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Kapitel 1

Datiert, um das 18. Jahrhundert. Genaue Ortschaft unbekannt.

 

Der Wind wehte schwach durch die kalte Nacht und hob gerade so die Seidenvorhänge, am Mauerfenster an. Ich saß auf dem Sims und sah gelangweilt in den Sternenhimmel. Meine Hand streckte sich ihm entgegen doch selbst im oberstem Turm war er noch immer so weit entfernt. Mein Atem formte Wölkchen, sie glitten durch meine langen, blassen Finger und verloren sich in der Nachtluft. Da fiel mir ein sinnfreies Gedicht ein:

 

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
die Luft einziehen, sich ihrer entladen.
Jenes bedrängt, dieses erfrischt:
so wunderbar ist das Leben gemischt.

 

Die letzten beiden Verse ließ ich aus, da ich nicht gläubig war und begab mich mit einem Seufzer zu meiner Garderobe, als ich das hektischer werdende Herumgewusel in den unteren Etagen vernahm. Ich zog meinen Justaucorps in schwarz heraus, eine rot-schwarze, rankenverzierte Weste, mit einem roten Hemd und einer schwarzen Cravate. Die Kniehose, natürlich auch farblich passend abgestimmt, in schwarz und eine Perücke wagte ich nicht zu tragen. Das war mir zu affig.
Meine blauen Augen sahen mich nicht gerade sehr begeistert an im Spiegel, was den bevorstehenden Ball betraf. Ich ging zur Türe und machte sie mit einem Schwung auf. Pierre Vernon stand da, erstarrt in seiner An-die-Tür-klopf-Bewegung. Mein ergebenster Diener und engster Freund. Mein einziger. Sein Mund war leicht geöffnet, doch selbst das verlieh im keinen dümmlichen Ausdruck, dann zogen sich seine Augenbrauen zusammen und seine Stirn legte sich in Falten.
"Warum versuche ich eigentlich meiner Präsenz Aufmerksamkeit zu geben, durch höfliches Anklopfen, wenn du sowieso schon ihrer Anwesenheit bewusst bist?", fragte er gespielt beleidigt.
"Da ich mir ebenso bewusst bin, wie sehr du der Überflüssigen Bewegung abgeneigt bist.", anwortete ich amüsiert und schürzte die Lippen.
Pierre stand immer noch in seiner An-die-Tür-klopf-Bewegung da und schaute finster drein. Er war so groß wie ich, nur schmaler gebaut und würde er nicht seine Haare kurz schneiden, wäre er ein engelsgleicher Lockenkopf mit hunderten Sommersprossen, Grübchen und leuchtenden, grauen Augen.
Nur ein widerspänstiges, kleines Löckchen fiel ihm in die Stirne.
Doch diese Nacht wird er werder ein Engel, noch mein Diener sein, sondern ebenso ein eingeladener Gast, elegant in grau gekleidet, der mir heimlich bei der Damenauswahl hilft.
Denn dies ist nicht nur irgendein Ball, sondern eine Brautschau. Meine Brautschau. Zu der ich keinerlei Neigung aufbringen kann. In keiner Form.
Wir gingen durch den breiten Flur und besprachen noch einmal den Plan.
"Kein Augenkontakt.", fing ich an.
"Immer auf Distanz.", reihte Pierre hinzu. Ein älterer Butler tauchte neben ihm auf.
"Und wir, kennen Sie nur als Monsieur Duwayne.", beendete er.
"Vergiss den französischen Akzent nicht.", erinnerte ich Pierre.
"Ach was, dann werden mir die Frauen doch schlange stehen vor meinem Schlafgemach!", meinte er lachend.
"Ich werde bevorzugt fließend sprechen, sonst strauchle ich noch im Wortgefecht und werde mich wie unterbemittelt präsentieren."
Der Butler unterstütze Pierre mit Kopfnicken und mir war es relativ gleich.
Pierre und ich gingen schnellen Schrittes dem immer lauter werdenden Lärmpegel entgegen.
Doch noch bevor die Gäste uns erblicken konnten, hielt mich mein treuer Freund am Arme fest, überflog mein äußeres Erscheinungsbild, zupfte im Anschluss darauf, hier und da an dem feinen Stoff und reichte mir eine simple, weiße Maske mit meinem Ebenholzgehstock.
Ich hob eine Augenbraue.
"Eine Maske?", fragte ich überrascht, denn dieses Detail war mit neu. Ein Brautachau unter Masken?
Pierre las mir die zweite Frage vom Gesicht ab und erklärte:
"Wir wollen doch nicht nur nach dem Äußeren, Urteile fällen."
Das interessante Glitzern in seinen Augen entging mir dabei nicht.

