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Leseprobe

 

 

 

 

WOLFGANG W. BRÖLL

 

 

BLITZSTART NACH UNBEKANNT

- Galaxis Science Fiction, Band 44 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

BLITZSTART NACH UNBEKANNT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

 

Das Buch

 

Wie eine silberweiße Wolke stand das kleine Raumfahrzeug bewegungslos über der weiten Sandebene des Mare Tranquilitatis. Mit den scharfen Teleskopen konnte man von Bord aus die weiten Flächen des Mare Serinitatis und des Mare Vaporum übersehen. Auka hatte diesen Standort gewählt, da er nicht wusste, wo dieses sonderbare Ding, das von der Erde kam, aufschlagen würde...

 

BLITZSTART NACH UNBEKANNT von WOLFGANG W. BRÖLL (* 9. Juli 1913 in Gelsenkirchen; † 28. Februar 1989 in Gummersbach) erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden. 

BLITZSTART NACH UNBEKANNT

 

 

   

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Wie eine silberweiße Wolke stand das kleine Raumfahrzeug bewegungslos über der weiten Sandebene des Mare Tranquilitatis. Mit den scharfen Teleskopen konnte man von Bord aus die weiten Flächen des Mare Serinitatis und des Mare Vaporum übersehen. Auka hatte diesen Standort gewählt, da er nicht wusste, wo dieses sonderbare Ding, das von der Erde kam, aufschlagen würde.

Hinter den gekoppelten Teleskopen, die auf die Erde gerichtet waren, saß Shoum, der Astronom, und beobachtete. Er war durch eine leuchtende Natriumwolke, die eine Zeitlang über der Erdoberfläche sichtbar geworden war, auf das Flugobjekt aufmerksam geworden. Schon vor einiger Zeit war ein Flugobjekt im Anflug auf das Mondgebiet beobachtet worden, aber damals hatten die Berechnungen ergeben, dass es am Mond vorbeiziehen würde. Heute dagegen lag der Fall anders. Das anfliegende Objekt hatte das Schwerkraftfeld der Erde mit einer Geschwindigkeit von 11,2 Kilometer in der Sekunde überwunden. Es war jetzt bereits als winziger Punkt auf den Bildschirmen im Beobachtungsstand zu sehen. Die Elektronengehirne in der Zentrale von Shidon, dem Mondstützpunkt der Garlamonen, der auf der erdabgewandten Seite des Mondes lag, hatten soeben den Kurs berechnet, und es schien zuerst, als würde auch dieser Flugkörper am Mond vorbeifliegen. Aber dann war der Kurs offensichtlich durch Fernimpulse korrigiert worden. Die neuen Wertungen und Berechnungen, die laufend in den Beobachtungsstand tickten, ließen eindeutig erkennen, dass das Flugobjekt diesmal sein Ziel erreichen würde.

Aus einer winzigen Apparatur, mit der man die Stimmen der Erde hören konnte, krächzte das heisere Organ eines Mannes. Auka hatte die vielen Sprachen der Erde ohne Schwierigkeiten erlernt, als man diese Apparatur vor vielen Jahren erfand. Damals hatten die Beobachter in Shidon plötzlich festgestellt, dass die Erdatmosphäre mit elektrischen Schwingungen bereichert worden war. mit künstlich erzeugten Wellen, denen man sofort besondere Bedeutung beimaß. Es bedurfte nur einer kleinen Korrektur an den Apparaten, und man konnte plötzlich die Stimmen der Erde hören.

Auka lauschte. auf die Stimme des irdischen Sprechers.

»Bald werden wir die bekannten Töne der Kremlglocken hören. Wenn der letzte Ton verklungen ist, wird die sowjetische Rakete die Oberfläche des Mondes erreichen. – Die Welt wartet! – Hört Moskau!«

Über das harte Antlitz Aukas zog ein geringschätziges Lächeln. Seit über hundert Garlamon-Jahren hatten sie bereits einen Stützpunkt auf der der Erde abgewandten Seite des Mondes, Tausende von Lichtjahren von ihrem Planeten entfernt. Alles, was er von den technischen Entwicklungen auf der Erde wusste, war von ihnen längst überholt.

