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Leseprobe

 

 

 

 

ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 85:

VALDECS RÜCKKEHR

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

VALDECS RÜCKKEHR von Robert Quint 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

Das Buch

Junk stand auf der Logenplattform, dicht vor der Wendeltreppe, die hinunter zum Computerring führte, und hielt den schweren Stunner krampfhaft umklammert.

»Gehen Sie«, stieß er mit gepresster Stimme hervor. »Bei Myriam, ich beschwöre Sie, wieder hinunterzugehen.«

Die junge Frau auf der Wendeltreppe schwankte, und nur ein schneller Griff zum Geländer rettete sie vor dem Sturz.

»Aber sie sterben«, flüsterte die Frau. »Sie sterben wie die Fliegen, Treiber. Unternehmen Sie etwas. Bitte.« 

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  VALDECS RÜCKKEHR

von Robert Quint

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

Junk stand auf der Logenplattform, dicht vor der Wendeltreppe, die hinunter zum Computerring führte, und hielt den schweren Stunner krampfhaft umklammert.

»Gehen Sie«, stieß er mit gepresster Stimme hervor. »Bei Myriam, ich beschwöre Sie, wieder hinunterzugehen.«

Die junge Frau auf der Wendeltreppe schwankte, und nur ein schneller Griff zum Geländer rettete sie vor dem Sturz.

»Aber sie sterben«, flüsterte die Frau. »Sie sterben wie die Fliegen, Treiber. Unternehmen Sie etwas. Bitte.« 

Die transparente Kuppel, die sich um die Logenplattform der Martin Luther King wölbte, war von röchelnden, wimmernden Lauten erfüllt. Das Stöhnen und Schmerzgeschrei drang von dem Computerring und den darunter liegenden Lager- und Ruheräumen herauf. 

Das muss ein verdammter Albtraum sein, dachte Junk. 

Nervös befeuchtete er seine rissigen Lippen, und er verfluchte die Müdigkeit, die seine Augen gerötet hatte und seine Hände zittern ließ.

»Ich werde schießen«, drohte er mit mühsamer Beherrschung. »Yggdrasil steh mir bei, ich werde schießen, wenn Sie nicht sofort von der Plattform verschwinden. Haben Sie verstanden?«

Die Frau war groß, kräftig, samthäutig. Ihre Haare waren kurz geschnitten und von einem bleichen Grau. Einst musste sie hübsch gewesen sein, doch nun ähnelte ihr Gesicht der pockennarbigen Oberfläche des Mondes.

Stirn, Wangen und Nase waren zerfressen, der Mund nur noch ein dünner Spalt. Aber sie lebte.

Die Kalte Fäulnis tötete nicht. Aber sie schwächte den Organismus. Ihre Virenerreger schleusten sich ein in die genetischen Bauprogramme der Antikörper und verwandelten sie. Die Zellen entarteten. Wie durch eine Krebserkrankung. Der Organismus wurde anfällig für Infektionen, und selbst eine banale Grippe konnte dann das Ende herbeiführen. 

»Sie haben Medikamente«, sagte die Frau, deren Name Junk unbekannt war. Ihre trüben Augen funkelten plötzlich. »Ich weiß, dass Sie Medikamente haben. Aber Sie wollen sie uns nicht geben. Das ist es. Verdammter Treiber-Bastard!«

Die Frau machte einen stolpernden Schritt, und Junk betätigte automatisch den Feuerknopf des Stunners.

Ein Knistern- wie bei einer milden elektrischen Entladung.

Die Frau erstarrte und kippte steif gegen das Geländer.

Junk machte zwei rasche Schritte und fing sie auf, bevor sie die Treppe hinabstürzen und sich verletzen konnte.

Der Treiber lachte krächzend.

Er fühlte sich hilflos, müde, überfordert, und trotz des hermetisch abgedichteten Raumanzugs, den er trug, empfand er schreckliche Furcht vor einer Ansteckung.

»Das hättest du nicht tun dürfen«, erklang die Stimme der Logenmeisterin Ynes in seinem Ohrempfänger. »Sie wäre freiwillig hinuntergegangen.«

Junk presste die Lippen zusammen.

»Dann stell du dich doch an die Treppe«, brach es aus ihm hervor. »Glaubst du, es ist ein Vergnügen? Glaubst du, es macht mir Spaß, mit dem Stunner herumzufuchteln und mit den Leuten zu reden, während ihre Gedanken in mir schreien und betteln?

