HARDLEY HOWARD
Das schleichende Gift
Roman
APEX CRIME CHEFAUSWAHL, BAND 7
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS SCHLEICHENDE GIFT
ERSTER TEIL
ZWEITER TEIL
DRITTER TEIL
Das Buch
Edwin Newsome ist besorgt um die Gesundheit seines Bruders Harold. Er beauftragt den Privatdetektiv Glenn Bowman, die noch junge Ehe Harolds mit der bildschönen Moira unter die Lupe zu nehmen. Denn Edwin befürchtet, dass Moira versucht, so schnell wie möglich zur reichen Witwe zu werden...
Der Roman Das schleichende Gift des britischen Schriftstellers Hartley Howard (eigentlich Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; † Großbritannien) erschien erstmals im Jahr 1951; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im Jahr 1960 (unter dem Titel Die letzte Eitelkeit).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME CHEFAUSWAHL.
DAS SCHLEICHENDE GIFT
ERSTER TEIL
Erstes Kapitel
Die Straße war weiß und staubig. Sie zog sich in einer kurvenreichen Linie am Ufer dahin wie ein Kreidestrich zwischen dem gebleichten und vertrockneten Gras am Rand des Riverside Drive und dem Hudson. Hitzedunst schimmerte über dem flachen Land, so weit das Auge sehen konnte, und die Sonne stieg in eine Kuppel aus wolkenlosem Blau. Es war zehn Uhr vormittags an einem Junitag, und es war heiß.
Ich lehnte mich an die Gartenmauer des großen Hauses und zündete mir eine Zigarette an. Hinter der brusthohen Mauer erstreckte sich ein wohlgepflegter Rasen, der nur hier und dort von Blumenbeeten unterbrochen wurde. Hinter dem Haus stand eine Gruppe höhere Ahornbäume. Die grüngoldenen Blätter umrahmten das rote Dach und das kühle Grau der Mauern. Vor dem Haus stand ein Delahaye, der nach Geld roch. Ich stieß das Tor auf.
Ein Mann mit grauem Haar, das in der Sonne wie Silber glänzte, kam um die rechte Seite des Hauses herum und schirmte seine Augen mit den Händen ab, um mich zu beobachten, während ich mich ihm näherte. Er hatte sympathische Züge und eine guterhaltene Figur, sah aus wie jemand, der auf sich achtete. Seine Kleidung war die eines Mannes, der Fünfzig war und wie Vierzig aussehen wollte. Als ich ihm näherkam, schätzte ich ihn dennoch auf knapp Sechzig.
Ich nahm den Hut ab und fragte: »Brauchen Sie jemanden, der sich um Ihren Rasen kümmert?«
Er steckte die Hände in die Hosentaschen und starrte mich an, nachdenklich, wie mir schien. Ich wartete, während er mich von oben bis unten musterte - von meinem drei Tage alten Bart bis zu den Schuhen, die durch meinen Fußmarsch von der 152. Straße hierher ziemlich staubig geworden waren.
Als sein Blick wieder mein Gesicht erreicht hatte, zog er die Mundwinkel nach unten und schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe bereits einen sehr tüchtigen Gärtner. Tut mir leid.« Seine Stimme klang höflich, sein Verhalten war freundlich. »Einen sehr guten Gärtner«, fügte er hinzu, »der nie bei einer solchen Trockenheit den Rasen mäht - er sagt, dadurch trocknen die Wurzeln aus.«
Während er sprach, betrachtete er mein Gesicht, meine Hände und meinen alten grauen Anzug. Ich erklärte: »Es gibt eben in jedem Beruf Fachleute. Das hätte ich zum Beispiel nicht gewusst.«
»Natürlich nicht«, murmelte er. Und zugleich zwinkerte er mit den Augen. »Sie haben nicht die Hände eines Mannes, der sich mit Gartenarbeit auskennt. Haben Sie schon mal einen Rasenmäher in der Hand gehabt?«
»Nein. Dort wo ich herkomme, hat man nicht viel im Freien gearbeitet.«
»Aha.« Er nahm eine Hand aus der Hosentasche und zupfte an seiner Unterlippe. »Was meinen Sie mit der Bemerkung dort, wo ich herkomme?«
»Es ist eine höfliche Umschreibung für die Tatsache, dass ich eben aus dem Gefängnis entlassen wurde«, sagte ich. »Ich dachte, wenn ich mich um einen Job im Freien bemühe, brauchen die Leute keine Bedenken zu haben wegen meiner Vorstrafe - es sei denn, sie fürchten, ich könnte ihre Blumen klauen.«
Er hörte auf zu lächeln und sagte kalt: »Es klingt so, als seien Sie ziemlich verbittert. Waren Sie vielleicht das Opfer unglücklicher Umstände?«
»Keineswegs«, erwiderte ich. »Das einzige Unglück dabei war, dass ich mich gegen das elfte Gebot versündigt habe: Du sollst dich nicht erwischen lassen.«
»Hm.« Seine Augen begannen wieder zu zwinkern. »Ungeachtet Ihrer früheren Verfehlungen machen Sie auf mich den Eindruck eines erfrischend aufrichtigen Menschen. Haben Sie sich vorgenommen, in Zukunft auf dem Weg der Tugend zu bleiben?«
»Eigentlich, ja. Nicht, weil sich mein Charakter wesentlich verändert hätte - aber ich glaube, ich bin jetzt etwas vernünftiger als zuvor. Man muss entweder sehr gescheit oder sehr vom Glück gesegnet sein, um ein erfolgreicher Gauner zu werden - und beides ist bei mir offenbar Fehlanzeige. Also werde ich mich wohl auf ehrliche Weise um meine Dollars bemühen müssen.«
»Haben Sie dieses Haus durch Zufall ausgewählt?«, fragte er.