Daraufhin erwiderte ich :"Du kannst dir nicht vorstellen in welchem Maße mir dies gleichgültig ist. Ob sie nun eine Weide für mein Aug ist oder eine Zumutung.", und fügte hinzu,"Sterben wird die Gnädige so, oder so."
Er zog wieder eine grimmiges Gesicht. Ich klopfte ihm lachend auf die Schulter.
"Das war nur ein Witz.", besänftigte ich ihn und seine Augen fanden das Glitzern wieder.
"Gut. Ich ziehe mich nun zurück und wenn wir uns das nächste Mal wieder sehen, bin ich Monsieur Duwayne.", er nickte mir zu und verschwand um die nächste Ecke. Ihm nachsehend, setze ich die Maske auf und präsentierte mich anschließend der Menge.
In der Mitte des Ganges, an der großen, geschwungenen Treppe angelangt, stampfte ich mit meinem Gehstock zweimal auf den goldenen Boden, um die Aufmerksamkeit meiner Gäste auf mich zu lenken. Geräuschvoll drehten sie sich zu mir um und die Gespräche verstummten.
"Ich begrüße sie, meine Lieben und hoffe ihre Reise war angenehm und ohne Beschwerden. Heute Nacht wird meine Wenigkeit sich eine geeignete Frau aussuchen, für den ewigen Bund der Ehe. Es soll sich keine Tochter unter Druck fühlen, wenn dem so sei, also entspannen sie sich und genießen sie diesen wunderschönen, späten Abend. Ich freue mich überaus darauf sie näher kennen zu lernen und neue Freundschaften zu schließen."
Die Menge klatschte und ich brachte mit einer Handbewegung das Orchester zum Spielen.
Noch bevor ich die letzten Stufen erreichen konnte, wurde ich von Frauen in Masken überflutet.
Warum tragen Frauen Masken? Haben sie nicht jeden Tag eine kunterbunte auf?, kam mir in den Sinn, aber ein französischer Akzent unterbrach meine Gedanken.
"Meine Damen, bitte.", michte sich ein blonder, junger Mann mit einer silbernen Mondsichelmaske ein. Ich konnte ihn jetzt schon nicht ausstehen.
"Bedrengt ünseren Gastgeber döch nischt gleisch.", meinte er amüsiert und stellte sich mir vor, in einer Verbeugung. Ich betrachtete ihn so geringschätzig, wie ich konnte. Franzosen... .
"Monsieur Duwayne, vön der Grafschaft Corbeau aus Südfrankreisch. Es ist mir eine Öhre Sie kennenlernen zü dürfen, Graf Lücifer."
"Die Ehre ist ganz auf meiner Seite.", erwiderte ich geringschätzig.
Eine der Damen meinte:"Pah, noch nie gehört von dieser Grafschaft, oder von Ihnen!", und fechelte sich übertrieben mit einem Fecher in die Visage. Dem Himmel sei Dank, dass sie maskiert war.
"Nischt kümmere isch misch, dass die Menschen misch nischt kennen. Isch kümmere misch, dass isch die Menschen nischt kenne.", parierte Duwayne geschickt.
"Ah, Sie sind also ein Belehrter des Konfuzius?", fragte ich.
Die Edeldamen hatten sich glücklicherweise, wieder unter die anderen Gäste gemischt und warteten nur noch auf die richtige Gelegeheit mich anspringen zu können.
"Die kannst dü schön mal vön der Liste stroichen."
Ich betrachtete ihn von der Seite, doch er hatte schon andere Frauen in Sicht.
"Wir röden dann später woiter.", meinte Duwayne und verschwand unter vollbusigen Weibern und deren Vätern, die sie kaum zurückhalten konnten.
Noch bevor ich selbst auf Suche gehen konnte, hielten mich einige ältere Männer auf.
"Sir Lucifer!", begrüßte mich Chevell Chayne und reichte mir die Hand.
"Sir Chayne. Erfreut Sie wieder zu sehen." Eigentlich nicht.
"Wie es aussieht erging es Ihnen ja gut, während der Krise.", schwafelte er weiter und nahm meine kostbare Zeit ein. Die anderen Herren standen da und plauderten.
"Ja, ich hielt sie so gut ich konnte von unserem Lande fern.", sagte ich und setzte ein falsches Lächeln auf.
"Verzeihen Sie mir, Sir Chayne, aber...", ich ergriff die Hand einer vorbeigehenden Dame und meinte,"... ich habe noch einen Tanz offen, mit der Gnädigsten hier." und ließ ihn und die Männer verdutzt dastehen.
Ich schleifte meine unbekannte Begleiterin zur Tanzfläche und dort angekommen drehte ich mich zur atemberaubensten Frau meiner ganzen Existenz um. Sie reichte mir gerade mal bis zur Nasenspitze.
