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Leseprobe

 

 

 

 

CHARLES LARSON

 

 

Mord in Hollywood

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 232

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

MORD IN HOLLYWOOD 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

Joanna Redfern lebt ein ungebundenes Leben unter den Filmleuten von Hollywood. Bis man einen ihrer Freunde, den farbigen Schauspieler Dan Gladstone, ermordet und Joanna nicht nur von der Polizei, sondern auch vom Mörder in die Enge getrieben wird...

 

Der Roman Mord in Hollywood des US-amerikanischen Schriftstellers Charles Larson (* 06. Juni 1924; † 13. September 1982) erschien erstmals im Jahr 1973; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1974. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   MORD IN HOLLYWOOD

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Prolog

 

 

Er lag unter einer Eiche auf dem Bauch. Seine Hände beschirmten die Augen, die Baseballmütze war ihm in den Nacken gerutscht. Man meinte, er würde nach irgendetwas Ausschau halten. Der Mann war sicher an die einsneunzig groß und dunkelhäutig. Unten im Laurel Canyon kroch der Verkehr langsam in Richtung Mulholland und Hollywood.

Der Morgen war warm, der Tag würde heiß werden. Gemächlich zog ein Falke seine Kreise und beobachtete dabei die Gegend.

Allmählich wurde der Verkehr spärlicher. Eine Säge kreischte in den Hügeln hinter dem spähenden Mann; er achtete nicht darauf. Nach und nach erschlafften die Muskeln in seinem strengen Gesicht - zuerst klappte das Kinn nach unten, dann fielen die Wangen ein, seine Augen aber blieben offen. Sein Auto stand etwa acht Meter von ihm entfernt auf einer schmalen, mit Unkraut bewachsenen Straße. Diese endete in einem abgebrannten Feld, das kreuz und quer von Reifenspuren durchzogen war. Sie stammten von schweren Motorrädern. Motorräder fuhren hier kaum noch - dafür hatte die Polizei gesorgt. Nun diente das Feld nur noch als Zusammenkunfts-Ort für junge Leute; Kinder aus den weiter entfernt liegenden Häusern zog dieser Platz magisch an.

Hier konnte man ungestört ein gestohlenes Bier hinunterkippen, den Untergang der Sonne beobachten und bis spät in die Nacht miteinander über den Hass auf die Alten sprechen.

Gegen zehn Uhr näherten sich dem Feld zwei Kinder, wohl Schulschwänzer, und entdeckten, als sie etwa die Mitte erreicht hatten, das Auto des Mannes. Das Mädchen wollte fliehen, rannte auch ein Stück davon. Der Bruder hingegen blieb und warf Steine nach einer Blechdose. Dabei pfiff er laut, um auf sich aufmerksam zu machen. Nichts rührte sich; also schlenderte er hinüber zum Auto. Auch das Mädchen war zurückgekommen und folgte ihm. Das Auto war ein ziemlich neuer Ford Fairlane. Nachdem er ein Feuerzeug entwendet hatte, befahl er seiner Schwester, ihm beim Abmontieren der Radkappen zu helfen; diese hatte aber inzwischen den vermutlichen Besitzer des Wagens entdeckt und wollte gerade wieder davonlaufen. Halb gelähmt vor Schreck wies sie auf eine Stelle im hohen Gras, öffnete den Mund und verzog mit weitgeöffneten Augen das Gesicht.

Der Junge glaubte, sie habe sich vor einer Schlange erschrocken oder gar nur vor einem Stock, der so aussah. Er befahl ihr, aus dem Wege zu gehen und warf das Feuerzeug. Es traf den dunkelhäutigen Mann an der rechten Hüfte. Er schien das nicht zu bemerken, denn er starrte weiter in den Canyon hinunter.

Das Mädchen, das wie ein Häufchen Angst auf dem Boden kauerte, richtete sich nun langsam wieder auf.

»Mensch«, begann ihr Bruder, »das ist aber bestimmt das letzte Mal...«

»Mark«, unterbrach ihn das Mädchen flüsternd.

»Was ist denn?«

»Komm mal her.«

»Warum?«

»Komm doch.«

Wie gelangweilt und doch vorsichtig ging der Junge zu dem Mädchen, das im hohen Gras unter der Eiche stand. Sie blickte ihn fragend an. Er war schon zwölf Jahre alt - älter als sie - und wusste immer, was zu tun war. Zuerst hob er das Feuerzeug auf, dann nahm er die Baseballmütze des Negers weg.

