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Die Ente flog verschreckt auf und quakte hysterisch, während um sie herum Schüsse fielen. Glücklicherweise für das Geflügel war der Schütze kein erfahrener Jäger, sondern das zarte Fräulein Annabell DuFoy, welche dank ihrer zarten Statur mit jedem abgefeuerten Schuss durch den Rückstoß beinahe selbst wie eine Ente nach hinten zu fliegen schien.

„Scheiß Ente!“, fluchte die junge Frau wütend, ehe sie die verdutzen Blicke des hinter ihr stehenden Jagdmeisters bemerkte, welcher sie lästigerweise begleitete wie einen Schwerverbrecher auf Freigang.

„Ähm, ich meine … verflixte Ente!“, milderte sie ihren Ausspruch lächelnd ab. Eine Dame fluchte schließlich nicht, und schon gar nicht eine DuFoy! Alter französischer Adel, den es, warum auch immer, vor ein paar Jahrzehnten nach Württemberg trieb.

„Lediglich ein kleines Missgeschick! Beim nächsten Mal treffen Sie bestimmt!“, beschwichtigte sie der rundliche Jagdmeister, der zuvor vorsichtshalber einige Meter Abstand genommen hatte, um nicht statt der Ente erschossen zu werden.

„Ach was! Peinlich ist das!“, schimpfte Annabell, die sich über die Bemerkung des Jagdmeisters scheinbar nur noch mehr aufzuregen schien.

„Wieso begleiten Sie nicht einmal Ihren Vater und die anderen Herrschaften auf die nächste Fuchsjagd? Sie könnten viel lernen!“, schlug der ältere Herr vor, ohne weiter auf das Gehabe seines Gegenübers einzugehen. Annabell lachte hämisch.

„Da will mich doch keiner dabei haben! Frauen sind nur beim Brunch nach der Jagd erwünscht. Außerdem … die armen Füchse!“

„Aber der Herr Gott schenkte uns doch die Tiere zu unserer Versorgung und zum Jagen!“, versuchte der Jagdmeister vergeblich, die aus purem Vergnügen von den reichen Herrschaften veranstalteten Treibjagden zu rechtfertigen.

„Ja, zum Essen! Enten schießen ist das eine, die sind lecker. Aber sagt mir, Jagdmeister, wie viele Füchse habt Ihr im Leben schon verspeist?“

„Guter Punkt!“, antwortete dieser, „Aber dafür liefern Füchse die edlen Pelze für feine Damen, wie Sie eine sind! Außerdem verbreiten sie die Tollwut!“

„Ich verbreite keine Tollwut! Und ich besitze auch keinen Fuchspelz! Manche Damen tragen die armen Tiere gar mitsamt Kopf und Beinen um ihren Hals, igitt! Wie Höhlenmenschen sehen sie damit aus! Fehlt nur noch die Keule. Ugga!“

Der Jagdmeister musste über diese Bemerkung laut auflachen, was Annabell DuFoy mit einem kritischen Stirnrunzeln beantwortete.

„Was ist daran so komisch?“

„Sie sind wirklich einzigartig, wissen Sie das? Jede Dame wirkt farblos und langweilig neben Ihnen!“

Annabell musterte ihren Jagdmeister, als wüsste sie nicht genau, ob dies nun ein Kompliment oder eine versteckte Beleidigung war. Vermutlich wusste er dies selbst nicht so genau. Sie beschloss daher, seine Bemerkung unkommentiert zu lassen.

„Wie geht es eigentlich meinem Vater heute? Ist er wieder am Lesen?“, fragte Annabell, ohne dabei wirklich interessiert zu wirken. Schließlich hätte sie ja beim Verlassen des Anwesens auch selbst nach ihm sehen können. Nur war es ihr tatsächlich eigentlich reichlich egal, was er machte oder welches Buch er laß. Vater wurde langsam schon selbst zu einer mottenzerfressenen Antiquität, wie er so scheintot in seinem Ohrensessel saß und alte Wälzer durchblätterte, die schon älter waren als er selbst. Aber irgendein Gesprächsthema mit dem Jagdmeister musste sie ja schließlich finden. Intellektuelle Konversationen konnte sie mit ihm keinesfalls führen, also hielt man eben Smalltalk. Der Vater, das Wetter, die neuesten Entwicklungen in der Grafschaft. Oder eben die elende Jagd.

 

„Fräulein Annabell! Warten Sie!“

Die junge Dame atmete tief durch und schloss kurz die Augen, um nicht die Fassung zu verlieren und in einen Schreianfall auszubrechen. „Warten Sie“ suggerierte, dass sich Annabell irgendwo hinbewegte. Dabei stand sie doch die ganze verdammte Zeit hier dumm herum!

„Ich bin so froh, Sie hier anzutreffen!“, sprach der spindeldürre Gentleman außer Atem. Dieser feine Herr war Annabells künftiger Verlobter, Jonathan. Und Annabell liebte Jonathan. Zumindest hatte sie das im Dorf so gehört, dann musste es ja wohl stimmen. Jonathan war Vaters Wahl, was man an seiner fast schon wieder faszinierenden Eintönigkeit und Farblosigkeit merkte. Jonathan hatte das Talent, absolut unsichtbar zu sein und wie ein Geist bei keiner Person irgendeinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Sein Gesicht war so durchschnittlich und vergessenswert, dass sich Annabell selbst manchmal nicht an sein genaues Aussehen erinnern konnte. Sie war überzeugt davon, dass man ihn gegen irgendeinen anderen Kerl hätte austauschen können, ohne dass dies je auffallen würde. Vermutlich nicht einmal Vater. Oder seinen eigenen Eltern. Menschen wie er existierten halt, sie verbrauchten Luft und lebten irgendwie. So

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 27.10.2022
ISBN: 978-3-7554-2419-2

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Für all die Menschen, die mich unterstützen und mir Ideen für meine Texte und Geschichten geben. Meine Familie, meine Freunde und all die anderen Wegbegleiter.

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