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Leseprobe

 

 

 

 

HARDLEY HOWARD

 

 

Das Bild einer wunderschönen Hure

 

Roman

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

DAS BILD EINER WUNERSCHÖNEN HURE 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

Ein zwielichtiger Auftrag für den New Yorker Privatdetektiv Glenn Bowman, aber gleichwohl ein lukrativer: Er soll den verschwundenen Geschäftsmann Edwin Hine suchen. Kurz danach wird die hübsche Sekretärin des Verschwundenen tot aufgefunden. Ein Mord, den man Bowman in die Schuhe schieben will...

 

Der Roman Das Bild einer wunderschönen Hure des britischen Schriftstellers Hartley Howard (eigentlich Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; † Großbritannien) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1971 (unter dem Titel Die ihre Haut zu Markte tragen).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DAS BILD EINER WUNERSCHÖNEN HURE

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Angelo Payadosia war dick wie ein wohlgenährter Mast-Eber. Das gute Leben und der Mangel an Bewegung hatten seinen Körper in eine massive Fettschicht gehüllt, über der ein rosig schimmerndes Gesicht saß, das sich zu einem völlig kahlen Schädel wölbte, haarlos wie eine Plastikkappe.

Wenn er lächelte, verschwanden seine Augen fast hinter Speckfalten - schlaue, berechnende Augen, die an seinem allzu häufigen Lächeln nie beteiligt waren. Hinter der falschen Jovialität verbarg sich ein Verstand, der nicht mehr Gefühl besaß als eine Registrierkasse.

Er lächelte mich auch jetzt durch die zitternde Rauchspirale der Zigarette an, die aus seinem kleinen, zugespitzten Mund hing. Als er keine Reaktion bemerkte, hustete er. Der Husten gehörte ebenso zu ihm wie der verschwitzte Kragen und der zerknitterte Anzug.

Eine Aschenflocke fiel auf seinen Rockaufschlag, und er streifte sie mit einer Hand ab, die einer Reihe von Würsten glich. Dann lächelte er wieder.

»Das ist viel Geld«, sagte er. Seine Stimme klang wie geölt.

»Deshalb bin ich ja auch neugierig«, meinte ich.

Das ganze minderwertige Mobiliar in dem Loch, das er als Büro bezeichnete, war nicht ein Viertel des angebotenen Honorars wert. Er war ein Winkeladvokat - und solche Typen gehören nicht zu den Menschenfreunden. Es stimmte einfach nicht zusammen.

»Schön«, sagte Payadosia. »Ich mag neugierige Leute, weil sie herumstochern und Antworten liefern.«

»Was Sie mögen oder nicht mögen, interessiert mich nicht«, gab ich zurück. »Aber das Honorar - bis auf einen Punkt.«

»Und der wäre?«

»Es ist zu hoch.«

»Sie beklagen sich, weil ich zu großzügig bin?«

»Wenn Sie großzügig sind, bin ich Tschou En-lai. Woher stammt das Geld?«

»Sie bringen mich zum Lachen«, sagte Payadosia. Um es zu beweisen, nahm er die Zigarette aus dem Mund und zeigte seine Zähne. »Aufträge, die so viel bringen, wachsen nicht auf den Bäumen. Ich dachte, ich tue Ihnen einen Gefallen. Worüber beklagen Sie sich?«

»Über die ganze Geschichte. Wieso kommen Sie gerade auf mich? Sie hätten die Auswahl unter den besten Leuten gehabt.«

»Nur keine Bescheidenheit. Wie man hört, gibt es keinen besseren als Sie.«

»Von wem hört man das?«

»Von einem kleinen Vogel«, sagte Payadosia. Er schien das für komisch zu halten.

»Der einzige Vogel, den Sie kennen, dürfte ein Geier sein.«

Sein Lächeln veränderte sich nicht.

»Sie sind sehr witzig, Mr. Bowman. Ich sehe schon, dass mir unsere Zusammenarbeit Spaß machen wird.«

»Dann sehen Sie weiter als ich. Ich habe den Auftrag noch nicht angenommen.«

»Aber Sie werden es tun. Sie können es sich nicht leisten, ihn abzulehnen. Dafür habe ich gesorgt« - er breitete die Hände aus und machte ein selbstzufriedenes Gesicht -, »indem ich Ihnen das Doppelte von dem anbot, was Sie verlangt hätten. Sie wären ein Narr, wenn Sie ihn ablehnen würden.«

»Vielleicht ein noch größerer, wenn ich ihn nicht ablehne.«

»Vielleicht. Aber verlieren wir mit Abstraktionen keine Zeit. Ich weiß, dass Sie wieder als Privatdetektiv ins Geschäft kommen wollen, und das ist Ihre Chance. Werfen Sie sie nicht weg, sonst gelingt Ihnen vielleicht nie ein Comeback. Nach zwei Jahren als Sicherheitsberater einer Ladenkette müssen Sie den Kontakt verloren haben. Da rostet man bald.«