Ungeziefer kroch in dem Blut herum, das an der Schädelbasis des Mannes zu sehen war. Er war aus kürzester Entfernung erschossen worden. Die Kugel musste tief in den Hinterkopf eingedrungen sein.

Der Junge presste die Lippen zusammen und sog hörbar Luft durch die Nase ein.

Das Mädchen warf den Kopf nach hinten und schrie, schrie genauso, wie sie es im Fernsehen bei den Großen gesehen hatte.

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Red saß in ihren Sessel zurückgelehnt, hatte die Beine übereinandergeschlagen und hielt ein Filmverzeichnis in den Händen. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, groß und hatte schwarze, kurze Haare. Joanna Redfern war gerade mit dem Studium in Bennington fertig geworden.

Ihr gegenüber saß Blixen an seinem riesigen Schreibtisch und machte ein mürrisches Gesicht. Aus der Ferne konnte man das Geklapper von Sandersons Schreibmaschine hören, der gerade dabei war, das Drehbuch zu überarbeiten.

Irgendwo klingelte ununterbrochen ein Telefon.

»Will jemand Kaffee?«, fragte Ellis von der Tür her.

»Prima Idee«, meinte Blixen.

»Du willst ihn schwarz, nicht wahr, Nils-Frederik? Red? Sahne? Zucker?«

»Keinen Zucker, keine Sahne«, meinte Red.

Blixen schaute zu Ellis hinüber, der schnell die Tür öffnete. »Ach, Mary - hören Sie mal...«

»Mary?«, schrie Blixen, »sind Sie immer noch da?«

»Ja«, antwortete sie.

Blixen fasste sich an die Stirn, erhob sich und durchquerte das Zimmer in Richtung des Büros seiner Sekretärin, einer dunkelhaarigen, etwas korpulenten Frau, die auf der Couch saß. Sie wickelte blaue Wolle auf, die sie einem Taxifahrer über die Hände gespannt hatte. Sie drehte sich um, schob ihre Brille zurecht und fragte: »Was ist denn?«

»Mary, Sie hätten doch nicht zu bleiben brauchen«, meinte Blixen verärgert. »Ich sagte Ihnen doch, Sie könnten gehen, oder nicht?«

»Hm-hm.«

»Mein Gott, es ist doch bestimmt schon acht Uhr«, fuhr Blixen fort.

»Fünfzehn nach«, warf der Taxifahrer ein, »aber wen kümmert das schon?«

»Wer ist das?«, donnerte Blixen.

»Ich bin der Taxifahrer.«

Mary schob wieder die Brille hoch. »Joanna hatte ihn schon für sieben Uhr dreißig bestellt.«

Blixen sah sich um, das Mädchen saß immer noch in seinem Sessel. »Na gut, ich versuche, hier so schnell wie möglich fertig zu werden.«

»In einer Stunde habe ich Dienstschluss.«

»Gehen Sie doch, wir bestellen einen anderen.«

»Nein, nein, schon gut.«

Blixen seufzte und ließ Ellis vorbei. Er brummelte: »Mary!« und hielt drei Finger hoch.

»Schwarz?«

»Zwei schwarz, einen mit Sahne.«

»Ach, Leonard, Ihre Enkelin hat angerufen.«

»Tatsächlich, wann?«, fragte Ellis.

»Etwa vor zwanzig Minuten. Sie meinte, ich sollte Sie nicht stören, aber Sie sollten sie anrufen, bevor Sie gehen.«

Ellis nickte, schloss die Tür hinter sich und ging leise zur Couch zurück. Blixen saß hinter seinen Nilpferden und beobachtete ihn mürrisch.

»Leonard, schleich nicht so auf Zehenspitzen. Was soll das denn?«

»Ich wollte dich nicht stören.«

»Dann geh doch wie ein Mann, um Gottes willen, behaupte dich doch mal.«

Ellis nahm den Hörer des Nebenapparats auf. »Wie wähle ich nach auswärts? Neun? Acht?«

»Acht!«

»Acht«, murmelte Ellis, während er wählte, insgesamt acht Nummern.

Red saß sehr aufrecht in ihrem Sessel. Das Schauspielerverzeichnis lag auf ihren schlanken Oberschenkeln. Sie wies auf ein Bild.

»Nun, das ist eine Schauspielerin! Sie ist toll!«, meinte sie.

»Wer?«

»Sie ist nichts für uns, aber sie sieht wirklich interessant aus«, meinte Red.

