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~ Kapitel 1 ~

Langsam schlenderten sie, dem forensischen Institut den Rücken gekehrt, vorbei an den schwarzgekleideten Männern vom Sondereinsatzkommando. Catherine war noch immer etwas mulmig zumute, wenn sie an die letzte Nacht dachte. Ein Irrer mit 'ner Knarre, und das an ihrem Arbeitsplatz. Ben musste ihre Gedanken gelesen haben.

"Interessante Nacht."

Sie lachte kurz auf. "Ah, du bist echt der Meister der Untertreibung."

Er schwieg kurz, schien zu überlegen. Er sah auf das Pflaster, über das sie liefen und seufzte kurz. "Hör mal Catherine, ich hab mich letztens nicht gerade fair verhalten."

Nicht auch das noch. Sicher, es war in der letzten Zeit nicht besonders einfach zwischen ihnen gewesen und die gereizte Stimmung der letzten Tage hatte ihr schon etwas zu schaffen gemacht... Aber das war doch nicht ausschließlich sein Fehler gewesen. Er war Polizist und musste manchmal schwere Entscheidungen treffen. Und sie hatte sich in den letzten Tagen ihm gegenüber auch nicht ganz fair verhalten. Wenn er ihre pathologischen Befunde nicht vor Gericht brachte, musste sie das akzeptieren, statt einen Streit vom Zaun zu brechen. Catherine wollte nicht, dass er sich bei ihr entschuldigte. Es erinnerte sie wieder einmal daran, dass er viel zu gutmütig für sie war.

"Ach was, vergiss es. Ich war ziemlich gereizt in letzter Zeit und hab es ein paar Mal zu oft an dir ausgelassen. Ich hab's nicht anders verdient." Sie meinte es ehrlich und legte ihm eine Hand auf die Schulter, wie um das zu bestätigen.

"Nein, ich... ich finde doch, ich sollte mich bei dir entschuldigen." Er konnte es einfach nicht lassen. Also musste sie einen anderen Weg einschlagen.

"Eine Entschuldigung will ich aber nicht." Sie grinste.

Ben sah sie verblüfft an. "Was willst du dann?"

Angebissen. Ihr Grinsen wurde breiter. "'N Frühstück?"

Nun musste auch Ben grinsen. Catherine hakte sich bei ihm unter und gemeinsam schlenderten sie weiter. Ihr mulmiges Gefühl wurde schwächer, und als sie an die belebende Wirkung schwarzen Kaffees dachte, schrumpfte es zu einem verschwommenen Nebel in den hintersten Ecken ihres Bewusstseins.

 

***

 

"Hm..." Mit geschlossenen Augen hielt sich Catherine die heiße Tasse unter die Nase und sog genüsslich den Duft ein.

Ben konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er hatte seinen Ellenbogen auf dem Tisch aufgelegt und stützte seinen Kopf ab. Selbst mit ihren Haaren von dem rauen Wetter leicht zerzaust und den von der Überarbeitung hervorgerufenen blassen Ringen unter den Augen fand er sie hübsch. Es tat ihm wirklich leid, dass er so kalt zu ihr gewesen war. Immerhin war es seine Entscheidung gewesen, diesen Mordfall durch kleine Schlupflöcher zum Abschluss zu bringen. Er hatte ihr Gutachten unterschlagen und dass sie deshalb sauer war konnte er ihr nicht verübeln. Aber diese letzten Stunden im Institut... Er hatte wirklich Angst gehabt.

"Träumst du?" Catherine riss ihn aus seinen Gedanken. Beim ruckartigen Zurückziehen seines Ellenbogens hätte er beinahe seine eigene Tasse vom Tisch gefegt. Er konnte sie gerade noch retten, nur eine kleine weiße Pfütze benetzte seine Hand und den Aschenbecher.

Catherine schüttelte grinsend den Kopf. Ben wurde leicht rot. Warum musste er auch immer so tollpatschig sein? Doch Catherine hatte sich gar nicht über sein kleines Missgeschick amüsiert, sondern den Inhalt seiner Tasse.

"Wie kann man nur Milch mit Honig trinken?"

"Oh..." Ben versuchte, den Schaden mit ein paar Servietten einzugrenzen. Er wusste nicht, ob sie jetzt wirklich eine Antwort erwartete. Offensichtlich nicht, denn während er die Milch vom Tisch aufwischte und die durchtränkten Servietten in den Aschenbecher fallen ließ, redete sie auch schon weiter.

"Ich meine, nicht einmal als kleines Kind habe ich mir das Zeug aufschwatzen lassen." Sie schüttelte sich kurz, als wäre eine eher weniger angenehme Erinnerung durch ihre Gedanken gehuscht.

"Na ja. Gesund ist es ja", murmelte Ben.

Catherine winkte ab. "Ich esse lieber ein paar Käsehäppchen vor dem Schlafengehen. Da kriege ich mein Kalzium auch so."

Ben runzelte die Stirn. "Das klingt aber nicht besonders figurfreundlich. Essen vor dem Schlafengehen."

"Hey, willst du etwa sagen ich wäre dick?" Catherine gab ihm einen Knuff.

"Nein, ich meine doch nur, dass...", setzte er an, zu widersprechen. Doch das Grinsen auf Catherines Gesicht verriet ihm, dass sie es nicht ernst gemeint hatte. Wieso war er so empfindlich?

"Wie spät ist es eigentlich?", wechselte sie das Thema.

"Kurz nach fünf." Ben sah sich in dem Diner um. Außer ihnen war nur noch ein älterer Mann hier, der emotionslos ein Rührei aß. Die Bedienung hatte sich hinter den Tresen gesetzt und las Zeitung. Irgendein Klatschblatt.

Ben wandte sich wieder Catherine zu. Sie hatte ihren Kaffee bereits zur Hälfte geleert.

"Also", meinte sie und sah von ihrer Tasse auf. "Was gibt's zum Frühstück?"

Ben zuckte mit den Schultern. "Die haben hier fast alles. Die Rühreier sind ganz okay, die Pancakes können sich echt sehen lassen. Wenn du dir aber..." Er beugte sich zu ihr vor und senkte geheimnisvoll die Stimme, "...die volle Dröhnung Zucker reinwerfen willst, dann kann ich die belgische Waffel mit heißen Himbeeren empfehlen."

Catherine verkniff sich ein Grinsen und nickte mit ernster Miene. "Natürlich. Da ich aber nachher noch Schlaf finden möchte, ohne Gefahr zu laufen, auf dem Dach spazieren gehen zu wollen... sollte ich vielleicht doch bei Schinken und Ei bleiben."

Ben wiegte bedächtig den Kopf hin und her. "Ich weiß nicht... Schinken und Ei? Ist das nicht ein bisschen viel nach so einer Nacht?"

"Ach, und du nimmst natürlich den Obstsalat", warf sie sarkastisch ein und hatte nicht mit seinem überraschten Gesicht gerechnet.

"Was ist denn dabei?"

"Du willst also wirklich...? Na gut, von mir aus." Sie hob zum Spaß abwehrend die Hände. "Dann können wir ja bestellen."

Das taten sie auch, nachdem Ben mehrmals nach der Bedienung rufen musste und Catherine schließlich einen lauten Kommentar über ein Beschwerdeschreiben fallen gelassen hatte. Eine Weile saßen sie schweigend über ihre Teller gebeugt und genossen ihr Frühstück.

Catherine sah von ihrem Teller auf. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, als sie sich eine von Bens Erdbeeren stibitzte.

"Hey, was soll das?" Er versuchte, sein kostbares Stückchen Obst zurück zu ergattern, doch Catherine lehnte sich zurück und schob es sich in den Mund. Dann leckte sie provozierend ihre Finger ab. "Hmm..."

Als sie zu einem erneuten Beutezug ansetzte, hob Ben seinen Teller an und brachte ihn außer Reichweite.

"Du wolltest keine Vitamine", meinte er belehrend.

"Och bitte..." Catherine schenkte ihm ein übertriebenes Lächeln und faltete die Hände auf dem Tisch.

Ben gab nach. "Aber nur eine einzige."

"Winzig klein", bestätigte Catherine und er setzte seufzend seinen Teller zurück auf den Tisch, den er noch immer in der Luft gehalten hatte.

Catherine begutachtete das Arrangement und fischte eine weitere Erdbeere heraus. Verführerisch ließ sie sie unter Bens Nase hin und her wandern.

"Ist die auch klein genug?"

Ben folgte ihren Fingern mit den Augen und wurde, synchron zu ihrer Hand, immer langsamer. Als Catherine schließlich innehielt, konnte er das kühle Stück Obst an seinen Lippen fühlen. Er sah ihr in die Augen.

'Sie flirtet mit mir', fuhr es ihm durch den Kopf, und er hatte keine Ahnung, wie dünn das Eis war, auf das er sich hier begab. Zaghaft öffnete er seine Lippen. Catherine schob ihm die Erdbeere in den Mund und ließ ihre Finger auf seinen Lippen ruhen. Sie lächelte und zog dann, ohne dass er es wirklich bemerkte, ihre Hand zurück. Ben schluckte und lächelte zurück.

"Danke."

Wieder wendeten sie sich schweigend ihren Tellern zu. Tausend Gedanken schossen Ben durch den Kopf, die er weder greifen noch verstehen konnte. Er wusste nicht, ob das hier gut war. Und er konnte sich nicht annährend vorstellen, was gerade in Catherine vorging.

Diese wusste es selbst nicht genau. Es war ihr einfach in den Sinn gekommen, hatte sich so ergeben. Spontanität dieser Art war sonst nicht gerade etwas, das sie auszeichnete. Aber sie fühlte sich wohl in Bens Gegenwart. Zum ersten Mal hatte sie nicht das Gefühl, es einem Mann Recht machen oder sich verstellen zu müssen. Ben erwartete nichts von ihr. Er war mit ihr zufrieden, so, wie sie war. Und ebenso war er mit dem zufrieden, was er von ihr bekam. Und doch fühlte sie sich ein wenig schutzlos.

 

Als sie fertig waren, bat Ben um die Rechnung und bestand darauf, ihren Anteil mit zu bezahlen. Immerhin war dies so eine Art Entschuldigungs-Frühstück gewesen.

Die ersten grauen Schleier durchzogen den Himmel, als die beiden das Diner verließen. Wie selbstverständlich schlug Ben den Weg in Richtung Catherines Appartement ein und Catherine nahm es widerspruchslos hin. Sie hatte einen schönen Morgen mit ihm gehabt, warum sollte er sie nicht auch nach Hause bringen.

"Du solltest dir einen Tag frei nehmen." Ben sah sie von der Seite an. Ihre Müdigkeit war inzwischen nicht mehr zu übersehen.

"Schon geschehen. Ich muss erst morgen wieder ins Institut. Die halbe Belegschaft macht frei. Es ist ja nicht so, als ob uns die Arbeit von den Seziertischen läuft." Sie sah kurz zu ihm auf, während sie weitergingen. "Und du?"

"Ich laufe bestimmt auch von keinem Seziertisch."

Damit entlockte er Catherine trotz ihrer Müdigkeit das Anzeichen eines Lächelns.

"Ich habe mir auch frei genommen. Allerdings nur den halben Tag. Zu viele Akten." Er seufzte.

"Papierkram. Die Freuden des Lebens", stellte Catherine zynisch fest. Ben gab ihr leise Recht. Auch er spürte die Müdigkeit in jedem Knochen und sehnte sich nach ein paar Stunden Schlaf.

Vor Catherines Haustür blieben sie stehen. Catherine suchte ihren Schlüssel heraus und schloss auf.

"Also dann...", meinte sie leise.

Ben nickte und trat einen Schritt zurück. "Also dann."

Er zögerte kurz, entschied sich aber dann es dabei zu belassen und einfach nach Hause zu gehen. Er war schon ein paar Schritte gegangen, als er ihre Hand auf seinem Arm spürte. Er drehte sich zu ihr um.

"Ben...", setzte Catherine und stand direkt vor ihm. Er sah sie fragend an.

Sie zog ihm zaghaft zu sich heran und umarmte ihn dann. Nach einem Moment der Überraschung legte Ben seine Arme um sie und erwiderte den Druck sanft.

"Danke." Sie flüsterte fast.

"Wofür?"

Dafür, dass er für sie da war und sie doch nicht drängte. Dafür, dass er wusste, wann er ihr Spielchen mitspielen konnte und wann es besser war, sich zurückzuziehen. Dafür, dass er nicht zu viele Fragen stellte. Sie wusste nicht, was sie für ihn empfand. Sie fühlte sich wohl mit ihm, und das war etwas Seltenes. Vielleicht würde daraus etwas Stärkeres wachsen, aber das brauchte Zeit. Vor allem in Catherines Welt. Sie ließ ihn wieder los und sah ihn an.

"Für alles", meinte sie schlicht. Und sein Blick sagte ihr, dass er verstand.

 

***

 

Das Wasser rann sanft über ihre angespannte Haut, perlte von ihren Haaren ab und schien sie einzuhüllen. Der Wasserdampf war angenehm. Er hinterließ einen dünnen Film auf ihrem Gesicht und schien ihre trockene Lunge mit Leben auszufüllen. Nur zögernd drehte sie das Wasser ab und wickelte sich in ein Handtuch.

Seufzend goss sie sich ein Glas Wasser ein. Sie würde nie Schlaf finden. Nicht nach allem, was letzte Nacht geschehen war. Die Geschichte mit Kyle Warren, der sie mit einer Waffe bedroht hatte, um einen gefälschten Autopsiebericht zu erhalten, hatte sie schon fast völlig verdrängt. Aber Ben spukte noch immer in ihren Gedanken herum.

Es war doch nur ein Frühstück gewesen. Ein Frühstück unter Freunden, so, wie sie sich schon etliche Male zum Mittag getroffen hatten. Oder auf einen Drink in ihrer Feierabendbar. Ein Frühstück war doch nichts, für das man sich zum Flirten traf.

Ohne darüber nachzudenken, griff sie nach einem Block und Stift. Ihre Freundin und Kollegin Jennifer hatte ihr einmal gesagt, dass es befreiend sein sollte, wenn man seine Gedanken aufschrieb. Eigentlich war sie ja noch nie ein Fan von Tagebüchern gewesen, aber ein Versuch konnte ja nicht schaden. Also schrieb sie auf, was ihr gerade einfiel. Was sie damals dachte, als sie Ben vor drei Jahren zum ersten Mal getroffen hatte. Wie er sie mit seinen kleinen Scherzen aufheitern konnte und ihr gleichzeitig manchmal mit seiner Naivität, von der sie wusste, dass sie oft nur gespielt war, den letzten Nerv raubte. Wie es sie damals verwirrt hatte, als sie bei ihm vor der Tür stand und Jennifer bei ihm zu Besuch war. Und wie dankbar sie ihm dafür war, dass er in Bezug auf den Tod ihrer Mutter so verständnisvoll war. Er hielt sie nicht davon ab, Nachforschungen anzustellen. Er sagte nie, sie solle das Thema ruhen lassen, wie es alle anderen taten. Sie war erst vierzehn gewesen, als ihre Mutter bei einer Dienstreise nach South Carolina ermordet wurde. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Doch er war der Grund, weshalb Catherine Medizin studiert hatte. Ihr Vater hatte mit dem Thema abgeschlossen. Er wollte nicht, dass Catherine alte Wunden wieder aufriss. Niemand verstand, wie wichtig es ihr war, auch jedem noch so kleinen Fetzen von Spur nachzugehen. Außer Ben.

Catherine kam zu dem Schluss, dass sie eine ehrliche Freundschaft mit Ben verband, die sie so noch nie gekannt hatte. Und sie hatte Angst, diese Freundschaft zu verlieren, wenn daraus mehr werden könnte - und sie sich dann doch irgendwann zurückzog.

Drei Blätter lagen vor ihr. Catherine rang kurz mit dem Gedanken, sie zu zerknüllen und wegzuwerfen, entschied sich dann jedoch, sie aufzuheben. Vorerst. Sie kam sich vor, wie ein Teenager, der ein Tagebuch vor den Eltern verstecken wollte, als sie den Block zurück in die Schublade legte. Dann leerte sie das Glas. Der Gedanke, endlich in ihr Bett zu kommen, hatte plötzlich etwas sehr Verlockendes an sich.

 

***

 

Gegen Mittag erwachte Catherine mit sengenden Kopfschmerzen. Sie kannte das Gefühl. Zu lange gearbeitet, zu wenig Schlaf, zu wenig Flüssigkeit. Sie sollte sich ein Post-it ins Büro hängen um sich selbst an die Vorteile des ausreichenden Wasserkonsums zu erinnern. Oder tragbare Wasserflaschen dabei haben, wenn sie das Institut verließ.

Vorsichtig setzte sie sich auf. Da half nur viel Schlaf. Und den konnte sie erst bekommen, wenn sie wenigstens zwei Tabletten genommen hatte. Benommen tapste sie zum Bad. Ihr Spiegelbild blickte sie matt und vorwurfsvoll an. Und wurde dann nur noch erschöpfter, als sie die leere Packung Kopfschmerztabletten in der Hand hielt.

"Na toll", murmelte sie und streifte sich wie mechanisch eine Jeans und ein Shirt über. Die nächste Apotheke war nur einen Block entfernt. Das würde sie schon schaffen.

 

Das war jedoch leichter gesagt, als getan. Die Sonne empfing sie mit einer in den Augen stechenden Brutalität, dass nicht einmal die Hand vor den Augen dagegen half. Müde ging sie den Bürgersteig entlang und erreichte das Geschäft.

Die Verkäuferin schob ihr eine Packung hin. Catherine betrachtete sie skeptisch und verzog das Gesicht.

"Ist das alles?"

"Das ist das stärkste Mittel, dass ich ihnen ohne Verschreibung geben darf, Ma'm." Die junge Frau hob entschuldigend die Schultern.

"Und Sie haben nicht zufällig irgendwas Illegales da?"

Ein verständnisvolles Lächeln begleitete das überflüssige Kopfschütteln der Verkäuferin.

"Vielen Dank", meinte Catherine, zahlte, steckte die Packung ein, und verließ den Laden. Als sie die Straße überquert hatte, wurde das Stechen in ihrer Stirn wieder beißender. Sie blieb stehen und zog die Schmerztabletten aus ihrer Hosentasche. Dabei fiel ihre Dienstmarke zu Boden.

"So ein Mist", fluchte Catherine leise und bückte sich, um sie wieder aufzuheben. Beim Herunterbeugen taten ihre Stirnhöhlen weh. Schnell brach sie sich zwei Tabletten aus der Packung und schluckte sie mit Mühe herunter. Die Sache mit den tragbaren Wasserflaschen ergab immer mehr Sinn.

Catherine hatte die Packung gerade wieder in die Hosentasche zurückgezwängt, als sie jemand am Arm griff und sich brutal eine Hand auf ihren Mund legte. Für einen Moment glaubte sie, ihr Herz würde stehen bleiben, als sie in eine Seitengasse gezerrt wurde. Sie spürte das Klicken von Metall an ihren Handgelenken. Ihr Kopf dröhnte zu stark, als dass sie einen rationalen Gedanken fassen konnte. Und dann wurde ihr schwarz vor Augen. Warum war sie noch bei Bewusstsein? Es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, dass man ihr lediglich die Augen verbunden hatte. Sie versuchte orientierungslos und vergeblich, sich zu wehren. Kalte Angst durchströmte sie und ließ keinen Platz für Vernunft. Was geschah hier?

In ihrem Kopf hämmerte es und sie spürte eine Faust oder einen Ellenbogen in ihren Rippen. Ein weiterer Stoß frontal in die Brust schnürte ihr die Luft ab. Die Hand auf ihrem Mund war verschwitzt und ekelerregend. Das nächste, was sie wahrnahm, waren vier Hände, die sie anhoben und in etwas hineinzwängten. Vielleicht ein Kofferraum. Das dumpfe Geräusch einer sich schließenden Klappe und der Geruch nach Benzin bestätigten ihre Vermutung. Wenige Augenblicke später setzte sich das Auto in Bewegung.

Die stechenden Kopfschmerzen, der beißende Benzingeruch und die erdrückende Angst raubten Catherine das Bewusstsein. Sie fiel in ein tiefes, kaltes Loch.

 

***

 

Seufzend trat Ben am späten Nachmittag aus dem Fahrstuhl und begab sich zu seinem Büro. Die Müdigkeit umhüllte ihn noch immer wie ein Schleier und ließ ihn kurz frösteln. Nach einem kurzen Zögern betrat er sein kleines Reich. Die Akten schienen ihm bereits gehässig entgegen zu grinsen, obendrauf die von Kyle Warren. Mit einem leisen Ton der Unzufriedenheit ließ sich Ben in seinen Sessel sinken. Er musste noch ein paar Formulare ausfüllen und seinen Abschlussbericht schreiben.

