhr bei ihnen klingelte, ging Linda zur Tür und öffnete. Manuel lauschte ihrer Stimme wie sie jemanden begrüßte. „Oh das ist sehr nett. Möchten Sie auf einen Kaffee oder Tee rein kommen?“, fragte Linda erfreut und kurze Zeit später hörte der Rotschopf das Schließen der Tür und Schritte. Deswegen sah er auch auf. „Danke, ein Tee genügt mir“, vernahm Manuel eine wohlbekannte Stimme und wenige Sekunden darauf, erschien auch der passende Körper.
„Hallo Manuel“, grüßte Hakim ihn und Linda schien erstaunt. „Ihr kennt euch schon?“, fragte sie. „Wir haben uns gestern kurz getroffen“, nuschelte Manuel und strich sich eine der Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Das ist schön. Setzen Sie sich ruhig. Ich hole Ihnen einen Tee“, lächelte Linda und war verschwunden. Hakim dagegen setzte sich Manuel gegenüber. Dieser sah etwas verkniffen auf sein Matheheft hinunter.
„Du hattest es gestern so eilig rein zu kommen, oder habe ich dich irgendwie verärgert?“, fragte Hakim mit einem mal und betrachtete den anderen aus seinen ruhigen schwarzen Augen. Manuel, der kurz aufsah, bemerkte es auch, schüttelte hastig den Kopf. „Nein, du ... Sie haben nichts gemacht“, wiegelte er ab und sah ein leichtes Schmunzeln. „Duze mich ruhig. So viel älter bin ich ja auch nicht“, kam es amüsiert von Hakim.
„Wie alt?“, fragte Manuel neugierig nach und klappte das Buch mit einem Finger auf der Seite zusammen. „22 Jahre“, meinte er und lehnte sich etwas zurück. „Fünf Jahre sind doch schon eine Menge“, runzelte der Rotschopf die Stirn. Im gleichen Augenblick kam seine Mutter mit drei Tassen Tee wieder und reichte sie den beiden. „Danke sehr“, lächelte Hakim und nippte kurz dran.
Dann fingen Linda und Hakim ein Gespräch an. Manuel fühlte sich etwas ignoriert, sodass er nach Kurzem sein Buch wieder aufschlug. Er verstand Mathe einfach nicht. Doch seine Rettung war das Klingeln an der Tür. So erhob er sich und öffnete.
Es war eine junge Frau. Sie hatte schwarze Haare, eine helle Haut und blaue Augen. Sie lächelte freundlich und schien nicht älter als fünfundzwanzig zu sein. „Ja?“, fragte Manuel und spürte wie sie ihn musternd betrachtete, dann aber lächelnd meinte: „Hi. Ich bin Kate Lewing von ganz unten. Ich wollte mich vorstellen und mir meine neuen Nachbarn mal ansehen“, zwinkerte sie. „Hallo. Ich bin Manuel. Kommen Sie doch rein“, bot er höflich an, überspielte damit seine aufkommende Verlegenheit. So führte er sie auch ins Wohnzimmer rein.
„Hakim. Ich habe nicht erwartet dich heute hier zu sehen“, grüßte Kate den Afrikaner, welcher den Gruß lächelnd erwiderte. Dann stellte sich Kate auch Linda vor. Manuel war in der Wohnzimmertür stehen geblieben, beobachtete die drei Erwachsenen. Er fühlte sich so unwohl zwischen ihnen. Deswegen verschwand er auch in seinem Zimmer und warf sich aufs Bett.
Er sah aus dem Fenster, in den wolkenbehangenen Himmel. Er hatte das Fenster schräg gestellt. Wenn es anfing zu regnen, musste er es unbedingt schließen. Doch der Gedanke war nur nebensächlich. Er fragte sich, ob er in dieser Stadt wirklich glücklich werden könnte. Doch da musste er bis zum nächsten Tag warten, da fing für ihn nämlich die Schule an.

Am nächsten Tag stand er zeitig vor dem Schultor, sah auf die Schule. Viele Schüler gingen an ihm vorbei, schenkten ihm nicht den geringsten Blick. Doch das war Manuel lieber, als wenn sie ihn fertig machten. Er trug heute unter der Jacke einen recht weiten Pulli, hoffte somit seinen Bauch kaschieren zu können. Seufzend setzte sich der Rotschopf in Bewegung und suchte das Klassenzimmer, welches er sich auf einem Zettel notiert hatte.
Er fand es recht schnell und betrat es, sah kurz durch den Raum. Es waren schon ein paar Schüler da. „Hey. Suchst du jemanden?“, wurde er von einem braunhaarigen Mädchen angesprochen. Dieses saß zwischen ihren Freundinnen und sah zu ihm rüber. Nun lag auch der Blick der restlichen Schüler auf ihm. „Ich suche die Klasse 10a. Bin ich hier richtig?“, fragte Manuel nervös. „Jepp. Da bist du hier goldrichtig, können wir dir weiterhelfen?“, fragte sie abermals. „Ich bin ab heute in dieser Klasse. Ist noch irgendwo ein Platz frei?“, fragte er verlegen lächelnd und sah schon das erste Anzeichen. Sie rümpfte die Nase und betrachtete ihn von oben bis unten.
Das ging ja gut los. „Komm her. Neben mir ist noch ein Platz frei“, rief ihm ein blonder Junge zu und deutete auf den besagten Platz. Dieser lag etwa mittig, direkt am Fenster. „Danke“, lächelte Manuel und ging zu besagten Platz durch. Er erkannte den blonden Jungen vom Sportplatz am Vortag, wo dieser mit seinen Freunden Körbe geworfen hatte.
Er ließ sich auf seinem nun neuen Platz nieder und sah zu dem Blonden auf. Dieser hatte sich ihm interessiert zugewandt. „Ich bin Julian und du?“ Damit hielt er ihm die Hand hin. „Manuel“, schluckte er und nahm kurz die dargebotene Hand an. „Du meinst, wie der Manuel aus Schloss Einstein?“, fragte eines der Mädels von vorne und kicherte. Manuel schwieg dazu lieber. Zum Glück kamen auch die restlichen Schüler endlich rein und bald auch der Lehrer.
So wurde er vorgestellt und der Unterricht ging los. Manuel hatte sich kurz umgesehen und gemerkt, dass er wieder mal der einzige Dicke in der Klasse war. Er hatte innerlich aufgeseufzt. Hoffentlich wurde er nicht wieder zum Spielball. Er musste sich anstrengen und sich gut einleben. In der Mittagspause wurde er dann von Julian angesprochen.
„Hey, sag mal, kannst du Basketball? Wenn du magst, kannst du mit uns Körbe werfen“, bot er dem Rotschopf an, welcher erstaunt zusagte. Er war nicht wirklich gut in Basketball, was auch die anderen schnell merkten. Einige fingen auch sofort an herumzumosern, nur Julian schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Manuel wurde schließlich so nervös, dass er meinte er würde den Rest zuschauen und setzte sich an den Rand, legte den Kopf in den Nacken.
Ein schweres Seufzen verließ seine Lippen. Warum tat er sich das an? Er könnte sich doch einfach unsichtbar machen ... oder? „Hey. Nimm es nicht so schwer. Jeder fängt mal mit Basketball unten an“, grinsend setzte sich Julian zu ihm. „Ich kam bisher nie dazu Basketball zu spielen“, lächelte Manuel verlegen, sah dass Julian erstaunt schien. „Echt? Gab es das bei euch nicht im Unterricht?“, fragte dieser verwundert.
„Doch das schon. Aber ich war meist der Auswechselspieler“, zuckte Manuel mit den Schultern und wurde etwas verlegen. „Na dann bist du ab heute immer in meiner Mannschaft“, damit klopfte Julian ihm auf die Schulter, sprang auf und lief zu seinen Freunden um weiter zu spielen. Manuel war deswegen auch ziemlich errötet. Das war ihm bei einem so ... so ... so hübschen Jungen noch nie passiert. Dieser schien auch nicht auf dieser „Wir-haben-ein-neues-Opfer“- Schiene zu fahren.
Manuels Herzschlag schlug schnell, als er Julian beobachtete. Was war das nur?
Der Schultag verging recht schnell und Manuel machte sich allein auf den Heimweg. Julian musste, wie er gesehen hatte, in die andere Richtung. So war er ganz in Gedanken versunken, achtete weniger auf seine Umgebung. Erst nach einer Weile fühlte er sich beobachtet und sah verwirrt zur Seite. Neben ihm rollte Hakim auf dem Rad langsam her, beobachtete ihn amüsiert. „Du bist ziemlich unaufmerksam wenn du in Gedanken bist“, schmunzelte dieser, weswegen Manuel verlegen wieder nach vorne sah. „Es geht. Ich bekomme es zumindest mit, wenn ich angestarrt werde“, versuchte er es mit einem Lächeln, was Hakim auflachen ließ.
„Ja, das habe ich bemerkt. Bist du auf dem Heimweg?“, fragte Hakim amüsiert und bekam ein Nicken. „Gut, dann haben wir den gleichen Weg.“ Damit stieg er vom Fahrrad und schob es neben sich her. Manuel fragte sich wirklich warum dieser nicht weiterfuhr und schielte von der Seite zu diesem rüber. „Wie war dein Schultag?“, fragte Hakim in dem Moment. „Ging, und ... dein Tag bisher?“, fragte Manuel der so gesehen eigentlich nichts von dem Afrikaner wusste.
„Anstrengend, wie jeden Tag, aber auch sehr entspannend“, lächelte dieser, was Manuel verwirrte. „Wie kann etwas anstrengend und entspannend zugleich sein?“, fragte er deswegen auch. „In dem du etwas machst was du gern magst, dich dabei aber sehr verausgabst. Ich bin Tanzlehrer. Nun, und tanzen ist meine Leidenschaft“, erklärte Hakim schmunzelnd und bekam einen erstaunten Blick. „Tanzen? Du meinst Walzer und so was?“, nun war Manuel neugierig. „Walzer eher weniger. Mehr Salsa, Tango, eigene Choreografien aber auch noch viel mehr. Eigentlich alles was es so gibt und worauf meine Schüler gerade Lust haben“, erklärte Hakim.
„Das hört sich toll an“, lächelte Manuel sehr interessiert. „Kannst du denn auch tanzen?“, fragte Hakim und schob sein Fahrrad in den Flur, wo er es abschloss. „Nein. Ich habe noch nie getanzt“, antwortete Manuel, der ihm zusah wie der dunkelhäutige das Fahrrad abschloss. Zusammen gingen sie die Treppen nach oben. „Wenn du möchtest, kannst du in meinem Tanzstudio ja mal vorbei kommen und mitmachen. Warte einen Moment, ich gebe dir die Adresse.“ Damit war Hakim in seiner Wohnung verschwunden, die Tür hatte er offen gelassen. Unsicher trat Manuel von einem Fuß auf den anderen, schielte in den Flur, doch da war Hakim wieder da.
„Hier“, damit drückte er ihm einen Zettel in die Hand, welchen er kurz ansah. „Ich weiß noch nicht. Ich kann ja nicht mal tanzen“, nuschelte Manuel verlegen. „Das macht nichts. Ich gebe auch Anfängern Unterricht“, lächelte Hakim und lehnte an seiner Wohnungstür. „Mal sehen“, und damit verschwand Manuel schnell nach oben, nach Hause. Linda war noch arbeiten, sodass er sich seufzend auf das Sofa setzte. Er ließ den Tag Revue passieren. Kurz hing er bei Julian und Hakim fest. Er lächelte. Vielleicht fand er ja jetzt doch endlich neue Freunde.

Kapitel vier:


Manuel hatte sich recht gut in der neuen Schule eingelebt. Natürlich gab es den einen oder anderen, welcher es nicht lassen konnte ihn anzupöbeln oder Witze auf seine Kosten zu reißen. Aber Julian war jemand der sich auch gerne mal für ihn einsetzte. Manuel hatte das früher nie erlebt und es war ihm auch dementsprechend unangenehm.
Er hatte sich schnell von Julian in dessen Clique integrieren lassen. Mit diesen hing er in den Pausen häufig ab. Leider aber fühlte er sich dabei nicht wirklich wohl. Denn die meisten Gespräche drehten sich um die Mädchen, die an ihnen vorbei liefen. Irgendwie hatte Manuel Angst, dass die anderen Jungs herausfinden könnten, wo seine sexuellen Neigungen lagen und dass er zusätzlich auch unberührt und ungeküsst war. Schließlich griff Paul, der Junge mit der größten Klappe, auch dieses Thema auf. Es war wahrhaftig ein Schwanzvergleich, was die da erzählten.
„Mann. Die war so eng gewesen, die Inge. Die war bestimmt noch Jungfrau“, lachte Paul auf, wo die anderen mit einstiegen. „Ich ziehe die Reifen den Mauerblümchen vor“, lachte Karl, ein anderer aus der Gruppe. „Aber dann müssen die auch schon anständige Glocken haben“, grinste ein weiterer, bei dem Manuel jedes Mal den Namen vergaß. Dann wurden auch die Errungenschaften aufgezählt, selbst Julian hatte zwei Mädchen vorzuweisen.
„Hey Manuel. Erzähl uns mal von deinen“, forderte Paul nun auch ihn auf. Er hatte es doch gewusst. Aber was sollte er sagen? Doch bevor er reden musste ertönte die Schulglocke, sodass er sofort aufsprang und davon preschte. Er bekam nur noch ein paar Worte mit: „der Fettsack hatte doch sicher noch keine.“
„Sei ruhig, Paul“, hatte Julian ihn noch verteidigt was Manuel ein angenehmes Gefühl bescherte. Das Kribbeln hatte sich auch noch lange nach Beginn der Stunde in seinem Herzen festgesetzt und hielt bis nach der Schule.
Dann machte er sich auf den Weg. Er hatte heute nichts vor, würde sich bestimmt nur wieder langweilen. Er vergrub seufzend seine Hände in seinen Taschen und zog verwundert einen Zettel aus der Hosentasche. Es war die Anschrift, die Hakim ihm gegeben hatte. Sollte er da wirklich mal vorbeigehen? Aber wie sah das aus, wenn das einer der anderen mitbekam?
Nervös kaute er auf der Unterlippe herum, schlug wie von selbst den Weg ein. Er hatte sich in dem Monat, wo er nun hier wohnte, recht gut umgesehen, kannte die nähere Umgebung gut. Aber in der Zeit war er Hakim auch recht gut aus dem Weg gegangen, war nicht bei dessen Tanzstudio vorbei gekommen. Nun aber stand er vor diesem.
Auf dem Schild stand °Zum tanzenden Schwan°. Es war von außen recht klein, sodass er nur durch die Scheibe starrte. Sollte er? Sollte er nicht? „Du musst schon rein, sonst wird das mit dem Tanzen nichts“, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm, sodass er sich verdutzt umdrehte. Es war Kate die unten mit bei ihnen im Haus wohnte. „Ich ... ich wollte nicht“, stotterte Manuel beschämt, dass sie ihn beim gaffen erwischt hatte. „Ach was. Komm mit rein. Hakim wird sich freuen. Er hatte erwähnt, dass du es dir überlegen wolltest.“ Damit zog sie ihn am Arm mit sich in die Vorhalle.
„Ich will doch nicht mittanzen“, versuchte Manuel es erneut. „Dann schaust du zu. Vielleicht findest du es ja doch ganz gut. Warte kurz. Ich ziehe mich um, dann gehen wir gleich durch.“ Damit war sie verschwunden und Manuel blieb Zeit, um sich in der Vorhalle umzusehen. Es standen ein paar Glaskästen da. Er trat näher und erblickte Urkunden und Pokale. Auf manchen Bildern die geschossen worden waren, war Hakim mit seinen Tanzpartnerinnen zu sehen.
Hakim trug auf vielen Bildern wirklich interessante Kostüme. Doch da war auch Kate wieder da. „Komm.“ Damit begleitete er sie nach hinten in den Tanzraum. Hakim war schon da und schien sich aufzuwärmen. „Hey Hakim. Schau mal, wen ich vor der Tür aufgegabelt habe“, grinste sie und dieser unterbrach seine Tätigkeit, lächelte, als er Manuel erkannte.
„Hallo Manuel. Schön, dass du es dir doch überlegt hast“, grüßte er ihn. Manuel hob seine Tasche vor sich und umgriff diese, als er meinte: „Ich wollte nicht tanzen. Ich glaube Kate hat da etwas missverstanden.“ Sie hatten sich gleich von Anfang an alle im Haus das Du angeboten, weswegen er Kate auch beim Vornamen nannte.
„Du kannst ja zuschauen. Vielleicht weckt es ja dein Interesse. Heute steht Salsa auf dem Plan“, erklärte Hakim und deutete auf einen Stuhl in einer Ecke neben den Spiegeln, wo sich Manuel hinsetzen konnte. Nach und nach kamen auch weitere Leute dazu. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen war recht ausgewogen. Nur zwei Frauen mussten zusammen tanzen. Die schienen aber auch zusammen zu gehören. Dann ging der Tanz los, die Musik erfüllte den ganzen Raum.
Hakim gab immer wieder einigen Paaren Korrekturen, tanzte auch selbst. Als Manuel ihm beim Tanzen mit Kate beobachtete, wurde ihm ganz warm. Er betrachtete das Muskelspiel unter Hakims engen Oberteil. Seine Bewegungen waren sehr geschmeidig und voller Energie. Unwillkürlich wünschte er sich an Kates Stelle, errötete noch tiefer wegen dem Gedanken. Er drückte seine Tasche an sich, schalt sich in Gedanken einen Narren.
Er würde nie so gut wie Hakim tanzen können und vor allem nicht mit seinen Speckröllchen. Das sähe viel zu lächerlich aus. Bald verabschiedete Hakim seine Schüler, schnappte sich ein Handtuch und kam zu Manuel rüber. „Wie hat es dir gefallen?“, fragte er den Jüngeren, der sich erhoben hatte. „Es war toll. So etwas habe ich bisher noch nie live gesehen“, strahlte Manuel mit großen, begeisterten Augen. Hakim lachte mit angenehm dunkler Stimme. „Das freut mich. Vielleicht nimmst du ja auch an ein paar Unterrichtsstunden hier teil“, lächelte er gutmütig und Manuel fragte sich plötzlich, wie ihm im ersten Moment unter Hakims Blicken unwohl hatte sein können. Damals, als er ihn das erste Mal am Fenster gesehen hatte.
„Ich weiß nicht“, war Manuel jetzt auch wieder etwas zurückhaltender. „Keine Sorge. Ich hatte schon öfters Anfänger in meinen Kursen“, munterte Hakim ihn auf. Manuel knibbelte unwohl an seiner Tasche herum. „Ich überlege es mir ... gehst du jetzt nach Hause?“, fragte Manuel und schielte zu ihm hoch. „Wieso?“, kam nur die Gegenfrage und der Kleinere biss sich leicht auf die Zunge. Klar, warum fragte er so etwas? Manuel stotterte irgendwas von zusammen nach Hause gehen. Wirklich deutlich waren seine Worte allerdings nicht.
Er sah etwas betroffen auf den Boden, verfluchte sich, dass er dauernd so herum stotterte. „Klar. Warte kurz, dann gehen wir zusammen“, brachte ihn die freundliche Stimme wieder in die Gegenwart zurück. Erstaunt sah er Hakim an und nickte hastig. „Gut, warte in der Eingangshalle. Ich bin dann gleich da“, damit verließen sie zusammen den Tanzraum und trennten sich auf halbem Wege.
Manuel hatte sich in der Eingangshalle flink einen Flyer eingesteckt. Er wollte sich das zu Hause ganz in Ruhe ansehen. Dann betrachtete er die ganzen Bilder in den Schaukästen.
„Wir können.“ Damit schreckte Manuel auf, folgte Hakim aber, der draußen sein Fahrrad frei machte und dann neben ihm her lief.
Hakim fragte ihn den Weg über ein wenig aus, wie ihm das Tanzen gefallen hatte und noch mehr. Manuel erzählte etwas verklemmt seine Eindrücke, lächelte dabei schüchtern. So kamen sie auch bald Daheim an.
Manuel lag am Abend in seinem Zimmer, sah in den dunklen Himmel, wo schon ein paar Sterne zu sehen waren. Er hatte die Nachttischlampe an und nahm den Flyer vom Nachttisch. „Tanzstudio °Zum tanzenden Schwan° Leiter und Tanzlehrer Hakim Kutesa. Tanzarten Salsa, Tango, Choreografien und anderes, wie Standardtänze auf Wunsch. Angeboten werden Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse, alles in Gruppen“, las er sich das ganze selbst vor. Und er sollte da mitmachen? Er hatte doch gar kein Talent dafür.
Manuel drehte sich etwas auf die Seite, sah an die nackte Wand. Dann aber knüllte er den Flyer zusammen und schloss die Augen. Er würde nicht tanzen gehen. Hakim wollte ihn sicher nur damit vorführen.


Kapitel fünf:


Am nächsten Morgen wurde er durch das Telefon wach. Ein Blick auf den Wecker sagte ihm, dass er ziemlich lange geschlafen hatte. „Manuel? Bist du wach? Telefon für dich“, fragte seine Mutter und trat ins Zimmer. „Ja, ich bin wach. Wer ist es denn?“, fragte Manuel, sich über die Augen reibend, zog sich das Schlafshirt über seinen Bauch.
„Ein gewisser Julian. Ist er ein Freund von dir?“, fragte sie und reichte ihm das Telefon. „Schule“, nuschelte er und führte den Hörer zum Ohr. „Ja? Manuel hier“, grüßte er und spürte ein Kribbeln im Bauch, als er Julians angenehme Stimme hörte. „Hallo. Ich bin’s, Julian. Ich wollte fragen, ob du heute etwas Zeit hast. Ich sitze hier vor Englisch, komme aber nicht weiter. Du bist doch ganz gut in dem Fach. Kannst du mir dabei helfen?“
Leicht lächelte Manuel. Man hatte ihn noch nie um Hilfe gebeten. Er freute sich wirklich sehr darüber. „Ja gern. Wann und wo ... treffen wir uns?“, fragte Manuel, der die Beine aus dem Bett schwang und sich aufrichtete.
„Sagen wir in einer Stunde am Sportplatz?“, fragte Julian vergnügt zurück und Manuel stimmte zu, legte dann auch auf und machte sich fertig, um noch zu frühstücken. Er verließ das Haus recht früh, blieb aber unten in der Haustür stehen. Vor ihm stand Kate, die gerade ihren Einkauf abstellte. Wohl um ihren Schlüssel rauszusuchen.
„Ah, hallo Manuel“, lächelte sie und er hielt ihr höflich die Tür auf, ließ sie vorbei. „Danke. Das ist lieb von dir“, lächelte sie, nahm beide Tüten in eine Hand und wuschelte ihm mit der freien Hand durchs Haar. „Gehst du aus?“, fragte sie, als Manuel verlegen zur Seite sah. „Ja“, hauchte Manuel schüchtern und zupfte an seinem breiten Pulli herum, welcher unter der Jacke hervor schaute. „Dann viel Spaß.“ Damit ging sie die Treppe hoch.
Manuel sah ihr nach und verschwand dann, wollte nicht zu spät kommen. Er war zehn Minuten zu früh am Treffpunkt, wartete geduldig. Ab und zu sah er auf die Uhr, bis Julian mit fünfzehn Minuten Verspätung ankam.
„Hey. Sorry. Ich wurde unterwegs aufgehalten“, grüßte Julian ihn und ließ sich neben Manuel auf der Bank nieder. „Das macht nichts“, winkte Manuel nur ab. Er war es ja nicht mal gewöhnt, dass man sich freiwillig mit ihm traf, da freute er sich jetzt sehr. „Das ist gut. Lass uns gleich anfangen“, kam es vergnügt von dem Blonden, der schon sein Englischheft heraus kramte.
Manuel sah ihm mit heißen Wangen dabei zu. Bei diesem Lächeln wurde ihm irgendwie ganz anders, doch er riss sich zusammen und holte auch sein Buch hervor.
Zusammen lernten sie eine ganze Weile. Immer wieder schielte Manuel zu Julian rüber, zupfte sich seine Jacke runter. Es war kühl hier draußen, doch der Rotschopf fühlte sich, als würde ein Feuerchen in ihm brennen.
Dann sah Julian mit einem mal auf die Uhr. „Oh Mist. Ich muss los. Ich habe heute noch Basketballtraining“, entschuldigte er sich. „Macht nichts. Wir können ja wann anders weiter lernen“, bot Manuel ihm an und packte auch sein Buch wieder zurück.
„Wow. Würdest du? Das wäre klasse. Ich rufe dich dann an, ja?“, lächelte dieser ihn umwerfend an und war nach einem Nicken verschwunden. Mit einem Lächeln auf den Lippen kehrte auch Manuel nach Hause zurück. Als er das Treppenhaus betrat, hörte er wie über ihm eine Tür aufging. Er vernahm Stimmen, erkannte eine davon als die von Hakim. Er schielte über das Geländer nach oben und wurde sofort feuerrot bei dem Anblick.
Hakim und ein anderer Kerl standen eng umschlungen und küssten einander feurig. Manuel huschte leise wieder nach unten. Er wusste nicht, warum er nicht einfach hoch ging, spürte das Brennen auf seinen Wangen. Was sollte er machen? Sollte er einfach hoch gehen? Aber dann würde er die beiden bestimmt wiedersehen, wie sie einander die Zunge in den Hals schoben. Das Brennen in den Wangen verstärkte sich, als ihm der Gedanke kam, dass er auch gerne mal so geküsst werden wollte. Doch als er sich über den Bauch, der von der Jacke verdeckt wurde, strich, kühlte alles sofort ab. Wer würde so etwas Speckiges wie ihn schon so küssen wollen?
Er konnte doch froh sein, dass wenigstens ein paar Leute nett zu ihm waren. Seufzend stieg er die Treppe also wieder nach oben, vernahm gerade wie sich Hakim von dem anderen verabschiedete. Da betrat er dessen Etage auch schon. „Hallo“, nuschelte Manuel mit gesenktem Kopf. Den schwarzhaarigen Fremden beachtete er dabei nicht und ging weiter, um nach Hause zu kommen. „Hallo Manuel. Hast du es dir schon überlegt?“, fragte Hakim lächelnd und kurz hielt dieser inne.
„Nein. Ich denke nicht, dass das etwas für mich ist. Entschuldige“, damit war er auch schon oben, verschwand in sein Zimmer. Seine Mutter war eh noch nicht da und Hunger hatte er irgendwie auch nicht. Das konnte ihm ja eigentlich nur zugute kommen. Er war müde. Obwohl noch nicht mal später Nachmittag war.
Er schloss einfach die Augen, träumte ein wenig, von dem er beim Aufwachen nicht mehr wusste, was es gewesen war.