»Hallo, Süße!« Ellis war durchgekommen. »Hier ist Opa, du hattest mich angerufen?«

»Bring das Buch her«, hörte man Blixen sagen.

»Sie ist doch aber nichts für uns!«

»Bringst du mir endlich das verdammte Buch!«, fuhr Blixen auf.

»Donny Osmond!« Ellis war überrascht. »Ich dachte, du hast dich in David Cassidy verliebt? Was ist denn mit David? Na gut. Ja, und was ist, wenn sie die Ausgabe nicht haben, die - ja. Egal was, Hauptsache Donnys Bild ist auf der Titelseite. Verstanden und wird gemacht. Also bis dann!«

Red hatte sich über Blixen gebeugt, um ihm das Bild einer Dunkelhaarigen namens Isabel Chavez zu zeigen.

»Letzten Frühling wollte sie mich noch davon überzeugen, dass Bobby Sherman sie braucht«, sagte sie nun zu Ellis.

»Damals war sie ja auch noch ein Kind von dreizehn Jahren«, erklärte dieser, »aber nun kennt sie die Liebe!«

»Woher kennst du denn Heidi?« Blixen wandte sich an Red.

»Ach, ich kenne Heidi schon seit Jahren.«

»Wir sind Nachbarn«, erklärte Ellis.

»Was, tatsächlich?«

»Red und ich wohnen im selben Haus - na, wie heißt’s denn wieder? Na, auf jeden Fall ist es im selben Haus, ein Haus mit vier Wohnungen.«

»Drüben in De Longpre«, fügte Red hinzu. »Es ist eine herrliche Gegend; ich liebe sie.«

»Dort ist man aber immer noch völlig gegen Schwarze eingestellt«, meinte Ellis.

»Was, heutzutage noch?«, fragte Blixen überrascht.

»Ja, gerade heutzutage«, erwiderte Ellis. Er räusperte sich, und als Blixen aufsah, hatte Red einen hochroten Kopf. Ellis zog ein Taschentuch hervor, putzte sich die Nase und beobachtete schweigend die allgemeinen Reaktionen.

»Siehst du, die Chavez ist nichts«, meinte Red und schlug aufs Buch. »In keiner Weise; du brauchst eine Schönheit.«

»Was ist denn geschehen, Leonard?«, fragte Blixen.

»Nichts ist geschehen«, fuhr Red dazwischen.

»Richtig«, meinte Ellis, »Sturm im Wasserglas!«

»Drohungen?«, fragte Blixen.

»Ich hatte einen schwarzen Bekannten. Irgendjemand hatte was dagegen«, erklärte Red ärgerlich.

»Anonyme Briefe«, erklärte Ellis.

Nachdenklich lehnte sich Blixen in seinen Drehsessel zurück, seine Augen auf Reds wütendes Gesicht gerichtet. Er fragte: »Na, und was hast du dagegen unternommen?«

»Von der Zeit an gab ich ihm den Gutenachtkuss draußen vor dem Haus«, meinte Red zynisch. »Ich wollte ja nicht, dass irgendjemand etwas verpasst.«

Blixen grinste.

Red sah ihn eine Weile schief an, dann wollte sie das Verzeichnis zuklappen, aber Blixen hatte schon die Finger zwischen die Seiten geschoben.

»Sie ist doch nicht die Richtige«, war Reds Reaktion darauf. »Ich weiß genau, was du suchst. Gib mir noch ein paar Tage Zeit...«

»In welchen Filmen hat sie denn schon mitgespielt?«, fragte Blixen.

»In wenigen. Einmal in der Gunsmoke-Serie, und ich glaube, auch einmal in Bonanza.«

»Ja, was ist so berauschend an dieser Schauspielerin?«

Red verschränkte die Arme über der Brust. »Sag bloß, sie interessiert dich?«

»Es ist ein interessantes Gesicht.«

»Es ist ein hässliches Gesicht.«

»Stimmt!«

»Sag mir mal eines«, meinte Red. »Wie stellst du dir vor, dass ein Mädchen vom Lande aussehen sollte?«

»Wie Mutter Erde.«

»Aber wie? Erschöpft? Schlaff? Oder wie Grace Kelly?«

»Wie-stellst du sie dir denn vor?«

»Also - vor einem Monat sah ich Isabel Chavez in Mädchen vom Lande. Dieser Trau hätte ich alles glauben können. Wenn ihr Mann dem Direktor erzählt, sie wäre Miss Mexico, glaubt man’s. Wenn er meint, sie hätte einen Selbstmordversuch gemacht, glaubt man’s auch. Man glaubt einfach alles.«

In ihrer Erregung fuchtelte sie mit ihren Händen herum und riss dabei Blixens zwei Meter hohen Philodendron um. Ellis schoss wie eine Rakete hoch, und es gelang ihm, gemeinsam mit dem fluchenden Blixen die riesige Pflanze wieder aufzurichten.