Die brünette Assistentin vom Empfang klopfte kurz an und betrat dann sein Büro. Ben sah zu ihr auf.

"Die Staatsanwaltschaft lässt fragen, ob Sie frei für einen weiteren Fall sind."

"Das müssten die doch wissen. Die ganze Welt weiß Bescheid, dass Kyle Warren verhaftet wurde."

"Na ja, die Anfrage geht auch nicht direkt an Sie..." Sie zog ihre Stirn in Falten und schien zu überlegen, wie sie sich ausdrücken sollte. Ben kannte diesen Blick. Das letzte Mal hatte er ihn gesehen, bevor man ihm einen Fall aus der Abteilung 'Ladendiebstahl' aufgedrückt hatte, weil man dort unterbesetzt war. .

"Oh nein, Anna, nein, nein, nein..." Er hob abwehrend die Hände. "Wenn Sie keinen hübschen Mordfall für mich haben, dann brauchen Sie gar nicht erst anfangen. Ich spiele nicht schon wieder Aushilfskraft."

Die junge Assistentin machte ein betretenes Gesicht. "Alle anderen Detectives stecken gerade bis zu den Ohren in Arbeit." Sie ignorierte Bens ausschweifende Geste über seinen Schreibtisch und den dazugehörigen Blick, der ihr erklären sollte, dass es ihm nicht anders ging.

"Es ist zwar kein hübscher Mordfall, könnte aber durchaus einer werden...", meinte sie, in einem letzten verzweifelten Versuch, ihn für den Fall zu interessieren. Und sie hatte Glück.

"Wie meinen Sie das denn?"

Anna lächelte und gab ein freudiges Glucksen von sich. "Ich wusste, auf Sie ist Verlass. Eine Entführung. Leitung drei." Und bevor Ben ihr widersprechend konnte, war sie auch schon verschwunden. Warum war er auch immer so leicht zu überreden? Seufzend nahm er den Telefonhörer in die Hand und wählte sich in Leitung drei ein.

"Detective Ben Stevens, Morddezernat, was kann ich für Sie tun?" Er hörte sich an wie eine Verkäuferin aus dem Möbelgeschäft.

"Morddezernat? Ich wollte mit Seargeant Simmons sprechen."

"Das tut mir Leid, der ist momentan krank. Sie werden mit mir Vorlieb nehmen müssen."

"Gut. Hören Sie genau zu. Ich habe ihre Kollegin in Gewahrsam."

Bei Ben läuteten die Alarmglocken. Sofort betätigte er die Aufnahmefunktion des Telefons. Der Unbekannte am anderen Ende der Leitung sprach weiter. "Sie hätten etwas vorsichtiger sein müssen, meinen Sie nicht? Wir verlangen zweihunderttausend Dollar in Bar, oder Sie sehen den Detective nicht wieder. Wir melden uns."

"Okay... Ich gebe ihre Forderung an meinen Boss weiter." Ben atmete tief durch und notierte sich die Forderung. "Und wen... wen genau haben Sie... in Gewahrsam?" Vorsichtig, Ben, vorsichtig. Doch zu spät. Der Unbekannte hatte bereits aufgelegt.

Ein wenig verblüfft legte Ben den Hörer auf, nur, um ihn dann wieder abzuheben und eine Nummer zu wählen. Das Freizeichen ertönte zweimal.

"Sarah McGee", meldete sich eine kühle Stimme am anderen Ende.

"Hey McGee, hier ist Stevens. Ich bräuchte mal eine Auskunft."

"Schieß los."

"Wurde in den letzten Tagen einer der Police Officers oder Detectives als vermisst gemeldet?"

Er hörte, wie sie etwas in den Computer eintippte. "Hm. Sieht nicht so aus."

"Erschien jemand heute nicht zur Arbeit?"

Erneutes tippen. "Ja. Insgesamt siebzehn. Die meisten von denen sind krank gemeldet und die anderen sind beurlaubt. Ich kann die Liste rüberfaxen."

"Danke."

"Keine Ursache."

"Bye." Ben legte auf. Wenige Sekunden später traf das Fax bei ihm ein. Die meisten Officers auf der Liste waren männlich; nur fünf waren Frauen. Der Unbekannte hatte jedoch deutlich etwas von einer Kollegin gesagt. Erneut griff Ben nach dem Telefon und wählte die erste Nummer auf der Liste.

Nach fünfzehn Minuten hatte er eine Bestätigung auf seine Vermutung. Keine seiner Kolleginnen wurde vermisst. Sie genossen entweder Sonne, Sand und Ablenkung auf irgendwelchen karibischen Inseln oder quälten sich mit einer Grippe im Bett.

'Spinner', dachte Ben und heftete den Notizzettel mit der kleinen Kassette aus seinem Apparat an das Pinboard hinter sich.

Dann wandte er sich genervt seinem Abschlussbericht zu.

 

***

 

"Hallo Dr. Westwood." Jennifer nickte ihrem Chef zu.

"Jennifer." Dr. Westwood bedeutete ihr, kurz stehen zu bleiben. "Haben Sie Catherine heute Morgen schon gesehen? Ich hatte ihr gestern frei gegeben, aber heute brauche ich sie dringend."

Jennifer zuckte mit den Schultern. "Nein, tut mir Leid. Vielleicht ist sie nur einmal wieder spät dran."

"Ja... Das wird's sein. Wenn Sie hier auftauchen sollte, schicken Sie sie bitte in Autopsie zwei. Danke."

Jennifer nickte. "Gut."

Doch Catherine tauchte nicht auf. Jennifer war den ganzen Tag so beschäftigt, dass sie es erst mitbekam, als Dr. Westwood nach Feierabend bei ihr reinschaute. "Hat sie wenigstens angerufen?"

"Wer?"

"Catherine."

Jennifer schüttelte den Kopf. "War Sie den ganzen Tag nicht hier? Ich hatte zu viel um die Ohren, ich habe gar nichts mitbekommen."

"Schon gut. Ich rufe nachher mal bei ihr an."

"Machen Sie das." Jennifer nickte kurz und seufzte dann.

"Was ist los?", wollte Dr. Westwood wissen.

"Ich hätte gestern nicht frei machen sollen. Heute Morgen hat sich die Arbeit auf meinem Tisch gestapelt."

"Das tut mir Leid", meinte Dr. Westwood ehrlich. "Machen Sie aber deshalb nicht die halbe Nacht durch. Die Akten sind morgen auch noch da."

"Ja. Das befürchte ich auch."

"Ich mache jetzt Schluss. Wir sehen uns morgen früh." Er lächelte kurz.

"Bis dann", meinte Jennifer, schon wieder über eine neue Akte gebeugt.

 

***

 

Das ‚Village‘ war nicht besonders stark besucht, als Dr. Westwood es betrat. Er ließ seinen Blick über die wenigen Gäste schweifen und entdeckte Detective Stevens an der Bar. Dr. Westwood klopfte ihm kurz auf die Schulter. Dann setzte er sich neben ihn und wartete darauf, dass Viktor ihn bemerkte.

Die Bar war klein und gut gefüllt. Sie gehörte Viktor, Catherines Cousin, und war ihr Feierabendstammtisch.

"Das Übliche?", meinte Viktor schließlich, während er ihm bereits eingoss.

"Seh' ich so schlecht aus?" Dr. Westwood leerte das Glas in einem Zug.

"Nur müde und überarbeitet. Jetzt weiß ich auch, wo Catherine sich das immer abschaut", scherzte Viktor. Dann tauschte er die leere Bierflasche vor Ben gegen eine volle aus.

"Danke." Auch Ben nahm einen großen Schluck.

Dr. Westwood nickte. "Ja. Heute hätte ich sie gut brauchen können. Wissen Sie zufällig, was mit ihr los war?"

Viktor machte ein überraschtes Gesicht und auch Ben sah auf. "War sie denn nicht auf Arbeit?"

Dr. Westwood schüttelte den Kopf. "Nein. Ich habe versucht, sie zu Hause zu erreichen, jedoch ging nur der Anrufbeantworter ran. Sie hatte sich gestern frei genommen, nachdem..." Er warf einen Seitenblick auf Ben und wollte die Geschichte eigentlich nicht wieder aufwärmen.

Viktor nickte. "Hab' schon davon gehört. Bei mir hat sie sich jedenfalls nicht gemeldet. Aber das kommt ja ab und zu mal vor."

"Seltsam." Dr. Westwood griff nach der Flasche und schenkte sich selbst nach.

Viktor schüttelte amüsiert den Kopf. "Da hatten wohl zwei Beamte einen harten Tag."

"Das können Sie laut sagen", murmelte Ben und seufzte.

"Machen Sie sich wegen Catherine mal nicht zu viele Sorgen. Das kennen wir doch von ihr." Viktor warf ihnen ein Grinsen zu. "Einfach so zu verschwinden, meine ich."

Dr. Westwood nickte schmunzelnd. Ja, da hatte Viktor Recht. "Vielleicht ist ihr die Sache mit Kyle Warren doch näher gegangen, als wir dachten und sie gönnt sich mal wieder eine unangekündigte Auszeit."

Oder sie lief mal wieder vor ihren Gefühlen davon, bevor sie überhaupt entstehen konnten, dachte Ben. Vielleicht war das Frühstück am Tag zuvor doch keine so gute Idee gewesen.

 

***

 

Keiner der drei konnte ahnen, wie es Catherine wirklich ging.

Als sie das erste Mal aufgewacht war, hatte sie weder Zeitgefühl noch Orientierungssinn. Es war dunkel. Zuerst glaubte sie, das läge noch immer an der Augenbinde, doch sie fühlte nichts in ihrem Gesicht. Vorsichtig versuchte sie, ihre Lage einzuschätzen. Ihre Hände waren noch immer gefesselt. Sie fühlten sich so taub und kalt an, dass sie nicht sagen konnte, ob es Handschellen waren oder ein Seil. Ihre Füße? Langsam und von Schmerzwellen durchflutet versuchte sie, sich zu bewegen. Es funktionierte nicht. Man hatte auch ihre Beine gefesselt.

Sie lag auf der Seite und der Boden unter ihr war hart und kalt. Es roch leicht vermodert. Nach einigen Minuten hatten sich ihre Augen noch immer nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Vielleicht gab es hier tatsächlich keine einzige Lichtquelle, nicht mal einen Spalt unter der Tür. Ein Keller vielleicht...? Aber die hatten normalerweise Lüftungsfenster.

Die Kopfschmerzen saßen noch immer in ihrer Stirn und hatten sich jetzt auch in ihrem Hinterkopf breit gemacht. Ihre Rippen schmerzten, ob vom Liegen oder den Schlägen, das wusste sie nicht. Catherine hatte einen leichten Schweißfilm auf der Haut. Ihr Shirt klebte an ihr und die Jeans war unangenehm klamm.

Ganz vorsichtig setzte sie sich auf und tastete um sich. Direkt hinter ihr war eine Wand. Der Putz war ebenso rau wie der Boden und bröckelte an einigen Stellen ab. Langsam rutschte sie an der Wand entlang bis sie nach einem halben Meter an eine weitere Wand stieß. Obwohl der Stein kalt war, schwitzte sie und hatte das Gefühl, in dem Raum zu ersticken. Die Luft war staubig und faulig und verursachte ein starkes Übelkeitsgefühl. Als das Stechen in ihrem Kopf stärker wurde, schloss sie die brennenden Augen und fiel erneut in einen tiefen, dunklen Schlaf.

~ Kapitel 2 ~

Als sie zum zweiten Mal erwachte, glaubte sie, etwas zu hören. Ein leises, scharrendes Geräusch rechts von ihr. Eine Weile lauschte sie in die stille Dunkelheit hinein. Da war es wieder, ein Scharren gefolgt von einem Klirren, vielleicht ein Schlüsselbund. Und dann wurde sie plötzlich so stark geblendet, dass sie das Gefühl hatte, in ihrem Kopf würden kleine Messer tanzen. Eine Hand packte sie grob am Oberarm und zog sie ein wenig aus der Ecke hervor.

"Mach schnell!", raunte eine tiefe, kratzige Stimme. Sofort legte sich etwas über ihre Augen und wurde hinter ihrem Kopf verknotet. Die Hand ließ sie wieder los.

"So", meinte die Stimme erneut. "Du bist also Detective Catherine Vaughn."

Catherine wollte etwas erwidern, brachte jedoch nur ein heiseres Krächzen hervor. Ihre Kehle war ausgetrocknet. Sie schluckte schwer und versuchte es dann erneut. Sie wollte nicht geschwächt klingen, was ihr jedoch kläglich misslang.

"Abgesehen von dem Detective, ja."

"Und was bist du dann?"

"Gerichtsmedizinerin. Ich habe eine Marke in der Hosentasche." Catherine rückte ein wenig auf dem harten Beton hin und her. Ihr tat jeder einzelne Knochen weh.

"Die haben wir bereits gesehen. Das ist doch eine Fälschung. Halt uns bloß nicht zum Narren. Wir wissen, dass du Undercover arbeitest. Also... Wer bist du wirklich?"

Catherine seufzte. Wo war sie hier nur hereingeraten. "Ich... ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Rufen Sie meinen Boss an, Dr. Westwood, der wird es Ihnen bestätigen. Ich arbeite im Gerichtsmedizinischen Institut."

"Du willst uns also weismachen, dass du nicht beim NYPD arbeitest. Seltsam nur, dass du genau in der Apotheke in der Vierten eingekauft hast. Und mal so ganz nebenbei nach illegalen Drogen fragst."

"Oh Gott..." Catherine wurde schwindelig. Das Sprechen fiel ihr schwer. "Ich war dort, weil ich rasende Kopfschmerzen hatte. Habe. Und das mit dem illegalen Schmerzmittel war ein Scherz. So was nennt man Sarkasmus."

"Sicher."

Eine Weile hörte Catherine nichts als das tiefe Atmen des Mannes und das Scharren der Füße der zweiten Person. Dann war ein leises, metallisches Schnappen zu hören.

"Du willst also nicht reden...", murmelte dieselbe Stimme. Der Mann packte sie erneut am Oberarm und zog sie hoch. Brutal wurde sie an die Wand gedrückt. "Vielleicht hilft dir ja das."

Catherine fühlte etwas Kaltes an ihrem Hals. Eine Klinge! Sie sog scharf die Luft ein und presste ihre Lippen aufeinander. Sie wollte hier raus.

"Ich weiß wirklich nicht, was hier vor sich geht. Bitte..." Das Schwindelgefühl wurde stärker und vereinte sich mit ihrer Übelkeit. Und plötzlich übergab sich Catherine.

"Was zur Hölle..." Der Mann hatte überrascht das Messer zurückgezogen und war erschrocken einen Schritt nach hinten getreten. An Catherines Hals lief ein kleines Rinnsal Blut herunter, doch sie spürte es nicht. Erschöpft und noch immer vor Ekel geschüttelt rutschte sie an der Wand herunter.

Die beiden Männer flüsterten sich etwas zu, das sie nicht verstehen konnte. Dann hörte sie ein erneutes Knarren und einen dumpfen Knall. Sie atmete flach und lauschte. Stille. Waren sie gegangen?

"Hallo?"

Keine Antwort.

Erst nach einer weiteren, endlos langen Minute war Catherine davon überzeugt, wieder allein zu sein. Sie stieß erleichtert die Luft aus, ohne bemerkt zu haben, dass sie sie angehalten hatte. Und nun saß sie hier, in diesem feuchtkalten Raum. Der Geruch des Erbrochenen mischte sich unter den modrigen und fauligen Gestank ihres Gefängnisses. Für den Moment waren ihre Kopfschmerzen schwächer geworden und sie konnte klarer denken.

Was war hier passiert? Man musste sie verwechselt haben. Hoffentlich würden sie in der Gerichtsmedizin anrufen und alles aufklären. Und dann? Sie hatte keinen der beiden Männer gesehen, geschweige denn wusste sie, wo sie war. Lediglich die Stimmen hatte sie gehört und dass die Sache wohl irgendetwas mit Drogen zu tun hatte. Die Chancen standen gut für sie, einfach wieder frei gelassen zu werden. Ein wenig der Anspannung der letzten Minuten fiel von ihr ab. Das Adrenalin schien sich aus ihren Blutbahnen zurück zu ziehen. Und erst jetzt bemerkte sie, wie es ihr wirklich ging.

Ihr Hals schmerzte. Sie fühlte sich seltsam leicht und unwirklich, was ein Zeichen für Fieber war. Catherine wusste nicht, wie lange sie schon hier war, aber ihr Magen schmerzte vor Hunger und sie sehnte sich nach etwas Wasser. Ihre Rippen fühlten sich gestaucht an und ihre Hüfte hatte blaue Flecken vom Liegen auf dem harten Boden. Ihre Fußgelenke waren wundgescheuert durch das Seil, das viel zu fest darumgewickelt war. Die rechte Schulter fühlte sich taub an von dem kräftigen Schlag gegen die Wand. Und in ihrem Mund machte sich ein madiger Geschmack breit.

Catherine wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren, und war zu schwach um sich den Kopf zu zerbrechen.

 

***

 

"Guten Morgen Harry." Ben fuhr sich durch die Haare, als er das Labor des forensischen Spezialisten betrat.

"Hallo Ben. Können Sie mir vielleicht erklären, warum der Zentralcomputer jedes Mal abstürzen muss, wenn ich gerade die Datensicherung vornehmen möchte?" Harry warf ihm einen verzweifelten Blick zu.

"Das Schicksal wird sich gegen Sie gewendet haben." Ben seufzte. Wahrscheinlich hatte es das gegen sie alle.

Harry zuckte mit den Schultern. "Ist ja nicht so, als ob es das erste Mal wäre. Also, was kann ich für Sie tun?"

"Ich bräuchte noch eine Analyse von der Substanz, die wir in der Bombe von Kyle Warren gefunden haben. Ist nur für's Protokoll." Ben reichte Harry ein kleines Tütchen.

"Wird sofort erledigt."

"Danke." Ben zögerte kurz. Harry sah ihn fragend an. "Ist noch was?"

"Na ja... Ist Catherine heute schon hier gewesen? Bei Viktor hat sie sich schon seit zwei Tagen nicht gemeldet."

Harry sah Ben überrascht an. "Nein, nicht dass ich wüsste. Ich dachte, sie hätte sich frei genommen, oder wäre mit in die Grippewelle reingerutscht."

"Zu Hause ist sie jedenfalls nicht." Ben kaute auf seiner Unterlippe.

Harry musste grinsen. "Sie machen sich aber viel Arbeit um unsere liebe Catherine."

Ben räusperte sich kurz und sah auf seine Schuhspitzen. "Na ja. Sie wissen ja..." Er ließ den Gedanken unausgesprochen im Raum hängen und wusste genau, dass Harry verstand. Dieser nickte bestätigend.

"Also dann", meinte Ben, immer noch nicht ganz schlüssig, was er eigentlich wollte.

Harry griff nach dem Tütchen und schwenkte es kurz. "Ich werde mich dann mal darum kümmern."

Als Ben immer noch nicht ging, fügte er hinzu: "Und Sie sofort anrufen, wenn ich Bescheid weiß. In beiden Fällen."

Ben schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Dann erst verließ er das Gerichtsmedizinische Institut wieder, um sich auf den Weg in die Mittagspause zu machen.

 

***

 

Es war genau 15:33 Uhr, als Ben zurück in sein Büro kehrte. Er hatte momentan keinen neuen Fall, und nutzte die Zeit, um einige liegengebliebene Akten aufzuarbeiten. Die Zeit schien eher dahin zu schleichen und Bens rechte Schulter wurde leicht taub. Er hasste Schreibtischarbeit, aber es gehörte eben zu seinem Job dazu, den er ja sonst gern machte.

Das aufdringliche Klingeln des Telefons ließ ihn hochschrecken. Er nahm den Hörer ab. "Morddezernat, Stevens."

"Sie glauben wohl, wir meinen es nicht ernst?"

Ben setzte sich kerzengerade hin. Diese Stimme hatte er schon einmal gehört.

"Wie bitte?"

"Bei unserem letzten Gespräch meinten Sie, Sie würden unsere Forderungen weiterleiten. Ihre Vorgesetzten wussten nichts von einer Entführung."

Ben wollte das Gespräch aufzeichnen, hatte jedoch noch keine neue Kassette eingelegt. Während er versuchte, den Anrufer hinzuhalten, suchten seine Hände die Schreibtischschubfächer nach einem neuen Tape ab.

"Wir haben die Sache überprüft und Ihren Bluff durchschaut. Alle meine Kolleginnen sind erreichbar und mehr oder weniger gesund, und mit Sicherheit nicht entführt worden." Endlich hatte er eine Kassette gefunden. So schnell er konnte, legte er sie ein und drückte auf die Aufnahmetaste.

"Wir haben die gefälschte Dienstmarke dieses Luders hier. Sie behauptet, Gerichtsmedizinerin zu sein. Wer ist sie wirklich? Ist sie von euch oder vom FBI?"