»Oder wissen Sie, wem es gehört?« Er war vermutlich ein netter Mensch, und ich schämte mich fast, ihn zu belügen. Aber ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass es ja nur zu seinen Gunsten war.
»Nein«, sagte ich. »Ich hab’ es mir einfach an den Knöpfen abgezählt. Ene, mene, muh - und da bist du.«
Er rieb sich mit der Hand über die Wange und dachte eine Weile nach. Dann sagte er abrupt: »Ich möchte Ihnen eine Chance geben. Können Sie einen Wagen fahren? Zum Beispiel so einen wie den da drüben?«
»Ich fahre alles, was zwei, vier oder sechs Räder hat«, antwortete ich. »Nur bei einem Rasenmäher könnte ich vielleicht Schwierigkeiten bekommen. Vor allem bei einem Ungeheuer wie diesem da.«
Sein Grinsen wurde zum Lachen. »Sie gefallen mir, Und ich gebe ihnen eine Chance. Ich habe zwei Wagen, und der zweite Chauffeur ist momentan krank. Der Arzt meint, er könnte längere Zeit ausfallen. Wollen Sie seinen Job haben, bis er zurückkommt?«
»Ich nehme alles an, was mich über die ersten Runden bringt«, sagte ich. »Wann kann ich anfangen?«
Er nahm die zweite Hand aus der Tasche und blätterte einen Fünfer von einer Rolle Dollarnoten. »Kaufen Sie sich was zu essen, lassen Sie sich rasieren und die Schuhe putzen. Wenn Sie sich ein wenig herausgemacht haben, kommen Sie hierher zurück. Fragen Sie nach mir. Mein Name ist Newsome, Harold Newsome. Ich gebe Ihnen fünfzig Dollar die Woche, Kost und Logis frei.« Seine Stimme wurde wieder hart. »Und wenn Sie sich nicht so aufführen, wie ich es erwarte, sorge ich dafür, dass Sie wieder dort landen, wo Sie hergekommen sind. Haben Sie mich verstanden?«
»Sehr gut, Mr. Newsome«, sagte ich. »Und wenn ich nicht wiederkomme?«
»Dann habe ich fünf Dollar für einen schlechten Zweck geopfert.« Er grinste mich säuerlich an. »Wenn Sie so schäbig sind, bin ich froh, Sie auf diese Weise losgeworden zu sein. Aber ich nehme an, Sie kommen zurück.«
Ich stopfte den Schein in meine Tasche. Als ich mich umwandte, zögerte ich einen Augenblick. »Wollen Sie nicht mehr über mich wissen?«
»Nein. Was ich wissen will, finde ich schon heraus - bis auf Ihren Namen. Es wäre vielleicht gut...« Er wollte noch etwas sagen, brach aber abrupt ab, und sein Gesicht wurde kalkweiß. Seine Augen verdrehten sich vor Schmerzen, und er drückte sich die Hand gegen den Magen. Ich kam einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am Ellenbogen. »Was ist los? Kann ich etwas für Sie tun?«
Er richtete sich langsam auf und schüttelte den Kopf. Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen, und sein Gesicht bekam eine graue Farbe. »Nein, nein, ist schon gut«, sagte er schwach. »Allmählich gewöhne ich mich daran. Ist schon vorbei - bis zum nächsten Mal.«
»Sind Sie sicher, dass es Ihnen wieder besser geht?«
»Ja, danke. Mir geht es schon wieder gut.« Er lächelte ein wenig mühsam und machte sich von meinem Griff frei. »Wie, sagten Sie, heißen Sie?«
»Ich habe es bis jetzt noch nicht gesagt. Ich bin Cliff Wylie.«
»Okay, Wylie. Jetzt gehen Sie und tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Wenn Sie zurück sind, wartet hier Arbeit auf Sie.«
»Danke - vielen Dank.«
Eine Frau schaute aus der Seitentür des Hauses und rief: »Harold! Ich dachte, du seist schon ins Büro gefahren?« Als sie mich sah, sagte sie: »Oh, entschuldige. Ich wusste nicht, dass Du dich mit jemandem unterhältst.«
Newsome erwiderte: »Schon gut, Moira. Ich fahre erst nach dem Mittagessen in die Stadt.« Und mit leiser Stimme fügte er hinzu: »Lassen Sie sich bloß nicht mit ihrem Stoppelbart bei meiner Frau blicken. So, wie Sie momentan aussehen, jagen Sie jeder Frau nur Angst ein. Hauen Sie ab, bevor sie Sie genauer betrachten kann.«
Ich nahm an, sie hatte mich bereits etwas genauer betrachtet. Sie stand noch immer unter der Tür, aber sie schaute irgendwie überrascht und verwundert drein. Als sich meine Blicke mit den ihren trafen, wandte sie sich rasch ab, und ich hatte den Eindruck, als fühle sie sich gar nicht wohl in ihrer Haut. Ich schaute über Newsomes Kopf hinweg und beobachtete, wie sie dastand, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie zu uns herunterkommen oder ins Haus zurückgehen solle.
