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Leseprobe

 

 

 

 

MICHAEL ROBERTS

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 81:

TREIBER-PIRATEN

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

TREIBER-PIRATEN von Michael Roberts 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

Das Buch

Voller Unruhe fieberten mein Clanbruder Falk und ich dem Ende der langen lagundischen Nacht entgegen. Obgleich ich von den Strapazen der letzten Tage völlig erschöpft und todmüde war, ließ mich die Nervosität doch kaum einschlafen. Immer wieder musste ich an das schreckliche Schicksal denken, das meiner Clanschwester Jelina bevorstand.

Ich hatte eine meiner Visionen gehabt. Und in dieser Vision hatte ich gesehen, wie die verrückten Himmelswächter Jelina auf einem Scheiterhaufen verbrannten. Dieses Ereignis lag irgendwann in der nahen Zukunft. Falk und ich hofften sehnlichst, dass wir noch rechtzeitig genug kommen würden, um unsere Clanschwester retten zu können...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  TREIBER-PIRATEN

von Michael Roberts

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

Voller Unruhe fieberten mein Clanbruder Falk und ich dem Ende der langen lagundischen Nacht entgegen. Obgleich ich von den Strapazen der letzten Tage völlig erschöpft und todmüde war, ließ mich die Nervosität doch kaum einschlafen. Immer wieder musste ich an das schreckliche Schicksal denken, das meiner Clanschwester Jelina bevorstand.

Ich hatte eine meiner Visionen gehabt. Und in dieser Vision hatte ich gesehen, wie die verrückten Himmelswächter Jelina auf einem Scheiterhaufen verbrannten. Dieses Ereignis lag irgendwann in der nahen Zukunft. Falk und ich hofften sehnlichst, dass wir noch rechtzeitig genug kommen würden, um unsere Clanschwester retten zu können.

Die Verrückten hausten in der Himmelsstadt, die auf einem der Gipfel des Vulkans Krakata lag. Das Dumme war nur, dass wir nicht wussten, auf welchem. Das Gebirgsmassiv des Krakata bestand aus mehreren Einzelgipfeln, von denen jeder einzelne in Frage kommen konnte. Vom Tal aus war es unmöglich, die Stadt zu erkennen. Wie fast überall auf Lagund wurden die höchsten Berggipfel von einer dichten Wolkendecke eingehüllt. Der Krakata bildete da keine Ausnahme. Wir setzten jedoch unsere Hoffnungen darauf, dass es uns bei Tageslicht gelingen würde, einen nach oben führenden Weg zu entdecken.

Schweißgebadet wälzte ich mich in meinem Schlafsack hin und her. Es war warm im Zelt, beinahe heiß. Der vor wenigen Stunden zu Ende gegangene Vulkanausbruch hatte die Luft so erhitzt, dass noch immer keine richtige Abkühlung eingetreten war. Ich hatte das Gefühl, als würde ich langsam, aber sicher dahinschmelzen.

»Bei den Ahnen«, fuhr mich Falk an, »wirst du wohl endlich mal stillliegen? Ich kann ja kein Auge zumachen!«

»Tut mir leid«, murmelte ich, »aber …«

»Hast du noch Schmerzen, Thor?«

Schmerzen? O ja, ich hatte noch Schmerzen. Glühende Lavaspritzer hatten meine Haut an mehreren Stellen verbrannt. Beim Kampf mit ein paar Pruuts waren mir mehrere Rippen gebrochen worden. Außerdem hatte ich mir bei einem Sturz auch noch eine dicke Beule am Kopf zugezogen. Selbst der gestrenge Clanvater hätte mich unter diesen Umständen vom Arbeitsdienst freigestellt, daran zweifelte ich nicht. Aber solche Überlegungen waren natürlich jetzt ohne jede Bedeutung. Ich hatte mich aus freien Stücken auf den weiten Weg gemacht, um Jelina zu retten. Und dabei würde es auch bleiben, Schmerzen hin, Schmerzen her.

»Es lässt sich aushalten«, gab ich meinem Clanbruder deshalb zur Antwort.

»Dann verhalte dich gefälligst ruhig! Morgen liegt ein anstrengender Tag vor uns!«

Falk war ein rauer Bursche. Aber ich wusste inzwischen, dass sich unter seiner harten Schale ein weicher Kern verbarg. Und er hatte natürlich recht. Ich musste versuchen, so schnell wie möglich einzuschlafen, um meinen geschwächten Körper wieder zu Kräften kommen zu lassen.