»Sie scheinen allerhand über mich zu wissen.«

»Oh, ich schnappe mal da und mal dort etwas auf. Und ich möchte nicht zusehen müssen, wie es mit Ihnen abwärtsgeht.«

»Machen Sie sich keine Sorgen.«

»Doch, die mache ich mir, Mr. Bowman. Spezialtalente wie Sie sind nur allzu selten. Als mir die Sache zu Gehör kam, dachte ich sofort an Sie. Ich sagte mir, dass es nur einen Mann für mich gibt. Egal, was es kostet...«

»Das Schmalz können Sie sich sparen«, sagte ich. »Woher wissen Sie, dass ich fähig bin, den Auftrag auszuführen?«

»Das machen Sie schon«, meinte Payadosia selbstgefällig. »Sie haben einen guten Ruf - und Sie sind ehrlich.« Er blies seine Zigarette an und sah auf, ohne den Kopf zu heben. »Unter anderem sind Sie verschwiegen«, fuhr er mit einem fragenden Unterton fort. »Was Sie in Erfahrung bringen, bleibt zwischen Ihnen und Ihrem Klienten. In einem Fall dieser Art ist das wichtig.«

»Ich habe mich schon gefragt, wann wir dazu kommen. Wer ist mein Klient?«

Payadosia erstarrte. Seine Augen sahen aus wie blassgraue Murmeln.

»Ich - nur ich«, sagte er. »Mehr brauchen Sie nicht zu wissen. Das, und« - er schob seinen Stuhl zurück und zog den hervorquellenden Bauch ein, um eine Schublade öffnen zu können - »die Tatsache, dass Sie sofort Ihr Geld bekommen, wenn Sie annehmen. Fünfzig Prozent auf die Hand und den Rest, sobald Sie Ihre Arbeit abgeschlossen haben.«

Er warf eine dicke Brieftasche auf den Schreibtisch und drückte die Schublade mit dem Bauch zu. Er griff nach der Brieftasche und strich mit fetten Fingern zärtlich über das abgewetzte Leder.

»Eine Quittung brauchen Sie mir nicht zu geben, jetzt nicht und später nicht«, fuhr er fort. »Ich vertraue Ihnen.« Das schien ihm ein weiteres Lächeln wert zu sein.

Sein Aschenbecher war mit feuchten, zerkauten Zigarettenstummeln überfüllt, und ich musste meine eigene Kippe oben auf das Häufchen fallen lassen, wo sie feucht vor sich hin glomm und einen bitteren Geruch verbreitete. Kalter Rauch, Staub und Schweißgeruch erzeugten eine Luft wie in einer Penne, aber Payadosia schien das nicht zu stören.

Ich fragte mich, woher er das Geld in der dicken Brieftasche hatte und wer hinter ihm stehen mochte. »Sie könnten mich mit Scheck bezahlen«, sagte ich. »Ich habe ein Bankkonto.«

»Das hat auch...«, er tarnte sein kurzes Zögern durch ein Hüsteln, »das habe ich auch. In solchen Fällen muss man aber diskret sein. Sobald wir unser Geschäft abgewickelt haben, ist die Sache abgeschlossen. Keine offenen Fragen, nichts.« Mit derselben öligen Stimme fuhr er fort: »Ich zahle nur so viel, damit die Angelegenheit - diskret behandelt wird. Sie verstehen mich doch, oder?«

»Nein - aber wir haben ja noch Zeit. Bin ich der erste Privatdetektiv, den Sie zu beauftragen versuchen, diesen Mann zu finden - wie heißt er gleich?«

»Hine - Edwin Hine. Und die Antwort auf Ihre Frage lautet: Ja - Sie sind der erste.«

»Ist bei der Polizei bekannt, dass er vermisst wird?«

»Ne-ein...«

Payadosia lehnte sich zurück und öffnete die Brieftasche. Mit Fingern, die knochenlos zu sein schienen, blätterte er die Geldscheine wie Spielkarten auf. Seine Fingernägel waren nicht sauber, und auf dem Handrücken wuchsen ebenso wenig Haare wie auf seinem Schädel.

»Dazu kommt es hoffentlich nicht«, meinte er. »Im Interesse aller Beteiligten hoffe ich, dass es nicht dazu kommt. Die Polizei achtet die Privatsphäre nicht.« Er sah mich an. »Ein Mann mit Ihren Fähigkeiten kann mit weniger Getue mehr erreichen. Und ohne zu viele Fragen zu stellen - hinterher.«

Seine Stimme klang sehr leise. Es war, als gluckere Wasser über kleine, glatte Steine.