Ben glaubte, er war für einen kurzen Moment zu Eis erstarrt. Ihm fiel die Sache wie Schuppen von den Augen. "Catherine Vaugh?"

"Ah..." Die Stimme am anderen Ende der Leitung lachte zufrieden auf. "Also doch."

"Nein... Nein, Sie verstehen das falsch. Catherine ist tatsächlich Gerichtsmedizinerin. Sie hätten das ganz einfach überprüfen können." Ben ließ sich völlig aus der Fassung gebracht in seinem Sessel zurücksinken. Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Er vernahm ein Raunen und leises Gemurmel.

"Wir werden Ihre Behauptung überprüfen. Sollten Sie Recht haben, spielt das auch keine Rolle. Unsere Forderung bleibt die Gleiche, sollte das Püppchen ihrem Institut oder dem NYPD etwas Wert sein."

"Also schön", meinte Ben so ruhig wie möglich. "Ich werde dafür sorgen, dass man Ihre Forderung erfüllt. Aber ich brauche einen Beweis dafür, dass Catherine noch am Leben ist. Ich möchte mit ihr reden."

"Das geht nicht", erwiderte der Mann knapp. "Ich werde in genau drei Stunden wieder anrufen. Bis dahin sollten Sie mit ihrem Vorgesetzten gesprochen haben..." Die Drohung hing unverkennbar im Raum. Ein Klicken bedeutete Ben, dass der Fremde aufgelegt hatte.

Ben ließ den Hörer sinken und schluckte schwer. Er konnte es nicht glauben. Catherine - entführt worden! Ihm gingen Annes Worte durch den Kopf.

Es ist zwar kein hübscher Mordfall, könnte aber durchaus einer werden...

 

Das musste er unbedingt verhindern. Hätte er die Sache doch nur eher ernst genommen. Ben machte sich Vorwürfe, obwohl er wusste, dass diese unbegründet waren. Er hatte alles Notwendige getan. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass ausgerechnet Catherine...

Seine Gedanken überschlugen sich. Was sollte er zuerst tun? Noch während er nach der dünnen Akte suchte, die Anne ihm vor zwei Tagen auf den Schreibtisch geworfen hatte, entschied er sich, zuerst einmal in der Gerichtsmedizin und bei Viktor anzurufen.

 

***

 

Catherine hatte das Gefühl, bereits halb gestorben zu sein. Sie fühlte sich taub und wie in eine neblige Kälte gehüllt. Man hatte ihr bereits zweimal Wasser gebracht, jedoch nichts zu essen. Bei jedem "Besuch" achteten ihre Entführer darauf, dass sie nichts sehen konnte.

Einmal hatte Catherine gemeint, dass sie auf Toilette müsse. Daraufhin hatte der zweite Mann sie in eine Ecke des Zimmers geschleift und ihr die Jeans samt Unterwäsche herunter gezogen. Vor den Augen der beiden Männer musste sie sich hinhocken und ihre Blase entleeren. Catherine hatte sich noch nie so gedemütigt gefühlt. Als der Mann sie wieder anzog, spürte sie, dass ihre Jeans am linken Oberschenkel nass und warm war. Sie biss sich auf die Lippe, um ihre Scham zu verbergen. Sie würde sich keine Blöße geben. Nicht, solange sie noch Hoffnung hatte.

Die schwand jedoch jetzt langsam dahin. Sie vermied jede Bewegung, um nicht vor Schmerz aufschreien zu müssen. Wenn sie einfach nur still dalag, war ihr Körper taub und leer.

Sie hatte vor einer Weile an der Wand entlangrutschend den Raum abgetastet. Er war vielleicht zwei mal drei Meter lang und hatte weder erreichbare Lüftungsschächte oder Fenster noch Abflüsse. Die Tür war aus einem schweren, kalten Metall und von Innen konnte sie das Schloss nicht ertasten.

Das letzte Mal, als man zu ihr gekommen war, wurde sie mit dem Rücken an die Wand gesetzt. Man nahm ihr die Augenbinde ab und zwei Taschenlampen leuchteten ihr in die Augen. Blendeten. Ließen jeglichen Versuch, etwas zu erkennen, vergeblich bleiben. Eine Tageszeitung wurde auf ihren Schoß gelegt und zurechtgerückt. Dann schoss einer der beiden Männer ein Foto von ihr und sie wurde wieder allein gelassen.

Ihr Fieber war schlimmer geworden und ihre Nebenhöhlen waren schmerzhaft zugelaufen. Jedes Mal, wenn sie husten musste, glaubte sie, ihr Kopf würde zerspringen. Also versuchte sie, so viel wie möglich zu schlafen. Wenn sie schlief, konnte sie auch nicht nachdenken.

 

***

 

Im Police Departement war inzwischen die Hölle los. Ben hatte Hilfe von zwei weiteren Detectives bekommen. Dies hier war keine private Entführung, dies hier ging weiter. Die Entführer hatten nicht bei einer hilflosen Person angerufen und als Bedingung "keine Polizei" festgelegt, sondern sich direkt im Police Departement gemeldet. Sie mussten gerissen sein und genau wissen, was sie tun.

In Bens Büro hatte man zwei Tafeln aufgestellt, um Informationen übersichtlich festzuhalten. Sie hatten ein grobes Täterprofil und mögliche Hintergründe der Entführung zusammengestellt. Jetzt hörten sie sich die aufgenommenen Telefonate an und versuchten, mehr herauszuholen.

Ben bewegte seinen Kopf hin und her, um die Anspannung in seinen Schultern zu lockern.

"So kommen wir nicht weiter." O'Hara, die junge Ermittlerin, strich sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Kollege, Detective Siler, nickte zustimmend. Ben zerbrach sich den Kopf.

"Vielleicht sollten wir doch eine digitale Stimmanalyse machen."

"Das hatten wir doch schon...", meinte O'Hara. "Dadurch könnten wir nur das Alter genauer bestimmen. Das hilft uns nicht viel." Sie seufzte leise. "Wir sollten den Anruf abwarten."

"Nein." Ben nahm das Tape und stand auf. "Ich kenne da einen Spezialisten, der ist genialer, als ihr euch vorstellen könnt. Ich kann nicht einfach rumsitzen und nichts tun. In einer Stunde bin ich wieder da."

 

Auf dem Weg zum Gerichtsmedizinischen Institut zerbrach sich Ben den Kopf. Er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Sache von der richtigen Seite her anzugehen. Er wollte nicht, dass man Catherine als Geisel ansah, die für die Gefangennahme von wer-weiß-wem zu Schaden kommen konnte.

Als er aus dem Fahrstuhl heraustrat, kam ihm sofort Dr. Westwood entgegen.

"Und, schon was Neues?"

Ben hob die Kassette hoch. "Nicht direkt, aber wenn ich mir Harry mal ausborgen dürfte..."

"Natürlich. Ich komme gleich mit." Dr. Westwood bahnte sich, gefolgt von Ben, einen Weg zum Labor. Er sah besorgt aus und man erkannte deutlich, wie sehr ihm die Sache an die Nieren ging.

Fast schon aggressiv trat er durch die Schwingtür und räusperte sich. "Harry, wir haben hier etwas."

Der Wissenschaftler fuhr auf seinem Drehstuhl herum. Als er Ben sah, hellte sich seine Miene auf. "Ben, was bringen Sie uns? Einen Fingerabdruck von einem Erpresserbrief?"

"Nein, aber das hier." Ben reichte ihm die Kassette. "Ich habe Teile der Telefongespräche aufgezeichnet. Ich dachte, Sie könnten damit etwas anfangen..." Hoffnungsvoll sah er Harry an. Dieser fuhr sich durch die Haare.

"Na ja, das ist schon mal ein Anfang..." Er legte das Tape in einen Recorder und öffnete ein Computerprogramm. Dr. Westwood und Ben traten näher und sahen ihm über die Schulter. Harry veränderte einige Einstellungen und spielte die Aufnahme ab. Alle drei starrten wie gebannt auf den Monitor.

"Okay...", murmelte Harry. "Männlich, Ende dreißig, Akzentfrei. Tiefe, raue Stimme. Bis jetzt würde ich sagen, jeder dritte Neuengländer käme als Verdächtiger in Frage."

"So weit sind wir auch schon", entfuhr es Ben genervt. Er hatte das Gefühl, festzustecken.

"Wer wird denn gleich aufgeben?" Harry verschob einige der Regler in verschiedene Richtungen und hörte sich das Ganze noch einmal an. Er öffnete weitere Programme und hörte wieder zu. Und dann noch einmal. Immer und immer wieder verstellte er weitere Regler, und gab ab und zu ein kurzes "Hm" von sich. Ben glaubte, er würde sich vor Anspannung auflösen.

"Ich weiß nicht genau..." Harry beugte sich näher an den Bildschirm und öffnete ein weiteres Fenster, auf dem man die Frequenz des Gesprochenen graphisch sehen konnte. Er kniff die Augen zusammen und vergrößerte einen Ausschnitt zwischen zwei extremen Schwankungen.

"Das gibt es doch nicht!", platzte er schließlich heraus. Wenn es nicht um Catherine, sondern einen gewöhnlichen Fall ginge, dann würde er jetzt vergnügt glucksen.

"Was denn?", drängelte Ben. Er hing Harry fast mit dem Kinn auf der Schulter. Dr. Westwood räusperte sich kurz und Ben wurde sich seiner Situation bewusst. Er wich etwas zurück, ohne jedoch die Augen vom Monitor zu nehmen.

Harry spielte die Aufnahme ein weiteres Mal ab. An einer bestimmten Stelle stoppte er.

"Hier" meinte er und wiederholte einen kurzen Abschnitt.

"...re Behauptung überprüfen..."

"Während er das Wort Behauptung ausspricht, kratzt seine Stimme besonders. Das kann man an dieser Stelle der Kurve besonders gut sehen." Harry wies auf den vergrößerten Ausschnitt auf dem Bildschirm. "Dieses Muster wiederholt sich regelmäßig. Besonders bei Worten, die er betont."

Ben verstand nicht, worauf Harry hinaus wollte, doch das kannte er bereits und er wusste, dass der Forensiker sich sicherlich etwas bei dem dachte, was er tat.

"Das Kratzen wird von seinem Kehlkopf verursacht", fuhr Harry fort. "Hört ihr, wie metallisch es klingt?" Noch einmal spielte er dieselbe Stelle ab.

Ben konnte nichts heraushören und auch Dr. Westwood schien erfolglos nach dem "metallischen Klang" zu suchen.

"Und was bedeutet das?", wollte Ben schließlich wissen, als Harry nicht weiter sprach, sondern offenbar davon ausging, dass Dr. Westwood und Ben zu demselben Schluss gekommen waren wie er selbst.

"Der Gute hatte vor einer Weile eine Kehlkopfoperation. Und damit, mein lieber Ben, laufen in New York sicher nicht allzu viele Männer herum. Wenn die örtlichen Krankenhäuser euch Einblick in ihre Daten gewähren, könntet ihr den Kreis der Verdächtigen eingrenzen." Zufrieden lehnte er sich zurück und faltete die Hände zusammen.

Dr. Westwood klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. "Danke, Harry."

Ben war verblüfft. "Woher wissen Sie so etwas eigentlich? Gibt es da oben in Ihrem Kopf eine Datenbank für besonders merkwürdige... Dinge eben?" Er zog eine Augenbraue hoch.

"Nein." Harry lachte kurz auf. "Es ist eher Zufall. Das hier haben wir meinem Professor für Soundanalyse zu verdanken. Er hatte selbst eine Stimmband-OP gehabt und hat uns während einer Vorlesung als Beispiel den Unterschied zwischen seiner und ähnlichen Stimmen gezeigt."

"Und daran haben sie sich mal eben so erinnert." Ben sah ihn skeptisch von der Seite an. "Jedenfalls tausend Dank. Das wird uns einen gewaltigen Schritt nach vorn bringen." Er nahm sich das Tape aus dem Rekorder. "Ich werde das gleich weiterleiten."

"Halt, halt", hielt Harry ihn auf.

"Was noch?"

"Das ist doch noch nicht alles. Ich kann eine Anfrage an die zentrale Datenbank der staatlichen Kliniken schicken. Dann müssen Sie nur noch die Privatkliniken übernehmen."

"Und das erwähnen Sie hier so nebenbei...", meinte Dr. Westwood und Ben war mit wenigen Schritten zurückgekehrt.

Harry zuckte mit den Schultern. Er öffnete ein neues Fenster und klinkte sich in eine medizinische Datenbank ein. Nachdem er ein paar Daten eingegeben hatte, erschien eine Liste auf dem Bildschirm. Harry druckte sie aus und reichte sie weiter an Ben.

"Danke", murmelte dieser und flog darüber. "Nur vierundzwanzig Einträge. Und nur drei davon sind zwischen 1960 und 1970 geboren. Das schränkt die Sache natürlich gewaltig ein. Sie sind ein Genie, Harry."

Harry grinste kurz. "Und Sie sehen zu, dass Sie Catherine da raus holen. Wir brauchen sie hier."

Dr. Westwood rieb sich die Nase. "Halten Sie uns auf dem Laufenden, okay? Und wenn wir irgendetwas tun können..."

"Na ja...", überlegte Ben. "Am besten schauen Sie heute Abend mal bei Viktor vorbei. Er hat vor etwa einer Stunde auf dem Revier vorbeigeschaut, aber man hat ihn wieder nach Hause geschickt, ohne dass ich davon wusste. Es kann sicher nicht schaden, wenn Sie ihm etwas Gesellschaft leisten. Ich melde mich, sobald ich etwas Neues habe."

Dr. Westwood nickte. "Gut."

"Ach", meinte Harry plötzlich. "Bevor ich's vergesse..." Er griff nach einem Tütchen, an das eine Auswertung geheftet war und drückte es Ben in die Hand. Dieser sah ihn fragend an.

"Ihre weiße Substanz."

"Oh. Die hatte ich völlig vergessen. Danke." Ben steckte sie ein. "Bis dann."

"Bis dann", erwiderte Harry.

"Warten Sie, ich begleite Sie noch ins Foyer." Dr. Westwood klopfte Harry noch einmal kurz anerkennend auf die Schulter und verließ dann mit Ben das Labor.

 

***

 

Sie hatte Angst. Die Dunkelheit schien sie erdrücken zu wollen und raubte jede Hoffnung auf einen Ausweg. Wenn sie nicht an Dehydrierung sterben würde, dann würde die Grippe sie irgendwann so stark schwächen, dass sie den Angriffen der Entführer nicht mehr standhalten konnte. Catherine hatte in ihrem Leben oft Angst gehabt. Aber dies hier überstieg alles Vorstellbare. Sie hatte Todesangst, die jedes Mal wie eine Welle über ihr zusammenschlug, wenn das stählerne Knarren der Tür zu ihrem Gefängnis erneut ertönte. Zweimal hatte sie bereits auf Toilette gemusst. Und inzwischen wusste sie nicht, was schlimmer war: Erneut die Demütigung ertragen oder das Wasser verweigern und auszutrocknen. Ihr starker Lebenswille ließ sie jedes Mal das Wasser trinken, das man ihr anbot. Ihre Geruchsnerven waren inzwischen abgestumpft und den scheußlichen Geruch aus modriger Fäule, Urin und Erbrochenem nahm sie nur noch schwach war.

Als sie diesmal das kalte Geräusch hörte, zog sie sich reflexartig soweit wie möglich in die Ecke zurück, in der sie hockte. Sie schloss ihre Augen, denn das plötzliche Licht bereitete ihr nach wie vor höllische Kopfschmerzen. Sie wartete. Und da waren sie, die groben Hände an ihren Armen. Diesmal zog man den Knoten der Augenbinde schmerzhaft fest. Catherine biss die Zähne zusammen. Ihr Kiefer schmerzte.

"Das ist der Stand der Dinge", begann die raue Stimme. "Wir wissen, dass du kein Bulle bist, aber das spielt keine Rolle. Du bist unsere Geisel und wir verlangen von den Behörden zweihunderttausend Dollar. Sollten wir die nicht bekommen, werden wir ihnen eine hübsch zerstückelte junge Gerichtsmedizinerin zuschicken. Je weniger Schwierigkeiten du uns machst, umso besser für dich."

Catherine nickte schwach als Zeichen, dass sie verstanden hatte.

Es scharrte leicht neben ihr.

"Mund auf!" Das war das erste Mal, dass sie die zweite Stimme hörte. Sie war weniger rau als die andere, aber ebenso grob und kaltschnäuzig. Catherine weigerte sich.

"Willst du hier verhungern? Das hier ist Brot und ein Apfel."

Zögernd öffnete Catherine ihre Lippen und spürte, wie der Typ ihr etwas Brot in den Mund schob. Sie biss ab und kaute. Das Brot war schon alt und zäh. Beim Herunterschlucken spürte sie deutlich, dass ihr Hals entzündet und wund war. Sie fühlte sich so hilflos, wie sie hier gefesselt und geschunden dasaß und gefüttert wurde. Am Anfang sträubte sich ihr überstrapazierter Magen gegen das plötzliche Essen, doch dann nahm er es dankend an. Catherine spürte eine angenehme Wärmewelle durch ihren Körper ziehen, die sich jedoch nach kurzer Zeit wieder in Schmerzen und Angst verflüchtigte. Sie würgte gezwungenermaßen Bissen für Bissen herunter und war erleichtert, als man sie wieder alleingelassen hatte.

Sie wusste nicht, ob sie hier je wieder rauskommen würde.

 

***

 

"Ich hab unsere Chancen, Dr. Vaughn gesund zurück zu bekommen, auf eins zu fünf erhöht!" Ben stürmte regelrecht in sein Büro und warf die Liste, die Harry ihm gegeben hatte, sowie eine zweite mit Namen, die er selbst von Privatkliniken erhalten hatte, auf seinen Schreibtisch. "Die Stimmanalyse hat uns diese drei Personen als Verdächtige gegeben. Auf meiner anderen Liste passen nur zwei ins Profil. Die müssen wir jetzt nur noch überprüfen."

Die beiden Detectives sahen ihn verblüfft an. "Und das haben Sie auf legalem Weg erreicht?"

"Man muss halt nur die richtigen Leute kennen", meinte Ben.

Er setzte sich in seinen Sessel und öffnete die Verbrecherkartei im Computer. "Wir haben noch eine knappe viertel Stunde, bis er sich wieder melden wird. Das dürfte reichen."

Ben griff nach der Liste und gab den Namen des ersten Kandidaten ein.

"Harold Quentin. Tätig als Computerfachmann bei einer Handyfirma. Hat in seiner Akte genau zwei Strafzettel wegen Falschparken und Geschwindigkeitsüberschreitung. Sehen wir mal weiter..."

Er gab den zweiten Namen auf der Liste ein und O'Hara und Siler sahen ihm gespannt zu. Man hatte sie vor der Zusammenarbeit mit dem Detective aus Delaware gewarnt. Er sei ein Softie und extrem gutgläubig. Das mochte wohl stimmen - aber seinen Job machte er hervorragend.

"Mason Bricks. Saß bereits mehrfach wegen Drogenmissbrauchs und Raubüberfällen." Ben hielt plötzlich inne. "Wartet mal... Der Leiter der Abteilung für Drogenmissbrauch, das ist doch Sergeant Simmons, oder?"

"Ja, wieso?" O'Hara sah ihn fragend an.

"Bei unserem ersten Gespräch meinte der Entführer, er wolle mit Simmons sprechen. Und er dachte ja auch, Dr. Vaughn würde Undercover für die Polizei arbeiten. Wenn Bricks unser Mann ist - vielleicht hatte er geglaubt, Simmons wäre ihm auf den Fersen." Ben biss sich auf die Unterlippe und grübelte.

Siler wusste nicht so recht, was er von den Schlussfolgerungen seines Kollegen halten sollte. "Wir überprüfen die Sache nachher bei Simmons. Für's erste haben wir uns Folgendes überlegt. Sobald der Entführer wieder anruft, versuchen wir, seinen Anruf zurück zu verfolgen. Wir werden ihn damit hinhalten, dass wir Zeit brauchen, um das Geld zu beschaffen. In Wahrheit steht uns das bereits zur Verfügung."

"Genau", nickte O'Hara. Sie sah inzwischen auch ein wenig müde aus. "Die gewonnene Zeit nutzen wir, um das Geld professionell zu markieren und unser Sondereinsatzkommando vorzubereiten. Sie werden nach der Geldübergabe den Weg des Geldes verfolgen und uns hoffentlich zum Versteck der Täter führen."

Ben nickte zustimmend. "Das klingt doch gar nicht schlecht. Nun wollen wir mal hoffen, dass..."

Weiter kam er nicht, denn das Telefon klingelte. Ben hielt kurz die Luft an und sah zu seinen beiden Kollegen auf, die sich bereits ihren Computern zugewandt hatten. Als O'Hara ihm das Zeichen gab, hob er ab. Sie verfolgte auf dem Monitor, wie das Signal getraced wurde.