Sie war blond und zierlich, und sie hatte das hübsche Gesicht eines Püppchens - mit genauso viel Ausdruck. Ihre porzellanblauen Augen sahen aus, als könnten sie mit Hilfe von ein paar Tränen das Scheckbuch eines jeden Mannes aufschlagen lassen. Ihr Sommerkleid war ein Traum aus Spitzen und Rüschen. Es ließ ihre Haut rosig und weich erscheinen. Eine Frau, die wohlhabende Geschäftsleute über fünfzig als kuschelig bezeichnen würden. Gäbe es weniger Moira Newsomes auf dieser Welt, dann könnte Reno vermutlich seinen Laden dichtmachen.
Als das Tor hinter mir ins Schloss gefallen war, drehte ich mich noch einmal um und schaute die Auffahrt hinauf. Mr. und Mrs. Newsome standen nebeneinander und hielten sich in den Armen. Sie erfreuten sich der Art von Kuss, wie er in den Stummfilmtagen den Produzenten ein Vermögen einbrachte.
Ich hatte nicht die Zeit zu warten und festzustellen, wem von den beiden zuerst die Puste ausging. Sie waren noch im engen Clinch, als ich draußen auf der Straße stand.
Ich fragte mich, ob die kleine, blonde Moira diese Szene meinetwegen veranstaltet hatte. Es wäre nicht das erstemal gewesen, dass eine skrupellose Frau den Nachbarn demonstrierte, wie sehr sie ihren Ehemann liebte. Auf diese Weise verdächtigt sie nachher kein Mensch, wenn der gute Gatte durch eine tödliche Dosis im Essen oder im Getränk das Zeitliche segnet...
Zweites Kapitel
Ich warf einen Nickel in den Schlitz und hielt mit dem Fuß die Tür auf, während ich wartete. Die rundum verglaste Telefonzelle war wie ein Backofen. Und ich kam mir vor wie ein Huhn im Dampftopf.
Dann klickte es in der Leitung, und eine Erdbeeren-mit-Sahne-Stimme sagte: »Newsome-Textilien. Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
»Verbinden Sie mich mit Mr. Edwin Newsome.« Ich nahm den vom Schweiß schlüpfrig gewordenen Hörer fester in die Hand. »Mein Name ist John K. Wurtemberger.«
»John K.?« Sie wirkte kühl und glatt wie eine Lady, die gerade eine kalte Dusche hinter sich hat und sich danach mit Zwielicht in Paris gepudert hat. Der fragende Unterton hatte nichts mit ihren persönlichen Interessen zu tun.
»Wurtemberger«, wiederholte ich. »Denken Sie an Hamburger - mit einem W vorn dran.«
Ihre Stimme wirkte noch ein bisschen kühler. »Bleiben Sie bitte am Apparat. Ich versuche, Mr. Edwin Newsome zu erreichen.«
Ich wischte mit einem Taschentuch den Schweiß von der Hörermuschel. Als ich den Hörer wieder an mein Ohr drückte, sagte eine ärgerliche Stimme gerade: »Hier spricht Edwin Newsome. Bitte, melden Sie sich doch.«
»Bowman hier«, sagte ich.