»Eines wollen wir gleich klarstellen«, sagte ich. »Ich wirke nicht bei der Vertuschung einer Straftat mit. Bevor ich Ihr Geld anrühre. - Ist Hine in unlautere Dinge verwickelt?«

»Mein lieber Bowman!« Payadosias Gesichtsausdruck war eine Mischung gespielter Überraschung und Empörung. »Er hat nichts getan, überhaupt nichts. Ein Mann von absoluter Rechtschaffenheit. Ein Mann von Rang in einem florierenden Unternehmen mit ausgezeichnetem Ruf. Wenn Sie auch nur einen Augenblick vermuten...«

»Lassen wir meine Vermutungen. Ich möchte nichts als eine offene Antwort. Haben Sie Grund zu der Annahme, dass er sich versteckt hält, weil er befürchtet, dass ihm in nächster Zukunft etwas passieren könnte?«

»Nach bestem Wissen - nein. Er ist wohlhabend, hatte nie mit krummen Dingen zu tun und ist, alles in allem genommen, ein musterhafter Bürger.«

»Kann es sein, dass er an Gedächtnisverlust leidet?«

Payadosia zog die Mundwinkel herunter und nickte.

»Daran habe ich auch schon gedacht. Das wäre eine Erklärung.«

»Gibt es noch andere?«

»Mag sein, mag sein. Aber das ist Ihre Aufgabe. Ich bin Anwalt, kein Privatdetektiv.« Er senkte den Blick, während er sich am Stummel der alten eine neue Zigarette anzündete. »Ich muss aber zugeben, dass ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe, wovon er in den vergangenen drei Wochen seit seinem Verschwinden gelebt hat. Er kann ja nicht die ganze Zeit ohne einen Cent in der Tasche herumgelaufen sein.«

»Wieviel soll er bei sich gehabt haben?«

»Nicht sehr viel. Soviel ich weiß, trug er nur das bei sich, was man gewöhnlich für tägliche Ausgaben benötigt.«

Ich deutete auf die Brieftasche. »Wem gehört das Geld?«

»Ihnen - wenn Sie bei Verstand sind.« Blaugrauer Rauch kräuselte sich wie ein dünner Haarkranz um seinen Kopf, und er schloss die Augen halb. »Zweitausend für Nachforschungen. Geschenktes Geld.«

»Und wenn ich ihn nicht finde?«

»Behalten Sie die Anzahlung. Tausend Dollar bleiben Ihnen auf jeden Fall. Das ist doch genug, nicht?«

»Mehr als genug. Deshalb reiße ich mir kein Bein aus, um es zu bekommen. Sie scheinen mir nicht der Typ zu sein, der mit dem Geld herumwirft. Wo ist der Haken?«

»Den gibt es nicht. Es geht ganz redlich zu.« Er hielt die Brieftasche lose in einer Hand und klatschte sie gegen die Innenfläche der anderen. »Das Spitzenhonorar für einen solchen Auftrag wären fünfhundert Dollar - im äußersten Fall siebenhundertfünfzig. Sie bekommen zweihundertfünfzig extra.«

»Wofür?«

»Dass Sie den Mund halten. In Mr. Hines Position werden ihm ein paar Dollar nicht leid tun, um Aufsehen zu vermeiden. Nur Politiker und Filmstars sehen sich gerne in der Zeitung.«

»Unter gewissen Umständen bin ich vielleicht nicht in der Lage, seinen Namen herauszuhalten«, sagte ich. »Haben Sie daran schon gedacht?«

»Ja, aber mit unangenehmen Dingen beschäftige ich mich ungern. Betrachten wir die erfreuliche Seite.«

»Schön und gut, aber man muss den Dingen ins Gesicht sehen.«

»Das mache ich, wenn es soweit ist. Inzwischen tue ich das Nötigste. Abgemacht?«

»Nicht so schnell. Ist Hine versichert?«

»Keine Ahnung. Ich bin nicht auf die Idee gekommen...« Ein seltsamer Ausdruck huschte über Payadosias Gesicht. Für Sekundenbruchteile tauchte in seinen Augen etwas auf - was sich hochreckte, als wollte es ans Licht, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden. Er hörte auf, mit der Brieftasche zu spielen, und räusperte sich. »Woran denken Sie?«

»Nur daran, dass jemand - vielleicht Edwin Hine selbst - seine Versicherungsgesellschaft melken möchte. Wie, das weiß ich nicht, aber wenn der Verdacht besteht, dass es um einen betrügerischen Versicherungsanspruch geht, will ich nichts damit zu tun haben - auch nicht für das zehnfache Honorar. Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren.«

»Gewiss«, sagte Payadosia leutselig, aber er wirkte immer noch nachdenklich. »Der Haken bei Ihnen ist, dass Sie mich ganz falsch beurteilen. Sie werden nicht dafür bezahlt, unseren Freund Hine zu verstecken. Ich möchte ihn wieder in den Verkehr bringen. Es spielt keine Rolle, ob er für eine Million Dollar versichert ist.«

»Ist er das?«

»Fragen Sie mich was anderes.«

»Es könnte wichtig sein.«

»Okay. Sagen wir, er ist versichert. Wenn Sie ihn finden, ist Ihnen die Versicherungsgesellschaft Dank schuldig.«