"Morddezernat, Stevens."

"Drei Stunden sind um. Wir erwarten Ergebnisse. Haben Sie das Geld?"

Ben versuchte, ruhig zu sprechen. "Nein, noch nicht. Es dauert drei Tage, um eine so große Menge Bargeld ausgezahlt zu bekommen. Vor Montag bekommen wir es nicht."

Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann ein Räuspern. "Genaue Informationen zur Übergabe lassen wir Ihnen zukommen."

Ben hörte O'Hara fast lautlos fluchen, ignorierte sie jedoch. "Gut. Und jetzt wollen wir noch einen Beweis, dass Dr. Vaughn am Leben ist. Sonst läuft gar nichts."

Ein Lachen ertönte an seinem Ohr, laut und höhnisch. "Dann schauen Sie doch mal nach, ob Sie nicht ein Fax bekommen haben." Klick. Aufgelegt.

Ben seufzte angespannt. Er sah seine Kollegin erwartungsvoll an. Diese schüttelte den Kopf. "Die sind clever. Er hat ein Verschlüsselungssystem benutzt. Wir konnten den Anruf nicht zurückverfolgen."

Ben nickte leicht enttäuscht. Dann drehte er sich mit seinem Stuhl herum und starrte auf das Faxgerät. Nach einigen Momenten des Schweigens ertönte der leise Signalton des Gerätes und es zog ein Blatt Papier ein. Ben stand auf und wartete ungeduldig, bis der Drucker fertig war.

Was er sah, raubte ihm den Atem. Das konnte doch unmöglich Catherine sein!

Ihre Haare waren zerzaust und ihre Kleidung zerschlissen. Sie hatte getrocknetes Blut im Gesicht und am Hals kleben und ihre Augen waren geschwollen und blutunterlaufen; von den dunklen Ringen ganz zu schweigen. Sie sah blass und zusammengefallen aus. Ben hatte das Gefühl, in ihm würde sich alles zusammenziehen vor Hilflosigkeit. Er musste sie da raus holen!

~ Kapitel 3 ~

Man hatte ihr die Augenbinde das letzte Mal nicht wieder abgenommen. Catherine rutschte so nah wie möglich an die Wand und rieb ihren Kopf daran. Das feuchte Stück Tuch roch nach Fisch. Bei den ersten beiden Versuchen, es loszuwerden, scheuerte sie sich die Wange auf. Dann endlich gelang es ihr. Nun hing der Fetzen an ihrem Rücken herunter, mit dem Knoten in ihren Haaren verfitzt. Ein Stöhnen entwich Catherine.

Die nun regelmäßigen Kontrollbesuche ihrer Entführer zweimal am Tag ließen sie darauf schließen, dass es entweder Sonnabend oder Sonntag war. Momentan ging es ihr etwas besser. Man hatte sie, nachdem ihr Fieber wieder gestiegen und die Schmerzen unerträglich geworden waren, ein paar der Tabletten nehmen lassen, die sie gekauft hatte. Doch Catherine wusste, dass dieser Zustand nur vorübergehend war. Sie bräuchte Antibiotika. Und ein warmes Bad. Es war kalt hier unten; ihre Lippen waren vom vielen Drüberlecken schon ganz geschwollen und hatten tiefe Risse.

Diese Hilflosigkeit war einfach unerträglich.

 

***

 

Das ‚Village‘ war menschenleer, als Ben es Sonntagnacht betrat. Er hatte zwei Tage lang durchgearbeitet und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Seine Vermutung hatte sich nach ein paar Telefonaten bestätigt. Mason Bricks war bei der Drogenfahndung nur allzu bekannt. Sergeant Simmons versuchte bereits seit Jahren, ihn auffliegen zu lassen, doch bisher konnte man ihm nie den Handel von Drogen im großen Stil nachweisen.

Zur Sicherheit hatte man noch die anderen Kandidaten auf Ben's Liste überprüft, doch die waren, wie auch der erste, harmlose Staatsbürger. Also setzte man jetzt darauf, dass es sich bei dem Entführer um Bricks handelte. Der Fall war gleich ins Stockwerk der Drogenfahndung verlegt worden. Obwohl Ben, gemeinsam mit Siler und O'Hara, noch an den Ermittlungen beteiligt war, hatte er das Gefühl, der Fall wäre ihm entzogen worden. Am Sonnabend hatten Spezialteams leerstehende Lagerhallen im Westen der Stadt abgesucht, in denen man in Zusammenhang mit Bricks einmal eine kleinere Menge Drogen gefunden hatte. Doch die waren nach wie vor leerstehend.

Und jetzt war Ben am Ende seiner Kräfte. Er kam sich so hilflos vor und war gleichzeitig wütend auf sich selbst. Er hätte an jenem Tag einfach bei ihr bleiben können.

Wütend machte ihn auch die Tatsache, dass sie Catherines Entführung mehr oder weniger Simmons zu verdanken hatten. Er hatte über Strohmänner den Tipp an Bricks geben lassen, dass sich jemand bei ihnen Undercover einschleichen wollte. Sein Ziel war es gewesen, Bricks aus der Reserve zu locken. Und nun hatte er eine Geiselnahme bekommen.

Seufzend ließ er sich an der Bar nieder und hob kurz die Hand zum Gruß. Viktor, der gerade dabei war, die Theke zu wischen, kam sofort zu ihm.

"Und?"

Ben schüttelte müde den Kopf. "Nichts. Wir können nur warten und hoffen, dass die Geldübergabe uns zu ihnen führt."

Viktor ließ die Schultern hängen. Obwohl er und Catherine in letzter Zeit weniger Kontakt gehabt hatten, war sie dennoch seine Cousine und er liebte sie. Er machte sich Vorwürfe und malte sich das Schlimmste aus.

"Ich kann das einfach nicht glauben...", murmelte er.

Ben nickte. Am Sonnabend hatte er Viktor - auf dessen Drängen hin - das Fax gezeigt. Und mit ansehen müssen, wie der sonst so robuste, lebensstarke Mann in sich zusammensank.

"Es tut mir Leid", meinte Ben. "Ich hätte das verhindern müssen."

Viktor sah ihn seufzend an. "Nein, mein Freund, das hätte niemand verhindern können. Da war Catherine einfach mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort."

"Und diesmal ganz ohne Absicht", ergänzte Ben mit einem wütenden Schnauben.

Viktor griff nach zwei Gläsern und füllte jedem von ihnen einen Wodka ein.

Ben hob dankbar das Glas. "Darauf, dass wir diesen Typen bald das Handwerk gelegt haben."

Viktor nickte grimmig. "Prost."

 

***

 

Der Montagmorgen verlief verhältnismäßig ruhig. Die letzten Tage waren hektisch gewesen, vollgepackt mit Ermittlungen und Briefings über das bereits Herausgefundene. Ben kam sich vor wie in einem verworrenen Krimi.

Und jetzt saß er an seinem vorübergehend zugeteilten Schreibtisch und wartete, wie sieben weitere Leute im selben Raum, auf den Anruf des Entführers. Man war sich noch nicht einig, wer der zweite Täter sein würde, aber das spielte eine geringere Rolle. Was zählte, war Bricks zu überführen. Ben hatte das drückende Gefühl, dass auch Catherine dabei eher im Hintergrund stand. Er hatte darauf bestanden, bei dem letztendlichen Einsatz dabei zu sein. Auf keinen Fall wollte er, dass Catherines Leben leichtsinnig auf's Spiel gesetzt werden würde.

 

Als das Telefon endlich klingelte, war es bereits Mittag.

"Morddezernat, Stevens." Man hatte seine Leitung hierher verlegt und befand es für besser, Bricks im Unklaren darüber zu lassen, dass man seine Identität kannte.

"Guten Morgen, Detective." Der Hohn war nicht zu überhören.

'Überheblichkeit kommt vor dem Fall', dachte Ben und ignorierte die Provokation. "Wir haben das Geld", meinte er stattdessen schlicht.

"Gut. Gut..."

Die kurze Pause ließ Ben ungeduldig werden. O'Hara legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Sie hatte in den letzten Tagen erlebt, wie gut Detective Stevens seine Sache machte, und dass all das Gerede über seine Gutgläubigkeit nur aus oberflächlicher Unwissenheit stammte.

"Die Übergabe findet Freitag um Punkt 3:15 Uhr in der Deerbrook Mall statt. Sie werden mit dem Geld am öffentlichen Telefon im vorderen Teil weitere Anweisungen abwarten."

"Freitag?" Ben war überrascht und verärgert. "Ich will, dass die Übergabe noch heute stattfindet."

Ein Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. "Was Sie wollen, ist vollkommen irrelevant. Freitag viertel nach drei. Seien Sie pünktlich."

Klick.

Ben legte den Hörer mit einem lauten Knall auf. "Freitag? Das sind noch vier Tage!"

"Beruhigen Sie sich!", meinte ein älterer Detective, der offensichtlich seit Jahren mit Simmons zusammen arbeitete. "Das gibt uns immerhin genug Zeit, um die Baupläne des Einkaufszentrums zu besorgen und die Umgebung abzusichern."

Das Argument beruhigte Ben nur wenig. Immerhin hieß das für Catherine: Weitere vier Tage in Gefangenschaft. Ben betete, dass sie durchhielt.

 

***

 

Die Tage vergingen schleppend. Stunden zogen sich zäh dahin und manchmal schien die Zeit einfach stehen zu bleiben. Catherine hatte aufgehört, mitzuzählen. Sie trank und aß, was man ihr in den Mund schob. Und sie war froh, wenn sie einfach schlafen konnte. Ihre Grippe war auf dem Höhepunkt. Vom Fieber geschüttelt bekam sie kaum noch etwas mit. Es hatten sich Schweißfilme auf ihrer Haut gebildet. Beim letzten Mal hatte man ohne ein Wort einen Eimer kaltes Wasser über ihr ausgeschüttet. Stundenlang hatte sie entsetzlich gefroren und dann das Gefühl gehabt, zu verbrennen. Wenn das Fieber weiter stieg, würde es gefährlich werden. Catherines Angst verschwamm irgendwo zwischen ihrer Desorientierung und der entsetzlich schweren Müdigkeit.

Sie litt unter Halluzinationen. Die Gesichter der Männer, die sie noch nie gesehen hatte, wurden zu grässlichen Fratzen, die körperlos in der Dunkelheit schwebten. Ob die Spinnen, die hin und wieder über ihre tauben Füße krabbelten, real waren, konnte Catherine nicht beurteilen. Wenn es ihr phasenweise besser ging, dachte sie oft an ihren Vater. Sie wollte ihn unbedingt noch einmal wiedersehen. Viktor hatte Recht. All die Streitereien mit ihrem Dad über den unaufgeklärten Mord an ihrer Mutter - die waren nichtig im Vergleich dazu, dass sie dies hier vielleicht nicht überleben würde, ohne ihm vorher gesagt zu haben, dass sie ihn liebte. Ob er wusste, dass sie hier lag? Vielleicht hatte man ihn auch nicht informiert und er ging weiter seinen Börsengeschäften nach. Sie hatte seit einem Jahr nichts von ihm gehört. Er hatte ihr damals große Vorwürfe gemacht, als er erfuhr, dass sie auf eigene Faust nach South Caroline geflogen war, um ein paar Spuren nachzugehen. Am Ende hatte sie wieder ohne brauchbare Ergebnisse dagestanden. Auch mit Viktor hatte sie sich gestritten. Viktor, der ihr so nah war, seit sie nach ihrem Studienabschluss in New York lebte. Er hatte sie damals bei sich wohnen lassen und hatte immer wieder versucht, zwischen ihr und ihrem Vater zu vermitteln. Aber sie war zu stolz. Und dieser Stolz war es, der sie seit einem Jahr davon abhielt, ihren Vater anzurufen.

Dann wanderten ihre Gedanken zu Ben.

Ben, der jetzt vor Sorge bestimmt umkam. Der vielleicht auf eigene Faust ermittelte und dabei Kopf und Kragen riskierte, wie er es schon so oft für sie getan hatte. Oder er wusste von nichts. Auch hier hoffte Catherine, dass sie ihn noch einmal sehen könnte. Wenn sie hier je lebend raus kam, würde sie Einiges ändern. Unter anderem wollte sie den Menschen, die ihr etwas bedeuteten, das auch sagen. Ihrem Vater, Viktor, ihren Freunden in der Gerichtsmedizin, gerade Dr. Westwood, der mehr war als nur ihr Chef. Er ertrug ihre Unpünktlichkeit, ihre schlechte Laune, ihre Verschlossenheit. Wieso war ihr bisher nicht bewusst gewesen, wie viele großartige Menschen es in ihrem Leben gab, die sich um sie sorgten und kümmerten? Wie Ben. Sie hatte immer Angst gehabt, wenn sie jemanden ihre Zuneigung spüren ließ, dann wäre sie verwundbar. Und gerade bei Ben hatte sie Angst gehabt, ihre Freundschaft auf's Spiel zu setzen. Aber jetzt? Jetzt wünschte sie sich, ihm eine Chance gegeben zu haben...

Das ihr inzwischen allzu bekannte metallische Scharren ertönte, verbunden mit dem gleißenden Licht. Und plötzlich packte Catherine die Entschlossenheit. Sie wollte hier raus. Sie wollte hier nicht elend zu Grunde gehen.

Als die Hand sie grob anpackte, stieß sie ihren Entführer fort, mit all der Kraft, die sie aufbringen konnte. Der Mann gab einen Laut der Überraschung von sich. Als vier Hände sie gemeinsam anpackten und hart gegen die Wand stießen, wusste Catherine, dass sie keine Chance hatte. Doch sie wollte sich nicht so demütigen lassen. Wenigstens versuchen musste sie es.

Und doch endete sie, jetzt noch fester gefesselt, mit der Augenbinde in der Ecke und wurde gefüttert. Das Essen konnte sie nicht verweigern. Sie brauchte Kraft. Um sich zu widersetzen. Um ihnen zu zeigen, dass sie ihren Willen nicht brechen konnten.

Der zweite Mann zog sie vom Boden hoch und machte sich an ihrer Jeans zu schaffen. Catherine wandte sich in seinem Griff und versuchte, sich zusammen zu rollen. Und dann ging alles ganz schnell. Drei Hände griffen nach ihr, wollten sie umdrehen. Ein metallischen Schnappen irgendwo im Raum und dann ein stechender Schmerz in ihrem linken Oberarm. Catherine schrie auf und torkelte durch den Raum. Sie stürzte zu Boden und wälzte sich; konnte ihren Arm nicht erreichen, da sie gefesselt war.

"Verdammt", schimpfte einer der beiden Männer und ließ das Messer fallen. Catherine wusste nicht, weshalb er es herausgeholt hatte. Vielleicht wollte er sie im Würgegriff einschüchtern, wie beim ersten Mal.

Sie spürte warmes Blut auf ihrer Haut und glaubte, der Schmerz würde ihr den Verstand rauben. Der Mann mit der rauen Stimme beugte sich zu ihr herunter und packte grob ihren Arm. Dann riss er ein Stück von Catherines Shirt ab und wickelte es um die Wunde. Catherine gab ein leises Wimmern von sich.

Als ihr Entführer fertig war, trat er ihr grob in die Hüfte. "Das hast du nun davon, du Schlampe." Er spuckte neben ihr auf den Boden. Hallende Schritte und das Zuschlagen der Tür verrieten Catherine, dass sie es überstanden hatte. Sie war wieder allein.

Ihr Oberarm begann, stark zu pulsieren. Das Pochen zog sich von ihren Fingerspitzen bis in den Brustkorb und wurde von einem Brennen begleitet. Sie wusste nicht, wie tief der Einschnitt war, aber selbst wenn der Blutverlust gering blieb, würde sich die Stelle entzünden. Ihr Shirt war verschwitzt und verdreckt. Die Wunde musste gereinigt werden.

Catherine rollte sich auf die Seite und versuchte, den Arm unter sich abzuklemmen. Wenigstens den Blutverlust musste sie so gering wie möglich halten.

Nach einer Weile fiel sie in einen ohnmächtigen Schlaf.

 

***

 

Ben lag die ganze Nacht wach. Auf seiner Digitaluhr leuchtete 2:57 in großen, roten Ziffern. Er wälzte sich hin und her, ohne die Gedanken vom bevorstehenden Tag ablenken zu können. Heute sollte die Geldübergabe stattfinden. Man hatte ihn ausreichend darauf vorbereitet. Er würde versteckte Mikrofone tragen und mit einem Sender ausgestattet sein, falls die Entführer ihn irgendwo hinlocken würden. Im Einkaufszentrum wollte man genügend Männer vom Sondereinsatzkommando postieren, um es effizient absperren und überwachen zu können.

Doch sie mussten auf alles gefasst sein. Bricks hatte nicht umsonst den Freitag gewählt. In der Mall fand eine Modenschau statt. Sie würde also vollkommen überfüllt sein, was die Sache erschwerte.

Ben hatte die Grundrisspläne studiert. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Von den Vorwürfen, den Sorgen und der Angst wieder zurück zu der Anspannung und Nervosität aufgrund des geplanten Eingriffes. Man wollte ihnen Catherine erst einige Stunden später 'übergeben', wenn das Geld auf Echtheit überprüft war. Deshalb würden sie den Abnehmer des Geldes, hoffentlich Bricks, verfolgen. Sollten sie ihn aus den Augen verlieren, würde ein Sender in einem der Geldbündel sie zum Versteck führen. Doch sie konnten sich nicht sicher sein, dass Catherine auch dort war. Was, wenn sie die Täter festgenommen hatten und Catherine ganz woanders war? Wenn Bricks ihnen nicht sagen würde, wohin er sie gebracht hatte? Ben wollte gar nicht daran denken. Er hatte seine Bedenken bei einem der Briefings geäußert, doch man hatte ihn ignoriert. Und wieder hatte er das Gefühl, es ging hier nicht mehr um Catherine, sondern die Festnahme irgendwelcher Drogenhändler.

Plötzlich tauchte das Bild von Catherine, das man ihnen zugefaxt hatte, wieder vor ihm auf. Er schluckte schwer. Sie sah so zerschunden aus, so leblos. Er konnte nur beten, dass die Verletzungen oberflächlich waren und man sie sonst nicht angerührt hatte. Der Gedanke, dass diese schmierigen Typen sie angefasst haben könnten, raubte ihm den Verstand. Und er hatte Angst davor, welche seelischen Schäden Catherine davontragen würde. Sie war unheimlich stark und zäh. Aber das hier...?

Sie mussten es einfach schaffen. Er würde alles dafür tun, um Catherine dort rauszuholen.

 

Als es draußen hell wurde, stand Ben auf und duschte. So ruhig wie möglich zog er sich an; prüfte, ob er alles dabei hatte. Dann ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen und machte sich auf den Weg.

Draußen atmete er tief die frische Morgenluft ein. Der plötzliche Sauerstoffstoß gab ihm ein kurzes Hochgefühl. Es würde gut gehen. Musste es einfach.

Ben schlug den langen Weg durch den Central Park ein. Ein Spaziergang zur Beruhigung und um den Kopf frei zu bekommen würde ihm gut tun.

 

***

 

Ein dumpfer Schmerz in ihrer linken Schulter holte sie zurück aus ihrem Dämmerschlaf. Der Arm war noch immer unter ihr eingeklemmt, und obwohl die Wunde nicht mehr blutete, brannte die Stelle und fühlte sich schlimmer an. Catherines Rücken war ganz taub. Mit aller Kraft rutschte sie zurück in ihre Ecke und lehnte sich gegen die Wand, die ihren Arm jetzt angenehm kühlte. Man hatte ihr erneut die Augenbinde umgebunden gelassen. Doch sie war zu schwach, um das stinkende Tuch aus ihrem Gesicht zu bekommen.

Ihre Blase machte sich langsam bemerkbar. Catherine seufzte. Ihr war schwindelig, und die Hoffnungslosigkeit schien sie immer mehr auszufüllen. Die Dunkelheit umschloss sie wie eine Hülle, aus der es kein Entkommen gab.

Catherine schloss ihre Augen und gab auf, in ihrem Inneren eine tiefe, kalte Leere.

 

***

 

Die Deerbrook Mall war ungewöhnlich voll, wie sie es erwartet hatten. Ben bahnte sich nervös einen Weg durch die Menge. In einer kleinen Nische, in der die öffentlichen Telefone angebracht waren, lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand und wartete. Er ließ seinen Blick über die Menge wandern, dann hoch zur zweiten Ebene. Er wusste genau, wo Simmons Männer postiert waren, doch sehen konnte er sie nicht. Gut.

Nach außen hin völlig gelassen doch mit innerer Unruhe warf er einen Blick auf die Uhr. Er hatte noch fünf Minuten bis zum vereinbarten Zeitpunkt. Also wartete er. Die Zeit schien fast stehen zu bleiben. Als um Punkt 3:15 Uhr das zweite Telefon in der Reihe läutete, zuckte er kurz zusammen. Er ging darauf zu und nahm den Hörer ab.