Ein heller, pfeifender Ton stand plötzlich in der Beobachtungskanzel des kleinen Raumschiffes. Eine harte, kehlige Stimme tönte aus dem Siebgitter eines Lautsprechers. Es war die Stimme des Sprechers der Befehlszentrale von Shidon:

»Das Forschungszentrum von Garlamon gibt bekannt, dass das Flugobjekt aus dem Bereich des irdischen Planeten mit äußerster Vorsicht zu behandeln ist. Es sind Maßnahmen zu treffen, den Flugkörper nach seiner Landung sofort zu isolieren.«

»Verstanden!«, tönte die Antwort aus dem Lautsprecher.

Auka wandte den Blick in Richtung der Tag- und Nachtscheide, die die Mondoberfläche in eine helle und eine dunkle Fläche teilte. Eine blaugraue Finsternis stand weit hinten über den Kratererhebungen. Sterne funkelten wie Diamanten auf dunklem Samt. Dann wurde ein dünnes, phosphoreszierendes Leuchten sichtbar, und ein seltsamer Flugkörper schwebte aus der Dunkelheit in die Helle des Sonnenlichtes. Er hatte eine zylindrische Form und vorne eine Kugelkabine, in der der Beobachtungsstand untergebracht war. Nachdem er einige Ringkrater überflogen hatte, schoben sich aus dem Zylinder vier schwere Teleskopsäulen, die sich Sekunden später in den weichen Mondsand bohrten. Mata 2 war für den Einsatz bereit.

Sofort nahm Auka weitere Verbindung mit dem Raumschiff auf und unterrichtete die Besatzung über ihr Vorgehen. Ihm war vor allem darum zu tun, dass nicht mit sogenannten Todesstrahlen gearbeitet wurde. Auka spielte immer mit dem Gedanken, ein Mensch könnte sich in diesem Flugkörper befinden. Er durfte auf keinen Fall getötet werden. Dieses Wesen war zu interessant für ihn.

Shoum ließ unterdessen den Bildschirm nicht aus den Augen,

Auf den Bildschirmen des Beobachtungsgerätes kam der winzige Flugkörper näher und näher. Ein unwirklich heller Ton zirpte aus dem Lautsprecher, und dann hörte man deutlich die Funksignale des anfliegenden Körpers.

»Ein automatischer Sender?« Auka sah Shoum fragend an. »Oder sollte der Flugkörper bemannt sein?«

Langsam schüttelte Shoum den Kopf, und ein feines Lächeln trat auf sein hartes Gesicht. »Der Rat von Garlamon hat eine Verbindung mit den Erdenmenschen untersagt«, meinte er. »Der Grund ist uns allen bekannt. Diese Menschen sollen mit Kleinwesen behaftet sein, die unserem Organismus schädlich werden können. Sie sind nicht wie wir.«

»Wer weiß das?«, fragte Auka. »Niemand hat sie bis jetzt gesehen, und was sollten das für Kleinwesen sein? Ich kann mir darunter nichts vorstellen.«

»Frag Shaka; er kennt diese Menschen genau, denn er lebte einige Erdenjahre unter ihnen«, antwortete Shoum. »Sie sind nicht wie wir. glaube mir.«

Shaka war der Leiter des Mars-Stützpunktes der Garlamonen. Er gehörte dem Volk der Venus an, das von den Garlamonen in einem Krieg bezwungen worden war, einem Krieg, der vor fünf Garlamon-Jahren stattgefunden hatte und an den sich Auka nur schwach erinnern konnte. Er verehrte Shaka und war ein williger Zuhörer seiner unwahrscheinlichen Geschichten. Damals, so berichtete Shaka, wären zwei Raumschiffe von der Venus auf der Erde gelandet. Er sei mit zwei Kameraden auf der Erde zurückgeblieben, um das Leben der Bewohner kennenzulernen. Nach vielen Jahren habe man sie in einem Gebiet, das die Erdenmenschen Taiga nennen, wieder an Bord genommen. Dabei sei das sie begleitende Raumschiff explodiert und abgestürzt. Auka glaubte nicht recht an diese Erzählung. Shaka hatte im Laufe der Zeit vergeblich versucht, den Rat der Garlamonen zu bewegen, mit den Erdenmenschen in Verbindung zu treten. Sein Ansinnen war jedoch auf Ablehnung gestoßen. Und so war Auka einer seiner Anhänger geworden, denn auch er war für eine Verbindung mit den Erdenmenschen. Der Rat der Garlamonen hatte Sihaka zweimal verwarnt, da dieser Geräte konstruierte und baute, um auf diese Weise mit den Erdbewohnern Kontakt zu bekommen.