»Wer?«
»Glenn Bowman. Aber bei Ihrer Telefonistin habe ich mich als John K. Wurtemberger vorgestellt.«
»Ich verstehe.« Er zögerte. »Bitte, bleiben Sie am Apparat, Mr. Wurtemberger, während ich die Tür schließe.«
Ich hörte, wie am anderen Ende der Hörer hingelegt wurde, hörte das Quietschen von Schuhsohlen auf gebohnertem Linoleum. Dann sagte Newsome: »Okay. Sie können sprechen. Was gibt es Neues?«
»Ich habe mir einen Job besorgt - bei Ihrem Bruder Harold. Wenn Sie dort hinkommen sollten, geben Sie nicht zu erkennen, dass Sie wissen, wer ich bin. Er hält mich nämlich für einen entlassenen Häftling, der eine Gelegenheitsarbeit sucht.«
»Wie nennen Sie sich?«
»Das lassen Sie sich lieber von ihm sagen - oder haben Sie keine Angst, die Familie könnte Verdacht schöpfen?«
»Das möchte ich unter allen Umständen verhindern«, sagte er rasch. »Harold würde mir die Hölle heiß machen, wenn er wüsste, dass ich Sie engagiert habe, um herauszufinden, was Moira plant. Er würde nie und nimmer glauben, dass sie zu so etwas fähig ist.«
»Glauben Sie es denn noch immer?«
»Ich weiß es wirklich nicht.« Er lutschte an seinen Zähnen, und ich stellte mir sein plumpes, gutmütiges Gesicht vor, das sich jetzt sorgenvoll verzog. »Ich war immer dagegen, dass Harold eine so viel jüngere Frau heiratet, aber er war dazu entschlossen und ließ sich durch nichts davon abbringen.«
»Sie sagten, die beiden seien glücklich miteinander. Ist sie so glücklich mit ihm wie er mit ihr?«
»Sie tut zumindest so. Zuerst war ich sicher, dass sie ihm nur Theater vormachte, aber jetzt, nach achtzehn Monaten, scheinen sie verliebter zu sein als eh und je. Ganz gleich, wer dabei ist, die beiden turteln und schmusen wie Zwanzigjährige. Man würde es kaum glauben, dass zwischen ihnen ein Altersunterschied von dreißig Jahren besteht.« Edwins Stimme klang verärgert. »Ich kann es Ihnen nicht verdenken, wenn Sie den Eindruck gewonnen haben, als könnte ich Moira nicht leiden. Ich weiß, dass sie zu jung ist für Harold, aber schließlich geht mich das Alter seiner Frau nichts an, und außerdem sind sie nun einmal verheiratet. Ich sage mir immer wieder, dass ich verrückt bin, und dass man ihr möglicherweise nicht den geringsten Vorwurf machen kann.«
»Außer, dass sie Ihren Bruder vergiftet«, bemerkte ich.
»Es ist doch nur ein vager Verdacht«, sagte er heftig. »Sie hat die Pilze eingekauft, die diese ersten schweren Magenkrämpfe verursachten. Und vor sechs Wochen hat sie ihm eine Zunge aus der Konservendose serviert, die nach Auskunft des Arztes nicht mehr frisch gewesen sein soll. Der Doktor meinte, die Dose sei vielleicht beschädigt gewesen, und so etwas komme häufig vor, gerade bei diesem heißen Wetter.«
»Was sagte der Arzt noch?«, fragte ich. »Sie haben zuvor noch nichts von einem Arzt erwähnt. Was ist das für ein Arzt?«
»Er ist ein verdammter Narr«, sagte Edwin bitter. »Aufgeblasen wie ein Luftballon, vor Selbstsicherheit. Aber er spielt hervorragend Bridge, und er spielt es sehr oft mit Harold. Harold würde nie und nimmer einen anderen Arzt konsultieren. Dabei habe ich ihm einmal gesagt, dass ich diesem Arzt nicht einmal meinen kranken Hund überlassen würde, und er hat ausgesprochen wütend darauf reagiert.«
»Und was stellt er für eine Diagnose, was die Beschwerden Ihres Bruders betrifft?«
»Er besteht darauf, dass das Ganze natürlich und harmlos sei. Harold sei überarbeitet und habe einen nervösen Magen. Er müsse mit dem Essen vorsichtig sein.«
»Haben Sie ihm Ihren Verdacht mitgeteilt?«
»Klar. Das heißt, ich habe es zumindest versucht, natürlich, ohne Moira dabei zu erwähnen.«
»Und?«
»Er ist die Wände hochgegangen, und seine blöden Fischaugen sind so weit vorgetreten, dass sie fast die Brillengläser berührt hätten. Er sagte, ich solle sehr vorsichtig sein mit meinen Behauptungen, vor allem, da ich von den Dingen nichts verstehe.«
»Und Harold? Glaubt er, dass es nur sein Magen ist, der ihm diese Beschwerden verursacht?«
Edwin ließ sich diesmal Zeit mit der Antwort. Dann sagte er zögernd: »Harold wird ärgerlich, wenn man es nur erwähnt. Und er behauptet, es sei längst nicht so schlimm, wie wir glauben. Man könnte beinahe denken, dass...« Er brach ab.
