CHRISTIAN DÖRGE (Hrsg.)
DER GLÜHENDE OPAL
- 13 SHADOWS, Band 54 -
Erzählungen
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DER GLÜHENDE OPAL von C. Carrados
THEDA IST TOT von Michael Avallone
DIE RACHE DES DINO BRANDINI von Gardner Nashville
DER STAATSANWALT KAM NICHT von Ernst Heyda
DAS HAUS DER TAUSEND BLÜTEN von Morgan Morton
MORTHYLLA von Clark Ashton Smith
DER GOTT DES AUTOS von N. N.
DIE GEISTER, DIE ICH RIEF von Dulcie Browne
DER MANN OHNE AUGEN von MacKinlay Kantor
DER WERWOLF VON PONKERT von H. W. Munn
Das Buch
Aber da saß er schon an seinem Schreibtisch und öffnete die Schachtel und starrte wie hypnotisiert auf den Stein.
Und das rote Feuer verwandelte sich plötzlich in ein heißes Strahlenbündel. Sir Robert hatte das Gefühl, irgendwo in einem verschneiten, dichten Wald zu sein. Er bemerkte mit Entsetzen, dass sich ein graues Fell über seine Hände zog. Und nun über die Kehle und den Kopf... Er wollte schreien, aber aus seiner Kehle drang nur ein schreckliches Geheul. Das Geheul eines Wolfs, der nach Beute sucht.
DER GLÜHENDE OPAL, herausgegeben von Christian Dörge, enthält u. a. Horror-Erzählungen von Michael Avallone, Ernst Heyda und Morgan Morton.
DER GLÜHENDE OPAL erscheint in der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht.
DER GLÜHENDE OPAL von C. Carrados
Mithilfe einer Lupe betrachtete Sir Jarrod Hareilsham eine der bemerkenswertesten Edelsteinsammlungen, die jemals ein Mensch zu Gesicht bekommen hatte. Im Kamin tanzten die Flammen, während draußen langsam der Schnee vom Himmel herunterrieselte. Das Thermometer war gefallen, und die Meteorologen hatten einen starken Wettersturz angekündigt.
Sir Jarrod konnte mit immer gleichbleibender Freude seine Edelsteinsammlung betrachten. Ab und zu nahm er einen Schluck Portwein zu sich.
Er hatte sich auf drei Sorten beschränkt: Diamanten, Rubine und Smaragde. Aber in seiner Sammlung befand sich zudem ein riesengroßer Stein, der jedoch von einem geringeren Wert war. Es war ein Feueropal.
Plötzlich hörte er, gedämpft durch den dicken Teppich, Schritte hinter sich. Er drehte sich nicht um.
»Robert, bist du es?«
»Jawohl, Sir Jarrod.« Und als sich Sir Jarrod über einen seiner Steine beugte, spürte er plötzlich ein Seidenband um seine Kehle, das ihm die Luft abzuschnüren drohte.
»Willst du mich umbringen?«, stieß er hervor, aber er war ein englischer Adeliger und auch ein solcher Vorfall konnte an seiner Haltung wenig ändern.
»Aber sicher, Sir Jarrod, denn mir gefallen die Steine auch so gut wie Ihnen«, antwortete sein Privatsekretär ruhig.
»Du dürftest es sehr schwer haben, sie zu verkaufen. Sie sind zu selten. Und sie sind bekannt.«
»Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein.«
»Ich glaube, das ist jetzt die Strafe dafür«, sagte Sir Jarrod Hareilsham, »dass ich zwei Menschen töten musste, als ich die Steine aus dem Hindutempel raubte.«
»Ich kenne die Geschichte, wenn auch nicht aus Ihrem Munde.«
»Du wirst nicht weit kommen. Man wird deine Spuren im Schnee entdecken. Und falls du hier bleibst, dann wird man auch dich verdächtigen, gerade, weil es keine Spuren gibt.«
»Ich habe natürlich vorgesorgt, Sir Jarrod. In der letzten Woche habe ich mir ein Paar Hinduschuhe besorgt. Und auch das Seidenband um Ihren Hals wird auf die Rache der Priester hinweisen.
Doch jetzt haben wir genug geredet. Leben Sie wohl, Sir Jarrod, Sie waren immer ein guter Herr!« – Und damit zog er die Seidenschnur mit einem Ruck zusammen.