Irgendwann musste es mir dann tatsächlich gelungen sein einzuschlafen. Als ich wieder wach wurde, war die Morgendämmerung bereits angebrochen. Falk hatte sich schon vor mir aus seinem Schlafsack geschält. Ich hörte ihn draußen vor dem Zelt rumoren.

Ich fühlte mich merklich besser als vor dem Einschlafen. Die Kopfschmerzen hatten stark nachgelassen, und auch die Stiche in der rechten Brustseite ließen sich jetzt ganz gut aushalten. Vielleicht waren die Rippen gar nicht gebrochen, sondern nur ein bisschen angeknackst. Nur die Brandflecken jagten noch immer Schmerzwellen durch meinen Körper. Aber auch das würde vergehen. Insgesamt jedenfalls konnte ich sagen, dass mir der Schlaf sehr gut getan hatte. Jetzt noch etwas Kräftiges in den Magen, dann war ich zu großen Taten bereit.

Falk schien das geahnt zu haben. Er war gerade dabei, ein Feuer anzuzünden. Den letzten Rest unseres Ingxi-Fleisches hatte er bereits auf die Bratspieße gesteckt.

»Ah, da bist du ja, Bruder Thor«, nickte er mir zu. »Hast du dich etwas erholt?«

»Mir geht es ganz ausgezeichnet.«

»Freut mich, das zu hören. Dann kannst du dich auch gleich nützlich machen. Wir müssen sorgsam mit unseren Wasservorräten umgehen. Wenn ich mich nicht getäuscht habe, dann sind wir heute Nacht an einer Quelle vorbeigekommen. Da, hinter den Felsen!«

»In Ordnung.«

Ich nahm die leeren Wasserflaschen und machte mich auf den Weg. Dabei vergaß ich nicht, mein Gewehr mitzunehmen. Obgleich die Gegend so öde war, wie ich sie öder selten gesehen hatte, konnte doch hinter jedem Felsen eine tödliche Gefahr lauern. Pruuts zum Beispiel, jene mit einem Schuppenpanzer versehenen Raubtiere, die uns am gestrigen Abend beinahe erwischt hätten.

Die Quelle zu finden, bereitete mir keine großen Schwierigkeiten. Es handelte sich natürlich um eine Quelle vulkanischen Ursprungs. Die heißen Wasserdampfwolken wiesen mir den Weg. Und der schweflige Geruch tat ein Übriges.

Beim Füllen der Flaschen verbrühte ich mir die Finger nicht. Einmal abgesehen von den weit entfernt liegenden Ozeanen, kam das meiste Wasser glühendheiß aus dem Boden. In den gut neun Jahren meines Lebens hatte ich gelernt, damit umzugehen.

Als ich zu unserem Lagerplatz, der sich in einer kleinen Felsenmulde befand, zurückkehrte, empfing mich würziger Bratenduft. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Im Handumdrehen hatten wir Porque gekocht, dann ließen wir es uns schmecken.

Langsam wurde es heller. Die Umrisse der Landschaft schälten sich immer deutlicher aus dem Zwielicht der Morgendämmerung. Kahler Boden, schroffe Felsen, steil in die Höhe wachsende Berge. Und über allem die ewigen Wolken Lagunds, die niemals das Gesicht der Sonne durchschimmern ließen. Ausnahmsweise regnete es mal nicht. Aber es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis der trübe Himmel wieder seine Schleusen öffnete.

Falk schob sich den letzten Brocken Fleisch in den Mund und spülte mit einem Schluck Porque nach.

»Schluss mit der Faulenzerei. Wir haben zu tun!«

»Ja«, sagte ich, »ich komme …«

In diesem Augenblick passierte es wieder. Das Licht der Erkenntnis flackerte in meinem Bewusstsein auf.

Licht der Erkenntnis – so hatten Jelina und ich in unserer Kindheit die Visionen genannt, die wir in unregelmäßigen Abständen und unter nicht kontrollierbaren Umständen hatten. Visionen von Ereignissen, die sich irgendwann in der Vergangenheit abgespielt hatten oder zu denen es erst noch in der Zukunft kommen würde. Im Clandorf hatte man uns meistens nur ausgelacht und uns kein Wort geglaubt. Aber wir hatten uns dadurch nicht beirren lassen. Wir wussten, dass wir uns nichts einbildeten. Die Dinge, die wir sahen und hörten, waren keine Hirngespinste, sondern Realität.