»Was könnte man denken?«
»Ja nun...« Wieder ließ er eine Pause entstehen, dann sprudelte alles auf einmal aus ihm heraus. »Ich habe ihn gelegentlich betrachtet, wie er Moira ansah, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Er schaute sie mit einem sehr sonderbaren Blick an.« Edwin schöpfte Atem. »Als der Arzt beim zweiten Mal die kalte Zunge für die Magenverstimmung verantwortlich machte, hat Harold geradezu wütend dagegen argumentiert. Er behauptete, ihm sei bereits vor dem Essen schlecht gewesen, und er habe schon vor Jahren gelegentlich Magenbeschwerden gehabt. Und dann fügte er noch etwas hinzu, was ich nicht vergessen kann, und was immer mehr an Bedeutung gewinnt, je öfter ich daran denken muss.«
»Was war das?«
»Er schaute Moira wieder einmal von der Seite an, und diesmal konnte ich deutlich die Angst erkennen, die in seinen Augen stand. Er sagte: Ich hatte schon früher einmal Magenkrämpfe - viel früher - lange, bevor ich Moira geheiratet habe.«
»Allmählich begreife ich, worauf Sie hinaus wollen«, sagte ich. Man braucht mir schließlich nicht zu sagen, dass die alten Narren die größten Narren sind. »Sie meinen, Moira spielt bei ihm eine Art Lukrezia Borgia, und er versucht, sie zu decken?«
»Vielleicht.« Jetzt klang seine Stimme mürrisch und müde. »Um Himmels willen, Bowman, passen Sie auf ihn auf, und beobachten Sie von nun an jeden, der mit ihm in Kontakt kommt. Vielleicht ist es gar nicht Moira. Aber jemand steckt dahinter - ganz gleich, was dieser Trottel von Arzt behauptet.«
»Ich werde mein Bestes tun«, versprach ich ihm. »Abgesehen davon fand ich ihn sehr sympathisch.«
»Er ist ein wunderbarer Mensch«, rief Edwin mit hoher Stimme. »Und er ist der einzige Verwandte, der mir geblieben ist. Sie müssen auf alles gefasst sein, und Sie müssen darauf achten, dass niemand Harold ein Leid antut. Wenn Ihnen das gelingt, haben Sie sich Ihr Honorar verdient.«
»Weil wir gerade von Geld reden«, sagte ich. »Wer ist eigentlich der Nutznießer des Testamentes Ihres Bruders?«
Diesmal zögerte er keinen Augenblick. »Ich weiß es nicht.«
»Hat er jemals mit Ihnen über sein Testament gesprochen?«
»Das Thema hat nie zur Diskussion gestanden. Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, aber ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Noch was.« Mein Haar klebte bereits vom Schweiß, und mein Hemd fühlte sich an wie ein Rheumapflaster. »Ist Ihr Bruder vermögend?«
»Er ist ein reicher Mann«, sagte Edwin prompt. »Wir besitzen gleichviele Anteile an der Firma, und sie zahlt gute Dividenden. Abgesehen davon hat er sein Geld überaus geschickt investiert. Ich bin nicht gerade arm, aber ich nehme an, er könnte meinen Anteil aufkaufen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«
»Okay, Mr. Newsome. Ich mache mich jetzt an die Arbeit.«
»Gut. Und wenn Sie mich nach Geschäftsschluss erreichen wollen - Sie haben ja die Nummer meiner Wohnung.«
»Klar«, sagte ich. »Bye.«
»Good-Bye.«
Als ich anschließend im Sessel beim Friseur ruhte, während ein feuchtwarmes Handtuch meinen Bart aufweichte, dachte ich ein wenig darüber nach. Wenn Harold Newsome keine anderen Feinde hatte, sah es ganz so aus, als ob die hübsche kleine Moira dahintersteckte. Angenommen, Moira wollte ihren vermögenden Gatten auf diese Weise loswerden, so stellte sich die Frage, was sie ihm eigentlich ins Essen gab. Sicher, dafür boten sich Dutzende von Giftstoffen an, aber eine Lady kann doch nicht einfach in eine Apotheke gehen und sagen: Geben Sie mir was, womit ich meinen Mann vergiften kann. Und damit gelangte ich zu einem zweiten Problem. Wenn sie nicht sehr töricht war, musste ihr klar sein, dass man sie als erste verdächtigen würde, und dass dann alles herauskäme. Und von da bis zum Hausarzt war es nur ein kleiner Schritt. Was konnte Moira ihrem Mann verabreichen, das keine Symptome hervorrief, wie sie ein Arzt unschwer erkennen kann? Namentlich, nachdem dieser Arzt bereits einen deutlichen Hinweis erhalten hatte, dass Harolds Magenbeschwerden möglicherweise keine natürliche Ursache hatte. Vielleicht spielte der Hausarzt mit dem Ehemann Bridge und mit der Ehefrau ganz andere Spielchen! So etwas gab es nicht zum ersten Mal. Und so lange ältere Männer mit großen Bankkonten junge und aufgeschlossene Frauen heiraten, wird es das auch immer wieder geben. Denn der Gewinn bei dieser Lotterie ist ziemlich hoch. Moira plus das Vermögen eines reichen Mannes - das war eine starke Verlockung für jemanden, der sich nicht mit Skrupeln plagte.