Es verging ein guter Monat. Langsam nahte auch Manuels Geburtstag. Seine Mutter drängte ihn oft doch diesen Julian einzuladen, schließlich wurde er 18 Jahre und das wurde man nicht alle Tage. Manuels Kommentar war da jedoch nur „Ach Mama. 19,20,21 und die ganzen anderen Jahre werde ich auch nur einmal. Es ist nur ein Geburtstag und nicht der nationale Feiertag.“
Empört hatte sie ihn dafür angesehen. Die Wahrheit war, dass er seinen Geburtstag nie gefeiert hatte, außer seine Mutter lud irgendjemanden ein. Aber er verspürte das Bedürfnis einfach nicht. Auch wenn es schön wäre mit Julian zu feiern. Vielleicht würde er ihn ja doch einladen? Wenn dann aber nicht bei sich zu Hause. Er würde das dann ins Kino verlegen.
Da Linda immer wieder nachfragte, ob er Julian den jetzt einlade, hatte er ihr diesen Vorschlag gemacht. Sie war sofort einverstanden. Den schwachen Moment ihres Sohnes musste sie schließlich ausnutzen.
Dann kam der besagte Tag. Er hatte an einem Samstag seinen Ehrentag. Seine Mutter würde den ganzen Abend nicht da sein. Ihr Chef hatte ihr die Spät- und Nachtschicht aufgedrückt, sie lieferten ihre Essen auch an irgendwelche Firmen und dergleichen. Manuel hatte ihr viel Spaß gewünscht und war nun selbst auf den Weg.
Er hatte mit Julian ausgemacht, dass sie sich vor dem Kino trafen. Die Karten hatte er schon vorher besorgt. Manuel sah ihn schon von weiten. Julian winkte ihm sofort zu. Als er ihn sah, grinste er frech: „Und in welchen Film geht es? Ach ja, alles Gute zum Burzeltag.“ „Danke. Ich dachte mir, wir gehen in den neuen Fluch der Karibik“, lächelte Manuel verlegen und sah sofort die Begeisterung in Julians Augen. „Super. Lass uns schnell rein.“ Damit zog er Manuel am Arm mit sich. Sie besorgten sich Popcorn und etwas zu trinken und saßen dann auf ihren Plätzen.
Sie redeten eine ganze Weile bis der Film anfing. Manuel hatte die ganze Zeit ein kribbelndes Gefühl im Bauch, schielte immer wieder zu Julian rüber. Er war so aufgeregt. Schon allein hier mit Julian zu sitzen war mehr, als er ertragen konnte. Er lebte jetzt seit gut zwei Monaten in Berlin und kannte den Blonden auch etwa ebenso lange. Er fühlte sich immer pudelwohl in dessen Nähe. Aber er hatte nie rausgefunden, ob dieser vielleicht, nur ganz eventuell, auch auf Männer stand.
Dieser hatte immer nur mit den anderen aus der Clique über Mädchen gesprochen. Nervös knabberte Manuel an einem Popcorn herum, schob es sich in den Mund und wollte nach noch einem greifen. Julian hatte wohl die gleiche Idee gehabt, sodass sich beide Hände trafen und berührten. Manuel zog die Hand erschrocken zurück, spürte eine wahre Feuersglut in seinen Wangen aufsteigen. „Hier. Magst du den Rest?“, fragte Julian lächelnd. Manuel war enttäuscht. Diesem hatte es wohl nichts ausgemacht. Was dachte er sich da auch.
Geknickt ließ er den Kopf einfach hängen, lehnte das restliche Popcorn einfach ab. Nein, ihm war die Lust auf Popcorn vergangen und auch auf den Film. Eigentlich gerade auch auf Julians Gesellschaft, aber das konnte er unmöglich sagen, also blieb er tapfer und sah sich den Film zu Ende an.
Es war schon spät, als sie das Kino verließen. Julian musste auch direkt wieder nach Hause. Er hatte es seiner Mutter wohl versprochen, sodass Manuel sich allein auf den Heimweg machte.
Dabei versank er völlig in Gedanken.
Wie konnte er sich einbilden, dass Julian wie er fühlen könnte? Vor allem, da sie sich gerade mal knapp zwei Monate kannten. Es war doch unmöglich. Julian war bestimmt nicht einmal schwul und auf Fette stand er sicher auch nicht. Manuel ließ seine Hand über seinen Bauch gleiten, biss sich auf die Unterlippe dabei. Wie konnte er nur so naiv sein?
Wenn er wenigstens etwas schlanker wäre, dann, ja vielleicht dann, würde Julian ihn wollen.
Unbemerkt war er schon vor der Haustür angekommen, sah nun etwas verwirrt auf, suchte aber seufzend den Schlüssel. Mit einem Mal aber wurden seine Augen ganz groß. Er tastete die Taschen hektischer ab. Wo war sein Schlüssel? Hatte er ihn verloren? Hatte er ihn drinnen vergessen? Manuel wandte sich hektisch um. Er rannte den ganzen Weg zum Kino zurück, hoffte, dass er den Schlüssel finden würde, doch nichts. Im Kino fragte er, ob man diesen gefunden habe, doch ebenfalls nichts. Also machte er sich erneut auf den Heimweg, sah sich dabei aufmerksam um. Doch nichts.
Als er wieder vor der Tür stand, hatte er den Schlüssel nicht wieder gefunden. Ein Schluchzen drängte sich seine Kehle nach oben. Es war einfach nicht sein Tag. Aber er durfte jetzt nicht weinen, nur nicht weinen.
„Manuel? Bist du das?“, ertönte eine männliche Stimme hinter ihm, sodass er sich umdrehte. Hinter ihm standen Hakim und der Schwarzhaarige vom letzten Mal. „Hallo Hakim“, nuschelte Manuel und senkte den Kopf. „Was stehst du hier im Kalten rum?“, fragte dieser und trat zur Tür. Öffnete sie, damit sie alle rein konnten.
„Ich ... warte auf meine Mutter. Hab wohl den Schlüssel drin vergessen“, meinte Manuel und versuchte zu lächeln, was aber schief ausfiel. „Ach so. Kommt sie denn bald?“, fragte Hakim, während sie zu dritt die Treppen hoch stiegen. „Bestimmt.“ Damit hielt er nicht inne, als sie auf Hakims Etage angekommen waren und ging weiter. „Dann gute Nacht“, wurde ihm noch gewünscht und kurz darauf war er allein im Treppenhaus.
Er setzte sich oben vor die Tür, zog die Knie soweit es ging an seinen Körper heran, was wegen dem Bauch nicht wirklich weit genug war. Für seinen Geschmack zumindest. Er schlang auch die Arme um seine Beine und vergrub sein Gesicht.
Er war ja so ein Idiot. Er war wirklich dumm, was er sich alles einbildete, seitdem er hier in Berlin wohnte. Nun kamen ihm doch die Tränen, auch wenn er es gar nicht wollte. Er wollte doch wenigstens keine Heulsuse sein. Aber es war vergebens. Die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Er war so ein Weichei, doch niemand würde mitbekommen, dass er gerade weinte. Oder?

Kapitel sechs:


Seine Mutter würde vor der frühen Morgenstunde nicht zu Hause sein. Das wusste Manuel genau.
Er wusste nicht mal, wie lange er hier schon saß. Ein Handy hatte er nämlich auch nicht dabei. Er war so dumm.
Er würde die Nacht wohl im Treppenhaus verbringen müssen.
In diesem Moment erschien ein kleiner Lichtstrahl auf der Treppe. Er sah ihn sofort, hatte den Kopf an den Türrahmen hinter sich gelehnt. Verabschiedete sich jetzt Hakims Freund? Doch er vernahm keinen Ton, nur Schritte auf der Treppe nach unten ... Manuel korrigierte sich sofort als er einen Kopf erblickte. Jemand kam die Treppe hoch.
„Manuel“, kam es etwas verwundert und er erkannte sofort Hakims Stimme. „Ist deine Mutter noch nicht wieder da?“, fragte Hakim und kam noch ein paar Stufen höher. „Nein. Aber sie kommt bestimmt bald“, meinte Manuel nur und hoffte, dass Hakim wieder ging, doch dieser blieb auf der Treppe stehen. „Steh auf Manuel. Du kannst bei mir warten. Das Treppenhaus ist nicht unbedingt warm und bequem“, bot Hakim ihm an.
Manuel war so erstaunt, dass er im ersten Moment nichts tat. „Störe ich euch denn nicht?“, fragte Manuel dann aber schließlich etwas unsicher. Er wollte die beiden nicht bei irgendwas stören. Kuscheln, küssen oder gar Se... Nein soweit wollte er nicht mal denken.
„Ach was. Nein du störst uns absolut nicht. Na komm schon“, bot er ihm erneut an und endlich erhob sich Manuel etwas umständlich, trat zögernd zur Treppe. Er konnte im schwachen Licht ein leichtes Lächeln auf Hakims Zügen sehen, was ihn ermutigte.
Als sie beide vor Hakims Haustür standen, blieb Manuel auch stehen. „Ich störe wirklich nicht?“, fragte er noch mal, was Hakim leicht lachen ließ. Dieser schob ihn an den Schultern in den Flur. „Nein. Zieh Schuhe und Jacke aus und komm ins Wohnzimmer. Gleich die erste Tür dort“, damit verschwand Hakim in genau diesen Raum. Also zog sich der Rotschopf die Jacke und die Schuhe aus, sah sich kurz im Flur um, tapste dann aber ins Wohnzimmer.
Dort saßen die beiden auch schon, sahen auf, als er rein kam. „Setz dich zu uns. Manuel? Das ist Leni, ein guter Freund. Leni? Manuel“, stellte Hakim sie einander vor. „Hallo“, grüßte Manuel etwas schüchtern und setzte sich auf den letzten freien Platz, was sich als Sessel heraus stellte.
„Du hast ja gar nicht erzählt, dass er so schüchtern ist. Wie süß“, lachte Leni munter und sofort errötete Manuel etwas. Er konnte einfach nichts dagegen machen. Es war irgendwie fest in ihm verankert. „Mach ihn nicht verlegen, Leni“, lächelte Hakim und knuffte seinem Freund in die Seite, was diesen nur hell auflachen ließ.
„Ich? Würde ich doch nie machen. Ich bin doch ganz artig“, grinste Leni und warf Manuel einen kurzen Blick zu. Irgendwie hatte dieser das Gefühl, als würde er gerade eingehend gemustert. Als er dann jedoch sah, wie Leni sich genüsslich über die Lippen leckte, wand er eilig den Kopf ab. Was war denn das gewesen? Hatte er sich gerade verguckt?
„Weißt du wie lange deine Mutter wegbleibt?“, fragte Hakim und lenkte ihn damit von dem etwas gruseligen Gedanken ab. „Sie hat Nachtschicht“, gab er seufzend zu. Er wollte diesen Mann einfach nicht belügen. „Das heißt sie kommt vor morgen Früh nicht wieder? Warum sagst du das denn nicht gleich und hockst stattdessen oben rum?“, fragte Hakim und hörte sich etwas empört an, so dass Manuel wieder anfing an seinem Pulli rumzuknibbeln
„Tut mir Leid“, hauchte er, vernahm ein Seufzen. „Du kannst hier schlafen. Ich hänge gleich noch einen Zettel oben an die Tür, damit sie weiß, wo du bist.“ Damit erhob Hakim sich seufzend und verließ das Wohnzimmer, wohl um den Zettel anzuhängen.
Nun waren nur noch er und Leni im Wohnzimmer. Manuel warf diesem einen kurzen Blick zu, spürte deutlich wie er gemustert wurde. „Du bist echt süß, Kleiner. Sag mal bist du vergeben? Bist du schwul?“, fragte Leni frech und erschrocken sah Manuel ihn an, öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Leni war auch aufgestanden und kam ihm langsam näher, stützte sich am Sessel rechts und links neben ihm ab. Sofort wich Manuel im Sessel etwas zurück, sah ihn weiter mit großen Augen an. „Na? Wie ist es? Bist du vergeben?“, fragte Leni und lächelte aufreizend. Manuel war irgendwie gerade nicht fähig vernünftig nachzudenken. Was sollte das jetzt? Doch er schüttelte den Kopf. Nein, er war nicht vergeben und das Grinsen auf Lenis Gesicht wurde breiter.
„Und, bist du schwul?“, fragte Leni weiter, kam Manuels Gesicht bedrohlich nahe. „Was machst du da?“, piepste Manuel und versuchte sich noch kleiner zu machen. War dieser Leni nicht Hakims Freund? Wieso machte dieser ihn gerade an? Oder bildete er sich das ein?
Nein, sicher keine Einbildung, denn er spürte die Finger von Leni unter seinem Kinn. Spürte wie er sein Gesicht anhob und sah ihm starr in die Augen. „Etwas Schönes. Lass es dir gefallen, Süßer“, schnurrte Leni, doch genau das war der Anstoß für Manuel. Dieser stieß den Schwarzhaarigen kräftig von sich weg, hatte sich aufgerappelt und war vor Leni zurückgewichen.
„Was sollte das? Aua, Scheiße“, schimpfte Leni, der sich am Tisch ziemlich gestoßen hatte. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Leni“, kam es trocken von hinter ihm. Verwirrt sah sich dieser um, sah Hakim, der an der Tür lehnte.
Hatte dieser etwa die ganze Zeit zugesehen? Manuel spürte das Brennen in seinen Wangen deutlich und bevor noch jemand was sagen konnte, war er an Hakim und Leni vorbei gestürmt und raus aus der Wohnung. Er rannte nicht nach oben sondern nach unten und in den Garten hinters Haus. Die Wiese war zwar feucht aber er ließ sich trotzdem nieder, zog die Beine wieder nah an den Körper.
Was war das eben? Wollte dieser Leni ihn verschaukeln? Wieso war dieser ihm so nah gekommen? Hatte ihn sogar fast geküsst. Er hatte ihn auch Süßer genannt. Warum machten sie sich so über ihn lustig? Er verstand das nicht. Auch nicht warum Hakim dem ganzen anscheinend nur zugesehen hatte. Was sollte das? Er fühlte sich so verwirrt.
Dann vernahm er plötzlich Stimmen. „Entweder du hilfst mir ihn zu finden, oder du kannst gleich nach Hause gehen. Dann brauchst du dich die nächsten Wochen aber auch nicht mehr blicken lassen“, vernahm er Hakims Stimme und dann eine etwas jammernde von Leni „Ach man. Der Junge wird wohl allein zurecht kommen. Er ist doch schon 17 sagtest du? Er ist kein Kind mehr.“
„Das hat damit nichts zu tun. Du bist ihm auf die Pelle gerückt. Würde mich nicht wundern, wenn du ihn jetzt noch mehr verschüchtert hast. Dass du deine Hormone aber auch nie unter Kontrolle halten kannst“, knurrte Hakim wütend, doch Manuel wollte das nicht hören.
Jetzt stritten sich die beiden schon wegen ihm. Sie waren doch ein Paar.
„Ah hier bist du ja“, erklang mit einem mal eine erleichterte Stimme neben ihm. „Leni lass gut sein. Ich hab ihn schon. Geh wieder rein, wir kommen gleich nach“, rief Hakim seinem Freund zu und kam zu Manuel. „Die Wiese ist doch noch nass. Komm, steh auf“, meinte Hakim und hielt Manuel eine Hand hin, was dieser nicht sah, da er sein Gesicht an seinen Beinen versteckt hatte.
Er vernahm auch ein kurzes Rascheln, als sich Hakim vor ihm in die Hocke ging. „Hey. Tut mir echt leid, was Leni da gerade gemacht hat. Er wird es sicher nicht noch mal machen“, versuchte Hakim auf ihn einzureden. Manuel sah nun doch zögernd zu ihm auf und blickte in zwei dunkle Augen. Sie waren wirklich schwarz. „Na komm, steh auf und lass uns rein gehen. Deine Jacke hast du ja auch nicht an“, damit bot er Manuel wieder die Hand an.
Diesmal nahm Manuel sie an, wollte sich gerade aufrichten, als Hakim ihn einfach hochzog. Als würde er nichts wiegen. Als würde sich dieser an seinem Gewicht nicht stören. Manuel staunte nicht schlecht, deswegen, wurde e mit ins Haus gezogen. Während er hinter dem Afrikaner hergezogen wurde, betrachtete er dessen Rücken.
Er hatte ein breites Kreuz, aber eine schmale Taille. Manuel seufzte innerlich. Er würde auch gerne so aussehen. Manuels Blick blieb mit einem mal auf Hakims Hintern hängen. Als er das realisierte, lief er sofort rot an, sah hastig zur Seite.
Dann betraten sie Hakims Wohnung. Die Tür wurde nebenher geschlossen. „Ist dir das Sofa recht?“, fragte Hakim und beide betraten das Wohnzimmer, wo Leni im Sessel saß, hatte beide sofort ins Blickfeld genommen. „Hey, Sorry wegen eben, Süßer. Ich wollte nicht aufdringlich sein“, grinste Leni verlegen, doch Manuel schüttelte eilig den Kopf. Es war bestimmt nur ein Scherz gewesen, nichts wofür man sich entschuldigen müsste. Es hatte sich noch nie jemand bei ihm entschuldigt, dann war es jetzt sicher nicht ernst gemeint.
„Also nimmst du meine Entschuldigung an?“, fragte Leni trotzdem noch mal und Manuel war etwas unsicher. Ihm wurde sogar die Hand hingehalten.
Manuel musterte Leni nun das erste Mal genauer. Schwarze Haare, grüne Augen. Einen kräftigen Körper, nicht so viele Muskeln wie Hakim, aber doch sehr vorzeigbar. „Schon gut“, seufzte Manuel und wollte nur kurz dessen Hand schütteln, aber gerade als er ihn berührte, grinste Leni frech auf, festigte den Griff und zog Manuel einfach auf seinen Schoß. Manuel gab ein recht unmännliches Geräusch von sich, hatte Furcht zu fallen, doch er landete sicher auf Leni.
Er wollte auch sofort wieder aufstehen, doch da hatte Leni schon die Arme um ihn geschlungen, hielt ihn fest bei sich. „Was soll das? Lass los“, versuchte Manuel dessen Arme zu lockern. „Sorry. Bin nur so verschmust“, grinste Leni ihn frech von der Seite an, was Hakim seufzend den Kopf schütteln ließ. Er warf dem Schwarzhaarigen einen mahnenden Blick zu „Ich hole die Bettwäsche.“
Damit war Hakim auch raus.