Und, bei Yggdrasil, diese Angst, diese furchtbare Todesangst … 

Er nahm die Frau ächzend auf die Arme und stieg langsam die gewundene Treppe hinunter.

»Sämtliche Barbiturate sind verbraucht«, hörte er Ynes murmeln. »Und um die Erde zu erreichen, brauchen wir noch eine Flugetappe. Im Weltraum II werden sie alle sterben. Wenn die Kalte Fäulnis sie nicht schon vorher dahinrafft.« Junk sagte nichts. 

Alle Logenmitglieder waren darüber informiert. Schon bei ihrem Abflug von CC-238 hatten sie gewusst, dass die Vorräte an Barbituraten nicht für alle Seuchenopfer ausreichen würden.

Ihre einzige Chance war gewesen, die Flugetappen durch den Weltraum II auszudehnen und so schnell wie nur irgend möglich die Erde zu erreichen. Junk strauchelte und erlangte nur mühsam sein Gleichgewicht zurück.

Seine Außenmikrofone übertrugen das Stöhnen und Seufzen überdeutlich.

Es ist sinnlos, dachte Junk bedrückt. Alles ist sinnlos. Die fünfzig Prospektoren können unmöglich bei wachem Verstand die Schimären des Weltraum II ertragen. Sie sind keine Treiber, nur normale Menschen. Und sie sind krank.

Er erreichte den Computerring und sah sich um.

Der Metallplastboden war mit dünnen Wärmematten übersät. Auf ihnen lagen die Kranken, und sie schienen einem Albtraum entsprungen zu sein. Ruinengesichter. Lepröse Gliedmaßen. Die Kalte Fäulnis fraß seit neun Tagen an ihnen, und vielleicht würde es selbst in der Kosmomedizinischen Klinik auf Luna keine Rettung mehr für sie geben. 

Behutsam legte er die Frau auf einer freien Matte ab und beugte sich dann über einen hoch gewachsenen, hageren Mann, dessen Gesichtszüge aussahen, als hätte eine hochkonzentrierte Säure alle Einzelheiten fortgeätzt.

Nur die Augen … Diese grauen, kalten Augen zeugten noch von Leben und einem ungebrochenen Willen.

Der Prospektor begegnete seinem Blick.

Junk schaltete den Außenlautsprecher ein. »Wie geht es Ihnen?«, fragte er heiser.

Das zerfressene Antlitz zuckte. Der lippenlose Mund – ein Pass in einer narbigen Fläche – öffnete sich.

»Schmerzen«, stieß der Kranke hervor. »Geben Sie mir etwas gegen die Schmerzen, Treiber …«

Junk schluckte.

Mühsam schirmte er sein Bewusstsein gegen die sprudelnden, wirbelnden Gedanken der Seuchenopfer ab. Doch trotz der Blockade vernahm er noch immer das verrückte, entsetzte Gemurmel der Fieberfantasien.

Myriam, hilf mir!, dachte er benommen. 

»Schmerzen«, presste der Kranke erneut hervor.

»Keine Medikamente«, entgegnete Junk leise. »Alles aufgebraucht.«

Neben dem Hageren lagen – dicht an dicht – vier weitere Männer und zwei Frauen.

Junk zwinkerte irritiert, als ihm ihre Ähnlichkeit in Statur und Größe auffiel.

Wie Zwillinge, durchfuhr es ihn.

Und auch ihre Gesichter hatte die Kalte Fäulnis bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst. 

Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn herumwirbeln, und er entspannte sich erst, als er Logenmeisterin Ynes und die Treiber Arasmus und Farfir in ihren schweren Raumanzügen die Wendeltreppe herunterstapfen sah.

Verwundert betrachtete er die Stunner in ihren Händen.

»Es ist die einzige Möglichkeit«, beantwortete Ynes seine unausgesprochene Frage.

Die mollige Frau mit den stets melancholischen Augen gab Arasmus und Farfir einen Wink.

»Wir werden sie mit den Stunnern schocken«, fuhr Ynes mit sonderbarer Ruhe fort. »Auch wenn die Gefahr eines tödlichen Kreislaufkollaps dadurch erhöht wird. Immer noch besser, als im Weltraum II den Verstand zu verlieren.«

Junk nickte nachdenklich. »Es wird sie für eine Weile von ihren Schmerzen befreien«, murmelte er. »Hoffen wir, dass wir das Sonnensystem erreichen, bevor die Stunner-Wirkung nachlässt.« Im Hintergrund schrie jemand. Junk wurde bleich und unwillkürlich ballte er die Fäuste.