»Falls ich ihn finde. Und wenn nicht?«

»Darüber sprechen wir, wenn es soweit ist.«

»Wir sprechen jetzt darüber«, sagte ich. »Sie werden diese Geschichte nicht dauernd geheim halten können. Wenn er nicht bald auftaucht, werden die Leute Fragen stellen.«

»Dann sollten Sie sich beeilen.«

»Ich habe nur zwei Beine - und allerhand Arbeit vor mir. Drei Wochen verschwunden zu sein, das ist für einen soliden Bürger eine lange Zeit. Da kommen nur zwei Dinge in Frage. Verstehen wir uns?«

»Weiter«, sagte Payadosia. Seine Zunge schob die Zigarette in den Mundwinkel, und er hustete Asche auf den Schreibtisch. »Ich höre.«

»Entweder will er nicht zurück - oder er kann nicht. Wenn er nicht kann, geht das die Polizei an, ob es Ihnen passt oder nicht.« Ich wusste, dass ich dem Fetten nichts sagte, was er nicht schon gewusst hätte.

»Sie schaffen sich Magengeschwüre an«, meinte Payadosia. »In polizeiliche Angelegenheiten mische ich mich nie ein. Ich habe genug mit meinen eigenen zu tun. Wenn Sie das Gefühl bekommen, zu tief in die Sache hineinzugeraten, können Sie jederzeit aussteigen - mit tausend Dollar im Sparstrumpf. Richtig?«

»Falsch. So arbeite ich nicht. Wenn mich meine Nachforschungen zu der Annahme führen, dass Hine in eine Schweinerei hineingeraten ist, lege ich die ganze Sache in einen Schoß, der größer ist als meiner.«

»Das würde mir nicht behagen«, sagte Payadosia. »Das hieße Aufsehen in der Öffentlichkeit.«

»Na schön. Suchen Sie sich für Ihr Geld einen anderen.«

»Ich will keinen anderen.« Er zog ächzend und brummend ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich über das Gesicht. »In Ihrer Branche fragen nicht viele danach, wie sie sich ihr Geld verdienen. Ich bin nicht scharf darauf, mich von einem dieser Burschen erpressen zu lassen.«

»Das Risiko geht man ein, wenn man als Mittelsmann auftritt«, meinte ich.

»Wem sagen Sie das? Ein Jahr für jede Gelegenheit, bei der diese Typen auf beiden Seiten abkassieren wollten! Die Stadt ist voll von Gaunern.«

»Dann bleibt Ihnen nicht viel übrig«, sagte ich. »Meine Methode - oder gar nicht.«

Seine kleinen Schweinsäuglein durchbohrten mich so lange, wie er gebraucht hätte, mir die Kehle durchzuschneiden. Mit seiner kellertiefen Stimme brummte er: »Bis jetzt ist das ein hübscher, ruhiger Fall, und alle Beteiligten können ein vernünftiges Ergebnis erwarten. Stecken Sie Ihre Nase nicht in Dinge, die Sie nichts angehen, und alles ist in Butter.«

»Meine Methode?«, wiederholte ich.

Eine Speckfalte wölbte sich über seinen Kragen, als er sich aufsetzte.

»Jede gottverdammte Methode, die nötig ist, solange Sie sich darauf konzentrieren, Edwin Hine zu finden - und auf nichts anderes.«

»Das ist alles, wofür ich bezahlt werde, oder?«

»Ja, aber der Durchschnittsschnüffler hat eine lange Nase. Sie könnten auf andere Dinge neugierig werden. Sooft Sie die Versuchung spüren, denken Sie an die zweiten tausend Dollar und daran, dass Sie für mich arbeiten.«

»Gemacht«, sagte ich.

Er öffnete die Brieftasche und zog ein Bündel glatter, neuer Scheine heraus. Mit einer lässigen Geste warf er es über den Schreibtisch.

Als ich das Geld eingesteckt hatte, sagte er: »Wenn ich mit Ihrer Leistung zufrieden bin, bekommen Sie den Rest - und keinen Ärger.«

»Sie werden zufrieden sein, und ich bekomme den Rest«, sagte ich. »Wenn nicht, gibt es für Sie Ärger.«

  Zweites Kapitel

 

 

Die 23. Straße war wie ein Backofen. Die Gehsteige strahlten solch eine Hitze aus, dass sie durch meine Schuhsohlen brannte. Der Teer war aufgeweicht. Über allem lag ein Dunst von Auspuffgasen, der im blendend-grellen Sonnenschein des Nachmittags flimmerte.

Es war kurz nach zwei Uhr, als ich den Taxifahrer bezahlte. Ich

hatte genug Zeit. Der Mann, den ich sprechen wollte, würde wohl noch nicht vom Mittagessen zurück sein.

Ich vertrieb mir die nächsten zehn Minuten in einer Bar, einen halben Block von Edwin Hines Büro entfernt. Ich sagte mir, dass es um halb drei Uhr früh genug war. Er hatte schon einen Vorsprung von drei Wochen. Sehr viel weiter würde er da in einer halben Stunde auch nicht kommen.