Als der Boy meine Schuhe poliert hatte, ging ich hinaus in den grellen Sonnenschein und entschloss mich, die ganze Sache erst einmal zu vergessen. Vom vielen Denken bekomme ich immer Kopfschmerzen - und es bringt mich nur selten weiter. In diesem Fall brauchte ich mich nur wie die Spinne ins Netz zu setzen und zu warten, dass die andere Seite den ersten Schritt tat. Wenn wirklich jemand vorhatte, Harold zu vergiften, würde er jetzt nicht damit aufhören. Und wenn ich die Augen offenhielt, bestand die große Chance, dass ich in Kürze klüger sein würde als jetzt.
Drittes Kapitel
Der Taxifahrer setzte mich ein paar hundert Meter von dem Grundstück ab. Ich wollte nicht allzu vornehm vorfahren.
Nachdem das Taxi in Richtung 152. Straße verschwunden war, herrschte Stille und Frieden rings um das Haus der Newsomes. Entweder waren die reichen Hausbesitzer, die sich hier niedergelassen hatten, in der Stadt, um dem allmächtigen Dollar nachzujagen, oder sie erholten sich im Bett von der Million, die sie gestern verdient hatten. Soweit mein Auge schweifte, hatte ich den Riverside Drive für mich allein.
Und dann erblickte ich den Mann mit dem weißen Panamahut. Er musste aus der entgegengesetzten Richtung gekommen sein wie ich und das Grundstück der Newsomes betreten haben, während ich das Taxi bezahlte, denn er war schon auf halbem Weg zum Haus, als ich ihn sah. Ich fragte mich, woher er wohl gekommen sein mochte, und warum er nicht direkt vor das Tor gefahren war. Denn er konnte nicht allzu weit zu Fuß gegangen sein. Erstens waren seine Schuhe noch relativ wenig verstaubt, und zweitens sah er nicht so aus wie einer, der stundenlang in der Hitze durch vornehme Wohngegenden marschiert.
Es gab noch zwei oder drei Dinge an ihm, die mir seltsam vorkamen. Zum Beispiel ging er nicht zur vorderen Haustür. Als er in einer Höhe mit dem Rasenmäher war, bog er seitwärts ab und hielt die ganze Zeit den Kopf gesenkt, damit er vom Haus aus gedeckt war.
Als sein Interesse an dem Rasenmäher erlahmte, überquerte er mit ein paar raschen Schritten den Fahrweg und drückte sich dann dicht an die Hauswand. Danach schlich er vorsichtig zum nächstgelegenen Parterrefenster des Hauses und schaute hinein. Er ließ sich viel Zeit dabei, und mir kam ein guter Gedanke. Wenn er schon Haus und Grundstück einer näheren Beobachtung unterzog, wollte ich auch ein bisschen herumschnüffeln.
Ich ging rasch am Tor vorüber und sprintete auf die Biegung der Straße zu. Als ich um die Kurve gekommen war, sah ich seinen Wagen - ich nahm jedenfalls an, dass es sein Wagen war; ein offenes Kabriolett, das zwischen zwei Grundstücken am Straßenrand parkte. Ein hübscher Wagen: cremefarbener Lack, dunkelbraune Polster und viel Chrom - ein Wagen, dessen man sich nicht zu schämen brauchte. Dennoch war der Mann zu Fuß gegangen.
In einem Fach neben dem Armaturenbrett fand ich die Hülle mit dem Kraftfahrzeugschein. Er war ausgestellt auf Franklin Teel, Grover Street Nummer 112 a; das war in der Nähe der Park Avenue. Im Handschuhfach lagen ein Paar Wildlederhandschuhe, eine ungeöffnete Packung Zigaretten, ein Stadtplan von New York und eine gutgeölte Pistole. Unter dem Stadtplan lag der Waffenschein - ebenfalls auf den Namen Teel ausgestellt.
Vielleicht wusste er nicht, dass es verboten war, eine geladene Waffe so offen herumliegen zu lassen. Als Sicherheitsmaßnahme für den Fall eines unfreundlichen Zusammentreffens mit dem Besitzer nahm ich das Magazin heraus und steckte es in meine Hosentasche. Dann legte ich die Pistole wieder in das Handschuhfach und ging zurück zum Haus der Newsomes.
Dort war keine Spur von dem Mann im Panamahut zu entdecken. Ich ging an dem Rasenmäher vorbei und um das Haus herum zur hinteren Seite. Als ich um die Hausecke bog, wären wir fast zusammengeprallt. Er schien ganz schön erschrocken zu sein.
»Suchen Sie jemanden?«, fragte ich.
Er leckte sich die Lippen und starrte über mich hinweg. »Nein, ich...« Er schaute mich kurz an und wandte dann den Kopf ab.
»Nicht?« Ich pflanzte mich vor ihm auf und wartete darauf, dass er sich eine Ausrede zusammenreimte.