Diese Hilflosigkeit, dachte er. Es ist entsetzlich, wenn man helfen will, aber keine Möglichkeit dazu hat. Nur auf Luna gibt es eine Chance, die Kalte Fäulnis zu bekämpfen. Ynes hob ihren Stunner und schoss. Das Knistern hielt lange an, und als es endlich verstummte, herrschte gespenstische Stille. 

Nach einer Weile kehrten die beiden anderen Treiber aus den unteren Räumen zurück.

Arasmus, der alte, weißhaarige Terranaut, der wegen einer schweren Schussverletzung aus dem kämpfenden Teil der Bewegung ausgeschieden war und nun für den Bund der Freien Welten arbeitete, machte eine knappe Handbewegung.

»Gehen wir wieder hinauf«, ordnete Ynes an.

Die Logenmeisterin straffte sich. Junk musterte sie verstohlen, und er war nicht überrascht, auch in ihrem Antlitz Spuren der Erschöpfung zu finden.

Wir alle sind überanstrengt, sagte sich Junk. Über tausend Lichtjahre in einer Handvoll Tagen! Ein Wunder, dass noch keiner von uns ausgebrannt ist!

Stumm folgte er dann der Logenmeisterin die Spiraltreppe hinauf, betrat die Plattform, über die die Mistel ihr sanftes goldenes Licht warf.

Die drei übrigen Treiber der Loge der Martin Luther King hockten zusammengesunken in ihren Servosesseln, und in ihren Raumanzügen erinnerten sie Junk auf diffuse Weise an graue, versteinerte Schildkröten. 

Er gähnte.

Geistesabwesend sog er mit dem Trinkhahn den Vitaminsaft aus dem Wasserbehälter des Überlebenssystems und warf einen Blick auf die Anzeige der Sauerstoffpatronen.

Fast leer.

Vor dem Eintauchen in den Weltraum II würde er sie noch auswechseln müssen.

Ächzend ließ er sich in seinen Sitz fallen und sah hinauf zur Kuppel, hinter der schwarz der interstellare Raum waberte. Selbst die Lichtpunkte der fernen Sterne tanzten vor seinen übermüdeten, brennenden Augen.

»Achtundsechzig Lichtjahre noch bis zur Erde«, murmelte Tea Loftoulos, die einzige Treiberin an Bord des Frachters, die auf der Erde geboren war.

Jemand fluchte. Farfir. »Unsere Prämie«, sagte der bullige Mann mürrisch. »Sie ist bereits vom Schwarzen Loch verschluckt. Warum, bei allen Raumgeistern, mussten wir auch ausgerechnet diesen sternverlassenen Rohstoffplaneten anfliegen? Auf Ginger wartet man auf die Algensammler, die in den Containern lagern, und ich gehe jede Wette ein, dass man uns im Sonnensystem unter Quarantäne stellt.«

Farfir fluchte erneut. »Den Seuchenopfern ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Es war völlig verrückt, sie …«

»Genug!«

Ynes’ Stimme klang schneidend wie geschärfter Stahl.

Milder fuhr sie dann fort: »Im Bund und auf Ginger wird man Verständnis für unsere Handlungsweise haben, Farfir. Was also soll dieses Geschwätz? Du redest wie ein profitgieriger Servis. Vergiss nicht, dass es um das Leben von über fünfzig Menschen geht.«

Farfir sagte nichts.

Als Junk verstohlen zu ihm hinüberblinzelte, stellte er fest, dass der Bullige blass geworden war.

Es liegt an der Müdigkeit, sagte sich Junk. Keiner von uns kann noch richtig denken, und es wäre ein Wunder, wenn wir die Erde ohne Sprungkorrektur erreichen würden.

Mit geübten Griffen holte er zwei Sauerstoffpatronen aus dem Depot unter seinem Servosessel hervor und tauschte sie gegen die verbrauchten Zylinder aus.

Logenmeisterin Ynes räusperte sich.

»Bereiten wir uns auf das Eintauchmanöver vor«, sagte sie schleppend. »Fühlt sich jeder kräftig genug?«

Zustimmendes Gemurmel antwortete ihr.