Er sammelte sorgfältig die Steine ein. Zuerst wollte er den Feueropal liegenlassen, aber dann nahm er ihn doch mit, da ihm einfiel, dass auch dieser Stein aus dem gleichen Tempel stammte. Er hob ihn hoch und betrachtete ihn, und ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Er kannte die alte Sage, dass der Besitzer dieses Steines sich in Vollmondnächten in einen blutgierigen Wolf verwandeln würde. Aber er wusste natürlich, dass es eine Sage war, denn es gab unzählige solcher Sagen. Was war es? Es war Weibergeschwätz. Und damit versuchte er sich zu beruhigen.
Robert hatte Glück. Er konnte die Sammlung zu einem anständigen Preis an den Mann bringen. Und da er gerissen und außerdem tüchtig war, gelang es ihm, innerhalb von zehn Jahren sein Kapital zu vervielfältigen.
Geld ist Macht. Robert wusste es, und er verwendete sein Geld richtig. Er begann seinem Land zu dienen, und seine Verdienste und sein Ansehen wurden so groß, dass ihn die Königin auf Vorschlag des Premierministers in den Adelsstand erhob. Aus dem früheren Privatsekretär war nun ein Sir Robert Owlton geworden, ein bekannter Finanzier und Geschäftsmann.
Zu seinem Glück fehlte ihm jetzt nur noch eine hübsche junge Frau. Er war Mitte vierzig. Die Auserwählte hieß schließlich Sandra. Sie war vierundzwanzig Jahre jung, hatte Haare von der Farbe reifen Weizens, blaue unschuldige Augen und eine ausgezeichnete Figur.
Es war eine Traumhochzeit. Alles, was Rang und Namen hatte, nahm daran teil. Nach der Hochzeitsreise gab es nochmals einen großen Empfang, dann nahm das Leben wieder seinen alten Lauf. Sir Robert arbeitete und widmete sich seinen Geschäften, seine junge Frau nahm an Festen und Empfängen teil, an denen sie ihn vertreten musste. Ihre Garderobe dazu wurde in Paris gemacht.
Eines Tages kam Lady Owlton in das Privatbüro ihres Mannes, um sich etwas Briefpapier zu holen. Da sah sie in der Schreibtischschublade eine rote Kassette liegen. Neugierig drückte sie auf das Schloss. Der Deckel sprang auf – und sie stieß einen Schrei des Entzückens aus. Vor ihr lag der herrlichste Edelstein, den sie je gesehen hatte. Rote Funken schienen aus ihm herauszuschießen. Sie war entzückt und begeistert. Der Stein war fast so groß wie ihre Handfläche.
Doch dann erinnerte sie sich an den Grund ihres Besuches und war ein wenig beschämt; sie legte den Stein wieder in die Kassette, nahm das Briefpapier und verließ das Büro ihres Mannes.
Aber beim Abendessen sagte sie zu ihm: »Liebling, du musst meine Neugierde entschuldigen. Ich weiß, dass du mir nichts verheimlichst, und dass du ein Zimmer hast, das immer abgeschlossen ist, so ähnlich wie es bei Ritter Blaubart war.
Aber ich brauchte Briefpapier, weil ich vergessen hatte, mir zu besorgen. Und als ich die Schublade aufzog, da entdeckte ich eine kleine Kassette in deinem Schreibtisch. Wie konntest du nur einen so herrlichen Stein so lange vor mir verbergen?«
»Liebste, du meinst sicherlich den Feueropal. Ach, der ist nicht viel wert. Es ist ein Andenken an einen Freund, der ihn mir vor vielen Jahren schenkte. Es war die Anerkennung für einen Dienst, den ich ihm leisten konnte, und so bewahre ich ihn als Andenken an diesen Freund auf. Du bist so schön, du strahlst so viel Schönheit aus, dass sie auch ohne den Opal hell genug ist.«
»Vielen Dank für das Kompliment, du Schmeichler, aber darf ich ihn wenigstens ein einziges Mal meinen Freundinnen zeigen?«
»Wenn du willst, bitte. Und dann sollst du aber auch seine Geschichte kennen.« Sir Robert sah seine Frau ernst an.
»Jeder, der ihn in einer Vollmondnacht betrachtet, wird in einen Wolf verwandelt.«
»Ach du lieber Himmel! Fällt er vielleicht Leute an?«
Sir Robert lachte.
»Ich habe es noch nicht ausprobiert. Aber vorsichtshalber solltest du dich in Vollmondnächten in deinem Zimmer einschließen, damit ich nicht meine Zähne an deinen süßen, zarten Hals schlage. Komm’, lass dir lieber einen Kuss auf die Lippen geben!«
Die junge Frau errötete.