Bei einem zweiten kalten Drink dachte ich über eine Firma namens Hine & Magee nach. Im Telefonbuch stand, dass sie in einer Fabrik auf der anderen Seite des Harlem River Wachsformen herstellte und sich das Büro im Nicholas-Building, 23. Straße, befand. Was für ein Mann das war, den ich finden sollte, stand nicht im Telefonbuch.

Ich hatte ein Foto, eine Beschreibung und ein paar Adressen. Das war alles. Und Angelo Payadosia hatte recht gehabt. Ich hatte den Kontakt verloren. New York hatte sich in den zwei Jahren meines Aufenthalts an der Westküste verändert.

Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Es hatte vielversprechend ausgesehen, aber nicht geklappt. Ein Schreibtischposten, montags bis freitags, war nichts für einen Mann wie mich. Und jetzt musste ich beweisen, dass ich da anknüpfen konnte, wo ich aufgehört hatte. Als ich die Bar verließ und in den Staub und die Hitze der 23. Straße hinaustrat, hätte ich keinen Cent für meine Chancen gegeben.

Das Nicholas-Building war Teil eines imposanten Büroblocks, der Wohlstand ausstrahlte: goldbeschriftete Fenster, eine geräumige Eingangshalle, Terrazzoboden, Kühle. Hier stank es nach Geld.

Hine & Magee logierten im siebzehnten Stock. Ein Liftführer mit dem Gesicht eines ältlichen Igels brachte mich hinauf. So, wie er sich benahm, hätte man meinen können, ich dürfe vor Petrus erscheinen.

Als der Lift hielt, stieg er vor mir aus und machte eine kleine Verbeugung.

»Sie finden sie rechts am Ende des Flurs, Sir«, sagte er. Er hörte sich an wie der Vorbeter bei einer Totenwache.

Sonnenerhellter blauer Himmel mit Federwolken zeigte sich durch das Fenster neben den Büros von Hine & Magee. Es gab zwei Türen. Auf der einen stand der Name der Firma in kleiner, schwarzer Schrift; auf der anderen nur das Wort Privat.

Im Vorzimmer war niemand. Ein Klingelknopf auf der Schranke, die bis zur Mitte des Zimmers reichte, verkündete: Bitte läuten. Ich nahm den Hut ab und drückte auf den Knopf. Irgendwo hinter einer der drei Türen vor mir ertönte ein Summer.

Geraume Zeit geschah gar nichts. Dann tauchte hinter der Mattglasscheibe der mittleren Tür die Silhouette einer Frau auf. Ich hörte das Scharren einer Schublade und das Klirren von Tassen. Die Silhouette entfernte sich auf hochhackigen Schuhen.

Als ich lange genug gewartet hatte, versuchte ich es noch einmal. Diesmal behielt ich den Finger auf dem Knopf, bis die Tür aufging.

Sie war eine Schönheit: hochgetürmtes blondes Haar, schmollender Mund und Augen, blau wie das Meer bei Honolulu. In ihrer weißen, hochgeschlossenen Seidenbluse sah sie an einem drückend heißen Tag ausgesprochen kühl aus.

Ihr schwarzer Minirock brachte ihre Figur entsprechend zur Geltung. Mir gefiel ihr Gang, als sie auf mich zukam.

Sie wartete, bis sie die Schranke erreicht hatte, bevor sie sagte: »Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

Aus der Nähe fiel mir auf, dass ihre Augen eigentlich eher grün als blau waren. Sie betrachteten mich nachdenklich, so als versuche sie sich zu erinnern, wo sie mich schon einmal gesehen hatte.

»Ja«, sagte ich, »sagen Sie Mr. Hine, dass ich ihn sprechen möchte.«

Ihr Lächeln zeigte weiterhin gleichmäßig geformte weiße Zähne, aber das Wetter vor Honolulu schien umzuschlagen.

»Mr. Hine ist leider verreist. Waren Sie verabredet?«

»Nein, das habe ich nicht für nötig gehalten.«

»Es ist immer ratsam, einen Termin zu vereinbaren.« Sie verschränkte die Finger und stützte die Hände auf die Schranke.

»Er ist sehr beschäftigt«, fügte sie hinzu.

Es waren schlanke, schöne Hände mit spitz zugefeilten Nägeln, deren Lack mit dem blassen Rot ihrer Lippen übereinstimmte. Alles an ihr war elegant, welterfahren und auf Hochglanz poliert. Ich fragte mich, Was nötig wäre, um sie aus der Ruhe zu bringen.

»Ich auch«, meinte ich. »Als wir uns das letzte Mal trafen, sagte er, ich solle nur vorbeikommen, falls ich in der Nähe sei. Haben Sie eine Ahnung, wann er zurückkommt?«

»Nicht sehr bald. Zur Zeit ist er in Europa.« Sie lächelte immer noch, aber gezwungen. »Wenn Sie eine Nachricht hinterlassen wollen, sorge ich dafür, dass er Sie nach seiner Rückkehr anruft.«

Ich hätte ihr am liebsten erklärt, dass ich vielleicht nicht so lange am Leben sein würde. Stattdessen sagte ich: »Und Mr. Magee? Ist er da?«

»Nein, er ist beim Essen - muss aber jeden Augenblick zurückkommen.« Sie zog die Hände auseinander und trat zurück. »Möchten Sie warten?«

»Es wäre besser, sonst müsste ich noch mal herkommen«, sagte ich.