Junk legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zur Mistel, die in der Schale mit der Konservierungsflüssigkeit schwamm und mattgolden glühte. 

Er konzentrierte sich und spürte, wie er langsam in die psionische Trance versank. Zuerst leise, dann immer deutlicher werdend vernahm er die telepathischen Stimmen der anderen Logenmitglieder und Ynes' koordinierende, fürsorgliche Impulse.

Junk verlor seine Identität, als er sein PSI-Potential mit den Kräften der anderen vereinigte und mit der Mistel zu kommunizieren begann.

Merkwürdigerweise galt sein letzter Gedanke vor dem Eintauchen in das Chaos des Weltraum II dem hageren Mann mit dem zerfressenen Gesicht und den kalten grauen Augen, der unter ihm auf dem Boden des Computerrings ruhte und auf die Rettung wartete – oder auf den Tod.

Die Martin Luther King verschwand im Weltraum II. 

 

*

 

»Geschwindigkeit?«

»Stabil.«

»Absorber und Prallfeld?«

»Neunundachtzig Prozent mit abfallender Tendenz.«

Baumeister Zarkophin stieß eine Verwünschung aus und drehte sich in seinem Sitz den komplizierten Messgeräten zu, die in der Zentrale des Ringos provisorisch installiert worden waren.

Die Queen Myra, die die Regent-Vier kommandierte, blieb kühl und ruhig wie immer. Das große, fluoreszierende ›K‹ auf der rechten Brustseite ihrer mausgrauen Montur stach in Zarkophins Augen, als er wieder den Kopf wandte und die Kaiser-Graue ansah. 

»Diese Sonden taugen nichts«, erklärte der Baumeister mürrisch. »Die Abschirmkristalle sind nicht rein genug. Verdammt, warum ist damals die Aktion auf Krisan auch fehlgeschlagen? Ich kann nicht mit minderwertigen Materialien vernünftige Ergebnisse erzielen.«

Die Queen Myra musterte ihn mit ihren blassen, ausdruckslosen Augen.

»Ihnen bleibt keine andere Wahl, Herr«, erinnerte die Graue nüchtern. »Sie kennen die Anweisungen des Lordoberst.«

Zarkophin schnitt ein düsteres Gesicht.

Natürlich kenne ich die Anweisungen, dachte er wütend. Es ist unnötig, dass mich ein gehirnamputiertes Weibsbild daran erinnert.

Aber er sagte nichts.

Schließlich hatte Myra Recht.

Rasch überprüfte der Baumeister noch einmal die Werte der Messgeräte und entschied sich, das Risiko einzugehen.

»Verringern wir die Distanz auf vier AE«, befahl er rau. »Und sorgen Sie dafür, Queen, dass unser Schutzschirm mit ausreichend Energie beschickt wird.«

»Natürlich«, nickte die Kommandeuse.

Kurz darauf flammten die Photonenbrenner des Spezialringos auf. Das kugelförmige Raumschiff, dessen Magnetringe deaktiviert waren, gewann an Geschwindigkeit und näherte sich rasch der fernen, bläulichen Sonne, die sich auf den Bildschirmen der Direktbeobachtung als winziger Lichtpunkt abzeichnete.

Die Echos auf den Radarmonitoren veränderten scheinbar ihre Position, als die Regent-Vier über die horizontale Ebene des Systems der sechzehn Planeten hinausschoss und nun von ›oben‹ auf die Sonne und ihre Trabanten hinunterstürzte. Zarkophin lächelte plötzlich. 

Also stimmte seine Vermutung. Die superphysikalischen Phänomene – künstlich erzeugt durch die per Zarkophin-Schild gebündelten und über Transitkanal abgestrahlten Restenergien eines Kaiserkrafttriebwerkes – konzentrierten sich im Bereich der planetaren Umlaufbahnen.

»Absorber und Prallfeld der Sonden Ce und De jetzt auf einundsiebzig Prozent«, sagte die Queen Myra in die Stille hinein, die nach dem Abschalten der Photonenbrenner in der Zentrale des Ringos herrschte. Zarkophin zuckte

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Robert Quint/Apex-Verlag. Published by arrangement with Thomas R. P. Mielke and Rolf W. Liersch.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Pixabay. DIE-TERRANAUTEN-Logo by Arndt Drechsler.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Andrea Velten.
Korrektorat: Andrea Velten.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2021
ISBN: 978-3-7554-0205-3

Alle Rechte vorbehalten

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