Kapitel sieben:


Doch Manuel fühlte sich unwohl. Er war schließlich nicht gerade leicht, doch Leni schien es nicht zu stören, kuschelte sich tatsächlich an seinen Rücken. „Lass mich aufstehen“, bat Manuel, spürte das Kopfschütteln. „Nee. Ist grade so gemütlich“, kicherte Leni belustigt und streichelte plötzlich über den Bauch des Rotschopfes.
„Nicht“, schnappte Manuel sich die Hand, hielt diese krampfhaft fest. „Hey. Ruhig, Süßer. Ich mache doch nichts Schlimmes.“ Doch da zappelte Manuel schon rum, hoffte so frei zu kommen. Das Wunder geschah. Leni ließ ihn wirklich los. Schnell wich er vor diesem zurück, zog sich seinen Pulli so tief er konnte, knibbelte nervös am Saum.
Leni dagegen runzelte etwas die Stirn, doch bevor er etwas sagen konnte war Hakim zurück.
Das Sofa war schnell vorbereitet. „Brauchst du ein Nachtshirt zum Schlafen? Aus der nassen Hose solltest du aber raus“, meinte Hakim nachdenklich.
Hakims Shirts würden ihm doch nie passen, also schüttelte er abwehrend den Kopf, lächelte schief. „Geht schon. Danke.“
„Wie du meinst.“ Damit zog er Leni vom Sessel hoch und hinter sich her. Manuel hörte nur noch ein: „Gute Nacht“, dann war es leise und außer einer kleinen Lampe auch dunkel.
Unwohl zog sich Manuel seine Hose aus, legte sie ordentlich auf den Sessel, legte sich eilig unter die Decke. Er kuschelte sich tief unter die Decke. Es war ihm so peinlich, was dieser Leni da gemacht hatte, es fühlte sich einfach komisch an.
Leni hatte nichts zu seinem Gewicht gesagt, als er auf diesem saß, hatte sich sogar an ihn gekuschelt und es als gemütlich bezeichnet. Er errötete tief deswegen, kniff die Augen zusammen. Irgendwie klopfte sein Herz auch ganz schnell. Er wusste einfach nicht, was er davon halten sollte. Was war nur los mit ihm? Er dachte, dass sein Herz nur bei Julian so schnell schlug, oder war er jetzt einfach nur nervös?
Aber warum war er nervös? Weil er das erste Mal bei jemanden anders übernachtete? Weil er Leni und dessen Absichten nicht verstand? Es war zum Haare raufen. Er hoffte nur schnell einzuschlafen.

Angenehme Wärme. Manuel konnte angenehme Wärme spüren. Nicht überall, aber auf seiner Wange und unter seiner anderen Wange ebenfalls. Nur, dass es auf der einen Seite zusätzlich noch angenehm kribbelte. Was konnte das nur sein? So fühlte er sich doch sonst auch nicht in seinem Bett, aber es gefiel ihm so sehr, wollte es nicht missen. Was war das nur?
Leicht kuschelte er sein Gesicht in sein Kissen was so schön kuschelig warm war. „Möchtest du mit frühstücken, Leni?“, ertönte mit einem mal eine Stimme in sein Bewusstsein. War jemand in seinem Zimmer? Wieso Leni? Er hieß doch Manuel. Was war hier los? „Ja gern“, ertönte auch eine zweite Stimme als Antwort, was Manuel nur noch mehr verwirrte. Langsam fing sein Hirn auch an zu rattern. Leni? Das war doch Hakims Freund.
Aber was machte Leni in seinem Zimmer? War er überhaupt in seinem Zimmer? Er war doch bei Hakim auf dem Sofa eingeschlafen. Abrupt öffnete er die Augen, blieb aber liegen und sah verwundert auf den Wohnzimmertisch vor sich. Er war wirklich noch bei Hakim. Jetzt nahm er auch wieder die angenehme Wärme an seiner Wange wahr und das Kribbeln auf der anderen. Er hob seine Hand und legte sie sich auf seine Wange, berührte plötzlich andere Finger.
Erschrocken richtete er sich auf, robbte etwas zurück und erkannte Leni der neben ihm saß. Jetzt realisierte er auch weswegen es so angenehm warm gewesen war. Er hatte in Lenis Schoß gelegen und dieser hatte über seine Wange gestreichelt. „Du bist wach? Möchtest du Frühstücken?“, fragte Leni lächelnd und schien irgendwie amüsiert zu sein.
„Ich ... ähm ... gehe besser Heim ... Meine Mutter wird bestimmt schon da sein.“ Damit sprang er schnell auf, griff sich die Hose, um sie sich eilig anzuziehen und raus zu flitzen. Ohne sich von Hakim zu verabschieden. Oben wurde ihm auch sofort geöffnet. „Hey mein Schatz. Du hast bei Hakim übernachtet?“, fragte sie lächelnd und ging in die Küche. Manuel folgte ihr etwas langsamer. „Ja“, seufzte er nur und fühlte sich noch immer ziemlich nervös.
„Dein Schlüssel lag übrigens im Flur. Wie war dein Abend gestern noch?“, fragte sie weiter und stellte Manuel eine Schüssel Cornflakes vor die Nase. „Es war schön.“ Und so erzählte er lächelnd was passiert war, ließ aber Lenis komisches Verhalten und seine Flucht weg.
„Das hört sich toll an. Julian hat übrigens angerufen. Er fragt, ob du mit ihm auf den Sportplatz gehen magst“, teilte Linda ihm mit und sofort strahlten Manuels Augen. „Ich rufe ihn an.“ Schnell sprang er auf, hatte sein Frühstück nicht angerührt.
Zwei Stunden später war er auf dem Sportplatz. Julian war sogar schon da. Manuel hatte sich sehr beeilt und war dementsprechend außer Puste, zupfte seine Jacke schnell zurecht und grüßte den Blonden. „Hey Manuel. Super, dass du Zeit für mich hast. Ich muss für meine Mutter Blumen aussuchen, nur leider habe ich von so was absolut keine Ahnung. Kannst du mir dabei helfen?“, fragte Julian bittend und sah ihn aus seinen strahlend blauen Augen an.
„Gerne“, nickte Manuel zustimmend und zusammen machten sie sich auf den Weg.
Er beobachtete Julian oft von der Seite, fühlte sich wieder so verdammt nervös. Kurz rieb er sich über die Nase. Sein Gips dort war schon länger wieder ab.
Doch fast, als wäre das der Auslöser gewesen, erblickten seine Augen etwas was ihn erschreckte. Abrupt blieb er stehen. Sie gingen gerade beide durch einen Park. Julian sah fragend zu Manuel zurück. „Manuel?“, fragte er verwundert, doch schon wurde eine andere Stimme vernehmbar. „Wonderpig. Dich hier zu sehen. Wir vermissen dich schon alle“, erklang eine höhnische Stimme, während Manuel seine Lippen zusammenkniff, den Jungen hinter Julian ansah.
Julian drehte sich auch endlich um, sah den Jungen der gesprochen hatte abwertend an. „Kevin“, hauchte Manuel, was ihm ein Lachen einbrachte. Doch dieser Kevin war nicht alleine. Neben diesem stand Ernie, dessen bester Freund. Ebenso noch ein weiterer Junge, Bernd. Die drei sahen Manuel grinsend an, bis Kevin näher trat.
„Wo warst du denn die letzten Monate? Wir vermissen dich in der Schule“, grinste dieser fies, bekam sofort mit, dass sich der Rotschopf am ganzen Körper versteifte. Julian schien das ebenfalls mitzukriegen. „Manuel? Kommst du weiter?“, fragte er deswegen auch und hatte sofort die Aufmerksamkeit der drei. „Wen haben wir denn hier. Hat sich unser Wonderpig eine kleine Barbie geangelt?“, lachte Bernd grinsend und frech.
Besagte Barbie runzelte ärgerlich die Stirn, straffte die Schultern. „Und mit wem habe ich das Vergnügen? Oder auch nicht?“, fragte Julian missgelaunt. „Das können wir dir gern zeigen. Ernie? Bernd? Schnappt euch das Wonderpig“, grinste Kevin und trat auf Julian zu, überragte diesen um einen halben Kopf. Die anderen beiden kamen Manuel näher, welcher ängstlich zurück wich. Was machten die nur hier in Berlin? Wieso waren sie hier?
„Lass uns Spaß haben. Wir haben so lange auf dich verzichtet“, grinste Bernd fies und schon landete die erste Faust in Manuels Bauch, ließ diesen keuchen. Er krümmte sich leicht vor, schlang die Arme um seinen Leib. „Manuel“, kam es erschrocken von Julian, doch dieser musste sich gegen Kevin behaupten welcher in Boxerhaltung nach ihm schlug. Julian wich zwar gut aus, bekam dann aber doch einen Treffer an der Schulter.
Dagegen vergnügten sich Ernie und Bernd mit Manuel, schlugen erneut zu. Manuel lag schon am Boden. Würde er wieder im Krankenhaus landen? Würde er nun auch in Berlin wieder fertig gemacht werden? Wieder in sein altes Leben abrutschen.
Er wartete mit zusammengekniffenen Augen auf den nächsten Schlag oder Tritt, doch es kam keiner mehr. Dafür vernahm er nun zwei neue Stimmen, öffnete zögerlich die Augen.
„Macht dass ihr weg kommt, bevor ich die Polizei rufe“, keifte eine aufgebrachte Stimme Ernie und Bernd zu, die sich auch sofort von dannen machten. Auch Julian wurde geholfen, da konnte er sogar sehen von wem. Es war Hakim, der Julian nach dessen Befinden fragte.
„Hey Manuel. Komm hoch“, vernahm er die besorgte Stimme vor sich, sodass er seinen Blick wandern ließ. „L ... Leni?“, fragte er unsicher, sah das Nicken, spürte die Tritte, die seinen Magen getroffen hatten. Leni hielt Manuel die Hand hin, welche angenommen wurde. Manuel wurde einfach auf die Beine gezogen. Es war wie bei Hakim. Leni schien sein Gewicht nicht wirklich wahrzunehmen. Trotzdem stand Manuel etwas gekrümmt da. Sein Magen tat ihm weh. „Geht's?“, fragte Leni besorgt, der es zu merken schien, dass Manuel Schmerzen hatte.
„Ja. Geht schon. Danke“, hauchte Manuel, der nicht wollte, dass Leni sich Sorgen um ihn machte. Er war es ja eigentlich gewöhnt. Geistig. Aber anscheinend nicht mehr körperlich. „Was wollten die drei eigentlich von euch?“, ertönte nun Hakims Stimme. Dieser war mit Julian näher getreten. Julian zuckte nur mit den Schultern, wobei die eine weh zu tun schien. „Manuel?“, fragte Hakim an ihn gewandt, doch dieser biss sich auf die Unterlippe.
Er wollte nicht, dass die beiden erfuhren, dass er früher immer der Prügelknabe gewesen war, sich nicht hatte wehren können. Er wollte einfach nicht mehr verachtet werden. Deswegen griff er Julian am Handgelenk und bevor er mit diesem verschwand meinte er nur noch „Niemand. Danke für eure Hilfe. Wir müssen weiter.“

Kapitel acht:


„Hey. Nicht so schnell. Wer waren die?“, fragte Julian, der sich bemühte hinter dem Rotschopf herzukommen. Manuel machte nun auch etwas langsamer. „Das war Hakim, mein Nachbar und dessen Freund Leni“, antwortete er, sah Julian aber nicht an. „Ich meine nicht die beiden die uns geholfen haben, sondern die anderen drei, die uns angegriffen haben“, fragte Julian weiter doch Manuel verfestigte seinen Griff unbewusst, lockerte ihn erst, als er Julians Keuchen hörte.
„Ent ... Entschuldigung. Habe ich dir wehgetan?“, fragte er und fühlte sich so verwirrt. „Geht schon, aber jetzt sag. Wer waren die?“, winkte Julian ab und sah ihn ernst an. „Niemand“, nuschelte Manuel fühlte sich so unendlich schwach, war auch stehen geblieben.
„Dafür kannten sie dich aber ziemlich gut“, kam es leicht spöttisch von dem Blonden, der sich über die Schulter rieb, welche wohl schmerzte. „Du wolltest doch Blumen holen, da ist ein Blumenladen“, lenkte Manuel ab und betrat den Laden auch sofort. „Na gut. Aber glaub nicht, dass du einfach so davon kommst. Schauen wir erst mal nach den Blumen“, seufzte Julian ergeben und beide sahen sich um, es sollten Geburtstagsblumen werden.
Nach einer Weile hatten sie einen wunderschönen Strauß, verließen den Laden wieder. Manuel dachte die ganze Zeit darüber nach, warum die drei hier in Berlin waren. Er hatte Angst. Es fühlte sich an, als würde eine eisige Hand nach ihm greifen. Er wollte nach Hause. „Julian? Ich ... Entschuldige, aber ich gehe besser Heim, wir sehen uns morgen in der Schule, ja?“, bat er diesen, welcher nachdenklich nickte und dem flüchtenden Rotschopf nachsah.
Dieser stürmte förmlich nach Hause. Ignorierte Kate, die das Haus gerade verließ. Seine Mutter war gerade nicht da, wohl einkaufen, sodass er sich ins Bett warf und sich die Decke über den Kopf zog. Er fühlte sich so elend, so verfolgt.
Er schlief aber zum Glück schnell ein und durch bis zum nächsten Tag. „Manuel Schatz. Aufwachen. Du kommst noch zu spät zur Schule“, weckte seine Mutter ihn schließlich doch. Manuel wollte nicht aufstehen. Konnte einfach nicht. „Mir geht es nicht gut. Kann ich daheim bleiben?“, fragte Manuel und spürte wie Linda ihm eine Hand auf die Stirn legte. „Fieber hast du nicht“, murmelte sie und streichelte ihrem Sohn zärtlich über den Kopf. „Was fehlt dir denn?“, fragte sie sanft. „Mir ist schlecht und ich habe Bauchschmerzen“, das war nicht mal gelogen. Wenn er an den letzten Tag dachte, dann wurde ihm sofort übel und die Schläge in seinem Bauch fühlte er immer noch. Bestimmt hatte er ein paar hübsche bunte Flecken dort.
„Dann schlaf noch etwas. Ich bringe dir ein bisschen Tee“, damit verschwand seine Mutter, brachte ihm kurz darauf den versprochenen Tee und ließ ihn wieder alleine. Manuel vergrub das Gesicht in seinem Kissen. Er wollte das einfach nicht.
Langsam glitt er in einen unruhigen Schlaf ab, träumte von Kevin, Bernd und Ernie. Er war wieder in seiner alten Schule, wurde von ihnen verprügelt, bespuckt, beleidigt und gedemütigt. Schweißgebadet kam er am Nachmittag wieder zu sich, drehte sich auf den Rücken und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, seufzte tief.
Was hatte er eigentlich jemals verbrochen? Außer, dass er so aussah, wie er aussah? „Scheiße“, nuschelte Manuel und setzte sich auf. Vielleicht ging es ihm nach einer Dusche besser. Er tapste zu seiner Tür und öffnete sie leise, vernahm Stimmen und hielt inne. „... ist krank. Danke, dass du die Hausaufgaben vorbeibringst, Julian“, vernahm er seine Mutter und alles in ihm versteifte sich. „Darf ich ihn kurz besuchen?“, fragte Julian auch schon.
„Da musst du schauen ob er noch schläft“, damit ließ sie Julian wohl gerade rein. Eilig schloss Manuel die Tür wieder, verkrümelte sich unter seine Decke. Als er ruhig lag, ging die Tür auch schon auf. „Manuel?“, fragte Julian leise und schloss die Tür hinter sich, kam langsam zum Bett ran. Abermals nannte er seinen Namen, doch Manuel wollte nicht mit ihm reden. Auch wenn er Julian sehr gern hatte, er wollte nicht darüber mit ihm reden. Nicht über gestern.
Er spürte deutlich wie sich Julian über ihn beugte, sein Gesicht musterte. Manuel versuchte weiter den Schlafenden zu mimen, betete, dass Julian wieder ging. „Willst du nicht mit mir reden, Manuel? Ich dachte ... ich dachte wir sind Freunde?“, fragte der Blonde leise, aber Manuel verstand ihn genau. Er schluckte einmal. Julian sah ihn wirklich als Freund an? Er freute sich über diese Worte und öffnete zögernd die Augen. Wenn er sein Freund war, wie würde er reagieren wenn dieser seine Vergangenheit kannte? Nein. Er wollte Julian nicht wieder verlieren.
Also schloss er rasch die Augen wieder. „Ich habe gesehen, dass du wach bist Manuel“, kam es schmunzelnd von dem Blonden, der sich neben ihn auf den Bettrand setzte. Nun hatte er sich also doch verraten. Seufzend drehte er sich zu ihm um, sah unsicher nach oben.
Sie schwiegen einander an. Manuel betrachtete ausgiebig, wie sich Julian an die Wand lehnte, sich durchs Haar strich. Wartete er darauf, dass er anfing zu erzählen? „Es waren Jungs von meiner alten Schule“, nuschelte er dann und hatte Julians Blick auf sich ruhen. „Sie hatten es schon immer auf mich abgesehen“, fügte er noch hinzu und schloss die Augen wieder, biss sich leicht auf die Unterlippe. Es war ihm so verdammt unangenehm und peinlich.
Er spürte wie sich sein Bett unter ihm etwas bewegte, wagte aber nicht nachzusehen, was Julian da tat. Dann aber spürte er einen Körper neben sich, eine Hand die ihm sanft über den Kopf streichelte. „Ich verstehe. Der eine, der immer alles abbekommt. Aber das ist doch jetzt vorbei, du wohnst jetzt in Berlin und nicht mehr bei denen dort“, wisperte Julian und während er sprach, öffnete Manuel doch zögernd die Augen, sah in die blauen.
Julian war ihm so verdammt nah. Er spürte ihn so deutlich, besonders die streichelnde Hand auf seinem Kopf. Ein Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Manuel empfand es als sehr angenehm, genoss die Nähe so sehr, sah Julian tief in die Augen. Ob er es wagen konnte? Würde Julian das zulassen? Würde er so fühlen wie er selber?
Unsicher rückte er etwas näher, kam Julian mit seinem Gesicht langsam, ganz langsam näher. Dieser sah ihn fragend, verwirrt an, wich aber nicht zurück. Ob er begriff, was Manuel von ihm wollte? Manuel war ihm schon so nahe, dass er dessen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte und endlich schien Julian ihn zu verstehen, wich sofort mit dem Gesicht zurück. Der Rotschopf war enttäuscht, blickte nach unten, nur nicht zu Julian.
„Ich mag dich ... aber nicht so. Entschuldige“, wisperte Julian und streichelte Manuel noch einmal sanft durchs Haar. „Hasst du mich dafür jetzt?“, fragte Manuel ein wenig ängstlich, sah den erstaunten Blick nicht. „Nein. Wieso sollte ich? Es ist nichts Schlimmes dran, schwul zu sein. Du bist trotzdem noch der Gleiche“, schmunzelte Julian und ein kleines Lächeln schlich sich auf Manuels Lippen, sah ihn wieder an. „Danke“, hauchte er, vergrub sein Gesicht bei Julian an der Brust. Dieser ließ ihn auch gewähren und endlich einmal fühlte sich Manuel gemocht.
In diesem Moment dachte er nichts Negatives über sich selbst, oder dass Julian ihn nicht mögen könnte. „Ich habe dich echt gerne, Julian“, nuschelte Manuel glücklich, freute sich über seinen ersten wirklich richtigen Freund. Julian schwieg und blieb noch eine Weile neben ihm liegen, doch Manuel hatte das starke Gefühl, dass dieser lächelte.
Tatsächlich. Als er nach einer Weile hoch sah, erblickte er den lächelnden Mund. „Kommst du morgen wieder zur Schule? Ohne dich ist es da voll langweilig“, zwinkerte dieser ihm zu und bekam ein seichtes Nicken. „Ja. Ich bin morgen wieder da“, seufzte Manuel zufrieden, spürte wie Julian sich über ihn beugte und nach etwas griff. Verwirrt folgte er dessen Hand und wurde sofort rot. Es war der zerknüllte Flyer von Hakims Tanzstudio. Julian strich diesen gerade glatt, schien etwas erstaunt.

Kapitel neun:


„Tanzt du?“, fragte er Julian erstaunt, als er immer noch den Flyer überflog. „N ... nein“, haspelte Manuel, der spürte wie die Röte wieder in seine Wangen schoss. „Den hab ich von meinem Nachbarn“, fügte er eilig hinzu. „Der von gestern? Dieser Dunkelhäutige? Oder der andere?“, fragte Julian interessiert nach. „Der Dunkelhäutige ist Hakim, mein Nachbar. Der andere ist Leni“, erklärte Manuel und betrachtete Julian. „Hm ... Hört sich aber interessant an“, grinste Julian fast schon und wedelte mit dem Zettel vor Manuels Nase rum.
„Meinst du?“, fragte dieser etwas verwundert. Er hätte ihn nicht so für den Tänzer gehalten. „Jupp. Wollen wir beide da mal vorbeigehen?“, fragte Julian erwartungsvoll. „Ich war schon mal da. Die tanzen wirklich toll“, lächelte Manuel und schien bei Julian etwas entfacht zu haben. „Super, dann gehen wir beide da mal hin. Du zeigst mir den Weg. Gebongt? Gehen wir da am besten am Freitag nach der Schule hin, da haben wir ja früher Schluss.“ Strahlend sah Julian ihn an und Manuel konnte gar nicht ablehnen, nickte also ganz brav seufzend.

So machten sie es dann auch. Manuel war am nächsten Morgen wieder in der Schule, hatte Hakim und Leni aber nicht noch mal wieder gesehen. Bis dann der Freitag kam. Als die Schule zu Ende war, machten sie sich zusammen auf den Weg zum Tanzstudium. Sie blieben davor stehen. „Ich ... gehe besser wieder“, nuschelte Manuel und wollte sich aus dem Staub machen, doch Julian hielt ihn am Kragen fest. „Nichts da. Du kannst mich doch nicht allein lassen“, redete er Manuel ein schlechtes Gewissen und zog ihn mit sich, sah sich kurz um.
Die Frau hinterm Tresen sah ihnen freundlich entgegen. „Kann ich ihnen helfen?“, fragte sie, tippte noch nebenbei etwas in den PC. „Wir wollten uns gerne mal die Tanzstunden ansehen. Geht das?“, fragte Julian charmant lächelnd. „Fragen sie doch gleich unseren Tanzlehrer“, damit deutete sie hinter sie, sodass beide sich umdrehten.
Hakim hatte sie beide bereits entdeckt, lächelte amüsiert. „Hast du es dir doch anders überlegt, Manuel?“, fragte Hakim, als er nah genug war, doch dieser schüttelte den Kopf. „Er begleitet mich. Ich wollte mir das hier mal anschauen“, lächelte Julian, reichte die Hand und stellte sich vor. Hakim schüttelte die Hand auch. „Zuschauer haben wir eigentlich eher selten. Normalerweise machen die nämlich gleich mit“, schmunzelte Hakim und Manuel fühlte sich sofort wieder etwas besser. Hakim hatte ihn letztes Mal zusehen lassen, das machte er anscheinend sonst nicht.
„Öhm. Was ist denn heute dran?“, fragte Julian, und Manuel bekam den Gedanken, dass Julian tanzen konnte. „Anfängerkurs. Welch Glück, da kannst du auch mitmachen, Manuel“, lächelte der Ältere und sofort errötete Manuel .
„Sehr gut. Wir machen mit. So als Probe und schauen und so“, grinste Julian, ohne Manuel überhaupt zu fragen. Hakim jedoch lachte nur amüsiert. „Habt ihr Wechselsachen mit?“, fragte er und führte sie nach hinten. „Sportsachen nur“, antwortete Julian artig. „Das reicht auch. Hauptsache bequem. Zieht euch um. Kommt dann in den Raum dort hinten.“ Damit deutete er auf besagten Raum und war verschwunden. „Wieso muss ich da jetzt mitmachen?“, fragte Manuel protestierend, während der Blonde sich umzog. „Weil du mich nicht alleine da rein lässt“, grinste Julian amüsiert und Manuel seufzte tief. „Ich kann doch gar nicht tanzen“, hauchte er.
„Dann wird es Zeit. Ist ja eh ein Anfängerkurs und zu deiner Hochzeit musst du ja auch tanzen können“, lachte Julian der fertig umgezogen war. „Wer sagt, dass ich mal heirate?“, empörte sich Manuel und zögerte noch sich umzuziehen. „Dein Zukünftiger, der dich mal kriegt“, kicherte Julian und forderte Manuel auf, sich umzuziehen. Dieser kam dem sehr widerwillig nach. Zusammen gingen sie in besagten Tanzraum. Da sie eh früh dran waren, war außer ihnen und Hakim niemand da. „Wie viel kannst du denn schon, Julian?“, fragte Hakim. „Öhm. Ist lange her, aber ich glaub die Grundschritte habe ich noch drauf und den ein oder anderen Standardtanz“, überlegte Julian grübelnd.
Manuel erstaunte die Offenbarung doch etwas. „Gut. Dieser Kurs ist zwar für Anfänger, aber die meisten können schon die Grundschritte“, nickte Hakim und sah auf, als die Tür aufging. Es kamen ein paar weitere Schüler herein.
Als alle da waren, erklärte Hakim kurz was heute alles dran war. Manuel stellte sich vorsorglich in eine Ecke und sah den anderen zu, wie sie ihre Grundschritte übten. Julian schien auch sehr gut zu sein. Hakim beobachtete alle, half jedem bei Fehlern, gab Hilfestellungen, sah dann aber zu Manuel rüber, kam zu ihm. „Probiere es“, damit reichte er ihm eine Hand, die nur zögerlich ergriffen wurde. Manuel zupfte schon die ganze Zeit nervös an seinem Shirt herum.
Dann spürte Manuel auch schon eine Hand auf seiner Hüfte, legte seine Hände dorthin wo Hakim es ihm sagte, ließ sich die Schritte erklären. Manuel fühlte sich stocksteif, hoffte, dass er keine allzu große Witzfigur abgab. „Sehr schön. Du musst nur noch etwas lockerer werden. Entspann dich. Hier sind alle Anfänger. Keiner schaut auf dich, keiner gibt eine Wertung ab“, sprach Hakim ruhig und unsicher sah Manuel ihn an.
Bei ihm haperte es wirklich extrem an Selbstvertrauen. Doch er gab sich wirklich Mühe. Wenn Hakim sich schon die Zeit für ihn nahm. Hakim zeigte ihm noch eine Weile die Schritte, musste dann aber nach den anderen Schülern sehen. Julian trat zu ihm, stellte sich neben ihn. „Mir gefällt es hier irgendwie“, kam es von dem Blonden und beobachtete die anderen Schüler. „Es ist ... ganz angenehm hier“, stimmte Manuel zögernd zu.
„Tanzt du mit mir?“, fragte Julian schief grinsend und reichte Manuel die Hand. „Ich werde dir auf die Füße treten“, wollte er ablehnen, doch da hatte Julian ihn schon an sich gezogen. „Die Grundschritte“, wies Julian ihn an und führte das fort, was Hakim gemacht hatte.
So verging die Zeit schnell. Ein oder zwei Mal war er Julian wirklich auf die Füße getreten, hatte sich immer wieder entschuldigt. Als sie wieder umgezogen waren, wartete draußen im Vorraum Hakim auf sie beide. Er hatte wohl auch Schluss. „Da seid ihr ja. Manuel? Gehst du jetzt Heim?“, fragte Hakim diesen, schulterte seine eigene Tasche.
„Weiß nicht. So weit habe ich nicht geplant“, kam es verlegen von dem Rotschopf. „Dann lasst uns doch bei mir einen schönen Abend machen. DVD schauen und so“, schlug Hakim vor, als sie sich zu dritt auf den Weg machten. „Das hört sich toll an“, strahlte Manuel, irgendwie aber doch erstaunt, dass man ihn einlud. „Du bist auch eingeladen“, wandte sich Hakim an Julian, der zufrieden grinste. „Ich komme sehr gern. Muss nur vorher Daheim anrufen und Bescheid sagen“, kam es vergnügt von diesem. „Du kannst bei mir telefonieren. Vielleicht kommt Leni ja auch vorbei“, schmunzelte Hakim und sofort spürte Manuel eine angenehme Wärme in seinen Wangen.
Bei Hakim hatte dieser auch schnell Leni angerufen, welcher zusagte. Auch Julian hatte telefoniert „Hi Dad. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich mit Freunden einen DVD-Abend mache. Kann also später werden. Ein Nachbar von Manuel. Ja genau dieser Manuel. Ja danke. Euch auch einen schönen Abend noch“, Manuel hatte dem Gespräch gelauscht und fühlte sich zunehmend besser. Julian hatte seinen Eltern tatsächlich von ihm erzählt?
Als es an der Tür klingelte, saßen die drei im Wohnzimmer beisammen und diskutierten, welchen Film sie sich anschauen wollten. Manuel hielt sich weitestgehend zurück. „Ich mache auf“, bot der Rotschopf sofort an, da die beiden das Klingeln nicht mitbekommen hatten. Manuel hatte seiner Mutter ja zum Glück schon Bescheid gegeben. Sie hatte eh wieder Nachtschicht.
Also betätigte er den Summer, wartete und sah sofort Lenis dunklen Haarschopf. „Hey Süßer. Ich wusste doch, dass du auch dabei bist, auch wenn Hakim es nicht zugeben wollte“, grinste Leni zur Begrüßung. Bevor dieser etwas sagen konnte, wurde er in eine erdrückende Umarmung gezogen. Manuel errötete tief, trat eilig zurück, um Leni reinzulassen.
Sofort zupfte er wieder nervös an seinem etwas großen Pulli herum. „Leni du musst uns helfen“, kam es aus dem Wohnzimmer von Hakim und dieser grinste Manuel verschwörerisch zu, entledigte sich schnell der Schuhe und der Jacke und zusammen gingen sie ins Wohnzimmer.
„Bei was soll Onkel Leni denn helfen?“, fragte dieser großväterlich und schon diskutierten sie zu dritt über einen Film. Jeder wollte einen anderen. Manuel sah dem Ganzen belustigt zu. Ihm war es ja eigentlich egal was sie schauten.
„Gut, dann lassen wir Manuel entscheiden. Manuel? Welcher Film soll es sein?“, warf Julian mit einem Mal ein und dieser sah verdutzt auf alle drei Filme. Nun war er tatsächlich zwischen die Fronten geraten. Unsicher sah er sich die Titel an. Schließlich deutete er auf den einzigen Film, den er noch nicht kannte und das war der von Leni. „Yes“, grinste dieser und legte den Film schnell ein. Niemand widersprach. Hakim organisierte noch schnell etwas zu trinken, dann konnte es losgehen. Da sie nun jedoch etwas Platzmangel hatten, sah die Sitzordnung wie folgt aus:
Manuel und Leni hatten sich das Sofa gekrallt. Julian hatte sich den Sessel geschnappt. Ergeben seufzend hatte sich Hakim eines der Kissen genommen und machte es sich mit der Couch im Rücken, auf dem Boden bequem.