Weit hinten im schwärzlichen Dunkel des Alls wurde für Sekunden ein heller, blitzender Punkt sichtbar, aber dann war er bereits verschwunden.

Shoum beugte sich über das Sichtfenster und deutete nach unten. Einige hundert Meter von Mata 2 entfernt pflügte ein blitzender, länglicher Körper durch den Sand und ließ einen feinen Staubschleier hochsteigen, der eine ganze Zeitlang über der Ebene schwebte, bis er sich langsam senkte.

Mata 2 hatte seine Position nicht verändert. Das unsichtbare Strahlenbündel tastete sich durch den Sandschleier bis zu dem blitzenden Körper, der jetzt in einer breiten Pflugrinne zur Ruhe gekommen war.

Mehrere Minuten starrten Auka und Shoum durch das Fenster der Kanzel auf den blitzenden Gegenstand hinab. Dann tastete Shourns Hand nach einem Griff.

Langsam senkte sich das Raumschiff dem Mondboden zu.

»Wir schalten ab«, sagte eine kehlige Stimme aus dem Lautsprecher. »Der Landeplatz ist strahlungsfrei.«

Auka und Shoum zogen sich Masken aus einem dünnen, gummiähnlichen Material über die Gesichter und schlüpften in Raumanzüge, die aus unzähligen, winzigen silbernen Kettengliedern angefertigt waren. Sie traten an ein Gerät heran und schoben sich die Mundstücke zweier Schläuche zwischen die Lippen. Nach einigen Sekunden waren ihre Lungen prall gefüllt. Durch das Atmungsventil einer Nasenmaske waren sie nun in der Lage, eine ganze Zeitlang in der atmosphärelosen Luft des Mondes zu leben. Der Kettenpanzer schützte sie vor Hitze und Kälte und gab ihnen durch sein Gewicht die nötige Schwere und trotzdem genügend Bewegungsfreiheit. Dann zischte das Prahna, wie sie das Luftgemisch nannten, das ihre Atmungsorgane verarbeiteten, durch die Ventilschächte des Raumschiffes.

Weiter senkte sich das Raumschiff der Mondoberfläche zu und kam schließlich dicht neben dem blitzenden Körper einer anderen Welt zum Stillstand.

Bevor Auka die Luke öffnete, warf er Shoum einen Blick zu, aber er konnte die Augen seines Kameraden hinter den dunklen Maskengläsern nicht erkennen. Er hätte zu gerne gewusst, ob Angst in diesem Blick zu lesen war.

So löste Auka den Magnetverschluss der Lukentür und schwang sich hinaus in die blitzende Helle des Sonnenlichtes. Riesig hing die Erde im schwärzlichen All. Von jener Welt kam dieser Körper. Vielleicht waren in diesem Augenblick unzählige irdische Teleskope auf diese Stelle gerichtet.

Shoum war ihm gefolgt und schwebte langsam am Körper des Raumschiffes entlang dem Mondboden zu. Sie landeten in unmittelbarer Nähe des blitzenden Körpers. Eine Weile verharrten sie regungslos neben dem glänzenden Gebilde, aber dann glitt bereits Mata 2 heran und setzte sich mit seinen Teleskopsäulen über den Flugkörper. Aus dem Zylinder schoben sich mehrere dünne Stahlarme mit Greifzangen und ähnlichen Instrumenten hervor, die in Sekundenschnelle den blitzenden Körper aufschnitten und sein Inneres freilegten.

Auka und Shoum starrten interessiert auf die Instrumente, die der fremde Körper barg.

Im gleichen Augenblick zog ein gleißendes Leuchten über die fernen Mondberge. Langsam näherte sich ein gewaltiges Raumschiff dem Landeplatz der irdischen Rakete. Es flog eine Schleife und setzte dann zur Landung an. Am Bug trug es das Zeichen der sechs Marsprovinzen, deren Herr Shaka war: sechs goldene Sterne auf rubinrotem Grund.