Ihre Augen, der Farbe eines russischen Diopsides, sahen mich weit aufgerissen an. Ihr offenes, gelocktes, schokoladenbraunes Haar mit rotem Glanz, umschmiegte ihr elfenbeinfarbenes Gesicht, das von ihrem Kleid, schwärzer als die Nacht, noch zusätzlich unterstrichen wurde. Der Rock und das Korsett, waren mit kleinen blutroten Rosen verziert. Und ihr Duft ... raubte mir fast den letzten Nerv, dass selbst jemandem wie mir eine Gansehaut über den ganzen Körper, rauf und runter lief. Erstaunlich.
Nun standen wir regungslos auf der Tanzfläche und ich kam mir wie der letzte Idiot vor. Wieder bei Sinnen, stotterte ich:
"I-ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sie mitgezogen zu haben." Genauer betrachtet eigentlich nicht.
Das zierliche Wesen neigte ihren Kopf zur Seite und sah mich etwas zweifelnd an.
"M-möchten sie tanzen? Mit mir." Ich sollte aufhören zu stottern.
Nach einer Weile, ohne ein weiteres Wort, straffte sie sich und stellte sich in Position. Jetzt kam sie mir nicht mehr ganz so zierlich vor, denn feine Muskeln an den Armen kamen zum Vorschein. Sehr ungewöhnlich für eine junge Dame.
Ich nahm ihre kleine Hand in meine Rechte und legte die andere auf ihr wohlgeformtes Becken.
Das Orchester setzte zu einem neuen Stück an. Walzer.
Nach ein paar Umdrehungen fiel mir etwas auf und kam mir nun schon zum zweiten Mal in dieser Nacht wie ein Schwachmat vor.
"Sie tragen gar keine Maske." Doch sie schürtzte nur amüsiert die sinnlichsten Lippen, die ich je erblicken konnte.
Schönes Wesen, lass mich doch deine zarte Stimme hören, lechzte ich in Gedanken.
"Das geht so nicht." meinte ich und machte mit einer geschickten Bewegung meine eigene ab und zog sie ihr ebenso geschickt wieder an. Sie sah mich sehr überrascht an, als wäre das das Letzte, was sie erwartet hätte. Ich beugte mich zu ihrem Ohr vor und fragte leise, als wäre es das am besten gehüteste Geheimnis der Welt:
"Verraten Sie mir ihren Namen?"
Ihr Haar, wie es duftet! Was ist das nur?
Mein nicht vorhandener Puls würde jetzt auf Hochturen laufen.
Wieder aufgerichtet, hatte ich alles, aber nicht diesen Gesichtsausdruck erwartet. Sie sah sehr verunsichert aus und hatte anscheinend nicht die leiseste Ahnung, was sie sagen sollte.
Ich hatte nicht vor sie von Haken zu lassen und wartete.
Ihre Augen sagten eindeutig, dass sie nicht antworten wollte, doch ihr blieb nichts anderes übrig, da ich ein Dickkopf war.
Der Walzer schien kein Ende zu haben. Wir drehten uns immer und immer wieder auf der Fläche, an anderen Paaren vorbei, dessen weiblicher Part immerzu meine Begleitung mit giftigen Blicken stocherte. Doch dieses zarte Wesen schien darauf wie ein Fels in der Brandung zu reagieren.
Meine Augebrauen hoben sich in Erwartung.
"Fauve Duval(wild aus dem Wald),mein Herr.", meinte sie dann schließlich.
Ich sah ihr an, dass sie lügte und das wusste sie.
"Ein sehr ... interessanter Name."
Welches Geheimnis birgst du, meine Kleine?
Ihr Körper versteifte sich und sie sah mir nicht mehr ins Gesicht. So ging das einige Runden, bis sie sich enschuldigte:
"Verzeihung mein Herr, aber ich werde bald abreisen müssen."
Als Fauve mich ansah, erstarrte sie in Angesicht meines kalten Blickes. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich verbeugte mich, nahm ihre Hand in meine und küsste sie zum Abschied.
"Ich freue mich schon jetzt, auf unsere nächste Begegnung, Mylady ... Fauve." Sie machte einen flüchtigen Knicks und eilte davon.
Mein Blick, schon so sehnsüchtig, folgte dem geschmeidigen Gang meiner neuen Flamme.
Nun ja, es ist eher ein Funken. Aber ein Anfang.
Für sie, bin ich wahrscheinlich noch nicht einmal die Glut, musste ich traurig feststellen.
"Ören Sie auf zü läscheln, das ist ja ün-eimlisch.", meinte der Herr Froschschenkelfresser.
"Ün-eimlisch, ist mein zweiter, von Geburt an gegebener Name."

Impressum

Texte: Diana Smyrnova, Ghoete(Gedicht)
Bildmaterialien: http://www.zerochan.net/1622351 // Bearbeitet von Diana Smyrnova
Tag der Veröffentlichung: 12.07.2015

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