Kapitel zehn:


Das Licht war ausgeschaltet, der Film lief schon eine halbe Stunde. Manuel mochte den Film und sah gespannt auf die Handlungen. Dabei hatte er versucht, es sich so bequem wie möglich zu machen. Nur leider fehlte ihm dazu ein Kissen, denn das hatte sich ja Hakim gekrallt. Kurz warf er Hakim einen Blick zu und war etwas erstaunt. Dieser sah gar nicht auf den Film, sondern zu Julian nach oben, was dieser aber nicht bemerkte.
Fand Hakim den Film so uninteressant? Neugierig beobachtete er Hakim nun etwas genauer. Dieser schien nachdenklich während seinen Betrachtungen bei Julian. Leicht ruckelte sich Manuel in eine bequemere Position, doch es fehlte eindeutig ein Kissen im Rücken. „Willst du?“, wisperte ihm Leni plötzlich zu und reichte ihm sein Kissen. „Dann hast du aber keines mehr“, hauchte Manuel zurück. Er wollte nicht, dass der andere dann unbequemer saß.
Bei diesen Worten schlich sich ein Grinsen auf Lenis Lippen. „Nimm. Ich nehme mir dafür ein anderes Kissen“, noch kurz zögerte er, nahm es dann aber doch. Als er endlich bequem saß, spürte er mit einem mal etwas in seinem Schoß. Leni hatte seinen Kopf dort abgelegt und nutzte ihn als Kopfkissen, zwinkerte ihm kurz zu. Wie so oft in letzter Zeit errötete Manuel tief, sah hastig auf den Film. Warum tat Leni das jetzt? Er hätte das Kissen wohl nicht annehmen sollen.
Aber er musste doch irgendwie zugeben, dass es angenehm war so zu sitzen. Noch nie war ihm freiwillig jemand so nah gekommen. Sich freiwillig mit dem Kopf in seinen Schoß gelegt. Ein schüchternes Lächeln legte sich auf seine Lippen und kurz schielte er wieder zu Leni runter. Dieser Mann war wirklich die Wucht und so freundlich wie kaum ein anderer. Auch wenn er dessen Sprüche oftmals nicht so lustig fand und wie dieser ihn auch nannte – „Süßer“. Wie kam Leni da nur drauf? Er war nicht süß. Hatte dieser ihn nie richtig angesehen?
Er war das genaue Gegenteil von süß. Dick und somit nicht süß. Kurz streifte sein Blick Hakim, der nun zu ihnen sah und schmunzelte. Manuel hoffte bloß, dieser würde es nicht falsch verstehen. Die beiden waren doch schließlich zusammen.
Seufzend sah er sich also den Film weiter an, beugte sich vor und angelte vorsichtig nach seinem Glas. Er wollte beim Vorbeugen Leni nicht erdrücken. Doch diesen schien es nicht zu stören, schielte zu ihm hoch und streckte eine Hand nach ihm aus. Verwirrt hielt Manuel inne, spürte eine Hand auf seiner Wange. Der Rotschopf zuckte etwas zusammen, lehnte sich eilig außer Reichweite der Hand, nippte nervös an seinem Getränk.
Sein Blick huschte zu Hakim rüber, der sie noch immer beobachtete und auch die Stirn runzelte. War dieser jetzt verärgert? Manuel hoffte es nicht. Er wollte keinen Streit und Ärger provozieren. Nervös kaute er auf seiner Oberlippe herum, sah steif auf den Film. Er hoffte, dieser würde schnell enden. Irgendwann war er dann auch zu Ende.
Erleichtert seufzte er leise auf, als Leni sich aufrichtete. „Noch einen Film?“, fragte Leni sofort belustigt und sah in die Runde. „Gerne“, stimmte Julian zu und auch Hakim nickte. Manuel zuckte nur mit den Schultern. Ihm war es gerade gleich, sodass er erstmal ins Badezimmer stürmte. Dort erledigte er kurz sein Geschäft und spritzte sich dann etwas Wasser ins Gesicht, betrachtete sein eigenes Spiegelbild. Was tat er hier überhaupt?
Kurz streckte er sich die Zunge raus und verließ das Badezimmer wieder, wollte gerade an der Küche vorbei, als er Hakims Stimme vernahm „Mensch Leni. Was soll das eigentlich?“ Sofort blieb Manuel stehen. Auch wenn er wusste, dass man so etwas nicht machte, konnte er nicht anders und lauschte den Worten. „Was soll was?“, kam es etwas aufmüpfig von Leni zurück. „Das mit Manuel. Glaubst du wirklich, dass ich das zulasse?“, fragte Hakim vorwurfsvoll. „Das geht dich nichts an und ich möchte dich bitten dich da nicht einzumischen“, schnappte Leni zurück.
„Das geht mich sehr wohl was an und das weißt du auch“, kam es aufgebracht von dem Afrikaner. „Ich weiß“, seufzte Leni nachgiebig und Manuel huschte schnell an der Küche vorbei, zurück ins Wohnzimmer, wo Julian gerade einen neuen Film einlegte. Hastig setzte sich Manuel in den Sessel. „Was schauen wir jetzt?“, fragte er und der Blonde antwortete auch, setzte sich auf das Kissen, welches vorher Hakim genutzt hatte, betrachtete den Rotschopf.
„Ist etwas passiert?“, fragte er dann auch, doch Manuel schüttelte den Kopf. In dem Moment kamen die beiden Älteren wieder rein. „Dann kann es ja weitergehen“, lächelte Hakim und ließ sich auf dem Sofa nieder. Leni hatte die neue Sitzaufteilung nur kurz skeptisch betrachtet, setzte sich aber ebenfalls. Der Film lief auch schnell an.
Manuel war recht unkonzentriert und schwelgte lieber in Gedanken, merkte gar nicht wie er langsam einschlief.
Er wurde durch ein Streicheln durch sein Haar wieder wach. Was war das? Leicht versuchte Manuel den Kopf zu drehen, spürte einen ziemlich steifen Nacken. War er auf dem Sessel wirklich eingeschlafen? Er blinzelte und erkannte Hakim, der vor dem Sessel kniete. „Hey Manuel. Aufwachen. Der Sessel ist nicht der geeignete Ort zum Schlafen, geh rüber auf das Sofa“, lächelte Hakim ihm zu, sodass sich Manuel aufrappelte, hinter vorgehaltener Hand gähnte.
„Ich sollte hoch gehen“, kam es müde von Manuel, der kurz durchs Wohnzimmer schielte. „Wenn du möchtest. Du kannst auch gerne auf dem Sofa hier schlafen. Julian ist schon gegangen. Leni bringt ihn Heim“, bot Hakim ihm an noch zu bleiben. Manuel war aber nicht wohl bei dem Gedanken hier zu bleiben. Vor allem da ihm das mit Leni noch im Nacken steckte. „Ich gehe besser hoch. Aber danke“, seufzte der Rotschopf und erhob sich.
„Gut. Ich bring dich wenigstens noch nach oben“, das konnte er dem Älteren nicht ausschlagen, sodass sie zusammen hoch gingen.
Vor der Tür hielt Hakim ihn jedoch noch mal auf. „Wenn Leni dir auf die Nerven geht, musst du es ihm deutlich sagen, sonst denkt er, er kann sich alles bei dir erlauben.“ Verwundert sah Manuel ihn an „Werde ich machen.“ Damit war er dann auch schon drin. Er sollte Leni also deutlich sagen, dass dieser ihn nicht mehr so ... so ... ja so übernett behandeln sollte. Hakim schien wirklich bei Lenis Kopf nicht weiter zu kommen und nun sollte er es machen. Natürlich.

Am nächsten Morgen wurde Manuel durch ein Klopfen an der Tür geweckt. Er war noch gar nicht richtig bei sich, als seine Mutter rein kam. „Manuel, Schatz. Du hast Besuch, komm steh auf“, weckte sie ihn nun ganz und bekam einen müden Blick. „Wer?“, fragte er gähnend. „Leni“, lächelte sie. Ja, seine Mutter kannte Leni auch schon. Dieser war schließlich oft bei Hakim. Sie hatten sich mal vor dem Haus kennengelernt und sich gut unterhalten.
„Leni?“, verwundert stand Manuel auf und zupfte sich eilig das Nachthemd zurecht. Nie schlief er ohne. Er wollte seinen Körper einfach nicht sehen. „Ich komme gleich. Zieh mir nur schnell etwas über“, gesagt getan. Angezogen betrat er das Wohnzimmer, wo Leni wartete. Manuel erinnerte sich sofort wieder an Hakims Worte. Er musste es ihm deutlich sagen. Er wollte die Beziehung der beiden nicht gefährden.
„Guten Morgen Manuel. Ich wollte dich fragen, ob du was mit mir unternehmen willst“, lächelte Leni ihm auch schon entgegen, hatte sich erhoben. „Lieber nicht“, schüttelte Manuel den Kopf und bekam einen verwirrten Blick. „Wieso denn nicht?“, damit trat Leni nah an ihn heran, wollte ihm erneut über die Wange streicheln.
Manuel aber wich sofort zurück. „Lass das. Ich möchte einfach nichts mit °dir° unternehmen“, meinte Manuel und betonte das dir ganz besonders, sah den verständnislosen Blick, sah wie die Hand sich langsam wieder senkte. „Habe ich dir etwas getan?“, fragte Leni und hörte sich etwas überfordert an. „Geh bitte einfach“, damit hatte Manuel das Gesicht abgewandt, nur um ihn nicht mehr ansehen zu müssen. „Süßer?“, fragte Leni und trat auf ihn zu. „Und nenne mich nicht dauernd so. Ich heiße Manuel. M.A.N.U.E.L. und jetzt geh“, knurrte Manuel ihn extra an.
Er wollte seinen Worten Ausdruck verleihen, was anscheinend klappte. „Na gut. Wenn du es dir anders überlegst, sag Bescheid“, seufzte Leni tonlos und verließ die Wohnung.
„Was war denn hier los?“, fragte Linda verwundert, sah ihren Sohn fragend an. „Nichts Mama, nichts“, bedrückt verschwand Manuel in sein Zimmer. Er hoffte, dass er Leni nicht all zu sehr wehgetan hatte, er mochte diesen Mann doch irgendwie.
Aber es war besser so. Leni gehörte zu Hakim und so etwas wie er hatte dessen Aufmerksamkeit nicht verdient.

Kapitel elf:


Erfolgreich ging Manuel Leni einen Monat lang aus dem Weg. In der Zeit hatte der Sommer Einzug in Berlin gehalten. Es war extrem warm. Manuel fühlte sich schon seit Tagen nicht mehr gut. Um genau zu sein, seit 1½ Tagen schon. Er hatte für sich festgelegt, endlich abzunehmen. Seiner Meinung nach war die einfachste Möglichkeit das Hungern. Nun hatte er seit fast 48 Stunden nichts mehr gegessen und immer wieder fühlte er eine leichte Übelkeit und einen Schwindel.
Doch er versuchte die Zähne zusammenzubeißen. Als Linda ihm das Telefon brachte, sah sie ihn kurz besorgt an. Er hatte seiner Mutter zum Essen immer gesagt er habe schon gegessen, nur damit es nicht auffiel.
„Hey Manuel. Kommst du mit uns ins Freibad?“, ertönte auch schon Julians Stimme durch den Telefonhörer. Manuel war es unangenehm, doch er wollte Julian nichts abschlagen, so sagte er zu. Erst als er aufgelegt hatte, kam ihm die Frage wer wir war. Schulterzuckend packte er seine Tasche und zog sich die Badeshorts schon mal unter die Hose, machte sich dann auch auf den Weg. Wieder stieg ihm Übelkeit auf, doch er versuchte sich abzulenken.
Vor dem Schwimmbad sah er auch schon Julian, Hakim und Leni auf ihn warten. Scheiße, schoss es Manuel nur durch den Kopf. Er hätte Daheim bleiben sollen. Doch für einen Rückzug war es zu spät, sodass er sie grüßte und sie zusammen das Schwimmbad betraten. Manuel hielt sich lieber bei Julian auf.
Umgezogen suchten sie sich einen Platz auf der Wiese. Manuel war knallrot als er die drei nur in Badeshorts sah.
Sofort stieg ein leichter Neid in ihm auf. Sie sahen alle drei so toll aus, sodass er selber sofort sein langes Shirt noch etwas runter zog. Er wollte sich am liebsten wieder ganz verhüllen, setzte sich eilig auf die von Julian mitgebrachte und bereits ausgebreitete Decke. „Lasst uns ins Wasser“, forderte Leni sie strahlend auf und bekam sofort Zustimmung, außer von Manuel.
„Geht ruhig. Ich komme nach“, lächelte er schief und die drei verschwanden auch. Manuel beobachtete sie, bis sie im Wasser waren und zog sich das breite Shirt zusätzlich über seine Beine, verdeckte diese nun auch. Wie sollte er denn Schwimmen gehen, wenn er dafür das Shirt ausziehen musste, sich entblößen musste. Das wollte er nicht. Wieso hatte er Julian nicht abgesagt?! „Manuel. Komm schon“, rief Julian ihm mit einem mal aus dem Wasser her zu. „Gleich“, rief er nur zurück, hatte aber nicht vor ins Wasser zu gehen. Also blieb er einfach sitzen.
Nach einer ganzen Weile kam Hakim wieder zu ihm. Das Wasser perlte noch über dessen dunklen, starken Körper. „Warst du noch gar nicht im Wasser?“, fragte Hakim und schnappte sich sein Handtuch. „Noch nicht“, lächelte Manuel schwach und stützte seinen Kopf auf seinen Beinen ab. „Wollen wir zusammen ins Wasser?“, bot Hakim ihm an. „Nein, geht schon. Ich gehe nachher ins Wasser“, lehnte Manuel eilig ab, spürte wie Hakim sich neben ihn setzte.
„Fühlst du dich unwohl, dass du nicht ins Wasser gehst?“, fragte Hakim nach einer kurzen Weile und Manuel fühlte sich mehr als ertappt. „Wie kommst du darauf?“, fragte er zurück fing wieder an, an seinem Shirt zu knibbeln.
„Weil du häufig versuchst deinen Körper noch mehr zu verhüllen, als er sowieso schon ist“, schlug Hakim ihm vor. Manuel schloss die Augen. Hatte man es ihm wirklich angesehen? War er so leicht zu durchschauen. „Du musst dich deswegen wirklich nicht vor uns schämen“, fügte Hakim hinzu und bekam die verärgerte Antwort „Das sagst du mit deinem perfekten Körper. Ihr wisst doch gar nicht wie das ist. Ihr kennt das Gefühl nicht für seinen fetten Körper fertiggemacht zu werden.“ Eine Stille legte sich zwischen sie, nur durchbrochen durch das Plätschern und die vergnügten Badegäste.
„Du hast Recht. Das weiß ich wirklich nicht. Waren die drei Jungs von damals auch welche, die dich dafür immer fertig gemacht haben?“, fragte Hakim ruhig weiter. Manuel fühlte sich so schwach, doch jetzt konnte er auch nicht mehr Lügen „Ja. Sie waren von meiner alten Schule. Ich kenne sie seit dem Kindergarten. Ich war in unserem Dorf schon immer das begehrteste Opfer für alle. Ich bin schwach, fett und wehre mich nicht, das perfekte Beschäftigungsobjekt.“
Er fühlte sich gerade so nackt vor dem Älteren. Noch nie hatte er mit jemanden darüber gesprochen, nicht mal mit seiner Mutter, auch wenn sie sowieso schon alles wusste. Mit einem Mal spürte er wie Hakim ihn in seine Arme zog, ignorierte, dass Manuel sich befreien wollte. „Lass los“, bat dieser ihn, doch Hakim schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich in unserer Gesellschaft wirklich für nichts zu schämen. Du bist gut so wie du bist“, sprach Hakim ruhig, sodass Manuel nicht anders konnte, als sich etwas an ihn zu lehnen und leise zu murmeln „Du hast leicht reden.“
„Es wird mit der Zeit leichter“, hörte Manuel ihn noch sagen, doch konzentrierte er sich mehr auf den plötzlich einsetzenden Schwindel. „Manuel? Alles okay?“, fragte Hakim der sich etwas vor gebeugt hatte um ihn besser sehen zu können. Manuel war sehr blass und hatte die Augen geschlossen. „Ja. Geht schon“, doch seine Handlung strafte seine Worte lügen. Er hielt sich sofort die Hand vor den Mund, hoffte wirklich, sich nicht erbrechen zu müssen. Es wäre ihm zu peinlich geworden. „Ist dir schlecht? Bist du etwa krank?“, fragte Hakim besorgt, strich ihm leicht durchs Haar.
„Nur bisschen übel. Geht gleich wieder“, nuschelte Manuel und errötete, weil sein Magen mit einem mal anfing zu knurren. Er würde am liebsten im Erdboden versinken. „Wann hast du denn das letzte Mal was gegessen?“, fragte Hakim sofort mit einem Verdacht. „Wann?“, wiederholte er die Frage da Manuel nicht antwortete. „Vorgestern Mittag“, hauchte er schließlich, knibbelte wieder nervös mit den Fingern am Saum seines Shirts.
„Was? Das kannst du doch nicht machen. Willst du verhungern? Du isst jetzt erst mal etwas“, damit wühlte Hakim in seiner Tasche herum, holte eine Dose mit Sandwiches heraus, hielt sie Manuel auffordernd unter die Nase. „Ich hab keinen Hunger“, wehrte dieser schwach ab, roch sofort das leckere Essen. „Natürlich. Nimm dir etwas, sonst bitte ich Leni drum dich zum Essen zu bringen“, warnte Hakim ihn und sofort griff der Rotschopf nach einem Brot. Von Leni wollte er sich wirklich nicht zum Essen überreden lassen. Nein ganz sicher nicht.
„Sag das bitte keinem“, bat er Hakim und biss vom Sandwich ab. „Werde ich nicht, aber nur, wenn du wieder vernünftig isst. Hungern ist die schlechteste Idee, die man haben kann“, tadelte er den Jüngeren, der beschämt auf das Essen blickte.
Wie durch ein Wunder verschwand sogar die Übelkeit als die Nahrung seinen Magen erreichte. „Geht's besser?“, fragte Hakim nach einer Weile und leichtes Nicken war die Antwort. „Sehr schön. Ah die anderen kommen auch gerade.“ Damit sah Manuel auch auf.
Tatsächlich hielten Julian und Leni auf sie zu, lachten miteinander. Dann schlang Leni grinsend den Arm um Julian, wuschelte diesem durchs Haar. Manuel versetzte das irgendwie einen Stich im Herzen. „Die beiden verstehen sich echt gut“, schmunzelte Hakim und da waren sie auch schon ran, setzten sich dazu. Julian griff sich sofort seine Wasserflasche. „Was sitzt ihr beiden so faul hier rum. Ab ins Wasser mit euch“, grinste Leni zwinkernd und griff sich von Hakim auch ein Sandwich. „Lecker wie immer“, schnurrte er begeistert und wenige Sekunden später war es in dessen Magen verschwunden.
„Ich weiß. Deswegen hast du mich ja auch so lieb“, lachte Hakim belustigt auf und bot auch Julian etwas an. Dieser griff ebenfalls zu, sodass sie noch ein wenig plauderten. Dann wollten sie wieder ins Wasser, nur Manuel blieb sitzen, er würde später nachkommen. „Vergiss nicht was ich dir gesagt habe“, erinnerte er Manuel, der nur seufzte. „Werde ich nicht“, trotzdem blieb er sitzen, sah den dreien nur nach, wie sie wieder ins Wasser verschwanden.
Er legte sich auch rückwärts auf die Decke, sah in den Himmel, dachte etwas an Hakim, Leni und Julian. Dabei döste er auch langsam weg, spürte die warme Sonne auf seiner Haut.
Er fühlte sich gerade so zufrieden. Ihm war nicht mehr übel, das mit dem Schwindel hielt sich in Grenzen.
Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, doch spürte er mit einem mal, dass sich ihm jemand in die Sonne setzte. Blinzelnd öffnete er die Augen und sah in zwei strahlend dunkelgrüne Augen. „Hö“, entkam es ihm nur verwundert, erkannte dann aber Leni.
„Hey. Kommst du mit ins Wasser?“, fragte Leni lächelnd und jetzt spürte Manuel auch die Hand, die sanft über seinen Oberschenkel streichelte. Sofort rutschte er vor Leni weg, unterbrach den Hautkontakt. „Ich sollte besser Heim“, stotterte er und sprang auf, schnappte sich seine Tasche und lief zu den Umkleiden, wo er sich einschloss.
Wieso tat Leni das dauernd? Wieso kam dieser ihm so nah, er hatte ihm doch schon einmal gesagt, was los war. Er lehnte sich rückwärts gegen die Wand, schloss ein wenig gepeinigt die Augen. Am besten er zog sich jetzt um und verschwand einfach Heim. Gemächlich zog er sich das Shirt über den Kopf und griff nach seinem Hemd als mit einem mal die Tür aufging. Scheiße. Hatte er vergessen sie abzuschließen? Mit großen Augen sah er auf die Person die eintrat und die Tür hinter sich verschloss, ihn fixierte.

Kapitel zwölf:


Manuel sah seinen Gegenüber mit großen Augen an. Angst machte sich in seinem Innern breit.
Was machte er hier? Ausgerechnet er. „Was willst du?“, hauchte Manuel ängstlich, sah in das breit und fies grinsende Gesicht seines Gegenüber. „Hallo Wonderpig. So sieht man sich wieder“, lachte Kevin höhnisch und drängte Manuel an die Wand zurück. „Wieso bist du in Berlin?“, fragte Manuel der endlich eine Antwort wollte.
„Mein Bruder wohnt hier. Aber nun zu uns, Wonderpig. Du fehlst uns wirklich sehr in der Schule. Aber weißt du, wer sich gerade sehr auf dich freut?“, fragte Kevin kalt grinsend und Manuel traute sich gar nicht zu antworten. „Die hier.“ Damit schlug er mit seinen Fäusten fest und hart in dessen Magen. Manuel spürte, wie ihm das Sandwich von vorhin wieder hoch kam, legte sich die Hand auf den Magen, versuchte es wieder runter zu schlucken. Doch das gelang nicht, da die zweite Faust seinen Magen traf. Er kotzte Kevin wortwörtlich von oben bis unten voll.
„Iiihh. Du Sau. Na warte“, kreischte Kevin und eine Faust fand ihren Weg in dessen Gesicht, streckte Manuel zu Boden. „Du fettes Drecksschwein. Nimm das“, bellte Kevin und ein Fuß traf ihn am Schienbein, ließ Manuel wimmern. „Manuel? Wo bist du? Bitte lass uns doch reden“, ertönte eine Stimme vor der Tür und Manuel wollte schon was sagen. Doch Kevin kam ihm zuvor, legte ihm grob die Hand auf den Mund. So brachte der Rotschopf nichts als ein leises Keuchen hervor. „Manuel?“, ertönte Lenis Stimme noch mal, doch dieser ging scheinbar schon vorbei.
Nicht gehen, war Manuels einziger Gedanke. Wild zappelte er herum, trat mit dem Fuß gegen die Tür. „Verfluchtes Schwein. Halt still“, zischte Kevin ihn an, drückte ihn förmlich auf den Boden, sodass dieser völlig bewegungsunfähig war.
Die Schritte und die Rufe von Leni wurden auch leiser und das Grinsen von Kevin wurde fieser. „Da wir uns so lange nicht mehr gesehen haben, würde ich sagen, ich habe ein kleines Geschenk für dich. Etwas, das dich an deine Heimat erinnert“, lachte Kevin kalt und ehe sich Manuel versah, hatte sich Kevin aus dessen Tasche die Socken geschnappt und stopfte die Manuel in den Mund. „Die wirst du brauchen“, lachte er kalt, ignorierte die Tränen, die dem Rotschopf über die Wangen liefen. „Mal sehen, was nehmen wir denn heute? Die Nase war das letzte Mal dran. Ich denke heute nehme ich ein paar Finger“, lachte Kevin eisig und wandte sich schon besagter Hand zu.
Manuel riss die Augen auf, spuckte die Socken aus. „Nein nicht! Hör auf! Ich habe dir doch gar nichts getan“, versuchte er diesen zur Vernunft zu bewegen. „Du bist hässlich und fett. Ist Grund genug dir die Lebenslichter auszublasen“, zischte Kevin ihm zu und hatte schon dessen Hand in seinen. Manuel versuchte Kevin runterzuschubsen, doch dieser saß dafür viel zu ungünstig auf ihm. Er versteckte seine Hände unter sich, hatte furchtbare Angst.
Kevin bekam die Hände auch nicht wieder vor, sah ihn grimmig an. „Gut. Dann suche ich mir was anderes. Ich würde sagen, ich bin dir dabei behilflich etwas abzunehmen“, damit zog er plötzlich ein Taschenmesser aus seiner Hosentasche hervor, ließ es aufschnappen. Manuels Augen wurden noch größer, wenn es denn noch ging. Panik paarte sich mit seiner Angst, erst recht als Kevin das Messer an seinem Bauch ansetzte. Er spürte die scharfe Klinge nur zu deutlich. „Lass das. Verdammt ... HILFE“, schrie Manuel auf, hatte Angst um sein Leben.
„Ich hab gesagt du sollst die Klappe halten“, zischte Kevin und stach oberhalb des Bauchnabel in die Haut. Es brannte und es tat weh.
„Hey. Was wird das? Verdammte Scheiße, lass ihn los“, erklang es mit einem Mal über ihnen und beide sahen hoch. Manuel konnte vor Tränen nicht wirklich was erkennen, blinzelte ein paar Mal. Es war Hakim, der über den Rand der Umkleide sah, sich hochzog und mit Schwung in ihre Kabine kam, den verblüfften Kevin von Manuel runterzerrte. Das Taschenmesser fiel ihm dabei aus der Hand und Manuel wich sofort in eine Ecke der Kabine zurück.
„So kommst du mir diesmal nicht davon“, knurrte Hakim wütend und öffnete die Tür, stieß Kevin direkt in Lenis Arme. „Nimm ihn dir. Ruf am besten die Polizei“, knurrte Hakim und drehte sich zu Manuel um, welcher fast lautlos schluchzte, das Gesicht in den Beinen vergraben.
„Manuel. Hey Manuel. Hat er dich verletzt?“, fragte Hakim und pure Sorge klang in dessen Stimme mit. Er versuchte die Arme von Manuel zur Seite zu schieben, doch dieser ließ es nicht zu. Er hatte Schmerzen. Große Schmerzen, aber seine Angst vor dem keifenden und kreischenden Kevin war größer. „Bring ihn weg, Leni“, stieß Hakim aus, ohne sich umzudrehen und das Keifen wurde leiser, war dann ganz verklungen. „Lass mich sehen“, bat Hakim und versuchte die Arme erneut weg zu drücken, doch ohne Erfolg. Manuel war steif wie ein Brett.
Also setzte sich Hakim neben ihn, hatte die Tür angelehnt um den Gaffern den Blick zu verwehren. Er zog den Rotschopf in seine Arme, wog ihn sanft etwas hin und her. Irgendwann entspannte sich der Verängstigte etwas. Ohne zu reden zog Hakim die Arme zur Seite und drückte die Beine vom Bauch etwas weg. Manuels Bauch war blutverschmiert. Hakim zog scharf die Luft ein, griff in die Tasche neben sich und fand schnell Taschentücher, entfernte so gut es ging das Blut.
Die Wunde war nicht wirklich groß, blutete aber stark. Also drückte er fest ein Taschentuch drauf, behielt Manuel dabei die ganze Zeit im Arm. „Tut dir noch etwas weh?“, fragte Hakim leise, aber er wurde deutlich verstanden. Manuel aber stand noch so unter Schock, dass er nicht antwortete. „Gehen wir nach Hause“, seufzte Hakim und half Manuel dabei das Shirt anzuziehen und in die Hose zu schlüpfen. Danach drückte Manuel selber ein Taschentuch auf seinen Bauch, wo die Wunde war. Diese blutete jetzt weniger. Hakim selber schulterte seine und Manuels Tasche.
„Komm, Kleiner“, damit verließen sie die Umkleidekabine. Es waren nur noch wenige Gaffer vor der Tür. Doch an diesen gingen sie einfach vorbei. Vor dem Freibad am Drehkreuz warteten auch Julian und Leni. Kevin war nirgendwo zu sehen. „Was ist mit diesem Bengel?“, fragte Hakim auch direkt, hatte Manuel noch immer einen Arm umgelegt. „Den hat sich der Sicherheitsdienst geschnappt“, antwortete Leni und sah besorgt auf Manuel, der jedoch stur auf den Boden sah. „Gut. Wir gehen Heim“, bestimmte Hakim und keiner widersprach.
Als sie Daheim waren und Linda ihnen öffnete, verschwand Manuel ohne etwas zu sagen in seinem Zimmer, vergrub sich unter seiner Bettdecke. Die Wunde hatte mittlerweile aufgehört zu bluten, sodass er das Taschentuch noch in den Müll geworfen hatte. Er bekam deutlich mit, wie jemand zu ihm ins Zimmer kam, zog die Decke über seinen Kopf. Er wollte niemanden sehen, mit niemanden reden.
Er hörte deutlich seine Mutter mit Hakim auf dem Flur reden. Als die Tür geschlossen wurde, sperrte man die Stimmen aus. Die Schritte kamen jedoch näher an sein Bett heran. Irgendjemand setzte sich zu ihm aufs Bett. „Hat es aufgehört zu bluten?“, fragte Leni, der wohl das blutige Taschentuch entdeckt hatte, besorgt und strich über die Decke auf Höhe des Kopfes.
Doch Manuel sagte nichts. Er schwieg einfach. Er wollte jetzt so gern allein sein, wollte aber auch, dass Leni hier bei ihm blieb. Nur blöd, dass beides nicht auf einmal ging. „Kann ich noch etwas bleiben? Oder willst du lieber deine Ruhe?“, fragte Leni weiter doch wieder keine Antwort.
Seufzend wollte sich Leni erheben, doch ohne die Decke beiseite zu schlagen griff Manuel hinter sich, erwischte einen Zipfel von dessen Hemd und hielt diesen fest. „Dann rutsch mal ein Stück“, lächelte Leni. Manuel konnte das Lächeln förmlich raus hören, rückte tatsächlich ein Stück und drehte sich dabei auch um, die Decke weiter über den Kopf gezogen.
Leni setzte sich bequemer zu ihm aufs Bett, lehnte an der Wand. Er schummelte aber eine Hand unter die Decke, streichelte nun sanft durch das verborgene Haar. Während er den Jüngeren streichelte, schob er die Decke auch immer Stück für Stück etwas runter. Bald lag dessen Gesicht frei, doch Manuel hatte die Augen geschlossen, wollte niemanden ansehen. Leni merkte deutlich, dass er noch wach war, strich ihm sanft über die Wange und dessen getroffenes Auge. „Soll ich dir etwas Kühles zum drauflegen holen? Nicht das es schwillt“, fragte Leni besorgt.
Doch Manuel schwieg weiter, krallte sich etwas fester in den Zipfel von Lenis Oberteils, was auch Antwort genug war. „Keine Sorge, ich bleibe hier. Wie wäre es mit etwas Ablenkung?“, fragte Leni sacht und etwas scheu fragend sah Manuel zu ihm nach oben. „Hm ... mal überlegen. Okay du darfst es dir aussuchen. Kuscheln oder ein Lied?“, ließ er Manuel die Wahl. Am liebsten hätte dieser kuscheln gesagt, doch Leni war an Hakim vergeben. Er durfte das nicht. „Ein ... ein Lied?“, fragte Manuel eher, als dass er es fest sagte. Er war auch sehr, sehr leise.
„Gerne. Dann lausche“, zwinkerte Leni ihm zu, summte leise eine Melodie und setzte mit ruhiger Stimme den Text an. Manuel kannte es sogar irgendwoher, wusste bis zum Ende aber nicht woher. Als Leni aufhörte fiel es ihm ein. „War das °In der Dunkelheit der Nacht° von Pokemon?“, fragte er leise und etwas erstaunt und verwundert.
„Du hast es erkannt?“, fragte Leni lachend und sah Manuel liebevoll an, was diesen leicht erröten ließ. „Warum dieses Lied?“, fragte Manuel leise, knibbelte wieder mal nervös am Saum, diesmal jedoch an dem von Lenis Oberteil. Dieser fing dessen Hand sanft ein, streichelte sacht über dessen Handrücken „Ich möchte dir sagen was ich fühle und dir sagen: Ich hab dich lieb“, sang er die letzte Zeile des Liedes noch mal leise lächelnd.
Er hatte ihn lieb? Wirklich lieb? So richtig freundschaftlich lieb? „Hab dich auch lieb“, nuschelte Manuel verlegen und sah das Strahlen auf Lenis Gesichtszügen. Dem glücklichen Strahlen folgte ein liebevolles Lächeln. Langsam beugte er sich zu Manuel runter, während dieser eher fragend zurück sah.