Blixen befahl der wütenden Red, die obersten Ranken der Pflanze über das Rohr der automatischen Feuerlöschanlage an der Decke des Raumes zu werfen, um dem Gewächs einen Halt zu geben. Bei der Gelegenheit zerriss sie ihre Bluse und stieß an das Bild einer englischen Fußballmannschaft, das daraufhin krachend zu Boden stürzte. Atemlos lehnte sie sich gegen die Wand.

»Ach, Scheiße!«, heulte sie.

»Wirst du dich endlich setzen, Red!«, schrie Blixen. »Setz dich, Red. Setz dich bloß!«

Beleidigt griff sie nach ihren Zigaretten, erklärte kurz, es würde ihr leid tun und war kurz vor der Tür, ehe er sie einholen konnte. »Ich bin nur erschrocken, sonst hätte ich dich nicht angeschrien«, meinte Blixen.

»Ist schon gut.«

Blixen lächelte und nahm seine Hand von ihrem Arm. »Komm wieder zurück.«

»Halte dich nur von dem verdammten Philodendron fern. Das ist der reinste Menschenfresser!«, meinte Ellis.

»Du meinst, du machst Spaß, aber das ist bestimmt keiner«, meinte Red. »Ich hasse das eklige Ding. Jedes Mal, wenn ich in seine Nähe komme, zwickt es mich.«

»Was tut es?«

»Also gut«, fuhr Blixen dazwischen. »Bestell die Chavez für morgen früh; ich schau’ sie mir mal an.« Er ging zum Schreibtisch zurück und betrachtete noch einmal das düstere Gesicht der Frau auf der billigen Fotografie des Verzeichnisses. Die hochgesteckten Haare passten nicht zu ihr, die Augen standen etwas zu nahe beieinander, schielten auch ein wenig, die Haut war schauderhaft. Pockennarbig. Aber da war ein gewisser Stolz in ihrer Haltung, der ihn störte und gleichzeitig auch anzog.

»Jetzt könnte ich einen Kaffee gebrauchen«, meinte Red.

»Leonard«, ließ sich Blixen vernehmen, »schau doch mal, ob Mary in ihrem Kaffee ertrunken ist, ja?«

Ellis öffnete die Tür gerade in dem Moment, als Mary auf der anderen Seite im Begriff war anzuklopfen. Zurückschreckend schrie Mary: »Leonard!« Ihre Stimme erinnerte an das Kriegsgeheul der Indianer, so dass Ellis unwillkürlich die Arme hochriss, um sich zu schützen. Mary griff mit beiden Händen an ihren Hals, sie war blass und hatte die Augen geschlossen.

»Tut mir leid!«, murmelte Ellis.

Sie erholte sich wieder, schüttelte den Kopf und trat ins Büro; sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen; dann sah sie an Ellis vorbei.

»Joanna?«, fragte sie. »Sind Sie zu sprechen?«

Überrascht wandte sich die Angesprochene Mary zu. »Für wen?«

»Wer ist da?«, fragte Blixen. »Sagen Sie ihnen, sie sollen noch etwas Geduld haben, wir wären sofort fertig.«

»Na ja, sie sind schon bei mir.«

»Noch zehn Minuten«, meinte Blixen.

Mary schob ihre Haare aus dem Gesicht und schritt zur Tür. »Sie sind der Chef!«

»Mary, wer ist es?«, fragte Red. »Wenn es irgendein Agent...«

»Nein, Agenten sind es nicht«, meinte Mary. »Nicht direkt.«

»Na, wer sind sie denn?«, fuhr sie Blixen an. »Pfändungsbeamte? Marsmenschen? Oder wer sonst?«

»Es sind Polizisten.«

»Polizisten?« Ellis lachte.

»Eigentlich Kriminalbeamte«, meinte Mary. Sie wandte sich von Ellis zu Red. »Und so viel ich verstehen konnte, wollen sie mit Ihnen über einen Mord sprechen.«

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Blixen richtete seine Nilpferde zu einer römischen Phalanx aus und wiederholte: »Mord?«

»So habe ich es verstanden, Sir«, erwiderte Mary.