»Ja, also...« Er fummelte an seiner Krawatte herum und hüstelte. »Sehen Sie, ich wollte mich erkundigen, ob mir jemand hier in der Gegend sagen kann, wo Mr. Elmer Cranston wohnt.« Danach atmete er tief ein und wandte sich zur Seite.
Ich grinste und trat ebenfalls einen Schritt zur Seite. »Warum haben Sie dann nicht mich gefragt?«
Er blieb stehen, und auf seinen Wangen waren rote Flecken zu erkennen. »Na schön, ich frage Sie. Haben Sie je von ihm gehört?«
»Nein«, antwortete ich. »Sie vielleicht?«
Seine Augen verengten sich, und er zog die Lippen ein. »Was, zum Teufel, wollen Sie mit dieser Bemerkung andeuten?« Er war ein schlanker Mann, hatte aber breite Schultern und war mindestens ebenso groß wie ich. Seine helle Gabardinejacke und seine dunkelbraune Hose stammten vermutlich aus der Fifth Avenue. Der makellose Panamahut spendete Schatten für ein längliches, sonnengebräuntes Gesicht mit tiefliegenden braunen Augen und vollen Lippen. Mir gefiel vor allem sein cremefarbenes Seidenhemd mit dem gutsitzenden Kragen. An der Hand, mit der er an der Krawatte herumzupfte, prangte ein schwerer, goldener Siegelring.
Ich trat einen halben Schritt näher und betrachtete ihn eingehend. »Regen Sie sich bloß nicht auf. Bei diesem Wetter könnte das Ihrem Blutdruck schaden.«
»Kümmern Sie sich nicht um meinen Blutdruck. Und halten Sie gefälligst den Mund.« Er schaute mich gespielt gelangweilt an.
»Und wenn nicht? Was werden Sie machen, bevor ich Sie wegen Hausfriedensbruch festnehmen lasse?«
»Langsam, langsam, mein Freund, sonst muss ich mit Ihrem Boss ein Wörtchen reden.«
Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und starrte ihn unbekümmert an. »Statt mit mir Liebenswürdigkeiten zu tauschen, könnten Sie ein paar nette Worte mit Moira wechseln. Soll ich Sie mit ihr bekanntmachen?«
Diesmal schien es ihn härter getroffen zu haben. Er öffnete den Mund und stammölte: »Ich - ich weiß nicht, wovon Sie überhaupt reden.« Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging mit raschen Schritten die Auffahrt hinunter. Ich sah ihm nach, wie er draußen an der Mauer entlangging bis zu der Kurve, hinter der er seinen Wagen geparkt hatte. Gleich danach hörte ich den Motor aufheulen, als sich der Wagen in Richtung City entfernte.
Kies knirschte hinter mir, und ich drehte mich ohne Eile um. Moira Newsome stand da, nur ein paar Meter von mir entfernt. Als ich die Hände aus den Taschen nahm, lächelte sie mich freundlich an, aber ihre Augen waren dunkel und fragend auf mich gerichtet. »Sie sind Cliff Wylie, nicht wahr?«
»Guten Tag, Mrs. Newsome«, sagte ich und versuchte, einen respektvollen Ton anzuschlagen. »Hat Ihr Mann irgendwelche Aufträge für mich?«
»Er sagte mir, dass Sie sich melden würden, als Aushilfe für Dalby.« Sie spielte mit dem Spitzenbesatz ihres Kleides. »Das stimmt doch, oder?«
»Jawohl, Mrs. Newsome.«
»Blick hat Mr. Newsome mit dem Delahaye in die Stadt gebracht«, murmelte sie abwesend, und ich fühlte, wie sie mich prüfend betrachtete. Ihre Stimme unterschied sich kaum von der Stimme Tausender anderer Frauen in ihrem Alter - nicht zu hoch, nicht zu tief, und mit einer angenehmen Diktion. Ich schaute ihr in die Augen. Einen Moment lang sah ich wieder diesen Ausdruck von Unbehagen, der mir schon aufgefallen war, als sie mich mit ihrem Mann reden sah. Dann wandte sie rasch den Kopf ab und drehte mir die Schulter zu.
»Sie sollten sich mit dem Studebaker vertraut machen«, sagte sie in einem Ton, den ich für abschließend hielt.
»Sehr gut, Mrs. Newsome. Soll ich ihn waschen, oder brauchen Sie den Wagen in der nächsten Stunde?«
»Ich glaube nicht, dass ich heute Nachmittag ausfahren werde.«
Sie versuchte, es so gleichgültig wie möglich klingen zu lassen, aber ich hatte das Gefühl, sie wartete noch auf irgendetwas. Ich hatte den Eindruck, sie war enttäuscht, dass ich nur über Autos mit ihr gesprochen hatte.