Kapitel dreizehn:


Manuel spürte den Atem deutlich auf seinem Gesicht. Was hatte Leni jetzt vor? Dieser wollte ihn doch nicht etwa ...? Eilig hob er die Hände und drückte Leni etwas von sich weg, biss sich nervös auf die Unterlippe, ignorierte das Pochen im Bauch und seiner geschundenen Wange. Nun wurde Lenis Blick auch fragend bei dieser Zurückweisung.
„Was hast du vor?“, fragte Manuel unsicher, hatte solche Schmerzen im Bauch wo Kevin ihn mit dem Taschenmesser erwischt hatte. „Dich küssen und dir zeigen wie lieb ich dich habe“, antwortete Leni und runzelte die Stirn. „A ... Aber du hast doch ...“, wollte Manuel sagen doch es wurde immer schwerer. Irgendwie wurde ihm immer schwindliger. Auch tanzten immer mehr schwarze Punkte vor seinen Augen und bevor er noch weiter reden konnte hatte die erlösende Ohnmacht, sich seiner angenommen.
„Manuel“, kam es nur noch erschrocken von Leni, doch dieser bekam es gar nicht mehr mit.

Als Manuel das nächste Mal wach wurde, fühlte er sich ziemlich schlapp, irgendwie kraftlos. Wo war er? Müde blinzelte er gegen eine weiße Decke. Das war nicht sein Zimmer, er hatte doch einen Himmel über seinem Bett. Er drehte seinen Kopf und erkannte einen Tropf, der mit einem Schlauch, mit seinem Handgelenk verbunden war.
Krankenhaus? Wieso war er im Krankenhaus? Er wusste nur noch, dass er im Bett lag und Leni neben ihm gesessen hatte. Aber was war dann passiert? Er versuchte sich aufzurichten doch sofort ergriff ihn ein Schwindel, also ließ er sich zurück sinken. Außer ihm selbst war niemand im Zimmer. Er musste wohl warten, bis eine Schwester kam, oder? Er drehte seinen Kopf zum Nachttisch und sah dort eine Schwesternklingel. Er streckte den Arm aus und drückte den Knopf. Dieser leuchtete sofort auf, doch es vergingen mindestens fünf Minuten bis die Tür aufging und eine Schwester rein kam. „Ah sie sind wach, Herr Baumann. Sehr schön. Ich kontrolliere dann gleich mal Puls und Blutdruck. Wie fühlen sie sich?“, fragte sie freundlich.
„Ich fühle mich total schlapp. Wieso bin ich hier?“, fragte er und sah ihr zu, wie sie Puls und Blutdruck bei ihm maß. „Sie wurden gestern Mittag hier eingeliefert. Sie haben angeblich eine Hungerkur gemacht und haben somit einen ziemlichen Nährstoffmangel. Zusätzlich ihr Überfall, also der Stich an ihrem Bauch und kleinere Prellungen“, klärte sie ihn auf und Manuels Wangen brannten sofort. Also hatte Hakim den Ärzten erzählt, dass er gehungert hatte. Wem hatte er es noch gesagt? Wer wusste noch davon? „Wie lange muss ich hier bleiben?“, fragte Manuel seufzend, sah zu, wie sie sich die Daten notierte. „Wenn sie vernünftig essen und ihre Werte wieder in Ordnung sind, können sie morgen oder übermorgen wieder gehen“, lächelte sie und verließ das Zimmer.
Manuel dagegen schloss wieder die Augen. Es war so verdammt ungerecht. Wieso passierte ihm so etwas dauernd? In diesem Moment ging die Tür erneut auf. Der Rotschopf erkannte seine Mutter sofort. Diese sah auch sofort, dass er wach war. Mit einem Becher, wo wohl Kaffee drin war, kam sie näher. „Hey Schatz. Du bist endlich wieder wach? Wie geht es dir“, sprach sie liebevoll, strich ihm kurz durchs Haar. „Schon besser“, nuschelte er und sah wieder zur Seite.

Manuel musste zwei Tage im Krankenhaus bleiben, bis er endlich wieder Heim durfte. Zuhause verkroch er sich in seinem Zimmer, mit der Ausrede er würde lernen. Linda ließ ihn auch.
Am Abend musste sie wieder arbeiten, sodass Manuel alleine Daheim war. Gegen acht Uhr klingelte es an der Tür. Erst wollte er nicht öffnen, stand dann aber doch auf und betätigte den Summer, öffnete die Tür und wartete.
Wollte zumindest warten, doch sein Besuch war schon oben. Leni sah ihn etwas besorgt an, wurde aber schweigend reingelassen. „Meine Mutter ist nicht da“, nuschelte Manuel. „Ich wollte eh zu dir. Wie geht es dir? Man ich hab mir voll Sorgen gemacht“, damit zog er Manuel in seine Arme, drückte den erstaunten Rotschopf fest an sich ran.
„Mir geht’s gut. Tut mir Leid. Ich wollte dir keine Sorgen machen“, nuschelte Manuel gegen dessen Schulter und schmiegte sich leicht an ihn. „Dir sei vergeben, Süßer“, lächelte Leni und schob ihn leicht von sich weg, nur um ihn besser sehen zu können. „Nenne mich nicht dauernd so“, hauchte Manuel, fand es ja eigentlich schön, dass er ihn so nannte. „Warum nicht?“, fragte Leni und zog Manuel mit ins Wohnzimmer, wo sie sich auf dem Sofa nieder ließen.
„Ich bin nicht Hakim, darum nicht“, murrte Manuel und sah zur Seite, sah den erstaunten Blick nicht. „Wieso sollte ich Hakim so nennen?“, fragte Leni erstaunt nach. „Er ist doch dein Freund. Also nenne deinen Freund lieber so“, murrte Manuel, doch darauf konnte Leni nur lachen und fragte glucksend, den beleidigten Blick übergehend: „Wie kommst du darauf, dass Hakim und ich zusammen sein könnten?“ Noch immer glucksend wartete er auf die Antwort.
„Ihr ... ihr habt euch doch so innig geküsst. Ich hab’s doch gesehen“, haspelte Manuel völlig verwirrt, rutschte etwas von Leni zurück, doch dieser hielt seine Hand fest, fast als habe er Angst, dass Manuel einfach aufspringen und flüchten könnte. „Wann war das denn?“, hakte der Ältere amüsiert nach. „Kurz ... kurz nachdem ich hier eingezogen bin. Im Treppenhaus ... vor Hakims Tür“, kam es unwohl von Manuel. Was sollte das? Wieso fragte Leni das alles?
„Hör mir jetzt gut zu, Süßer. Hakim und ich sind nicht zusammen, waren es auch noch nie gewesen. Das was du gesehen hast, war zu der Zeit, als mein Freund mit mir Schluss gemacht hatte. Ein tröstender Kuss sozusagen. Mehr nicht“, erklärte Leni zwinkernd. Nun war Manuel völlig verwirrt, völlig ratlos. Es war ihm peinlich. Wieso hatte er auch nicht nachgefragt. „Sind deine Zweifel jetzt beseitigt?“, lächelte ihm der Schwarzhaarige entgegen, strich Manuel sanft über die Wange.
„Ja. Aber jetzt ist mir das total peinlich“, damit vergrub Manuel sein Gesicht in seinen Händen, nur um Leni nicht ansehen zu müssen. Leni lachte amüsiert auf und zog Manuel in seine Arme. „Das muss es nicht, Süßer. Aber kriege ich jetzt einen Kuss von dir?“, fragte der Ältere schmunzelnd, weswegen sich die Manuels Schamesröte noch vertiefte.
Leni hob dessen Gesicht sacht an, erblickte die glühenden Wangen, doch störte sich nicht daran und kam ihm wieder näher. Manuel war total aufgeregt. Das würde sein erster Kuss werden. Er war achtzehn Jahre und ungeküsst, bis eben.
Sanft schmiegten sich Lenis Lippen an die von Manuel, bewegten sich leicht. Unbeholfen versuchte dieser den Kuss zu erwidern, legte zögerlich die Arme um den Älteren. Es fühlte sich so toll an. Außerdem stoben die Schmetterlinge in seinem Bauch ganz plötzlich auf. Zärtlich streichelte Leni ihm während dem Kuss über den Rücken, schlüpfte frecherweise unter dessen Shirt. Sofort löste sich Manuel aus dem Kuss, welchen er so genossen hatte. Er fischte hastig die Hand unter seinem Shirt hervor. „Entschuldige. War ich zu aufdringlich?“, fragte Leni, sah ihn eingehend an, leckte sich genüsslich über die Lippen, was Manuel tiefer erröten ließ.
Manuel konnte aber nur irgendetwas vor sich hin stottern. „Hattest du denn schon mal einen Freund?“, fragte Leni irgendwann dazwischen, doch bekam er nur ein Kopfschütteln. „Also eine süße unschuldige Jungfrau ... auch im Küssen?“, fragte er lächelnd. Nichts wies drauf hin, dass er sich über ihn lustig machte, sodass Manuel tapfer meinte: „Im Küssen, in Berührungen und im Sex. Überall Jungfrau.“ Es war eigentlich eher geflüstert doch Leni verstand ihn.
„Hm. Dann werde ich dich dran gewöhnen. An alles. Nach und nach. Du musst dich nicht scheuen dir zu nehmen was du willst. Seien es Berührung oder auch nur ein Kuss.“ Bei dem letzten Wort hauchte er Manuel erneut einen sanften federleichten Kuss auf die Lippen. „Aber ... ich bin doch so dick“, nuschelte Manuel traurig und senkte den Blick. „Wo? ... etwa hier?“, fragte Leni und drückte Manuel rückwärts aufs Sofa, schob dessen Shirt hoch und hauchte einen Kuss auf seinen Bauch. Manuel wand sich sofort unwohl, wollte aus einem Reflex heraus das Shirt runter ziehen, doch Leni hielt es fest.
„Hm. Ich liebe alles an dir, Manuel“, hauchte Leni und gerade weil dieser seinen Namen aussprach und nicht das Süßer, glaubte Manuel ihm das auch irgendwie, zuckte trotzdem etwas zusammen, als er wieder dessen Lippen auf seinem Bauch spürte.
Unwohl versuchte er den Großteil seines Bauches mit den Händen zu verdecken, doch Leni schnappte sich eine der Hände, küsste zärtlich die Fingerkuppe von dessen Zeigefinger, rutschte dann aber höher und angelte sich Manuels Lippen. Zärtlich küsste er ihn, bat um Einlass, den er kurz darauf auch bekam. „Vertraue mir, Süßer“, wisperte Leni sanft gegen die Lippen, als sie ihren Kuss wieder gelöst hatten und Manuel brachte nur ein Nicken zustande.

-ENDE-

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Tag der Veröffentlichung: 25.01.2012

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