Zur gleichen Stunde meldete Radio Moskau über alle Sender: »Die zweite sowjetische Raumrakete erreichte die Mondoberfläche heute, am 14. September 1959, um 0 Uhr 24 Sekunden Moskauer Zeit!«

 

Oberst Drake war der Leiter des Camp Norris, das dem Forschungsinstitut der Luftwaffe unterstand. Vom Bestehen dieses Camps wussten nur wenige Menschen, und diese waren zu Geheimhaltung verpflichtet. In eingeweihten Kreisen wurde Camp Norris Himmelfahrtskommando genannt, obwohl niemand recht wusste, was eigentlich dort geschah. Das Camp war auf normalen Wegen nicht zu erreichen, und wer dorthin gelangen wollte, musste eine beschwerliche Fahrt mit dem flachen Motorgleiter durch die Everglades unternehmen, die ein großes Gebiet Floridas bedeckten. Sümpfe, Schilfinseln. Wasser. Es war ein fast unberührtes Gebiet, das sich noch im Urzustand befand. Hier schien die Zeit stillzustehen. Einmal im Monat landeten zwei Hubschrauber der Luftwaffe auf einem Knüppeldamm im Herzen dieser Sumpfwildnis, um Verpflegung und Ausrüstung zu bringen. Norris war eine natürliche Insel inmitten der Everglades. Das Terrain war im Jahre 1958 von Einheiten des Heeres gerodet und kultiviert worden. Eine ganze Reihe fester Betonbauten wurde errichtet und mit seltsamen Apparaturen ausgestattet. Die Pionier-Einheit, die diese Arbeiten durchgeführt hatte, wusste bis auf den heutigen Tag noch nicht, wo ihr Einsatzort gewesen war.

Im Dienstzimmer Oberst Drakes brannte an diesem Abend die grünbeschirmte Lampe über dem Schreibtisch. Drake, ein muskulöser Mann im Alter von 45 Jahren, blätterte gelangweilt in einigen Magazinen. die heute mit dem Hubschrauber gekommen waren. Ab und zu nahm er einen Schluck Eiswasser, das er mit einem Schuss Whiskey schmackhaft gemacht hatte. Er trug eine kurze Bürstenfrisur und ein schmales Bärtchen auf der Oberlippe, das dem braungebrannten Gesicht etwas Verwegenes verlieh. Zwischen den Zähnen hielt er eine kurze Pfeife, aus der er in gleichmäßigen Zügen rauchte.

Auf seinem Schreibtisch standen zwei Telefone. Eines war mit der Außenstelle von Cap Canaveral verbunden, das andere mit Drakes Dienststelle in Washington, der Camp Norris direkt unterstand. Wenn diese zwei Telefone klingelten, war etwas Besonderes zu erwarten. Für Camp Norris war es sozusagen das rote Telefon. Über diesen Apparat kamen die Einsatzbefehle, auf die Drakes Gruppe seit dem Tage wartete, an dem die russische Rakete den Mond erreicht hatte. Drake ahnte in diesem Augenblick noch nicht, dass ihn heute Abend ein besonderer Befehl erreichen würde, der im Zusammenhang mit einem Ereignis stand, das sich inzwischen anbahnte.

Oberst Drake schrak unwillkürlich zusammen, als plötzlich das Telefon klingelte. Es war das richtige Telefon; er kannte es am Klang. Mit einer schnellen Handbewegung nahm er den Hörer ab und meldete sich. Eine Weile lauschte er in den Hörer. Bestürzung trat auf seine Miene. »Heute?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Das ist ja kaum zu glauben, und keine Komplikationen?« Nachdem er fast eine ganze Minute stumm zugehört hatte, fragte er; »Und für wann wird der Start befohlen?« Wieder lauschte er auf die Antwort, »Gut, ich werde alles veranlassen. – Danke!« Drake hielt den Hörer noch sekundenlang in der Hand, bevor er ihn auflegte. Er konnte das alles noch nicht fassen. Dann bediente er die Funksprechanlage auf dem Schreibtisch. »Achtung! – Einsatzgruppe sofort zu einer Besprechung in die Messe!«

Es waren sieben Männer, die Oberst Drake Minuten später in der Messe erwarteten. Sie trugen die Tropenuniform der amerikanischen Luftwaffe, waren alle über 1,80 Meter groß und hatten kantige, harte Gesichter. Als Drake eintrat, erhoben sie sich hinter dem länglichen Tisch.