»Wollen sie Miss Redfern allein sprechen?«

»Das sagten sie nicht ausdrücklich.«

Blixen sah zu Red hinüber; sie fuhr mit der Hand durch ihr schwarzes Haar und lachte hilflos. »Tja, das ist wohl das Merkwürdigste, was mir seit langem passiert ist.«

»Wer wurde ermordet?«, fragte Ellis.

»Das sagten sie nicht.«

Blixen erhob sich und ging zur Tür. »Übrigens, Mary, bestellen Sie morgen einen Handwerker, damit diese Schlingpflanze endlich anständig befestigt wird. Das verdammte Ding ist schon wieder mal umgefallen.«

»Ja, ich hörte das Getöse«, antwortete Mary.

»Nein, das war das Fußballerbild.«

Die beiden Kriminalbeamten standen in Marys Zimmer nahe der Tür. Ein Neger im Straßenanzug und ein braungebrannter Weißer, bekleidet mit einer Jacke im Safari-Look.

Der Taxifahrer spielte mit seiner Mütze und starrte teilnahmslos zu Boden. Blixen holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück, indem er sagte: »Nur noch ein paar Minuten, dann kann sie gehen.«

»Keine Eile, Mann, ist doch nur mein Geld«, erwiderte er.

Blixen wandte sich an die Beamten. »Ich nehme an, Sie sind die Leute von der Kriminalpolizei?«

»Griswold«, stellte sich der Mann im Safari-Look vor. »Mein Kollege Arnes.«

Er hielt Blixen seinen Ausweis entgegen, den dieser gründlich studierte. Über den Inhaber hieß es: Sergeant, männlich, Größe einsfünfundachtzig, blonde Haare, blaue Augen, keine besonderen Kennzeichen.

»Okay.« Blixen war zufrieden, er hielt ihnen die Tür auf. »Kommen Sie herein. Miss Redfern arbeitet bei mir. Mein Name ist Blixen.«

Die Beamten sahen sich kurz an; dann folgte Ames Griswold in das Büro. In diesem Moment kam Sanderson mit schwerem Schritt den Gang entlang.

»Ach, Nils! Du bist ja noch hier«, rief Sanderson Blixen zu, der vor der Tür zu seinem Büro stehenblieb.

»Ist das Manuskript für mich?«

»Alles fertig!«, erwiderte Sanderson.

»Was für ein Gefühl hast du?«

»Na ja, es ist in Englisch abgefasst.«

»Wird angenommen«, sagte Blixen entschlossen. Er wusste, es würde keine zu große Anforderungen an Darsteller und Regisseur stellen, soviel Aufregung enthalten, wie richtig war, und auch die Aufteilung würde den Vorschriften entsprechen. Die vorgeschriebene Anzahl Werbepausen würde ebenfalls einkalkuliert sein. Mit sechs bis zehn Schauspielern ließen sich die auf höchstens acht Innen- und vier oder fünf Außenaufnahmen beschränkten Szenen schnell abdrehen. Es würde sich lohnen, das Manuskript zu lesen, zu drehen und auch, sich das Ergebnis anzusehen. Es würde einige hundert Menschen mehrere Monate beschäftigen. Der Film würde etwa 230.000 Dollar kosten. Millionen Menschen würden ihn sich ansehen. Und zehn Minuten nach dem Schluss würde vielleicht einer unter zehntausend Fernsehern ein zweites Mal über das Gesehene nachdenken.

»Übrigens, ich denke, das Mädchen ist jetzt endlich richtig«, bemerkte Sanderson.

»Welches Mädchen?«

»Raquel. Lebhaft, jung; eine jungfräuliche Lupe Velez.«

»So? Aber vielleicht werden wir Raquel etwas ändern müssen.«

Sanderson schob seine Pfeife zwischen die Zähne und kaute daran.

»Heute Abend aber nicht mehr«, versicherte ihm Blixen. »Geh jetzt, geh nach Hause.«

»Ich würde dich ja gern umbringen, nur gibt es hier leider einen Zeugen.«

Der Taxifahrer lachte, Sanderson aber lachte nicht. Er drehte sich mit einem Achselzucken um, steckte die Hände in die Hosentaschen und stapfte mit gesenktem Blick hinaus.