Sie blieb nicht da, als ich meinen Hut auf einen der Stühle an der Wand legte. Mit einem nichtssagenden Nicken verschwand sie.

Ich setzte mich und starrte meine Schuhe an, während ich über dieses und jenes nachdachte. Es begann so auszusehen, als sei Edwin Hines Abwesenheit als Teil seines normalen Geschäftsgebarens hingenommen worden. Das Mädchen mit der weißen Bluse hatte nicht gezögert, über ihn zu reden.

Und doch war da etwas gewesen - eine winzige Spur von Unruhe, die sie nicht schnell genug hatte verbergen können. Hine war ja Junggeselle... und sie besaß die richtige Anziehungskraft für den falschen Typ von Mann.

In einem der privaten Räume schrillte ein Telefon. Bevor es zweimal geläutet hatte, kam sie heraus und eilte in das Zimmer mit der Türbeschriftung: Mr. E. Hine. Nach ihrer Eile zu schließen, hatte sie den Anruf erwartet. Ich kam auf den Gedanken, dass sie nicht zum Essen gegangen war, weil jemand zu einem Zeitpunkt anrufen wollte, zu dem das ganze Personal außer Haus war.

Das hieß nicht viel. Sie war nicht der Typ des Mauerblümchens. Aber Gedanken machte ich mir trotzdem.

In ihrer Hast hatte sie die Tür nicht richtig geschlossen. Ich sah einen sehr schmalen Ausschnitt eines großen Schreibtisches, ein paar Zentimeter Teppich und ein Bücherregal. Sie war nicht zu sehen, aber ich konnte ihre leise Stimme ganz deutlich hören. »...Ja, Hine und Magee... was sagten Sie? Mit der Leitung muss etwas... jetzt ist es besser. Ja?...«

In der Stille danach konnte ich Schritte im Flur hören. Dann sagte sie: »Ah, ich verstehe... nein, er ist nicht da... auch die nächste Zeit nicht. Aber ich sage ihm Bescheid, sobald er zurückkommt... ja, ich verstehe. Auf Wiederhören.«

Als sie langsam Hines Zimmer verließ, ging die Tür neben mir auf, und ein Mann kam herein. Ein kleiner, adretter Mann mit schmalem Gesicht und dünnem Schnurrbart. Hinter der Goldrandbrille wirkten seine Augen blass und scheu.

Als er die Tür hinter sich schloss, nahm er den Hut ab und rief: »Mahlzeit, Miss Bamford. Ich bin aufgehalten...« Er bemerkte mich. Mit fragendem Blick beugte er sich vor und sagte: »Sind Sie schon lange hier?«

»Vier oder fünf Minuten. Sind Sie Mr. Magee?«

Er legte den Hut auf die Schranke und verzog das Gesicht, als sauge er an einer Zitrone.

»Ja. Was kann ich für Sie tun?« Seine Stimme war so sanft wie seine Augen.

»Ich heiße Bowman. Ich wollte Mr. Hine sprechen, aber die junge Dame sagt mir, dass er verreist ist. Ich hielt es für besser, dann mit Ihnen zu reden.«

Magee strich sich über das schüttere Haar, während er mich anstarrte.

»Geschäftlich - oder persönlich, Mr. Bowman?«, fragte er.

Miss Bamford stand immer noch an der Tür zu Hines Zimmer.

»Eher privat«, sagte ich.

»Ah, verstehe.« Er schaute auf die Uhr und sah Miss Bamford an. »Habe ich in der nächsten Viertelstunde einen Termin?«

»Nein, Mr. Magee. Nichts bis 15.15 Uhr.«

»Fein. Wenn Sie mitkommen würden, Mr. Bowman...«

Ich ging mit ihm um die Schranke herum durch das Vorzimmer. Als er mich in sein Büro führte, fragte ich mich, ob er gewusst hatte, dass Miss Bamford für einen Anruf auf Hines Apparat auf ihre Mittagspause zu verzichten bereit gewesen war.

Drei von den vier Jalousien in Magees Zimmer waren heruntergelassen, um die Sonne fernzuhalten. Es war ein großer Raum, luxuriös eingerichtet, mit dickem Teppich und massivem Schreibtisch.

Kleine Leute bevorzugen große Schreibtische. Da sehen sie bedeutsam aus. Als sich Magee hinter der riesigen Glasplatte niederließ, schien er plötzlich drei Meter groß.

Er winkte mich zu einem Sessel, nahm die Brille ab und polierte sie mit einem kleinen Ledertuch.