»Sehr gut, Mrs. Newsome«, wiederholte ich und ging um sie herum, ohne sie dabei anzusehen. Sie machte keine Bewegung, und ich schritt auf die Rückseite des Hauses zu, wo ich die Garagen vermutete. Ich ließ mir Zeit.
Meine Füße hatten ein halbes dutzendmal auf dem Kies geknirscht, als sie mich mit gedämpfter Stimme ansprach. »Wylie - einen Augenblick, bitte.« Ich blieb stehen und drehte mich langsam um, verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
»Jawohl, Mrs. Newsome?«
»Als ich vorhin herauskam, haben Sie da nicht...« Sie zögerte, »ich dachte, ich hörte Sie mit jemandem sprechen - mit einem Mann.«
»Es war nur ein Fremder, der sich nach dem Weg erkundigt hat«, erklärte ich ihr, die Augen auf ihren gesenkten Kopf gerichtet. Ihr Haar glänzte wie ein Goldhelm im Licht der Sonne.
»Oh!« Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Was wollte er denn wissen?«
»Er suchte einen Mann namens Elmer Cranston.«
»Cranston? Aber es gibt keine Familie mit diesem Namen hier in der Gegend.«
»Nein?« Ich fragte mich, wann sie kapieren würde.
»Was war das für ein Mann?« Ihre Stimme klang wieder gleichgültig, aber ihr Gesicht war bleich. »Ich meine - sah er aus wie ein Gentleman?« Und in vertraulichem Ton fügte sie hinzu: »Wir hatten in der letzten Zeit ein paar scheußliche Einbrüche in der Nachbarschaft, und es heißt, dass sich hier ein verdächtiger Typ herum treibt, der immer einen Tag, bevor der nächste Einbruch passiert, allen möglichen Leuten Fragen stellt und die Gegend auskundschaftet. Wir sind daraufhin alle ein bisschen nervös.«
»Sie brauchen sich bestimmt keine Sorgen zu machen, Mrs. Newsome«, sagte ich. »Er schien mir nicht unbedingt wie ein Einbrecher auszusehen.«
Sie leckte sich die Unterlippe und betrachtete mich wieder nachdenklich. »Na schön, Wylie«, sagte sie zuletzt. »Das ist vorläufig alles; vielen Dank.«
Die doppeltürige Garage hinter dem Haus war mindestens so groß wie ein geräumiges Landhaus. Über den großen Schiebetüren befand sich eine Reihe Fenster mit Vorhängen. Blick und sein kranker Partner wohnten offenbar ganz nahe bei ihrer Arbeitsstätte.
Eine Garagentür stand offen. Und die Garage selbst war leer und makellos sauber. Ich schob die zweite Tür zur Seite und ließ den Sonnenschein mit einem Studebaker spielen, der ein schönes Bündel Tausender gekostet haben mochte. Er musste etwa so dringend gewaschen werden wie die Venus von Milo.
Trotzdem zog ich meine Jacke aus und krempelte meine Hemdärmel hoch. Dann fand ich eine Büchse mit einem Chrompflegemittel und einen zerfetzten Lappen und bearbeitete die Scheinwerfer damit. Es war völlig überflüssig, aber wenn mir jemand zuschaute, würde es seine Neugier befriedigen.
Auf einem Regal an der Rückseite der Garage lagen vier ordentlich zusammengefaltete Poliertücher. Ich stopfte sie hinter einen Kanister in der Ecke. Dann ging ich wieder hinaus und fummelte kopfschüttelnd mit dem kleinen Fetzen an den Scheinwerfern herum.
Die hintere Tür des Hauses schwang in einer leichten Brise hin und her. Ich ging zögernd darauf zu und klopfte an den Türrahmen. Eine Frau mit ovalem, dunkelhäutigem Gesicht kam durch den dunklen, kühlen Korridor und sagte: »Ja - was ist?« Sie bewegte sich mit der Grazie, wie sie Negerinnen eigen ist, und ihre Augen glitzerten wie frisch gewaschene Kohlen.
»Ich bin der neue Chauffeur«, sagte ich. »Können Sie mir bitte sagen, wo ich ein paar neue Poliertücher finde?«
»Eigentlich sollten genügend Tücher draußen in der Garage sein.«
»Dann hat sie jemand weggenommen«, erwiderte ich. »Ich habe alles durchgesehen und keine gefunden.« Und um meine Rede zu unterstreichen, hielt ich den Fetzen hoch.
»Männer finden nie etwas«, rief sie in vorwurfsvollem Ton, aber in ihren Augen stand ein Lächeln. »Ich möchte wissen, was die immer mit den vielen Tüchern anstellen, die sie von mir bekommen.« Sie kam einen Schritt näher und schaute mir ins Gesicht. Ihr breiter Mund hatte herausfordernde Linien. »Haben Sie Dalbys Stelle
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Leopold Horace Ognall/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Korrektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Fried Holm (OT: The Last Vanity).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1683-8
Alle Rechte vorbehalten