Auch die Szene, die ich jetzt vor meinem inneren Auge sah, war Realität.

Es war eine erschreckende, eine furchteinflößende Szene, die mir den kalten Schweiß auf die Stirn treten ließ.

Ich sah einen Berg, einen Berg, den ich auch schon mit meinen normalen Augen gesehen hatte, denn ich erkannte sein unverwechselbares Profil sofort wieder. Ein steil ansteigender Weg, der ohne Zweifel künstlichen Ursprungs war, wand sich die Flanke des Berges empor. Und auf diesem Weg bewegten sich zwei junge Männer vorwärts.

Falk und ich!

Dass ich mich selbst sah, war nicht so außergewöhnlich. Es kam nicht häufig vor, aber ein paar Mal war der Fall doch schon eingetreten. Vor zwei Jahren zum Beispiel hatte ich mich gesehen, als ich unweit des Clandorfes von den kochenden Wasserstrahlen eines neu entstandenen Geysirs getroffen wurde. Der Anblick war fast noch erschreckender gewesen als das tatsächliche Ereignis, das sich dann auch prompt ein paar Tage später abgespielt hatte.

Und auch jetzt zeigte mir das Licht der Erkenntnis ein wirklich beängstigendes Bild. Falk und ich torkelten den Weg entlang, als ob wir zu viel Wing getrunken hatten. Falk war ein paar Schritte vor mir. Er schwankte nach links, schwankte nach rechts, brach dann in die Knie und schien nicht mehr in der Lage zu sein, sich wieder aufzurichten. Ich sah sein verzerrtes Gesicht, als er sich mit letzter Energie dann doch wieder hochriss und weitertaumelte.

Mir selbst ging es nicht besser. Auch ich konnte mich sichtlich kaum noch auf den Beinen halten. Mein Mund war weit geöffnet, die Zunge hing halb heraus. Es sah fast so aus, als würde ich keine Luft bekommen.

»Falk«, hörte ich mich röchelnd rufen, »ich kann nicht …«

Mehr bekam ich nicht heraus. Die Beine versagten mir den Dienst. Ich drehte mich um meine eigene Achse und klappte dann zusammen. Reglos blieb ich auf dem Boden liegen.

Mir schlug das Herz bis zum Halse, als ich mich so daliegen sah. War ich bewusstlos? Oder gar schon … tot?

Falk hatte meinen Ruf gehört. Er verhielt seinen torkelnden Schritt, drehte sich ganz langsam um. Auch er schien unter schwerer Atemnot zu leiden. Ich sah, wie er sich an den Hals fasste und würgende Bewegungen machte. Schwankend kam er auf mich zu und ging neben meinem reglosen Körper in die Hocke. 

»Thor, kannst du mich hören?«

Mein zukünftiges Ich gab keine Antwort.

Thor klatschte mir ein paar Mal die Hand ins Gesicht. Aber er erreichte damit nicht das Geringste. Ich zeigte keinerlei Reaktion, lag da wie tot.

Dann erwischte es auch ihn. Deutlich sah ich, wie er die Augen verdrehte. Krampfhaft versuchte er, sich auf den Füßen zu halten. Es gelang ihm nicht. Er kippte nach vorne, fiel auf mich. Ein paar letzte Zuckungen gingen durch seinen Körper. Dann lag er genauso still und bewegungslos da wie ich.

Sekundenlang noch sah ich diese albtraumhafte Szene. Dann fing das Bild in meinem Bewusstsein an, sich aufzulösen. Ein paar Augenblicke später erkannte ich nichts mehr. Das Licht der Erkenntnis war erloschen.

Ich öffnete die Augen, die ich während der Vision geschlossen gehabt hatte.

Falk stand vor mir und blickte prüfend auf mich herunter. Er schien zu ahnen, was geschehen war.

»Hast du wieder … etwas gesehen, Bruder Thor?«

Ich nickte stumm. Im Moment war ich gar nicht imstande zu sprechen. Zuerst musste ich mich ein bisschen von dem Schock des Gesehenen und Gehörten erholen. 

Dann erzählte ich meinem Clanbruder, was mir das Licht der Erkenntnis gezeigt hatte.

 

*

 

Erbittert hämmerte Edison Tontor gegen die luftdicht verschlossene Tür des Quarantäneraums. Er war außer sich vor Zorn und Frustration.