»Bitte, Robert, mäßige dich... wenigstens vor den Dienstboten«, murmelte sie.
THEDA IST TOT von Michael Avallone
Haben Sie manchmal Angst?
Es gibt Augenblicke in der wundervollen Landschaft unserer Träume, in denen wir oft die wunderbarsten Dinge erleben, Augenblicke, in denen alle unsere Bemühungen vergeblich sind.
Wir möchten zum Beispiel von einem Felsen herunterspringen, weil ein tollwütiger Hund hinter uns her ist; wir sind hoch auf einem gewaltigen Berg und zu unseren Füßen sehen wir die wunderbare blaue See. Wir möchten fliehen, aber das Wasser des gewaltigen Meeres kocht. Unsere Füße sind wie angebunden, wie verankert.
Fliehen... können wir in Träumen fliehen?
Carlos Luga versuchte es. Wie Sie und ich. Aber man kann ja doch nicht vor sich selbst davonlaufen, oder?
Carlos Luga war Steward auf dem Frachter Caledonia – kurz nach dem letzten Krieg. Die Caledonia war ein vertrauter Anblick auf dem ruhigen Wasser der Karibischen See, und Carlos Luga, ein junger Mexikaner von zweiundzwanzig Jahren, war glücklich, diesen Job zu haben.
Das heißt, bis er während seiner mitternächtlichen Wache dem großen dunklen Mann in dem Umhang begegnete. Es war eine wundervolle ruhige Nacht, gewaltig stand der Mond über der Karibischen See, aber Carlos Luga erschrak und es wurde ihm kalt.
Der große dunkle Mann näherte sich ihm und bat um Feuer für seine Zigarette. Und während Carlos sein Feuerzeug für ihn aufschnappen ließ, entdeckte er plötzlich, dass er sich an keinen Passagier erinnern konnte, der so aussah.
Dann ging der Mann weiter, ohne dass Carlos seine Gesichtszüge gesehen hätte. Und irgendwie war das Deck, das im Meer schaukelte, unwirklich und gespensterhaft.
Und so ging es weiter, Nacht für Nacht während der Wache, immer kam der Mann im Umhang an Carlos Luga vorbei, ruhig, gespensterhaft, und kalte Schauer überliefen den Jungen. Am Ende der Reise war Carlos ein Bündel voller Angst. Er bat schließlich den Reeder, auf ein anderes Schiff versetzt zu werden, und nach einigem Hin und Her erfüllte man ihm die Bitte.
Carlos wurde auf ein anderes Schiff versetzt – auf das Passagierschiff Theda. Und als er zum ersten Mal mitten auf der Karibischen See Wache hatte, da war Carlos auch zum ersten Mal seit Wochen wieder glücklich. Es war ihm, als wäre ein schreckliches Gewicht von seinen braunen Schultern genommen.
Und dann bat ihn eine ruhige Stimme um ein Streichholz. Carlos Luga begann zu zittern. Er kannte die schrecklich klingende Stimme. Er drehte sich um, er erstarrte, sein Herz hämmerte wie die Trommel der Eingeborenen.
Vor ihm stand der große dunkle Mann. Carlos Luga konnte den großen Hut und den Umhang sehen. Doch das Gesicht war in der Dunkelheit. Und Carlos Luga hatte alle Passagiere an diesem Morgen über die Gangway das Schiff betreten gesehen.
Aber nicht ein einziger von ihnen war ein großer, dunkler Mann gewesen. Mit großer Anstrengung gelang es Carlos, das Zittern in seinem Körper zu unterdrücken. Doch eine Welle voller Angst durchlief ihn, als er nach seinem Feuerzeug griff, es herausholte und es vor dem Gesicht des Fremden aufschnappen ließ. Die kleine Flamme leuchtete eine Sekunde lang auf, und Carlos Luga schrie. Das Gesicht unter dem Rand des Hutes war sein eigenes! Eine grässliche, totenähnliche Karikatur seines eigenen Gesichtes.
Das Feuerzeug fiel ihm aus seinen erstarrten Fingern und der große dunkle Mann vor ihm lachte. Es war ein hässliches, helles Kichern, und es schien irgendetwas in Carlos Luga auszulösen: Immer noch schreiend warf er sich nach vorn, seine starken braunen Hände schlossen sich um den Hals des Mannes vor ihm. Und dann begann auf dem rollenden Deck ein Totentanz; die Wellen, die plötzlich aufbrandeten und über das Deck schlugen, waren wie das Publikum, das zusah. Und gnadenlos leuchtete der große Mond über ihnen.