"Stevens", meinte er schlicht und leise.

"Gut", meldete sich die ihm inzwischen nur allzu bekannte Stimme. "Sie haben das Geld bei sich?"

"Natürlich."

"Begeben Sie sich damit auf die Herrentoilette zu Ihrer Linken und in die zweite Kabine von rechts. Wenn ich auflege, haben Sie genau fünfundvierzig Sekunden, um Folgendes auszuführen: Drehen Sie die Verbraucherkarte auf der Innenseite der Tür um und befolgen Sie die Ausführungen. Sollten Sie dabei Informationen an Ihre Kollegen weitergeben, wird Ihre kleine Freundin eine Hand weniger besitzen. Wir haben zur Kontrolle Mikrofone installiert. Ihre Zeit ist begrenzt."

Klick.

Ben blieb keine Zeit zum Nachdenken. Er ignorierte das "Außer Betrieb"-Schild an der Tür, das die Entführer wahrscheinlich selbst dort angebracht hatten. Die zweite Kabine von rechts stand bereits offen. Er betrat sie, schloss die Tür und wendete das postergroße, in Schutzfolie eingeschweißte Blatt, das auf der Vorderseite Werbung enthielt und in jeder Toilette an die Tür gepinnt war.

 

Hinter Ihnen befindet sich ein Fenster. Werfen Sie den Koffer dort raus und verlassen Sie die Herrentoiletten.

 

Das war alles. Ohne zu zögern drehte Ben sich um, stieg auf das Klo und schob den Koffer durch das kleine, angekippte Fenster. Es war zu winzig für einen Menschen und viel zu weit oben, doch der Koffer glitt hindurch. Er ließ den Griff los und hörte ein dumpfes Poltern. Sofort verließ er die Toiletten und begab sich wieder zu dem Telefon. Es läutete nicht.

"Was ist passiert?", ertönte eine dünne Stimme in seinem Ohr.

Ben atmete flach und schnell. Ihm war leicht schwindelig und das Adrenalin, das sich in seinen Blutbahnen anstaute, hatte die Nervosität völlig verdrängt. "Ich habe den Koffer aus einem Fenster der Herrentoilette geworfen. Wahrscheinlich hatten sie ein Fahrzeug darunter geparkt. Wir haben doch dort Männer stationiert..."

Simmons fluchte. "Mist. Ich schicke sie sofort los."

Er kommandierte ein paar von seinen Leuten, alle aus dem Gelände der Mall herauskommenden Fahrzeuge zu überprüfen. Dann gab er noch einige weitere Befehle, die Ben nicht ganz mitbekam. Er begab sich zum nächsten Ausgang und bahnte sich einen Weg über den Parkplatz zu einem grauen Transporter. Simmons hielt ihm bereits die Tür auf.

"Beeilen Sie sich", meinte er überflüssigerweise, als Ben einstieg und sie losfuhren, noch bevor Simmons die Tür wieder geschlossen hatte.

"Wir empfangen ein Signal. Sie haben das Gelände bereits verlassen." Simmons fuhr sich frustriert durch die Haare.

Ben war leicht verwundert. "Hatten wir nicht Männer an der Außenwand postiert?"

"Doch. Aber direkt unter diesem Fenster befinden sich die Müllcontainer. Der Bereich ist eingezäunt und man kommt nur mit elektronischem Schlüssel hinein. Das schien uns sicher genug."

Ben stöhnte auf. So langsam verwunderte es ihn nicht, dass Simmons Bricks bisher nicht gefasst hatte. Doch er behielt diesen Gedanken für sich, da er nicht riskieren wollte, gleich abgesetzt und von der weiteren Verfolgung ausgeschlossen zu werden.

"Wir haben doch noch den Sender", meinte Ben stattdessen.

"Ja. Aber Bricks hat jetzt einen Vorsprung von mindestens tausendfünfhundert Metern." Simmons seufzte.

Ben wusste, dass dieser kurze Vorsprung entscheidend sein konnte. Eine direkte Verfolgung wäre effektiver gewesen.

Er wandte seinen Blick dem Monitor zu, auf dem das New Yorker Straßennetz zu sehen war. Ein kleiner grüner Punkt bewegte sich langsam in dem Wirrwarr von Linien und Kästchen. Ein roter Punkt, stets in der Mitte des Bildschirms, folgte ihm. Simmons schien sich ganz auf das Können seines Fahrers zu verlassen. Die beiden wechselten nicht ein Wort.

Ben jedoch hielt die Stille nicht aus. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt.

"Wofür braucht jemand wie Bricks eigentlich eine solche Summe?", fragte er, sowohl aus Interesse wie auch um die Stille zu durchbrechen.

"Wie meinen Sie das?" Simmons schien seine Frage nicht zu verstehen.

"Na ja... Wenn er ein so großer Fisch unter den Drogendealern ist, dann sind zweihunderttausend Dollar doch Peanuts für ihn. Dafür lohnt sich dieser ganze Aufwand doch gar nicht."

Simmons nickte. "Aber auch Drogendealer machen Schulden. Und in diesem Geschäft gibt es keine Kredite. Du zahlst immer, entweder sofort, oder später mit deinem Leben. Er wird das Geld zum Abzahlen von Schulden brauchen, oder um sich wenigstens mehr Zeit zu verschaffen."

"Aber wieso hat er dann nur eine verhältnismäßig so kleine Summe erpresst?" Ben rieb sich die Nase. Die Angst kehrte zurück und machte sich als Ziehen in seinem Magen bemerkbar.

"Bricks kennt das System. Er weiß, wie viel man von Behörden erpressen kann. Viel höher wäre man nicht mitgegangen."

"Und hätte Dr. Vaughn ihrem Schicksal überlassen?" Ben war entsetzt, doch Bricks beruhigte ihn.

"Nein, das sicher nicht. Es ist einfach wie eine ungeschriebene Regel. Bis hin zu einer viertel Million kann man bei einer solchen Entführung bekommen. Wenn sie höher gingen, würden das Police Departement jegliche Verhandlung abbrechen. Das nützt den Entführern dann gar nichts. Deshalb nehmen sie, was sie kriegen können."

Sie fuhren in östliche Richtung und bogen schließlich vom Freeway auf eine zweispurige Straße ab. Ben ließ sich die Sache durch den Kopf gehen.

"Und weshalb gehen die Behörden ausgerechnet bis zu dieser Summe mit?"

"Weil sie das Risiko wert ist", meinte Simmons trocken. "Die Entführer gehen davon aus, clever genug zu sein, und mit dem Geld zu entkommen. Die Polizei ist sich natürlich sicher, die Täter zu überführen. Sollte dies jedoch nicht klappen, kann man mit dem Verlust dieser Menge Geldes leben. Und bekommt das Entführungsopfer zurück."

Ben verstand es nicht wirklich, aber er hatte das Gefühl, dass Simmons es ihm nicht besser erklären konnte.

Seine Aufmerksamkeit galt nun wieder dem Monitor. Nach einer viertel Stunde mussten sie in weitere Nebenstraßen abbiegen und fuhren nun in Richtung Hafen. Der grüne Punkt hatte bereits aufgehört, sich fortzubewegen.

Der Fahrer ihres Transporters lenkte den Wagen in weitgehend ungenutztes Gelände, auf dem sich ein paar alte Bootshäuser und kleinere Lagerhallen befanden.

Nachdem sie an zwei Hallen vorbeigefahren waren, stoppte der Transporter. Simmons vergrößerte die Auflösung auf dem Monitor und nickte.

"Die flachere Lagerhalle schräg vor uns", meinte er.

Ben nickte ebenfalls. "Also dann."

Simmons öffnete die Tür und stieg aus, dicht gefolgt von Ben. Hintern ihnen hatten bereits vier weitere Transporter angehalten, aus denen die schwarzgekleideten Männer des Sondereinsatzkommandos ausstiegen, lautlos und schnell. In weniger als einer Minute hatten sie das Gebäude umstellt.

Simmons und Ben begaben sich rasch zu einem Nebeneingang. Simmons verständigte sich mit ein paar von seinen Männern und schien auf etwas zu warten. Eine für Ben unendlich lang erscheinende Weile ertönte aus dem Funkgerät nur statisches Rauschen. Dann meldete sich jemand zu Wort und gab Simmons die Information, auf die er gewartet hatte. Einer seiner Männer brach die Tür auf, trat ein und sicherte den Gang, der sich hinter der Tür verbarg. Das Ganze geschah lautlos und wie in einem einzigen Atemzug. Simmons und Ben folgten ihm. Ein vierter Mann gab ihnen Deckung.

Ben sah sich um.

Die Halle wirkte von innen wesentlich größer als von außen. Auf ihrer Seite war sie voll mit Kisten und Containern, die nur einen schmalen Gang zum Laufen ließen. Über ihnen zog sich ein Stahlgerüst entlang, auf dem Ben einen Teil des Spezialteams wie Schatten entlang huschen sah.

Er folgte den beiden Männern vor sich, zwischen weiteren Kisten hindurch. Schließlich stoppten sie und er sah, wie der Schütze, der ihnen auch schon die Tür geöffnet hatte, ein Spezialglas herausnahm und damit um die Ecke sah.

Er bedeutete mit Handzeichen, dass sich in der Mitte der Halle zwei unbewaffnete Männer befanden. Simmons und er tauschten Plätze, und nach dem sich der Sergeant versichert hatte, dass es sich bei einem der beiden Männer um Bricks handelte, machte er ein zufriedenes Gesicht. Simmons warf Ben einen fragenden Blick zu und dieser nickte stumm. Er war bereit. Noch ein letztes Mal vergewisserte er sich, dass seine kugelsichere Weste saß, entsicherte seine Waffe, und dann traten er und Simmons hervor.

"Hände so, dass ich sie sehen kann!", rief Simmons. Beide zielten mit ihren Waffen auf die Männer, die in der Mitte einer großen, freien Fläche standen und das Geld mithilfe eines kleinen Automaten auf Echtheit überprüften und zählten. Sie schraken auf und waren bereit, die Flucht zu ergreifen. Doch plötzlich tauchten aus allen Winkeln und Gängen schwarzgekleidete Gestalten mit angelegten Waffen auf.

Völlig überrumpelt hoben die zwei Männer ihre Hände in die Luft, von denen Ben einen anhand des Fotos, welches die Datenbank ihm gezeigt hatte, als Bricks identifizierte. Sofort waren Simmons Männer zur Stelle und legten ihnen Handschellen an.

"Durchsucht das Gebäude! Ich will, dass jeder Container untersucht wird!", bellte er durch die Halle.

Es war alles so schnell gegangen, dass Ben noch gar nicht glauben konnte, wie einfach das gewesen war. Er löste sich aus seiner Starre und trat vor Bricks.

Der Mann war Ende dreißig und hatte rötlich blondes Haar. Der zottelige Vollbart ließ ihn noch ungepflegter und brutaler erscheinen, als die gewaltige Körperstatur es sowieso schon tat.

"Wo ist sie?", fuhr er ihn an.

Bricks spuckte ihm vor die Füße, wofür er von den Männern, die ihn festhielten, einen Stoß mit dem Knie in den Rücken bekam.

"Dort hinten", murrte Bricks und deutete mit dem Kopf in die hintere Hälfte der Halle. Ben konnte nichts Besonderes erkennen.

"Wo genau?", wollte er wissen.

Als Bricks sich erneut weigerte, zu antworten, packte man ihn grob bei den Haaren.

"Ah... Verdammt, ihr Schweine!", keifte er. Dann funkelte er Ben böse an. "Da ist ein Keller. Die Schlampe ist da drin, wenn sie überhaupt noch lebt."

Das Ziehen in Bens Magen wurde plötzlich zu einem Übelkeit erregenden Stechen. Wenn sie noch lebte?

Er bahnte sich rennend einen Weg durch die vielen Männer, die bereits dabei waren, die Container zu untersuchen und sich inzwischen Spürhunde aus den Transportern dazu geholt hatten. Wie er befürchtete, hatte man Catherine bereits vergessen. Wie er Simmons dafür hasste!

Am anderen Ende der Halle führte eine Treppe etwa zwei Meter nach unten. Sie endete an einer Stahltür. Voller Angst, was ihn hinter dieser Tür erwarten würde, ging Ben Stufe für Stufe darauf zu und drückte schließlich die rostige Klinke nach unten. Licht durchflutete einen erstickend dunklen Raum.

 

***

 

Sie hatte aufgehört, zu hoffen. Der Schmerz hatte sich über ihren ganzen Körper verteilt und schnürte ihr die Luft ab. Ihren Arm spürte sie nicht mehr.

Irgendwo in ihrem Hinterkopf nahm sie das Scharren wahr, und sie zog ihre Beine an. Catherine biss sich auf die Unterlippe. Sie war zu schwach, um sich noch einmal zu widersetzen. Ihre Entführer hatten gewonnen. Das sonst so blendende Licht nahm sie nur dumpf unter ihrer Augenbinde wahr.

"Oh Gott", meinte eine Stimme und dann fühlte sie eine Hand auf ihrem rechten Oberarm.

"Bitte...", wimmerte sie und presste die Lippen aufeinander. "Bitte nicht."

"Catherine", meinte die Stimme jetzt und ihr wurde die Augenbinde abgenommen.

Als er den Raum betreten und sie gesehen hatte, wie sie in der Ecke kauerte und zitterte, hatte Ben geglaubt, sein Herz würde stehen bleiben. Sie war übersäht mit blauen Flecken und Dreck. Der Gestank in dem kleinen Raum war so stechend, dass er kurz die Luft anhalten musste. Ben kniete sich zu ihr und berührte sie sanft, doch sie schien ihn nicht zu erkennen. Vorsichtig streifte er ihr den Fetzen, den man als Augenbinde verwendet hatte, von ihrem Gesicht.

"Hey", flüsterte er sanft. "Es ist alles okay. Es ist vorbei. Ich bin's, Ben..."

Catherines Augen brauchten eine Weile, bis sie sich an das Licht gewöhnten. Sie schluckte kurz. Das Bild war so verschwommen... Und dann erst drangen seine Worte zu ihr durch.

"Ben?", flüsterte sie heiser.

"Schh...", meinte er und strich ihr mit einer Hand das völlig zerzauste und verklebte Haar aus dem Gesicht. Eine Schürfwunde bedeckte ihre Wange. "Du bist in Sicherheit, es ist alles in Ordnung."

Catherine sah ihn an. Erst regte sie sich überhaupt nicht, und dann ließ sie sich schluchzend zur Seite kippen. Ben legte einen Arm um sie und wiegte sie beruhigend hin und her.

Sie lebte! Gott sei Dank... Seine Gedanken überschlugen sich. Zögernd streichelte er ihren Rücken.

Catherine zuckte zusammen, als er ihre linke Schulter berührte. Und dann sah Ben die Wunde an ihrem Oberarm. Er sog tief die Luft ein.

"Um Himmels Willen, was..." Vorsichtig betastete er die Stelle, und Catherine gab einen erstickten Laut von sich. Dann löste er den Verband, der völlig blutdurchtränkt war. Zum Vorschein kam eine tiefe, entzündete Schnittwunde. Sie war verkrustet und eitrig. Ben war zwar kein Arzt, aber er wusste, dass Catherine bereits eine Sepsis haben konnte.

Mit wenigen Handgriffen hatte er sie von den Handschellen und der Fußschlinge befreit. Behutsam hob er sie hoch. So schnell er konnte, stieg er die Treppen hinauf.

"Ich brauche sofort einen Krankenwagen!", rief er.

Simmons, der ganz in der Nähe stand und sich mit jemandem beriet, wandte sich ihm zu. Mit einem flüchtigen Blick musterte er Catherine.

"Ist bereits geschehen. Er steht draußen."

Ben nickte. Wenigstens das hatte er für sie getan.

Als er von der Halle ins Freie trat, kamen ihm Sanitäter entgegen. Sie brachten Catherine auf eine Trage und hoben sie in den Krankenwagen. Man hatte sie sofort an einen Tropf gehangen. Hier im Licht sahen die Verletzungen noch viel schlimmer aus. Catherine hielt Bens Hand fest und wandte ihren Blick nicht von ihm ab. Sie war geschwächt und konnte ihre Augen kaum offen halten. Und doch hatte sie das Gefühl, wenn sie sie jetzt schließen würde, dann wäre alles nur ein schöner Traum gewesen, und sie würde aufwachen und sich in der Dunkelheit wieder finden.

Als Ben mit in den Krankenwagen steigen wollte, hielt ihn der Sanitäter zurück.

"Sind Sie ein Angehöriger?"

"Nein, aber ich..."

Der Sanitäter unterbrach ihn. "Tut mir Leid, aber nur Angehörige dürfen direkt mitfahren. Sie können uns gerne in ihrem Privatfahrzeug folgen." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern und verschloss dann von Innen die Türen. Mit Blaulicht und Sirene begab sich der Krankenwagen auf den Weg ins nächste Hospital.

Ben rannte zu einem der Transporter, ließ sich die Schlüssel gebe und folgte ihm.

~ Kapitel 4 ~

Sein linker Schuh hatte einen Kratzer auf der Innenseite.

Ben seufzte kurz und wandte den Blick von seinen Schuhspitzen ab und erneut auf die großen Flügeltüren, hinter die er nicht durfte. ‚Intensivstation OP-Bereich‘ prangte in großen, dunkelroten Buchstaben darauf. Catherine war jetzt schon seit über vier Stunden dort drinnen, und keine der herauskommenden Schwestern konnte ihm Auskunft über ihren Zustand geben.

Beunruhigt ließ er seinen Blick wieder zu seinen Schuhen wandern. Er hatte sie bereits bei seinem ersten Einsatz getragen. Damals, als Catherine ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt hatte, ihn, den naiven Kleinstadtboy aus Delaware.

"Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Wie geht es ihr?"

Ben sah auf. Viktor stand vor ihm, leicht außer Atem. Seine Augen waren gerötet und die dunklen Ringe darunter waren stumme Zeugen der schlaflosen Nächte, die er damit verbracht hatte, sich Vorwürfe und Sorgen zu machen.

"Ich weiß es nicht." Ben lächelte ihm müde zu. "Sie ist noch auf der Intensivstation."

"Aber Sie haben sie doch gesehen." Viktor setzte sich auf den freien Platz neben dem Detective. "Wird sie durchkommen?"

Ben nickte.

"Ja. Sie hatte keine lebensgefährlichen Verletzungen. Eine Schnittwunde am Arm, doch die war noch relativ frisch. Und sonst..." Er hätte Viktor die vielen Schürfwunden und blauen Flecke beschreiben können, doch er wollte ihn nicht unnötig beunruhigen. Er wusste ja selbst nicht, wie schlimm es um Catherine stand.

Viktor ließ die Schultern hängen. Er sah aus, als wäre er innerhalb der letzten Tage um Jahre gealtert. Nie hatte Ben ihn so mit den Nerven am Ende gesehen.

"Was passiert jetzt eigentlich mit den Tätern?", wollte Viktor wissen.

"Sie kommen in Untersuchungshaft und werden angeklagt. Sollte Simmons in der Lagerhalle Drogen finden, kommt das noch erschwerend hinzu. So genau weiß ich das nicht." Er war müde. Das lange Warten gab ihm zu viel Zeit zum Nachdenken. Erschöpft fuhr er sich durch die Haare.

"Dort hinten kommt Dr. Westwood", meinte Viktor leise. Ben hob seinen Kopf und suchte den Gang ab. Dr. Westwood kam mit schnellen Schritten auf sie zu.

"Schon was Neues?", begrüßte er sie.

Ben schüttelte den Kopf.

Seufzend ließ sich auch Dr. Westwood in einen der Stühle fallen.

"Danke, dass Sie gleich angerufen haben", meinte er an Ben gewandt.

"War doch selbstverständlich", gab dieser leise zurück. Dann tauschten er und der Gerichtsmediziner einen besorgten Blick aus, der ihnen verriet, dass sie dasselbe über Viktor dachten.

"Sie wird das schon durchstehen", machte Dr. Westwood einen aufmunternden Versuch. "Wir wissen doch alle, wie zäh sie ist."

Viktor nickte nur. Er ließ sich in dem unbequemen Wartestuhl zurücksinken und hatte seinen Blick ins Leere gerichtet.

 

Nach einer weiteren halben Stunde kam schließlich einer der Ärzte aus der Intensivstation auf sie zu.

"Sind Sie Miss Vaughns Bruder?", fragte er, an Ben gewandt.

Viktor sprang auf. "Ich bin ihr Cousin. Wie geht es ihr?"

Der Arzt nickte ihm zu und schüttelte seine Hand, die nach frischem Desinfektionsmittel roch.

"Den Umständen entsprechend gut."