Mit einer Handbewegung ließ Drake sie wieder Platz nehmen und setzte sich an den Kopf des Tisches.

»Ich habe heute die Aufgabe, Sie zu fragen, ob es Ihr Wille ist, an einem Raumflug teilzunehmen. Bei zehn Versuchen, eine mit Tieren besetzte Kapsel aus Satelliten herauszuschießen, gelangen nur vier. Die Gründe, die das Versagen der automatischen Schussvorrichtung bewirkten, sind uns nicht bekannt. Vielleicht sind sie durch die Auswirkung klimatischer Verhältnisse entstanden. Wir wissen es nicht. Jedenfalls sind Sie aber in der Lage, die Kammer, in der Sie sich befinden, durch eigene Kraft aus dem Satelliten zu katapultieren.« Oberst Drake hob den Blick. »Ist also jemand unter Ihnen, der nur den geringsten Zweifel am Ausgang unseres Experimentes hat? – Ist jemand unter Ihnen, der sich den nervlichen Anspannungen nicht mehr gewachsen fühlt?«

Die sieben Männer schwiegen.

Drake wartete noch eine Weile, und als keine Antwort erfolgte, glitt ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel. »Sie haben die letzten Radiomeldungen vermutlich nicht gehört, Gentlemen, sonst wüssten Sie, warum ich Sie zu dieser Besprechung gebeten habe.« Er sah die Männer der Reihe nach an. »Die Sowjets haben soeben einen Satelliten auf die Bahn um den Mond gebracht. Nicht nur der Schuss zum Mond ist ihnen gelungen. Dieses Experiment, dessen Gelingen außer Frage steht, wie unsere Beobachtungsstellen mitteilen, ist weit wichtiger als der Schuss zum Mond. Wir müssen nun die ersten sein, die bemannt in den Weltraum vorstoßen. Unsere Apparaturen sind erprobt. Alles ist für einen solchen Start bereit. Der erste bemannte Mond-Satellit wird morgen in Cap Canaveral gestartet. Das Projekt ist als Probestart getarnt und gilt als Geheimexperiment. Die Öffentlichkeit wird erst darüber informiert, wenn alles geklappt hat.« Drake nahm sieben zusammengefaltete Zettel aus der Brusttasche seiner Uniform. »Zwei dieser Zettel tragen Kreuze; die anderen sind leer. Wer die leeren Zettel zieht, verlässt den Raum.« Er warf die Lose auf den Tisch. »Bitte, bedienen Sie sich, Gentlemen!«

Nachdem fünf Männer den Raum schweigend verlassen hatten, sah Drake die beiden zurückgebliebenen Männer nachdenklich an. »Leutnant Covens und Leutnant Hardt! – Das Los hat Sie bestimmt, eine neue Epoche in der Raumfahrt einzuleiten. Haben Sie irgendwelche Wünsche?«

Die beiden Männer schüttelten den Kopf.

»Ich bringe Sie morgen früh mit einem Hubschrauber nach Cap Canaveral. Dort wird Sie Professor Sands mit Ihrer Aufgabe vertraut machen. Er ist der Mann, der die neue Satellitenkammer konstruiert hat. Ich muss Sie auch noch darüber unterrichten, dass Ihre Angehörigen von dem Vorhaben nicht in Kenntnis gesetzt werden können.«

 

Am nächsten Morgen fand sich der Hubschrauber pünktlich ein. In Begleitung Drakes flogen sie nach Cap Canaveral. Es war ein sonniger Oktobertag. Drake war bester Laune, während Covens und Hardt eine leichte Nervosität nicht unterdrücken konnten. Jetzt war der Tag also doch gekommen, auf den sie so lange gewartet hatten.