Man fand Carlos Luga am nächsten Morgen... er lag auf dem Rücken... er hatte die Hände fest in den eigenen Hals gekrallt... die Augäpfel traten weit hervor... es war unverständlich... doch der Doktor nannte es Tod durch Selbsterwürgen... – eine merkwürdige Geschichte, nicht wahr?
Aber so unbeweisbar manches ist, es geschieht doch... es war der Name des Schiffes, der Carlos Luga eigentlich sein schreckliches Schicksal hätte vorhersagen müssen... die Theda.
Sie sprechen doch Englisch, nicht wahr? Nun, es ist ein Anagramm des Wortes Death... Tod.
Und als der Reeder ihm vorgeschlagen hatte, sich ein Schiff auszuwählen, so hatte er sich die Theda ausgewählt.
Ist das nicht eine merkwürdige Geschichte?
Eine Woche später erlitt Sir Robert einen Ohnmachtsanfall. Er hatte ein entsetzliches Angstgefühl und Schmerzen in der Brust – seine Stirn war von kaltem Schweiß bedeckt. Natürlich war Lady Owlton besorgt und rief sofort den nächsten Arzt an! Es war ein Dr. Bladish, der augenblicklich kam.
Er war jung und ehrgeizig, er sah sehr gut aus und hatte trotz seiner Jugend bereits einen ausgezeichneten Ruf. Er untersuchte seinen Patienten und stellte eine leichte Herzattacke fest. Er empfahl Ruhe. Im Augenblick keine Geschäfte. Und er verordnete einige Arzneien.
»Wenn er sie sorgfältig einnehmen wird, vor allem regelmäßig, dann wird er in kurzer Zeit wieder völlig auf dem Damm sein«, sagte der Arzt.
Es dauerte nur eine Woche, und Sir Robert fühlte sich bereits wieder sehr wohl, so dass er die Absicht hatte, seine Geschäfte wieder aufzunehmen. Doch Sandra war nicht damit einverstanden.
»Wenn du den Rat von Dr. Bladish nicht befolgst«, sagte sie besorgt, »dann wirst du einen Rückschlag bekommen. Und er wird viel schlimmer sein.«
»Aber es ist soviel liegengeblieben...«
»Mich interessiert deine Gesundheit und nicht das Geld, das du mit deinen Geschäften verdienst. Ich lasse dich einfach nicht fort.«
»Ja, wenn du wirklich meinst...«
Sie warf einen Blick auf ihre mit Diamanten besetzte Armbanduhr. »Außerdem ist es höchste Zeit für deine Medizin!«
Lady Owlton kümmerte sich selbst um die Zubereitung der Mixtur. Sir Robert verfluchte alle Ärzte und alle Apotheker, vor allem sein Herz, um dann das bittere Zeug doch zu schlucken.
»So, und jetzt gehe ich einen Augenblick in mein Büro. Ich muss noch ein paar wichtige Briefe schreiben.«
»Aber wirklich nicht lange, ja?«, sagte besorgt seine Gattin.
»Ich verspreche dir, dass ich nur einen einzigen Brief schreiben werde. Einen ganz kurzen.«
Er ging in sein Büro. Er suchte mit der Hand den Lichtschalter – und plötzlich bemerkte er, dass es Vollmond war. Er blieb einen Augenblick lang stehen. Er erinnerte sich an die Geschichte des Opals.
Bah, alles Unsinn, sagte er zu sich. Er machte Licht und ging zum Schreibtisch. Aber es war sehr merkwürdig. Er wusste nicht, warum es so war, aber er hatte den unwiderstehlichen Wunsch, gerade in diesem Augenblick den Opal zu betrachten. Und ihm wurde der Kragen eng. Er wehrte sich gegen den Drang in sich und gegen den Unsinn.
Aber da saß er schon an seinem Schreibtisch und öffnete die Schachtel und starrte wie hypnotisiert auf den Stein.
Und das rote Feuer verwandelte sich plötzlich in ein heißes Strahlenbündel. Sir Robert hatte das Gefühl, irgendwo in einem verschneiten, dichten Wald zu sein. Er bemerkte mit Entsetzen, dass sich ein graues Fell über seine Hände zog. Und nun über die Kehle und den Kopf... Er wollte schreien, aber aus seiner Kehle drang nur ein schreckliches Geheul. Das Geheul eines Wolfs, der nach Beute sucht.