Wie Ben diesen Satz hasste. Auch er und Dr. Westwood waren aufgestanden.

"Und was bedeutet das?"

"Sie ist in einem stabilen Zustand. Ihre äußeren Verletzungen sind alle oberflächlich, bis auf eine tiefe Fleischwunde am linken Oberarm, die jedoch keine der Hauptschlagadern getroffen hat. Ihr Blutverlust war erstaunlich gering. Auch die leichte Gehirnerschütterung, die sie sich bereits vor einigen Tagen zugezogen hat, hinterließ keine bleibenden Schäden." Der junge Mann räusperte sich kurz. "Was uns mehr Sorgen bereitet, ist die verschleppte Bronchitis. Wir haben ihr bereits Antibiotika zugeführt und sie wird künstlich ernährt, doch ihr Körper ist stark geschwächt. Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen. Im Moment schläft sie."

Viktor stieß erleichtert die Luft aus. Er hatte sich alles viel schlimmer ausgemalt. "Können wir zu ihr?"

Der Arzt sah die drei Männer skeptisch an. Dr. Westwood kannte er, und auch Ben schien einen vernünftigen Eindruck auf ihn zu machen.

"Na gut. Aber die Patientin braucht viel Ruhe." Er wies ihnen den Weg durch die Flügeltüren hindurch zu einem der Zimmer.

Viktor hielt bei Catherines Anblick die Luft an. Ben stellte erleichtert fest, dass man sie von all den Dreckspuren befreit hatte. Auch ihre Haare waren nicht mehr so schlimm verfilzt. Sie schlief. Ein Tropf führte zu ihrer rechten Armbeuge, um den linken Arm war ein Verband gewickelt. Catherine wirkte magerer als sonst und erschreckend blass.

Viktor setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett. Er presste seine Lippen aufeinander und Dr. Westwood bemerkte, dass sie zitterten. Mitfühlend legte er ihm eine Hand auf die Schulter.

"Es ist überstanden", meinte er leise. Viktor nickte und sah erst Dr. Westwood und dann Ben an.

"Danke", brachte er heiser hervor. "Danke, dass ihr sie lebend zurück gebracht habt. Ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn..." Er sprach den Gedanken nicht zuende.

Ben hatte Mitleid mit Viktor. Er respektierte ihn und schenkte ihm Anerkennung dafür, dass er sich viele Jahre um Catherine gekümmert hatte. Jetzt fühlte er nur freundschaftliche Anteilnahme.

"Soweit ist es ja nicht gekommen." Er betrachtete Catherine, wie sie ruhig atmete. "Und Dr. Westwood hat Recht. Catherine ist zäh und hat einen starken Willen. Ich denke, das hat sie von Ihnen gelernt."

Viktor huschte ein Lächeln über das faltendurchzogene Gesicht. "Offensichtlich..."

Eine Weile standen die drei Männer einfach nur da und betrachteten Catherine. Jeder hing seinen Gedanken nach und war auf seine Art erleichtert. Er war, als hätten sie einen stillen Pakt geschlossen, Catherine zu beschützen und dafür zu sorgen, dass sie so schnell wie möglich wieder auf die Beine kam.

 

"Es ist schon ziemlich spät", durchbrach Dr. Westwood die Stille.

Ben sah auf seine Uhr und war überrascht. Er würde Catherine nur ungern alleine lassen.

"Ich muss zurück in die Gerichtsmedizin. Ich habe Harry vorhin inmitten einer Autopsie einfach sitzen lassen." Dr. Westwood seufzte.

Viktor nickte. Dann sah er zu Ben. "Sie sollten sich auch etwas Schlaf gönnen. Noch ein paar Stunden und Sie fallen im Stehen um."

Ben schüttelte den Kopf. "Ich werde heute Nacht hier bleiben. Ich..." Er wollte da sein, wenn sie aufwachte. Zögernd sah er Viktor an. Natürlich wusste Ben, dass seine Gefühle für Catherine ihm nicht entgangen waren. Doch ob er das Recht hatte, sich in so eine familiäre Angelegenheit einzumischen?

"Ich rufe Sie an, sobald sich ihr Zustand ändert oder sie aufwacht", meinte Viktor besänftigend, als hätte er seine Gedanken erraten.

Ben zögerte noch immer, doch dann gab er sich geschlagen. Er hatte seit Tagen kaum geschlafen und brauchte tatsächlich dringend Ruhe. "Also gut... Danke." Er schenkte Viktor ein Lächeln und verließ dann gemeinsam mit Dr. Westwood das Krankenhaus.

 

***

 

Als Viktor am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Er schlug die Augen auf.

"Uh... Sie sind's schon. Wie spät ist es?" Er richtete sich auf und hatte das Gefühl, jeden Wirbel in seinem Rücken zu spüren. Er hatte die ganze Nacht an Catherines Bett gesessen und war irgendwann nach Mitternacht eingeschlafen.

"Kurz nach zehn", meinte Ben. Er hatte sich heute Morgen wie frisch geboren gefühlt. All die Anspannung der letzten zwei Wochen war über Nacht von ihm abgefallen und er hatte so gut geschlafen, wie schon lange nicht mehr.

"Wie geht es Ihnen?"

Viktor massierte sich mit einer Hand kurz den Nacken. "So gut wie seit Tagen nicht."

Ben konnte sich dem nur anschließen. "Vielleicht sollten Sie erst einmal etwas frühstücken. Die Cafeteria ein Stockwerk tiefer ist gar nicht mal so schlecht."

Viktor nickte. "Da haben Sie Recht. Haben Sie schon gefrühstückt?"

"Ja. Aber vielleicht könnten Sie mir auf dem Rückweg einen Kaffee mitbringen?"

"Sicher." Viktor stand auf und überließ Ben seinen Platz. "Ich bin in einer halben Stunde wieder da."

"Ist gut", meinte Ben. Als Viktor den Raum verlassen hatte, ließ er sich auf den Stuhl neben Catherine sinken und betrachtete sie erneut. Sie hatte schon ein wenig mehr Farbe im Gesicht. Das war ein gutes Zeichen.

Nach ein paar Minuten griff er wahllos nach einer Zeitung. Bereits heute früh auf dem Weg ins Krankenhaus hatte er am Kiosk die Schlagzeilen gesehen. Sie waren allesamt über die Festnahme von Bricks, meistens in Verbindung mit der Entführung. Er blätterte bis zu den Cartoons und flog mit mäßigem Interesse darüber.

"Hey...", hörte er plötzlich ein Flüstern und Catherine hob vorsichtig ihre Hand. Sofort hatte er die Zeitung beiseitegelegt und nach ihrer Hand gegriffen.

"Hey", erwiderte er lächelnd. "Wie fühlst du dich?"

Catherine schloss kurz die noch immer geschwollenen Augen. Sie versuchte, zu grinsen.

"Wach", meinte sie schließlich, als sie die Augen wieder öffnete. "Und verdammt angeschlagen."

Ben erwiderte ihr Grinsen. Catherines Stimme war nicht mehr als ein Krächzen, doch sie hatte ihren Humor nicht verloren.

"Viktor ist unten in der Cafeteria, etwas essen. Soll ich ihn..."

"Nein...", unterbrach Catherine ihn mit dem Versuch eines Kopfschüttelns. "Ich war heute Nacht kurz wach und habe gesehen, dass er hier geschlafen hat. Lass ihn in Ruhe frühstücken."

Ben nickte. Für einen Augenblick sahen sie sich nur an. In Catherines Blick lag eine unausgesprochene Dankbarkeit. In Bens Erleichterung.

"Welcher Tag ist heute eigentlich?", wollte Catherine schließlich wissen.

Ben lachte leise. "Samstag."

Wieder Stille.

"Sag mal...", begann Ben dann. "Bist du sicher, dass du... okay bist?"

Catherine sah ihn überrascht an. Sanft drückte sie seine Hand. Dann hellte sich ihr Blick auf und richtete sich auf etwas hinter ihm.

"Viktor. Schon fertig gefrühstückt?" Man konnte nur erahnen, wie viel Freude eigentlich in ihrer Stimme liegen sollte. Noch immer war sie leise und heiser.

Auch über Viktor' Gesicht zog sich ein breites Lächeln. "Schön, dass du wach bist."

Ben ließ Catherines Hand los und überließ Viktor wieder seinen Platz. Er sah sich nach einem zweiten Stuhl um und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. Viktor reichte ihm einen Becher Kaffee.

"Oh..." Catherine richtete sich leicht auf, während das dampfende Getränk vor ihrer Nase den Besitzer wechselte. "Das duftet gut..."

"Ich denke nicht, dass wir deinem Medikamentencocktail noch Koffein hinzufügen sollten", meinte Ben.

Der bedauernde Ausdruck in Catherines Gesicht ließ ihn schmunzeln.

"Apropos..." Catherine versuchte zu erkennen, was auf ihrem Tropf stand. "Wie schlecht geht es mir denn eigentlich?"

"Na, wenn du das nicht selber weißt." Viktor las ihr vor, was auf dem durchsichtigen Plastikbeutel stand.

Sie verzog ihr Gesicht. "Das hört sich an, als wäre ich Vollinvalide."

"Na ja, auf der Liste stehen immerhin Bronchitis, Eisenmangel, Rhabdomyolyse und Schock." Ben zählte die Diagnosen spaßhaft von den Fingern ab.

"Ich hätte schwören können, diese Bastarde hätten mir zwei Rippen gebrochen."

Plötzlich wurden sie alle ernst. Diese Aussage hatte alles andere als scherzhaft geklungen, sondern wütend und voller Hass.

"Nein, nur geprellt...", meinte Ben leise.

Catherine nickte und schloss die Augen. "Würdet ihr mich vielleicht eine Weile allein lassen?"

Viktor seufzte kurz und stand auf. "Sicher. Wir... Ich komme heute Nachmittag wieder. Okay?"

"Okay."

Auch Ben war aufgestanden. Er wollte sich nicht festlegen, da er noch viel Arbeit vor sich hatte. Dann fiel ihm etwas Unangenehmes wieder ein.

"Ich brauche noch eine Aussage von dir." Er wagte es fast nicht, sie anzusehen. "Spätestens übermorgen."

Catherine gab einen Stoßseufzer von sich. "Komm einfach vorbei, wenn du Zeit hast. Ist ja nicht so, als ob ich irgendwo hin müsste...", fügte sie hinzu, um die Stimmung wieder etwas aufzulockern.

Viktor und Ben verließen den Raum. Beide machten sich Sorgen um Catherine, doch beide wussten, dass sie Zeit brauchen würde. So eine Sache hinterließ auch seelische Spuren.

 

***

 

Ben hätte nicht gedacht, dass die Arbeit ihn so sehr einnehmen würde. Er hatte stapelweise Berichte zu schreiben und Protokolle auszufüllen. Eigentlich hatte er geplant, Montagmorgen zu Catherine zu gehen. Doch Telefonate und E-Mails hielten ihn regelrecht in seinem Büro gefangen. Als es dann später Nachmittag war, wurde er in Simmons Büro gerufen.

Dort wurde von ihm ein Bericht erwartet. Ben hatte geglaubt, seine erste schriftliche Aussage würde ausreichen, doch allem Anschein nach wollte Simmons alles doppelt und dreifach. Also ließ er den Schwall an Fragen über sich ergehen.

 

Am späten Abend war Simmons fertig.

"Damit dürften wir Bricks für einige Jahre hinter Gitter bringen. Natürlich muss Dr. Vaughn auch noch vor Gericht aussagen, aber mit ihrem ersten Zeugenbericht als Grundlage dürfte das kein Problem sein", meinte Simmons abschließend.

Ben wurde hellhörig. "Ihrem ersten Bericht?"

"Ja", bestätigte der Sergeant. "Ich war heute Morgen bei ihr und habe ihre Aussage protokolliert."

Eine leichte Welle der Wut machte sich in Bens Magen breit, doch er ignorierte sie.

"Aha", meinte er trocken. "Dann sind wir hier fertig?"

"Ja. Sie können gehen. Vielen Dank für Ihre gute Mitarbeit. Ohne Sie hätten wir das sicherlich nicht so reibungslos über die Bühne gebracht."

Wenigstens das sah er ein. Ben musste zugeben, dass Simmons auf seinem Gebiet - der Drogenfahndung - unglaublich professionell war. Doch alles darüber hinaus schien für ihn unwichtig zu sein, und deshalb würden er und Ben sicherlich nie Freunde werden.

 

***

 

Als Ben am nächsten Abend den Fahrstuhl zur achten Ebene des Krankenhauses betrat, plagte ihn das schlechte Gewissen. Er hatte es in den letzten beiden Tagen einfach nicht geschafft, bei ihr vorbeizuschauen. Die Arbeit hatte ihn gewissermaßen aufgefressen.

Von Dr. Westwood wusste er, dass Catherine noch am Samstag von der Intensivstation in ein normales Zimmer verlegt worden war. Er hatte ihr einen Blumenstrauß mitbringen wollen, doch dann konnte er sich nicht entscheiden, was denn nun angemessen war. Rote Rosen waren übertrieben. Und ein beliebiger bunter Strauß war ihm... zu beliebig. Als entschied er sich für einen Obstsalat mit extra vielen Erdbeeren. Sie würde den Zusammenhang verstehen, und doch war er harmlos genug.

In den Gängen des Krankenhauses konnte man sich verirren. Es dauerte eine Weile, bis Ben Catherines Zimmer gefunden hatte.

Die Tür war angelehnt. Vorsichtig schob er seinen Kopf hindurch und klopfte gegen den Rahmen. Catherine saß, in Jeans und Pullover gekleidet, in einem Sessel am Fenster und drehte ihrem Kopf zu ihm um. Sie lächelte.

"Nicht so schüchtern", meinte sie scherzhaft und Ben stellte sofort fest, dass ihre Stimme wieder wie die von Catherine klang. Er trat ein und sah sich in dem Raum um. Er war in einem warmen, hellen Gelb gestrichen und mit einem Bett und zwei Sesseln ausgestattet. An einer Ecke befand sich ein Waschbecken mit Spiegel. Auf der einzigen Kommode befanden sich dicht an dicht mehrere Blumensträuße, die sie wohl von ihren Kollegen bekommen hatte.

"Ich wollte dir ja auch einen mitbringen", meinte er mit einer Kopfbewegung in Richtung der Vasen. "Aber dann habe ich mich hierfür entschieden." Er reichte Catherine den Plastikbehälter.

Catherine brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, was sich darin befand. Dann musste sie lachen.

"Danke. Genau das, was ich nach dem immer gleich schmeckenden Kantinenessen gebrauchen kann." Sie griff nach der Gabel und machte sich gleich darüber her.

Ben setzte sich in den zweiten Sessel. Catherine sah heute schon viel besser aus. Ihre blauen Flecken waren blasser geworden und die Schürfwunde auf ihrer Wange war fast vollkommen verheilt. Von dem Schnitt an ihrem Hals zeugte nur noch eine dünne rote Linie. Sie wirkte auch nicht mehr so schwach. Wahrscheinlich hatte man sie erst intravenös ernährt und dann mit einer 3000 Kalorien Diät hochgepäppelt.

Catherine bemerkte seinen abschätzenden Blick und sah von ihrem Salat auf.

"Was?"

"Du siehst besser aus", meinte er ehrlich.

"Das will ich auch hoffen. Ich wurde bis gestern gemästet und zu strikter Bettruhe gezwungen."

"Was macht der Arm?"

Catherine streckte ihm den linken Arm entgegen. "Der Verband und die Antibiotika sind das einzige, auf das ich noch nicht verzichten darf. Die Bronchitis ist schon fast abgeklungen."

Das hörte sich gut an.

"Und wann, sagen die Ärzte, kommst du hier wieder raus?"

"Heute noch", meinte Catherine mit vollem Mund.

Ben war verblüfft. "So schnell?"

Catherine grinste verschmitzt. "Ich habe mit meinem Gedrängel ein bisschen nachgeholfen. Da ich selbst Ärztin bin, glauben sie daran, dass ich weiß, was ich tue. Ich wartete nur noch auf die Ergebnisse der letzten Untersuchung."

Als hätte die Krankenschwester auf ihr Stichwort gewartet, betrat sie das Zimmer.

"Miss Vaughn...", meinte sie lächelnd. "Es sieht gut für Sie aus."

"Na bitte!" Catherine erhob sich aus dem Sessel.

"Der Verband muss umtägig gewechselt werden und von denen hier sollen Sie drei Mal täglich zwei einnehmen." Die blonde Schwester drückte ihr eine Packung Antibiotika in die Hand. "Und hier brauchen wir eine Unterschrift."

Catherine griff nach dem Kuli, flog über die Entlassungspapiere und setzte ihre Unterschrift darunter.

"Danke. Und passen Sie auf, dass sie sich nicht übernimmt", meinte die Schwester im Hinausgehen zu Ben.

"Genau", stimmte Catherine ihr zu. "Und damit kannst du gleich anfangen, indem du meine Tasche trägst."

Ben musste grinsen. Nach außen hin schien Catherine schon wieder ganz die Alte zu sein. Er wusste, dass sie innerlich noch nicht wieder im Gleichgewicht war. Doch sie weigerte sich nicht dagegen, die Sache zu verarbeiten und vor allen Dingen verschloss sie sich nicht davor, dass man ihr helfen wollte. Das gab Ben die Hoffnung, dass sie ihn an sich heranlassen würde. Als guter Freund, um ihr beizustehen.

Mit einem schnellen Handgriff hatte er sich die Reisetasche umgehängt.

"Also dann." Catherine schob sich eine letzte Erdbeere in den Mund und warf die leere Plastikschale im Hinausgehen in den Mülleimer.

 

Auf der Straße atmete sie tief die kühle Luft ein. Für einen Moment war es, als wäre diese ganze Sache nie geschehen. Ihre Wunden waren fast verheilt oder zumindest auf dem besten Weg dahin. Die Kopfschmerzen hatten sich dank der Medikamente bereits vor zwei Tagen verzogen und auch ihre Lunge fühlte sich nicht mehr an wie ein Vulkan.

Ben trat hinter sie.

Im Westen stand die Sonne bereits in einem niedrigen Winkel über den Hochhäusern von New York. Das Licht ließ Catherines Haare immer wieder golden aufleuchten.

"Komm, ich fahr dich nach Hause." Ben deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der er das Auto geparkt hatte.

Catherine folgte ihm und ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten. Ben warf ihre Tasche auf den Rücksitz und stieg ein.

Die Fahrt verlief schweigsam. Ben konzentrierte sich in der Dämmerung auf die Straße und Catherine hatte ihren Blick aus dem Fenster gewandt. Als Ben das Auto vor dem Eingang ihres Hauses zum Stehen brachte, bemerkte er, dass sie eingeschlafen war.

Er betrachtete sie für einen Moment; sie sah so friedlich aus. Dann fuhr er ihr sanft mit der Hand über die Wange.

"Aufwachen, Dornröschen."

Catherine schlug die Augen auf. Sie brauchte einen Augenblick, um zu sich zu kommen.

Ben stieg aus und nahm die Tasche vom Rücksitz. Dann öffnete er Catherines Tür ließ sie aussteigen.

Er schloss das Auto ab und folgte ihr. Sie ging die Treppen zu ihrer Wohnung langsamer hoch als gewöhnlich, doch Ben bot ihr keine Hilfe an. Catherine war ein stolzer Mensch, und er wusste dass er ihr am ehesten half, indem er sie allein zu ihrem alten Ich zurück finden ließ. Also lief er dicht hinter ihr, um sie nur im Notfall stützen zu können.

 

Ben war schon einige Male bei Catherine gewesen. Er mochte ihre Wohnung, sie spiegelte Catherines Charakter wider.

Unschlüssig ließ er die Reisetasche neben der Couch fallen.

"Hast du schon gegessen?" Catherine nahm sich ein Glas aus dem Schrank und goss sich etwas Wasser ein. Sie nahm einen großen Schluck.

"Nein."

Catherine stellte das halbleere Glas neben der Spüle ab und öffnete dann ihren Kühlschrank.

"Hm. Ich habe eine Tiefkühlpizza, einen Tiefkühlauflauf, und - oh Wunder - eine Tiefkühlgemüsepfanne."

Ben grinste.

"Lass mich mal." Er schob sie sanft beiseite und durchstöberte ihre Küchenschränke.

"Na bitte", meinte er triumphierend und förderte ein Paket Nudeln und ein Glas passierte Tomaten ans Tageslicht.

"Schau lieber auf's Verfallsdatum. Ich kann mich nicht erinnern, je Pastasoße gekauft zu haben."

"Das war ja auch ich", gab Ben trocken zurück. "Vor ein paar Wochen, zum Videoabend mit Harry, Jennifer und Daniel."

"Aha. Und wieso haben wir das dann nie gegessen?" Catherine zog eine Augenbraue hoch.

"Weil euch vom Popcorn so schlecht geworden ist, dass wir darauf verzichtet haben." Er grinste.