Drake betrachtete seine beiden Schützlinge verstohlen und meinte dann: »Jungens, lasst euch keine grauen Haare wachsen! Während die Russen an neuen Raketentypen arbeiteten, haben wir auch nicht geschlafen. Wir haben einen neuen Treibstoff entwickelt. Es ist vermutlich der gleiche, mit dem auch die Russen operieren.« Er machte eine Pause und sah eine Wedle nachdenklich vor sich hin. »Das Experiment, das wir heute unternehmen, ist sorgsam vorbereitet. Alles ist doppelt gesichert, alles wird von der Erde aus gezündet. Ihr braucht nur einzugreifen, wenn die Automatik nicht klappt.«

Covens, ein Mann mit einem durchgeistigten Gesicht, warf Drake einen überraschten Blick zu. »Meinen Sie das Auslösen der Satellitenkammer?«

»Es gibt gar keine Satellitenkammer«, antwortete Drake zur größten Überraschung der beiden Männer. »Es ist vorgesehen, dass die Rakete über dem Pazifik niedergeht. Ein Flugzeugträger und vier kleine Kreuzer sind bereits im Operationsgebiet stationiert. Der automatische Sender übermittelt ihnen die genaue Position. Ihr schwimmt höchstens eine halbe Stunde, dann haben sie euch gefunden.«

Hardt fuhr sich einige Male mit der Hand durch sein kurzes Bürstenhaar. »Ich bin sonst nicht neugierig, Chef, das wissen Sie«, meinte er. »Aber hier stimmt doch etwas nicht. Handelt es sich um das besprochene Projekt? Das haben doch Glenn und Sheppard auch gemacht.«

Drake schüttelte den Kopf. »Nein! – Dieses Projekt ist bereits überholt. Ein sowjetischer Satellit umkreist den Mond. Wir wollen jetzt zu einem Gegenschlag ausholen, den sie bestimmt nicht erwarten werden. – Hören Sie zu! Sie werden mit der neuen Dyna-Soar-Cyklop den Mond umkreisen und wieder zur Erde zurückkehren.«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Covens und Hardt hatten im Gästehaus der Versuchsstation Cap Canaveral ein Zimmer bezogen. Nachdem sie wussten, was ihre Aufgabe war, bereiteten sie sich in Ruhe darauf vor.

Kurz vor Mitternacht, am 24. Oktober 1964, war alles zum Start bereit. Covens und Hardt schlüpften in ihre Raumanzüge, nachdem ihnen mehrere Elektroden auf der Haut befestigt worden waren, und setzten die weißen Kunststoffhelme auf. War der Start erfolgt, so durften sie es sich bequem machen. Oberst Drake schnallte sie auf die Konturensitze, und langsam füllten sich die Raumanzüge mit Pressluft. Es war genauso, wie sie es hundertmal in den Vakuumkammern und in den Beschleunigungsmodellen geprobt hatten. Die Männer verspürten nicht die geringste Aufregung. Es war doch alles wie sonst – oder? Covens dachte plötzlich daran, dass es nicht wie sonst war; diesmal war es Ernst. Eine plötzliche Angst überfiel ihn.

Drake merkte es. »Was ist los, Covens?«, fragte er. »Ist Ihnen nicht gut?«

Covens schnallte mit einer hilflosen Bewegung seinen Helmriemen auf. Seine Stirn war schweißnass. Er sah Drake mit großen Augen an und klammerte sich plötzlich an ihn. »Lassen Sie mich raus«, brüllte er. »Ich kann nicht mehr – ich will auch nicht mehr! – Ich halte das nicht mehr aus!«

Hardt sah unsicher von einem zum anderen. Dieser panikartige Ausbruch seines Kameraden erschreckte ihn, und plötzlich war auch in ihm diese Angst, nicht mehr zurückzukommen.

Covens hatte sich inzwischen losgerissen, drängte Drake mit einer wilden Bewegung beiseite und schwang sich durch die Luke in das Gestänge des Gleitgerüstes. Von unten erfasste ihn ein Scheinwerfer und blendete ihn. »Ich will nicht mehr«, brüllte er in die Dunkelheit der hohen Halle. »Ich denke gar nicht daran, hier das Versuchskaninchen zu spielen. Habt ihr mich verstanden?«

Eilig kletterte ihm Drake nach. »Schreien Sie nicht so, Covens«, sagte er ruhig. »Sie hätten sich das früher überlegen sollen.«

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Wolfgang W. Bröll/Apex-Verlag/Successor of Wolfgang W. Bröll.
Bildmaterialien: N. N./Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: N. N./Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Mina Dörge.
Korrektorat: Mina Dörge.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2022
ISBN: 978-3-7554-0835-2

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