Die Nachmittagsausgaben des nächsten Tages brachten die Berichte. Es waren entsetzliche Berichte. Ein Mann war auf eine furchtbare Art umgekommen. Man hatte ihn mit durchbissener Kehle aufgefunden.
Die Mediziner waren fast einhellig der Meinung, er müsste von einem wilden Wolf angefallen sein. Aber der Fall blieb insoweit unklar, da weder der Londoner Zoo noch irgendein Zoo in der näheren und weiteren Umgebung einen Wolf als gemisst gemeldet hatte. Der Direktor des Londoner Zoos meinte auf eine Anfrage sogar sarkastisch, dass seine Wölfe nachts keine Ausgeherlaubnis bekämen.
Sergeant Carver von Scotland Yard wurde mit den Untersuchungen beauftragt. Er glaubte die Geschichte von dem wilden Wolf natürlich nicht. Er war ein erfahrener Polizeimann und meinte, in London liefen genug Verrückte herum, die auch zu einer solchen Tat fähig seien.
Er stammte aus dem schottischen Hochland und kannte sich einigermaßen mit Wölfen aus, obwohl es auch dort immer weniger gab, doch hatte er in seiner Kindheit noch zwei erlegte Wölfe gesehen und viele Geschichten von seinen Eltern und Großeltern über Wölfe gehört.
Ein Wolf in den Straßen Londons? Das war absoluter Unfug. Es war eine neblige Nacht gewesen, und man hätte sicherlich auf dem feuchten Asphalt Fußspuren entdecken müssen, aber man hatte nur Menschenspuren gesehen...
Sir Robert legte mit einer müden Geste seine Hand an die Stirn.
»Weißt du, gestern Abend hatten wir Vollmond, und ich habe mir den Opal angesehen.«
Sandra lächelte zärtlich. »Ja, und ich bin sicher, dass du dich in einen Wolf verwandelt hast, der in den Straßen herumlief, um nach Beute zu suchen.«
»Nun, du wirst lachen, aber das glaubte ich wirklich, nachdem ich den Stein eine Weile betrachtet hatte.«
»Wirklich? Dabei hast du ganz tief geschlafen und laut geschnarcht, als ich in dein Büro kam, um nach dir zu schauen. Du warst am Schreibtisch eingeschlafen.«
»Ganz bestimmt?«
»Aber ich schwöre es dir, Liebling!«
»Und der Opal? War er in seiner Schachtel?«
Sir Robert entspannte sich. »Es muss ein Alptraum gewesen sein«, murmelte er.
»Ja, das glaube ich auch.«
Die polizeilichen Ermittlungen verliefen im Sande und wurden in der Rubrik ungelöste Fälle abgelegt. Und dennoch dachte Sergeant Carver, während er andere Fälle bearbeitete, gelegentlich an diesen sogenannten Wolfsfall. Er war sicher, dass es bald einen zweiten Toten mit durchgebissener Kehle geben würde. Er dachte dabei an Mittagsmörder... an Mitternachtsmörder... an Psychopathen oder Irre, die zu ganz bestimmten Zeiten mordeten, raubten oder Einbrüche verübten. Die Zeitungen waren voll von solchen Fällen – aus vielen Ländern der Welt.
Vier Wochen später wurde Dr. Bladish von den Owltons zum Abendessen eingeladen. Es waren noch andere Gäste anwesend. Es gab ein exquisites Mahl, und es klappte alles vortrefflich. Lady Sandra war eine wunderbare Gastgeberin. Sir Robert war sehr stolz auf seine Frau. Er konnte sich an ihrer strahlenden Schönheit berauschen und meinte, allein Sandras wegen sei es wert gewesen, dem alten Lord Hareilsham die Seidenschlinge um den Hals gelegt zu haben.
Nach dem Essen wurde der Kaffee im kleinen Salon serviert. Lady Owlton führte die Unterhaltung. So ganz beiläufig bemerkte sie, dass heute ja Vollmond sei und dass sich sicher wieder die Wolfsmenschen auf den Weg machen würden.
»Ist das Thema nicht ein bisschen zu makaber, Liebes?«, fragte Sir Robert.
»Aber wieso denn – wir sind doch alle erwachsene Menschen und glauben sowieso nicht an solchen Hokuspokus. Was meinen Sie denn dazu, Doktor?«, wandte sie sich an Dr. Bladish.
Der Arzt lächelte. »Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, aber
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Authors/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Mina Dörge.
Korrektorat: Mina Dörge.
Übersetzung: Ernst Heyda (Original-Zusammenstellung).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2022
ISBN: 978-3-7554-0521-4
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