Catherine zuckte mit den Schultern.

"Okay. Während du dich in der Küche amüsierst, gehe ich erst mal eine heiße Dusche nehmen." Und damit verschwand sie, vorher noch ein paar Sachen zusammensuchend, ins Badezimmer.

Ben drehte sich um die eigene Achse, fand schließlich die Schürze und griff dann zielsicher nach einem Kochtopf.

 

***

 

"Wie oft haben wir uns diesen Streifen jetzt eigentlich schon angesehen?", fragte Catherine mit vollem Mund und zeigte mit ihrer Gabel in Richtung Fernseher.

"Keine Ahnung", meinte Ben und schob sich erneut eine Portion Pasta in den Mund.

Sie hatten einen alten Schwarzweißfilm herausgesucht und saßen auf dem Sofa, jeder eine Schüssel Pasta auf dem Schoß.

"Jeden zweiten Videoabend, mindestens", stellte Catherine fest. "Wir sollten den Film verbannen."

"Obwohl", warf Ben ein. "Dann hätten wir keinen mehr, bei dem wir uns unterhalten können, ohne etwas zu verpassen."

"Weil wir ihn ja eh schon kennen, stimmt", nickte Catherine. "Wie auch immer. Ich brauche Nachschlag."

Sie stand auf und holte sich noch eine Portion Nudeln.

"Ich nicht", meinte Ben, stellte seine leeren Schüssel vor sich auf den flachen Couchtisch und lehnte sich zurück.

Als Catherine zurückkam, setzte sie sich direkt neben ihn und lehnte sich an seine Schulter. Trotz der warmen Dusche und dem kuscheligen Pullover, den sie trug, war ihr kalt. Sie wusste, dass die Kälte von Innen kam, und dass sie mit der Dunkelheit verbunden war, die um sie herum herrschte. Das einzige Licht ging von der gedämpften Herdbeleuchtung und dem Fernsehbild aus.

Ben schien ihr Frösteln zu bemerken. Er legte einen Arm um sie und zog sie sanft noch ein Stückchen näher. Sofort fühlte Catherine sich besser.

In aller Ruhe leerte sie ihre Schüssel und machte sich dabei immer wieder über einzelne Szenen des Filmes lustig.

Ben genoss es, sie lachen zu hören. Er hatte Angst gehabt, sie würde sich zurückziehen und alle aus ihrem Schmerz ausschließen, so, wie sie es damals getan hatte. Als sie vor einem Jahr nach South Carolina aufgebrochen war, um den Mörder ihrer Mutter zu finden.

Als Catherine fertig war, stellte sie ihre Schüssel neben die von Ben. Dann rutschte sie ein wenig von ihm weg, jedoch nur, um sich eines der kleinen Sofakissen zu angeln und sich dann mit dem Kopf auf seinen Schoß zu legen.

Sie konnte spüren, dass Ben überrascht war. Dann fühlte sie, wie er zögernd seine Hand auf ihren Arm legte, darauf bedacht, nicht die wunde Stelle zu berühren. Catherine musste lächeln. Sie wusste nicht genau, was sie hier tat, aber sie wollte Ben nicht aus ihrem Leben ausschließen. Dazu hatte er sich bereits zu weit hineingewagt. War ihr zu wichtig geworden.

Ben war verunsichert. Mit Catherines abweisender Art hatte er umgehen können. Er hatte stets nur das annehmen dürfen, was sie bereit war, zu geben. Er hatte nie gefordert. Aber jetzt schien sie ihm eine Hand hinzuhalten. Er wusste nicht, ob es nicht noch zu früh war, danach zu greifen. Er wollte Catherine nicht verlieren.

"Ben?", meinte Catherine leise. Sie fühlte sein Zögern und hatte Angst, dass er sie abweisen würde. Plötzlich war sie verunsichert. Sie war sich seiner Gefühle immer so sicher gewesen. Was, wenn er ihr doch nur ein guter Freund sein wollte? Oder er würde sie zurückweisen, aus Angst, sie sonst zu etwas zu drängen, zu dem sie nicht bereit war.

"Mmh?" Auch seine Stimme war leise.

"Würde es dir etwas ausmachen, heute Nacht hier zu bleiben?"

Die Frage hing einen Moment im Raum.

Ben löste seine Hand von ihrem Arm und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Nein." Seine Stimme war warm und voller Zuneigung. Ohne dabei Erwartung auszudrücken.

Catherine griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger in seinen.

Etwas später schlief sie ein.

 

***

 

Als Catherine am nächsten Morgen aufwachte, brauchte sie einen Moment, um sich zu orientieren. Sie lag noch immer auf dem Sofa. Unter ihr ein Kissen, und sonst nichts.

Sie setzte sich auf.

"Ben?", rief sie in Richtung Badezimmer.

Keine Antwort.

Noch ein wenig schlaftrunken stand sie auf und ging ins Bad. Er war nicht da. Als sie zurückkam, fiel ihr ein Zettel auf der freien Fläche neben der Spüle auf.

 

Musste zur Arbeit, wollte dich nicht wecken.

Gruß, Ben

 

Mehr nicht. Catherine wusste nicht, was sie davon halten sollte. Er hatte weder geschrieben, ob er später bei ihr vorbei schauen würde, noch, ob sie ihn vielleicht in der Mittagspause besuchen konnte. Vielleicht war er auch einfach unsicher gewesen und wartete, dass sie sich bei ihm meldete. Catherine entschied sich, einfach gar nichts zu denken und abzuwarten. Und jetzt würde sie zu Viktor ins ‚Village‘ gehen. Sie hatte das Gefühl, dass ein langes Gespräch ihnen beiden gut tun würde.

~ Kapitel 5 ~

"Hey Viktor." Mit einem Lächeln ließ sich Catherine auf einen Barhocker fallen.

"Catherine!" Ihr Cousin machte ein überraschtes Gesicht. "Du wurdest schon entlassen?"

Sie kräuselte ihre Lippen zu einem Grinsen. "So ähnlich."

Viktor lachte. Dann nahm er sich ein Bier und wollte ihr auch eins geben, hielt jedoch inne.

"Warte", meinte er und förderte aus einem Kühlschrank unter dem Tresen eine Flasche Orangensaft ans Tageslicht. "Hier."

"Vik!" Catherine verdrehte die Augen. Doch dann dachte sie an alles, was passiert war, und hielt ihren Kommentar zurück. Es war ja eigentlich wirklich lieb von ihm, sich solche Sorgen um sie zu machen. Widerspruchslos nahm sie ihr Glas Saft entgegen.

"Also." Viktor setzte sich zu ihr. Es war ruhig in der Bar, so früh am Tag. "Wie geht es dir?"

"Ganz gut. Ich bin schon wieder fast wie neu."

"Und wie fühlst du dich?"

Catherine seufzte. "Noch ein wenig angeschlagen. Man macht sich so seine Gedanken, wenn man so lange von der Zivilisation abgeschnitten ist."

Viktor sah sie mit einem besorgten Seitenblick an. "Wenn du im Moment nicht alleine wohnen willst... Du weißt, bei mir ist immer ein Zimmer für dich frei..."

Catherine schenkte ihrem Cousin ein warmes, dankbares Lächeln. "Das ist echt lieb gemeint, Viktor, aber ich komme schon klar."

Viktor nickte. Er nahm einen Schluck von seinem Bier. Dann nutze er den Moment des Schweigens, um seine Cousine genauer zu betrachten. Sie sah wirklich schon viel besser aus. Nicht mehr so blass und schwach. Die Ringe unter ihren Augen waren noch da.

"Hast du Alpträume?", wollte er wissen.

"Nein", log Catherine und vermied es, ihn anzusehen. Er sollte sich nicht zu viele Sorgen machen. Dann setzte sie ein Lächeln auf und wechselte das Thema. "Weißt du, ich bin aus einem bestimmten Grund hergekommen."

"Ach ja?"

Catherine nickte. "Ich hatte in den letzten Tagen viel Zeit, nachzudenken. Ich muss mich bei dir entschuldigen."

Auf Viktor' Gesicht trat ein Ausdruck der Überraschung.

Catherine strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und fuhr dann fort. "Ich habe Dinge aus der Vergangenheit ausgegraben, die ich vielleicht lieber in Ruhe gelassen hätte. Ich habe noch so viele Fragen, wegen Mom und South Carolina. Aber ich möchte nicht, dass du in meinen Streit mit Dad mit hineingezogen wirst." Sie machte eine kurze Pause und seufzte. "Es tut mir Leid, dass wir uns deshalb gestritten haben."

Erneut schien sie nach Worten zu suchen. "Ich möchte Dad nicht verlieren, weil ich mich nicht von der Vergangenheit trennen kann. Meinst du, ich sollte ihn anrufen?"

Viktor war ihren Worten aufmerksam gefolgt und hatte keine Gefühlsregung gezeigt. Doch jetzt sah Catherine, dass seine Augen glasig wurden. Er blinzelte ein paar Mal und tätschelte ihr dann die Wange.

"Mach das mal", war alles, was er sagen konnte. Und es war genug.

 

***

 

Es war kurz nach elf Uhr, als Catherine sich entschied, schlafen zu gehen. Sie hatte ihren Verband gewechselt und ihre Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz im Nacken gebunden. Sie mochte es nicht, früh mit einer unzähmbaren Mähne aufzuwachen.

Nacheinander löschte sie das Licht in ihrem Appartement. Erst die Deckenbeleuchtung der Küche, dann die Stehlampe neben der Couch. Nun brannte nur noch ihre Nachttischlampe. Catherine kroch unter die Decke. Ihre Hand verweilte für eine Weile auf dem kleinen, schwarzen Schalter der Lampe. Sie zögerte. Immer wieder zuckte ihr Finger, doch sie schaffte es einfach nicht. Nach ein paar Minuten wurde ihr Arm schwer.

Seufzend schob sie die Decke zurück und zog sich wieder an.

 

***

 

Irgendetwas stimmte nicht. Er hatte noch nicht so genau herausfinden können, was es war, aber... Genau. Da war ein Geräusch, das sich aufdringlich in seinem Kopf breit machte und ihn langsam aus seinem Tiefschlaf holte.

Benommen öffnete Ben seine Augen. Es dauerte eine Weile bis er begriff, dass ihn etwas geweckt hatte. Da war es wieder. Ein Klopfen an der Tür.

Mit einem unglücklichen Seufzen kroch Ben aus seinem Bett und wandelte schlaftrunken zur Tür.

"Verdammter Mist!" Er hatte sich den Fuß im Dunkeln an einer Schrankkante gerammt.

Noch immer seltsame Geräusche von sich gebend erreichte er schließlich den Lichtschalter. Wieso hatte er eigentlich nicht die Lampe neben seinem Bett angeschaltet? Musste wohl die Nachwirkung des so plötzlich unterbrochenen Tiefschlafes sein.

Ungeduldig klopfte es erneut.

Ben öffnete schließlich die Tür. Vor ihm stand, von einem Bein auf das andere tretend, Catherine. Sie lächelte ihn um Verzeihung bittend an.

"Um Himmels Willen, hast du eine Ahnung, wie spät es ist?", knurrte Ben, klang jedoch weniger wütend, als er es vorgehabt hatte.

Catherine erwiderte erst nichts und ließ ihren Blick über seinen freien Oberkörper wandern. Damit hatte sie nicht gerechnet. Dann grinste sie. "Darf ich reinkommen?"

Ben trat beiseite und taumelte zurück in sein Schlafzimmer.

Catherine schloss die Tür hinter sich. Sie war noch nicht oft bei Ben gewesen, doch sie mochte seine Wohnung. Sie spiegelte Bens Charakter wider. Unschlüssig blieb Catherine im Raum stehen. Als Ben zurückkam, hatte er sich ein T-Shirt übergezogen. Müde rieb er sich die Augen.

"Setz dich", murmelte er und verschwand kurz in der Küche, um ihr ein Glas Wasser zu holen. Dann setzte er sich zu ihr auf die Couch.

"Ist was passiert?"

Catherine schüttelte den Kopf. "Ich konnte nicht schlafen und habe einen Spaziergang gemacht. Tja, und irgendwie bin ich dann hier gelandet."

Erst jetzt war Ben wieder einigermaßen wach. Er blinzelte ein paar Mal, um ein klareres Bild zu bekommen. Catherine sah müde aus. Sie hatte ihre Haare unordentlich zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug wahllos zusammengewürfelte Kleidung. Eine ausgewaschene Jeans, ein cremefarbenes Trägeroberteil und darüber eine verblichene Jeansjacke. Sie nippte an ihrem Glas und ihr Blick war irgendwo in die Ferne gerichtet.

Ben spürte, dass sie irgendetwas bedrückte. Doch er ließ ihr Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. Wenn es nicht wichtig wäre, würde sie nicht mitten in der Nacht hier auftauchen.

Schließlich sah sie ihn an. "Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe."

Ben schüttelte den Kopf. "Schon okay."

"Ich hab's zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten", gab sie schließlich zu. "Die Stille war unerträglich." Und die Dunkelheit, fügte sie in Gedanken hinzu.

"Das ist doch normal, nach allem, was du durchgemacht hast." Ben versuchte sich vorzustellen, wie es ihr wohl wirklich gehen mochte.

"Mmh. Vielleicht." Catherine nestelte mit ihren Fingern an einem Knopf ihrer Jacke. "Danke übrigens, dass du gestern-" Sie stockte.

"Da geblieben bist?", vollendete er ihren Satz. "Dazu sind Freunde doch da, oder?"

Freunde. Catherine lächelte matt. Waren sie wirklich nur Freunde? Vor ihrer Entführung hatte er ab und zu mit ihr geflirtet, ihre Nähe gesucht. Aber jetzt... Jetzt schien er verunsichert zu sein. Er war darauf bedacht, ihr nicht zu nahe zu kommen, sie auf keinen Fall zu drängen. Catherine seufzte. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, und seine Zurückhaltung lag einfach daran, dass er sie wirklich nur als gute Freundin sah. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, herzukommen, und es wäre besser wieder zu gehen.

"Wenn du möchtest", begann Ben plötzlich, als hätte er ihre Gedanken gelesen, "dann kannst du heute Nacht hier bleiben. Und wenn du die Stille nicht aushältst, dann reden wir einfach die ganze Nacht."

Catherine wusste nicht, womit sie das verdient hatte. Sie hatte ihn so oft auf Abstand gehalten, zurückgewiesen. Und er war trotzdem für sie da.

"Womit habe ich dich nur verdient", meinte sie leise.

Ein warmes Lächeln war seine Antwort.

Und sie redeten die ganze Nacht. Über Bens Kindheit in Delaware und wie es dazu gekommen war, dass er Polizist werden wollte. Über die schwere Zeit nach dem Tod von Catherines Mutter und wie es sie in die Gerichtsmedizin verschlagen hatte. Nur über die Tage der Entführung sprachen sie nicht. Erst, als es draußen bereits hell wurde, entspannte sich Catherine. Und dann schlief sie ein, völlig erschöpft. Ben brachte ihr eine Decke und legte sie um ihre Schultern.

Er selbst musste zur Arbeit, obwohl er todmüde war. Doch er hatte genug Überstunden gesammelt um sich den Nachmittag frei zu nehmen.

 

***

 

Als Catherine gegen Mittag nach Hause kam, fand sie neben der lästigen Werbung auch eine Vorladung vor Gericht in ihrer Post. In zwei Wochen sollte sie vor den Geschworenen ihre Aussage wiederholen.

Seufzend heftete sie das Schreiben mit einem Magneten an ihre Kühlschranktür. Man würde ihr vorher genau sagen, welche Fragen man ihr stellen wollte. Zum Glück hatte sie noch etwas Zeit bis dahin.

Morgen würde sie wieder auf Arbeit gehen. Die Ärzte hatten ihr zwar davon abgeraten, doch Catherine brauchte die Ablenkung. Das ewige Nichtstun gab ihr zu viel Zeit, die Geschehnisse immer und immer wieder zu durchleben. Die Arbeit würde ihr helfen, das Erlebte zu verdrängen.

Doch zuerst musste sie die bevorstehende Nacht durchstehen.

Sie ließ die Lampe neben ihrem Bett brennen. Ihr Schlaf war unruhig und von wirren Träumen durchzogen. Jedes noch so kleine Geräusch ließ sie aufschrecken, nur, damit sie dann wieder in einen schweren Schlaf fallen konnte. Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie erschlagen.

 

***

 

In der Gerichtsmedizin begrüßte man sie mit freudiger Überraschung. Dr. Westwood teilte ihr mehrfach mit, dass er es für zu früh hielt und sie sich lieber noch ein bisschen ausruhen sollte. Doch er schickte sie nicht nach Hause, sondern gab ihr stattdessen einfache Aufgaben. Catherine war ihm dankbar dafür.

Jennifer schaute in der Mittagspause bei ihr vorbei und erkundigte sich, ob sie ihr irgendwie helfen könne. Catherine bedankte sich und lehnte ab. Sie würde schon klarkommen.

Für ein paar Stunden war sie tatsächlich abgelenkt. Seit langer Zeit fühlte sie sich wieder nützlich und musste nicht ständig an das drückende Gefühl denken, welches sie jeden Abend beschlich. Selbst im Krankenhaus hatte sie nur mit Beleuchtung und dank starker Schlafmittel Ruhe gefunden.

Ihr erster Arbeitstag hatte sie mehr Kraft gekostet, als sie geglaubt hatte. Völlig erschöpft fiel Catherine an diesem Abend ins Bett. Und doch fand sie nicht den ersehnten, traumlosen Schlaf. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Die Traumbilder in ihrem Kopf schienen so real zu sein und plötzlich konnte sie den ekelerregenden Geruch ihres Gefängnisses wieder wahrnehmen. Catherine wusste nicht mehr, was Wirklichkeit war, und was nicht. Ihre Sinne schienen sich zu verschieben und alles schien auf einmal möglich. Die Angst wurde wieder lebendig.

Quälend langsam verstrich die Nacht und Catherine war erleichtert, als sie am nächsten Morgen auf Arbeit gehen konnte.

 

***

 

"Hey, du arbeitest schon wieder?"

"Hallo Ben." Catherine war mit einem Stapel Akten auf dem Weg in ihr Büro. "Mehr oder weniger, ja."

Der Detective folgte ihr zu ihrem Arbeitsplatz.

Als sie den Stapel sinken ließ, machte sich ihr Arm schmerzhaft bemerkbar und sie verzog kurz das Gesicht.

Ben sah sie besorgt an. "Solltest du nicht lieber noch ein paar Tage zu Hause bleiben?"

"Da fällt mir die Decke auf den Kopf. Die Ablenkung hier tut mir ganz gut. Außerdem ist morgen Wochenende, da bekomme ich genug Ruhe."

Ben lachte. Er hatte sich Sorgen gemacht, nachdem sie vor zwei Tagen einfach so bei ihm vor der Tür gestanden hatte. Jetzt schien es ihr schon wieder besser zu gehen. Wenn der Verband an ihrem Oberarm nicht gewesen wäre, könnte man meinen, sie wäre wieder ganz die Alte. Und doch hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ihre Augen waren noch immer von dunklen Ringen umgeben und sahen kleiner aus, als sonst.

"Du solltest mal richtig ausschlafen", meinte er.

Catherine lächelte gequält. "Das ist gar nicht so einfach..."

"Alpträume?", vermutete Ben.

Sie nickte. "Ab und zu."

"Das wird schon wieder", meinte er aufmunternd.

Catherine lächelte. "Sicher."

"Hast du nicht Lust, heute Abend mit ins ‚Village‘ zu kommen?", wechselte Ben das Thema.

Catherine war froh über die Einladung. "Klar. Ich kann jede Abwechslung gebrauchen."

"Halb acht?"

Sie nickte. "Halb acht klingt gut."

"Also schön. Bis dann."

"Bis dann."

Catherine fühlte plötzlich ein Gefühl der Wärme in ihrem Bauch. Und dann erinnerte sie sich an die Gedanken, die ihr während der Zeit in dem dunklen Keller gekommen waren. Vielleicht war heute Abend der richtige Zeitpunkt, um herauszufinden, ob es für sie beide noch eine gemeinsame Zukunft gab.

 

***

 

Kurz vor halb acht erreichte sie die Bar ihres Cousins.

Ben wartete bereits auf sie - vor dem Eingang.

"Was machst du denn hier draußen?" Sie war überrascht. Es war nicht gerade warm um diese Jahreszeit.

Ben grinste nur geheimnisvoll. "Augen zu!"

Catherine zog eine Augenbraue nach oben. "Das ist nicht dein Ernst..."

"Doch", meinte Ben nur und stellte sich hinter sie. Dann hielt er ihr die Augen zu und führte sie ins ‚Village‘.

"Ben, was soll denn-"

"Eins..."