»Nun, Mr. Bowman, worum geht es denn eigentlich?«

»Wir sparen Zeit, wenn ich gleich zur Sache komme. Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihrem Geschäftspartner zu sprechen.«

»Nein?« Er setzte die Brille auf und zerrte an den Bügeln. »Vielleicht sagen Sie mir, warum Sie dann hier sind?«

»Um festzustellen, ob Sie wissen, wo Hine ist. Wie ich erfahren habe, wird er seit drei Wochen vermisst.«

Magees Kopf zuckte zurück, und sein Mund öffnete sich, als habe ihn eine Faust im Magen getroffen.

»Was, zum Teufel, soll das heißen?«

»Ich dachte, Sie wüssten Bescheid.«

»Keine Spur. Wer sind Sie überhaupt?«

»Ich bin Privatdetektiv und habe den Auftrag bekommen, Edwin Hine zu finden. Es liegt nahe, hier anzufangen.«

Mit gereizter Stimme sagte Magee: »Das muss wohl ein schlechter Witz sein.« Er wirkte beunruhigt.

»Ein teurer«, sagte ich. »Ich habe ein fettes Honorar bekommen - ohne Rücksicht auf Erfolg.«

»Das ist unglaublich. Wer bezahlt Sie?«

»Darüber kann ich nicht sprechen. Bis jetzt hatte ich die Idee, dass Sie hinter dem Mann stecken, der mir den Auftrag gegeben hat. Offensichtlich war das eine Täuschung.«

»Allerdings. Ich habe keinen Anlass, Mr. Hines Verbleib nachprüfen zu lassen. Ich weiß, wo er ist.«

»Könnten Sie mich einweihen?«

»Nein. Was geht Sie das an?«

»Das sagte ich schon. Jemand bezahlt mir gutes Geld dafür, ihn zu finden. Stimmt es, dass er vor drei Wochen verschwunden und seitdem nicht mehr gesehen worden ist?«

»Nein, das stimmt nicht. Mr. Hine ist auf Geschäftsreise in Europa. Das ist alles. Zu behaupten, er sei verschwunden, ist einfach lächerlich. Ich möchte sehr gerne wissen, wer Sie auf diese nutzlose Jagd geschickt hat.«

»Jemand, der sein Geld nicht ohne gute Gründe ausgibt«, erwiderte ich. »Nutzlose Jagden gehören nicht zu seinen Steckenpferden. Wenn er behauptet, dass Edwin Hine verschwunden ist, genügt mir das, bis ich Ihren Partner mit eigenen Augen sehe.«

Magees Besorgnis verstärkte sich zusehends, und er begann, an den Fingern seiner linken Hand zu zerren. Als er beim kleinen Finger angelangt war, sagte er: »Niemand hat das Recht, so etwas zu tun. Mr. Hine wird verärgert sein - sehr verärgert. Das könnte ihm enorm schaden. Für unser Unternehmen ist es auch nicht gut.«

»Wenn Sie sich mit ihm in Verbindung setzen, könnte er in wenigen Stunden zurückfliegen und den Gerüchten ein Ende machen, bevor sie sich ausbreiten.«

»Ja - ja, das sollte ich eigentlich tun. Er...« Magee beschäftigte sich wieder mit seinem Daumen. »...er wird wissen, wie man mit so etwas fertig wird. Ich bin ganz durcheinander.«

»Wann haben Sie zuletzt von ihm gehört?«

»Vor zwei oder drei Tagen. Ich verstehe das nicht, ich verstehe überhaupt nichts.« Er schob die Brille auf die Stirn, und sein weiches Gesicht nahm einen verdrossenen Ausdruck an. »Ich bestehe darauf, dass Sie mir sagen, wer Sie beauftragt hat, Mr. Bowman. Das ist das mindeste, was Sie unter den gegebenen Umständen tun können.«

Im Vorzimmer wurden Stimmen laut. Eine Tür fiel zu. Jemand lachte. Dann übertönte das Geklapper einer Schreibmaschine alle anderen Geräusche.

»Ich kenne den Namen meines Klienten nicht«, sagte ich. »Der Mann, der mich bezahlt, ist ein Rechtsanwalt - ein Strohmann für eine Person, die nicht direkt an mich herantreten will.«

»Umso alberner ist das Ganze.«

»Nicht, wenn ein Vorschuss von tausend Dollar dahintersteht. Können Sie mir jemand nennen, der so viel Geld dafür ausgibt, dass ich in Hines Angelegenheiten herumschnüffle?«

Nach Magees Gesichtsausdruck geurteilt, tappte er im Dunkeln.

»Nein. Das Ganze ist absurd. Edwin Hine ist ein charmanter Mann, beliebt bei allen Leuten. Wir sind seit Jahren befreundet. Er ißt jede Woche mindestens einmal bei mir und geht oft mit meiner Frau und mir ins Theater.«

»Sie würden also sagen, dass Sie mit seinem Privatleben vertraut sind?«

»Selbstverständlich! Seine Freunde sind unsere Freunde. Er hat keine Familie und betrachtet unser Heim als das seine.«

»Ein charmanter Junggeselle schafft sich manchmal Feinde«, meinte ich.