Dieses Untermenschengesindel hatte es doch glatt gewagt, ihn einzusperren wie ein wildes Tier. Ihn, den zukünftigen Herrscher des Universums!

Er tobte und schrie und stampfte von einem Fuß auf den anderen. Aber er erreichte damit nicht das Geringste. Keiner der Schiffsbesatzung, weder seine sogenannten Logenbrüder und -schwestern noch Kapitän Artuur Morgh und seine Leute, beachtete ihn.

Nachdem er sich ausgetobt hatte, wurde Edison Tontor ruhiger. Und damit kehrte auch sein Verstand zurück, den der blinde Zorn ganz in den Hintergrund gedrängt hatte.

Er musste zugeben, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es war höchst töricht gewesen, Jeng-Jeng, den Ersten Offizier der Stortis, anzugreifen. Musste der Kerl auch seinem Todfeind Max von Valdec so ähnlich sehen, dass es bei ihm immer wieder zu unkontrollierten Hassausbrüchen kam, die ihm das Unterbewusstsein aufzwang? Er musste sich zusammenreißen, musste dafür sorgen, dass es nicht abermals zu einem solchen Zwischenfall kam. Er konnte es sich nicht leisten, dass das Misstrauen der Besatzung ihm gegenüber immer größer wurde. Es bestand sonst die Gefahr, dass jemand seine wahre Identität herausfand. Noch hielten sie ihn alle für den an Psycho-Epilepsie leidenden Treiber Kirju Haapala. Dass es seinem, Edison Tontors, körperlosen Id gelungen war, den Weg aus Weltraum II in den Geist Haapalas zu finden und diesen zu unterjochen, konnte noch niemand ahnen. 

Und dabei musste es auch bleiben!

In der Gestalt Kirju Haapalas würde es ihm gelingen, wieder den Gipfel der Macht zu ersteigen, den er als General-Manag und Führer des Bunds der Freien Welten in seinem ersten Leben erreicht hatte. Ja, er würde noch viel mächtiger werden. Schließlich hatte ihn die Vorsehung dazu bestimmt, das gesamte Universum zu beherrschen.

Zunächst aber musste er die Rolle ausfüllen, die er jetzt zu spielen hatte. Die Rolle eines kleinen Treibers, dem seine Krankheit mehr zu schaffen machte, als ihm selbst und allen anderen an Bord der Stortis lieb war. 

Getreu dieser Überlegung verhielt er sich während der nächsten Stunden ganz ruhig und friedlich.

Und diese Besonnenheit trug auch ihre Früchte. Der Holoschirm in seinem kahlen Raum flammte auf einmal auf. Das Gesicht des Logenmeisters Laacon Merlander wurde sichtbar.

»Kirju?«

Tontor erhob sich von seiner Pneumoliege und trat vor die Aufnahmesensoren des Kommunikationsgeräts.

»Ja, Logenmeister?«

»Wie fühlst du dich, Kirju?«

Sieh an, dachte Tontor zynisch, der gute Vater kümmert sich um seine unartigen Kinder.

Laut sagte er: »Ich fühle mich gut. Und ich bin auch wieder ganz normal!«

»Wirklich?« Ein gewisser Zweifel drückte sich in Laacon Merlanders Stimme aus.

»Ganz bestimmt. Hol mich wieder raus aus der Quarantänezelle, Logenmeister.«

»Warte einen Augenblick, Kirju.«

Merlanders Gesicht verschwand vom Holoschirm, wich einem anderen.

»Wer bin ich, Haapala?«

»Sie sind Jeng-Jeng, Erster Offizier der Stortis!« 

»Nicht Lordoberst Max von Valdec?«

Tontor schüttelte den Kopf. »Nein, gewiss nicht. Ich sagte doch schon, dass ich wieder ganz normal bin.«

»Hoffen wir es, Haapala, hoffen wir es«, sagte Jeng-Jeng.

Ein paar Minuten später war Edison Tontor wieder frei.

 

*

 

»Es müsste sich also um diesen Gipfel da drüben handeln«, sagte Falk

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Michael Roberts/Apex-Verlag. Published by arrangement with Thomas R. P. Mielke and Rolf W. Liersch.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Pixabay. DIE-TERRANAUTEN-Logo by Arndt Drechsler.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Andrea Velten.
Korrektorat: Andrea Velten.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 22.08.2021
ISBN: 978-3-7487-9222-2

Alle Rechte vorbehalten

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