Na toll. Er ignorierte sie einfach. Ein kaltes, stechendes Gefühl machte sich in ihr breit. Sie konnte nichts sehen und die Hände über ihren Augen... Panik stieg in ihr auf.

"Zwei..."

Catherine hielt die Luft an.

"Drei!"

Ben nahm ihr die Hände von den Augen.

"Überraschung!", riefen ihr mehrere Stimmen gleichzeitig zu.

Das beklemmende Gefühl verschwand und sie versuchte, zu lächeln. "Na, die ist euch gelungen!"

Ihr Cousin und ihre Kollegen standen in der Mitte des Raumes, den sie mit "Willkommen Zurück"-Girlanden und Kerzen dekoriert hatten. Ein Kuchen thronte auf einem der Tische.

"Das ist ja besser, als Geburtstag zu haben." Catherine ließ sich von ihren Freunden umarmen.

"Tja, so einfach kommst du uns halt nicht davon", meinte Harry.

"Ohne dich war es richtig langweilig in der Gerichtsmedizin", warf Daniel ein.

"Und Probleme mit der Staatsanwaltschaft hat es auch nicht gegeben", fügte Jennifer halb kichernd hinzu.

"Danke. Das ist echt lieb von euch..."

Catherine war gerührt. Von irgendwo her bekam sie ein Glas Sekt in die Hand gedrückt und dann stießen sie an.

"Auf deine Rückkehr!", schlug Dr. Westwood vor.

Catherine lächelte. "Auf das Leben."

 

Etwas später hatten sich Grüppchen gebildet. Viktor saß mit Dr. Westwood und Ben an der Bar; Harry und Daniel standen bei der Jukebox und ließen sich über die verschiedenen Titel aus. Nachdem sie sich eine Weile mit den beiden Forensikern unterhalten hatte, setzte sich Catherine zu Jennifer an einen der hinteren Tische.

"Wir haben uns alle unheimliche Sorgen gemacht", meinte Jennifer nach einer Weile.

Catherine verschränkte die Arme auf dem Tisch. "Ich hab' schon gehört... Ohne eure Gemeinschaftsarbeit hätte man diesen Bricks nicht so schnell identifizieren könne."

"Aber einer hat sich ganz besonders ins Zeug gelegt..." Jennifer ließ ihren Blick zu Ben wandern, der gerade dabei war, Dr. Westwood und Viktor irgendetwas zu erklären.

"Ach, das hätte er doch bei jedem anderen Fall auch getan", winkte Catherine ab.

"Er hat Nächte lang nicht geschlafen und ohne ihn hätte man dich wahrscheinlich erst Stunden später befreit", meinte Jennifer beharrlich.

Catherine zog ihre Stirn kraus.

Jennifer sah sie überrascht an. "Das hat er dir wohl gar nicht erzählt?"

"Was?"

"Diesem Simmons warst du völlig egal. Er wollte nur sicher gehen, dass Bricks festgenommen wird. Dein Wohl stand dabei an zweiter Stelle. Ohne Ben..." Sie ließ ihren Satz unbeendet.

Nein, das hatte er ihr wirklich nicht gesagt. Catherine fühlte sich unwohl. Sie hatte die ganze Zeit nur an sich gedacht. Nicht einmal hatte sie Ben gefragt, wie es ihm während der ganzen Zeit ergangen war, was er durchgemacht hatte. Wie hätte sie sich wohl gefühlt, wenn er entführt worden wäre...? Sie wusste es nicht.

"Wie steht es eigentlich im Moment zwischen euch?", holte Jennifer sie aus ihren Gedanken zurück.

"Wie meinst du das?"

"Ach komm schon, Catherine." Jennifer lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. "Wie ihr zwei umeinander herum tanzt, das ist schon fast albern."

Catherine lachte. "Das bildest du dir ein. Wir sind nur-"

"Gute Freunde, ja, das sagt Ben auch immer - mit diesem seltsamen Unterton in der Stimme."

"Du mit deinen Weisheiten!", meinte Catherine und stand auf, ihre leere Bierflasche in der Hand. "Ich hole mir jetzt Nachschub."

Ein amüsiertes Kopfschütteln war Jennifers Antwort.

 

Catherine ließ sich neben Dr. Westwood an der Bar nieder.

"Hey Viktor, hast du noch eins für mich?" Sie schob ihm die leere Bierflasche hin.

"Du", meinte ihr Cousin und schob ihr eine Cola zu, "steigst jetzt wieder auf Alkoholfreies um."

"Was würde ich nur ohne dich machen..." Der Sarkasmus war kaum zu überhören.

Dr. Westwood und Ben mussten grinsen.

Plötzlich legte sich von hinten schwungvoll eine Hand auf Catherines Schulter. Sie gehörte zu Harry.

"Hör mal, Catherine, es tut mir wirklich leid mich so früh schon aus dem Staub zu machen... Aber ich habe morgen noch ein paar liegengebliebene Analysen durchzuführen."

Catherine boxte ihm freundschaftlich in die Seite. "Schon gut. Ich will dir ja nicht deinen Schönheitsschlaf rauben."

Dr. Westwood hatte aufgrund ihrer Worte auf die Uhr gesehen. "Um Himmels Willen, es ist ja schon fast um Zehn!"

"Was? Müssen Sie morgen auch arbeiten?"

"Nein, aber meine Tochter zu ihrem SAT Test fahren. Sie bringt mich um, wenn ich nicht pünktlich bin..." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern.

"Also schön, ihr zwei. Wir sehen uns Montag im Institut..."

Dr. Westwood nickte und griff nach seinem Mantel. Harry warf sich seine Jacke über die Schultern.

"Macht's gut", meinte Viktor.

"Man sieht sich", erwiderte Harry und verließ mit Dr. Westwood die Bar.

Catherine wandte ihren Blick von der Tür wieder ihrer Cola zu und nippte kurz daran.

"Hör mal, Kleines...", begann Viktor.

Catherine sah zu ihm auf. "Sag nicht, du verschwindest auch schon!"

Viktor lächelte verlegen. "Ich habe die letzten Tage Überstunden gemacht, weil die Bar gut besucht war und ich die Gäste wirklich gebrauchen konnte... Es wäre wirklich gut, wenn ich heute vor Mitternacht ins Bett komme."

"Na dann", seufzte Catherine. "Lass die Schlüssel hier. Ich schließe dann später ab."

"Danke." Viktor gab seiner Cousine einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich. "Und pass mir auf, dass sie nicht zu viel trinkt", meinte er an Ben gewandt.

"Sicher", lachte dieser. "Gute Nacht, Viktor."

Als Viktor gegangen war, drehte er sich zu Catherine um. Sie nahm ihr Glas und rutschte auf den Hocker neben ihm.

"Ich fühle mich so gut, wie lange nicht mehr", gab sie zu.

"Das freut mich." Ben nahm einen Schluck von seinem Bier. "Was macht der Arm?"

Catherine zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wird besser."

Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Bar und beobachtete Jennifer, die sich jetzt mit Daniel unterhielt.

"Sie sehen irgendwie süß aus, zusammen."

Ben folgte ihrem Blick. Dann grinste er. "Stimmt."

Eine Weile sahen sie dabei zu, wie sich die Beiden unterhielten und ab und zu leise lachten. Catherine musste über Jennifers Worte nachdenken. Ohne Ben würde sie vielleicht nicht mehr leben.

"Danke", meinte sie schließlich leise.

Ben sah sie von der Seite an. "Wofür?"

"Jennifer hat mir gesagt, was du alles getan hast, um mich da raus zu holen."

"Oh, das." Er schien kurz nach Worten zu suchen. "Keine Ursache."

Catherine lachte. "Das ist mal wieder typisch Ben. Ich verdanke dir mein Leben, und alles, was du zu sagen hast, ist 'Keine Ursache'..."

"War ja nicht das erste Mal, oder?", warf er mit einem breiten Grinsen ein und ließ seinen Blick wieder durch den Raum wandern. Catherine wandte ihren Blick nicht von ihm ab. Eine Weile beobachtete sie ihn, wie er, noch immer grinsend, an seinem Bier nippte.

"Weißt du, was ich gedacht habe, als ich dort unten war und die Hoffnung verloren hatte, je wieder Tageslicht zu sehen?" Ihre Stimme war leiser als vorher.

"Nein." Er sah sie interessiert an.

"Ich dachte, dass ich zu gerne noch einmal dein typisches Stevens-Grinsen sehen würde."

Ben musste kurz lachen.

Catherine sah ihn nicht an und sprach leise weiter. "Und dass ich dir vielleicht doch eine Chance hätte geben sollen, mir näher zu kommen, als ich die Möglichkeit dazu hatte."

Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich von ihm ab und ging quer durch den Raum, wo Jennifer und Daniel gerade aufstanden. Das zu sagen hatte sie viel Überwindung gekostet und sie brauchte ein Paar Minuten, um sich seiner Reaktion zu stellen.

"Hey Catherine." Jennifer lächelte. "Ist schon ganz schön spät geworden..."

Catherine nickte. "Schön, dass du da warst." Dann zwinkerte sie ihr zu. "Unser Gespräch führen wir mal in der Mittagspause fort."

Jennifer nickte schmunzelnd. Daniel reichte ihr ihren Mantel und half ihr beim Anziehen. Dann griff er nach seiner Jacke.

"Ich bring dich noch nach Hause."

"Danke. Also dann, mach's gut Catherine."

"Ja, bis dann." Catherine hob kurz die Hand.

Jennifer und Daniel gingen vorbei an Ben. Daniel klopfte ihm auf die Schulter.

"Gute Nacht, Ben."

"Nacht, Daniel. Kommt gut nach Hause."

Jennifer nickte. "Gute Nacht, ihr zwei."

Ein Schwall kalte Luft kam ihnen entgegen, als sie die Bar verließen. Ben sah ihnen für einen Augenblick nach. Jetzt waren auch die letzten gegangen. Er ließ sich Zeit damit, sein Bier zu leeren.

Langsam ließ er seinen Blick durch den Raum wandern und lächelte, als er sie sah.

Catherine war dabei, die leeren Flaschen von den Tischen zu räumen. Ihre Blicke trafen sich kurz und sie erwiderte sein Lächeln. Ben bekam eine Gänsehaut.

Catherine stellte die Flaschen hinter den Tresen, um sich dann einen Lappen zu nehmen und über die Tische zu wischen. Als sie fertig war, wandte sie sich der großen Jukebox im hinteren Teil der Bar zu. Ben beobachtete sie eine Weile dabei. Dann stellte er seine leere Flasche zu den anderen.

Mit wenigen Schritten hatte er den Raum durchquert.

 

Sie stand an der Jukebox und suchte nach ihrem Lieblingslied. Als sie es gefunden hatte, gab sie die zweistellige Nummer ein und wartete ab. Zwei Arme schlossen sich von hinten um sie und Catherine musste lächeln. Ben legte ihr sein Kinn auf die Schulter.

Catherine ließ ihre Finger über seine Oberarme gleiten und sie wiegten sich im Takt der Musik sanft hin und her. Sie genossen den Moment und waren völlig entspannt. Catherine schloss ihre Augen.

"Ben?"

"Hm?"

"Was empfindet du wirklich für mich?"

Er zögerte. "Das weißt du."

"Sag es mir... Bitte." Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

Warum musste sie ihn so quälen? Ben fühlte sich schutzlos und verletzbar.

"Ich liebe dich", meinte er schließlich leise. Catherine erwiderte eine Weile nichts. Sie hatte sich entschieden, und doch fiel es ihr schwer, die Angst davor, verletzt zu werden, einfach so abzulegen. Sie lächelte. Dann drehte sie sich zu ihm um und hauchte ihm einen federleichten Kuss auf die Lippen. Ben zog sie näher an sich heran und erwiderte den Kuss. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Catherine legte ihm ihre Arme um den Hals.

Als sie sich voneinander lösten, vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter. Sie fühlte sich so geborgen, wie schon lange nicht mehr. Ganz langsam tanzten sie weiter, schienen sich in der Bewegung des anderen zu verlieren.

Ben wusste nicht, was er denken sollte. Catherine wirkte so zerbrechlich in seinen Armen und er hatte Angst, sie zu verletzen. Unbewusst spannten sich seine Muskeln an.

Catherine wich ein Stück zurück und sah ihm direkt in die Augen. "Was ist?"

Ben machte ein gequältes Gesicht.

"Das hier ist..." Er seufzte. "Ich habe Angst, etwas zu sagen oder zu tun, und das hier kaputt zu machen."

Catherine zog ihn wieder zu sich heran und kuschelte sich an ihn. "Dann halt mich einfach fest und sag gar nichts."

 

***

 

Sie kamen erst weit nach Mitternacht bei ihr zuhause an.

Leise lachend schloss sie die Tür auf und sie stolperten in ihre Wohnung. Ben schob sie sanft von innen gegen die Tür. Catherine genoss es, seine warmen Lippen auf ihren zu spüren. Ben fuhr ihr mit einer Hand über den Rücken und zog sie zu sich. Ihr Kuss wurde immer leidenschaftlicher. Ohne voneinander abzulassen taumelten sie rückwärts Richtung Schlafzimmer. Die Schuhe hatten sie bereits bei der Tür abgelegt, und nach und nach ließen sie eine verräterische Spur Kleidungsstücke zurück, bis sie schließlich in Catherines Bett landeten.

 

***

 

Ein Geräusch ließ Catherine hochschrecken. Sie öffnete orientierungslos ihre Augen um etwas zu erkennen, doch es war dunkel um sie herum.

Ein leises Scharren drängte sich in ihr Bewusstsein. Metallisch. Aufdringlich.

Bilder zogen durch ihren Kopf. Erinnerungen an diese brutalen Hände, das höhnische Lachen und die erniedrigenden Tritte, die man ihr verpasst hatte.

Ohne darüber nachzudenken glitt Catherine aus dem Bett und kauerte sich reflexartig in der Ecke neben der kalten Wand zusammen, die Arme um die Knie geschlungen. Sie war schweißgebadet vor Angst. Da war es wieder. Dieses ihr nur allzu vertraute Scharren. Und dann war da dieses blendende Licht, als ob es sie verbrennen wollte. Eine schwarze Silhouette tauchte in dem gleißenden Licht auf. Von panischer Angst erfüllt vergrub Catherine ihren Kopf in den Knien und krallte sich an ihren Oberarmen fest.

"Catherine?"

Er sollte nur nicht näher kommen... Vielleicht, wenn sie nur fest genug daran glaubte, würde sie gleich aus diesem Alptraum aufwachen.

"Catherine!" Eine Hand griff nach ihr. Mit einem Aufschrei zuckte sie zurück. Dann griffen zwei warme Hände nach ihr und schüttelten sie sanft, zwangen sie, ihr Gegenüber anzusehen.

"Komm zu dir! Ich bin's doch nur..."

Als Catherine ihn erkannte, sah sie völlig überrascht und verwirrt aus. "Ben...?"

Und dann erst kam die Erinnerung an die letzte Nacht zurück.

"Ich... ich dachte, du..." All die angestaute Angst und die Panik der letzten Wochen brach plötzlich über ihr zusammen. Sie begann zu zittern und Ben zog sie zu sich. Schluchzend und von Weinkrämpfen geschüttelt krallte sie sich an seinem T-Shirt fest.

"Schh...", murmelte Ben und strich ihr zärtlich über die Haare. Wie ein kleines Kind wog er sie sanft hin und her. Für einen Moment war es ihm, als wären sie wieder in diesem dunklen Keller und er hätte sie eben erst gefunden.

Als sich das Schluchzen nach einer unendlich langen Weile legte, hob Ben vorsichtig ihren Kopf an.

"Hey", flüsterte er. "Was ist denn passiert?"

"Ich weiß es nicht", wisperte sie verwirrt. "Es war so dunkel, und dann war da wieder dieses Geräusch, und das Licht..." Sie sprach immer schneller.

"Ganz ruhig", bremste Ben sie. "Ich war bloß im Bad gewesen. Mehr nicht..."

Catherine sah ihn an und brauchte einen Moment, ehe sie seine Worte begriffen hatte. Er hatte das Scharren verursacht, und das Licht. Sonst nichts.

Und dann begriff auch Ben. Die Ringe unter ihren Augen, ihre nächtlichen Besuche, der dringende Wunsch, wieder zu arbeiten, und jetzt das... Sie hatte ein Trauma. Sie hatte panische Angst vor der Dunkelheit - und sie hatte es vor ihnen allen verborgen.

"Oh Gott, Catherine...", murmelte er. "Wieso hast du denn nichts gesagt...?"

Catherine lehnte sich an seine Schulter.

"Ich habe gedacht, ich schaffe das auch alleine." Erneut liefen ihr Tränen über die Wange.

Ben konnte sie verstehen. Wie sehr musste es ihr Selbstbewusstsein verletzt haben? Diese zwei Männer hatten sie gebrochen, sie, die sonst so starke Catherine. Hatten sie erniedrigt, gedemütigt und fast zu Tode gequält.

"Das erwartet doch keiner von dir..." Ben suchte nach den richtigen Worten. "Vielleicht hilft es dir, wenn du einfach über all das redest, was man dir angetan hat."

"Das habe ich doch schon alles Simmons erzählt." In ihrer Stimme schwang Resignation mit.

Und dann verstand Ben die volle Tragweite der Situation. Er hatte Simmons Aufzeichnung gelesen. Der Sergeant hatte Catherine hauptsächlich über die Täter ausgefragt - ob sie sie wiedererkennen würde und ob sie Gespräche belauscht hätte. Und nur nebenbei nach dem, was man ihr angetan hatte. Und das hatte Catherine die letzten Tage unausgesprochen mit sich herumgeschleppt. Niemand hatte sich wirklich dafür interessiert, weil alle sie für stark genug hielten.

"Es tut mir so leid, dass ich nicht da war, um deine Aussage zu protokollieren. Simmons war mir zuvorgekommen. Er hatte von Anfang an nur an die Festnahme gedacht", erklärte Ben ihr. Er könnte sich ohrfeigen. Wieso hatte er ihre Fassade nicht durchschaut? Schon als sie mitten in der Nacht bei ihm aufgetaucht war, hätte er etwas ahnen müssen.

"Es war doch nicht deine Schuld." Catherine griff nach seiner Hand. Sie war völlig erschöpft.

Ben strich ihr eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Das nicht. Aber ich wünschte, ich hätte dich eher darum gebeten mir zu erzählen, was denn eigentlich passiert ist. Ich wollte dich nur nicht drängen..."

Catherine schüttelte ihren Kopf. "Selbst wenn du gefragt hättest... Ich wollte dich nicht auch noch damit belasten. Du hast schon viel zu viel für mich getan."

"Nur weil ich aus Delaware komme, heißt das nicht, dass ich naiv bin, Catherine."

Catherine seufzte. "Ich weiß."

"Also komm." Er stand auf und hielt ihr eine Hand hin. "Erzähl es mir. Du kannst dir Zeit lassen. Aber wenn du diese Angst jemals überwinden willst, dann solltest du darüber reden."

Catherine griff nach seiner Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Gemeinsam gingen sie zurück ins Bett. Catherine kuschelte sich an ihn und dann begann sie, zu erzählen.

Ab und zu rollten ihr Tränen über das Gesicht, die Ben ihr sanft weg strich. Manchmal, wenn die Erinnerung sie einholte, streichelte er ihr über den Rücken und bewahrte sie davor, sich darin zu verlieren. Es tat ihr gut, endlich über all das zu sprechen, was passiert war.

Irgendwann im Morgengrauen wurden ihre Worte weniger, bis sie schließlich verstummte. Sie fühlte sich leer. Und das erste Mal wurde sie sich dessen bewusst, dass man ihr dort in der Dunkelheit etwas genommen hatte. Ihre Stärke, ihre Kraft. Und die musste sie erst wieder finden.

Eingehüllt in die Wärme und Zuneigung von Bens Armen schlief sie schließlich ein. Sie spürte, dass er das Loch in ihrer Seele wieder füllen würde. Nach und nach. Mit viel Geduld.

Und Liebe.

 

~ Ende ~

 

Ich freue mich, dass ihr bis zum Schluss gelesen habt :) Damit ist die Geschichte von Ben & Catherine zuende. Ich habe sie schon vor längerer Zeit geschrieben, aber jetzt erst Bookrix für mich entdeckt. Beim Durchlesen habe ich einige Dinge überarbeitet und ich überlege, die Handlung noch stärker auszubauen, vor allem in Bezug auf die Nebenhandlung mit Catherines Mon/Dad. Eigentlich sollte der Hintergrund nur zeigen, weshalb Catherine so stolz, verschlossen und verletztlich ist. Aber sollte man als Leser am Ende nicht erfahren, wie sie mit ihrem vater spricht? Mir erscheint es nebensächlich, aber ich bin sehr auf die Handlung mit Ben & Catherine fokussiert...
Vielleicht habt ihr ja Lust, mir dazu ein Feedback da zu lassen.
Liebe Grüße!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.03.2016

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