»Edwin nicht. Ich müsste das wissen nach all der Zeit.«

»Trotzdem bezahlt mich jemand dafür, dass ich herumlaufe und peinliche Fragen stelle. Das klingt nicht sehr freundschaftlich.«

»Es könnte sich um einen Sonderling handeln«, sagte Magee unwirsch. »Vielleicht nehmen wir das Ganze zu ernst.«

Er glaubte ebenso wenig daran wie ich. Leute dieser Sorte verfügen nicht über das Geld für Extravaganzen.

»Tausend Dollar nehme ich immer ernst«, erklärte ich. »Wer auch hinter meinem juristischen Strohmann stecken mag, er muss etwas wissen, wovon Sie keine Ahnung haben. Er würde mich nicht dafür bezahlen, Edwin Hine zu finden, wenn nicht einiges dafür spräche, dass Hine nicht zurückkommt.«

»Aber ich sage Ihnen doch, dass ich erst vor ein paar Tagen von ihm gehört habe, und es stand auch nichts in dem Brief...«

»Haben Sie den noch?«

»Ja, er muss in unseren Unterlagen sein.«

»Kann ich ihn mir ansehen?«

»Tja, es handelt sich um eine geschäftliche Mitteilung...« - seine Unentschlossenheit dehnte jedes Wort zu doppelter Länge »...aber wenn Sie glauben, dass es nützt...«

»Ich würde Sie sonst nicht darum bitten.«

Er brauchte ziemlich lange, um sich zu entscheiden. Schließlich streckte er die Hand aus und drückte zögernd auf die Taste seines Wechselsprechgeräts, als sei sie glühend heiß.

»Ja, Mr. Magee?« kam es aus dem Lautsprecher. Die Stimme klang eine Spur nervös.

»Ich brauche Sie einen Augenblick, Miss Bamford.«

Sie kam herein, schloss die Tür leise hinter sich und blieb stehen, die Hand auf der Klinke. Sie sagte nichts. Ihr Blick glitt zu mir herüber.

Magee räusperte sich gewichtig.

»Bitte, bringen Sie mir die Akte mit Mr. Hines Korrespondenz - seine Privatkorrespondenz mit mir.«

»Ja, Mr. Magee.«

»Ich brauche vor allem sein letztes Schreiben dieser Woche.«

»Ja, Mr. Magee.« Sie blieb stehen.

Er verzog gereizt den Mund.

»Was ist, Miss Bamford?«

»Mr. Cole ist hier und möchte Sie sprechen. Was soll ich ihm sagen?«

»Sagen Sie ihm, dass er warten muss. Ich bin beschäftigt. Er kann ja später wiederkommen, wenn er will. Holen Sie mir die Akte und sorgen Sie dafür, dass ich nicht gestört werde.«

»Ja, Mr. Magee.«

Irgendetwas beschäftigte sie - etwas, was sie nicht aussprechen konnte, weil ich da war. Nach kurzem Zögern ging sie hinaus.

Ihre Ablage schien in Ordnung zu sein. Binnen einer Minute kam sie zurück, legte die Akte auf Mr. Magees Schreibtisch und ging wieder hinaus. Diesmal schaute sie mich nicht an.

Als sich die Tür geschlossen hatte, starrte er eine Weile vor sich hin. Dann öffnete er die Akte und nahm das oberste Blatt heraus.

Als er es mir reichte, sagte er: »Das ist der Brief. Er wird Ihnen nichts sagen, weil er nur geschäftliche Dinge behandelt - wie Sie selbst sehen können.«

Es war ein normaler Briefbogen mit aufgedrucktem Firmenbriefkopf. Bis auf die Anrede - Lieber Colin - war er ganz unpersönlich gehalten.

In einem halben Dutzend Sätzen schilderte er ein Gespräch mit einem gewissen Heuberij, beschrieb eine Ausstellung in Amsterdam, erwähnte Einzelheiten über zu erwartende Aufträge und äußerte sich zur Wirtschaftslage in Holland. Nur die Unterschrift war handgeschrieben.

Als ich den Kopf hob, sagte Magee: »Nun?«

»Tippt er seine Briefe immer?«

»Ja. Er hat eine Reiseschreibmaschine, die er immer mitnimmt, wenn er auf Reisen geht. Damit tippt er alle Briefe. Er sagt, das geht schneller als von Hand - und seine Handschrift ist auch nicht gerade leserlich.«

»Da steht kein Datum - nur Montag. Macht er das immer so?«

»Seit ich ihn kenne. Es hätte auch nichts ausgemacht, wenn er auch das noch weggelassen hätte. Ich habe den Brief per Luftpost am Donnerstag bekommen, also muss er Anfang

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Leopold Horace Ognall/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Korrektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Tony Westermayr und Christian Dörge (OT: Portrait Of A Beautiful Harlot).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2022
ISBN: 978-3-7554-1838-2

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