»Ja, doch«, antwortete Red gerade, als Blixen in sein Büro zurückkehrte. »Ich kenne diesen Mann, aber ich sah ihn vor - oh - zwei Wochen zum letzten Mal.«

»Entschuldigen Sie bitte«, redete Blixen dazwischen und reichte Mary das Manuskript. »Vervielfältigen, bitte!«

»Wieviel?«, fragte Mary und konnte ihre Augen dabei nicht von den Kriminalbeamten wenden. Sie formte einen Zylinder aus den Manuskriptseiten und schlug sie gegen ihren Oberschenkel, wobei sie Griswold anstarrte.

»Ein paar Kopien für die Produktion«, sagte Blixen, »eine für die Besetzung, eine für die Requisiten und eine für mich... ach, machen Sie am besten fünfzehn.«

»Ja. Werden sie gleich gebraucht?«

»Nein, nein, morgen früh, also gute Nacht.«

Mary warf ihm einen etwas zweifelnden Blick zu.

»Gute Nacht!«, wiederholte Blixen.

»Na ja, ich könnte ja warten, bis...«

»Überstunden können wir uns einfach nicht leisten, also bis morgen, Mary.«

»Kommen Sie, Mary«, warf Ellis ein. »Ich fahre Sie nach Hause!« Er stand etwas mühsam auf und ging hinüber zu Red, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Kopf hoch, Liebes!« redete er ihr zu. »Das Allerschlimmste, was dir geschehen könnte, ist, mit einem Gummischlauch bearbeitet zu werden, und das hinterlässt ja kaum Narben.«

»Du hast wirklich eine einmalige Art, einen zu trösten, Leonard«, erwiderte Red ironisch.

Ellis fasste Mary am Ellenbogen und zog sie aus dem Zimmer.

Nachdem die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, lehnte sich Blixen an den Schreibtisch und hakte die Daumen hinter den Gürtel; so wartete er. Er bemerkte den kurzen, fragenden Blick, den der dunkelhäutige-Beamte seinem Partner zuwarf. Blixen fragte: »Wollen Sie allein mit ihr sprechen?«

»Das kann die junge Dame entscheiden«, erwiderte Griswold.

»Er weiß über Daniel und mich Bescheid«, erwiderte Red. Sie hatte ihre Beine übereinandergeschlagen und wippte ständig mit einem Fuß.

»Daniel? Ach ja, das war doch...«, versuchte sich Blixen zu erinnern.

»Daniel ist der schwarze Bekannte, den ich vorhin erwähnte, Dan Gladstone.«

»Ach ja.«

»Offensichtlich war er in irgendeinen Unfall verwickelt. - Oder?«

Blixen wandte sich an Griswold, um weitere Informationen zu erhalten, aber die beiden Kriminalbeamten hatten die Augen auf das Mädchen gerichtet. Ames nahm nach einer Weile sein Notizbuch zur Hand und begann zu sprechen.

»Vor zwei Wochen also - Sie haben Mr. Gladstone zum letzten Mal am achten Mai gesehen?«

»Ja, vielleicht liegt es aber auch schon länger zurück.«

»Waren Sie mit Mr. Gladstone näher befreundet, Miss Redfern?«, fuhr Griswold fort.

»Ja, wir waren befreundet. Wie weit diese Freundschaft ging, weiß ich auch nicht genau.«

»Waren Sie verlobt?«

»Nein!«

»Aber hat Ihnen Gladstone im Februar nicht einen Ring geschenkt?«

Reds Unterkiefer fiel herab. Halb lachend erwiderte sie: »Das war doch nur Spaß. Den hatte er aus einem Kaugummiautomaten.«

Beunruhigt mischte sich Blixen ein: »Entschuldigen Sie, aber was für ein Unfall war das denn?«

Ohne sich umzudrehen, erwiderte Ames: »Es war kein Unfall, er wurde erschossen. Die Kugel drang in den Hinterkopf.«

»Wer erzählte Ihnen von dem Ring?«, wollte Red wissen.

Griswold ging nicht auf ihre Frage ein.

»Wie verlief Ihr letztes Zusammensein?«

»Wie bitte?«

»Ja, was wurde besprochen?«

»Ich kann mich nicht mehr erinnern.«

»Haben Sie sich mit ihm gestritten?«

»Ich weiß es wirklich nicht mehr.«

Ames sah in sein Notizbuch. »Sagten Sie nicht: Wenn du mit deinem schwarzen Arsch noch einmal hier auftauchst, schlage ich dir deinen verdammten Schädel ein!« Er hob die Augen und fügte unbewegt hinzu: »Oder Worte in diesem Sinne.«

Fassungslos sackte Red in ihrem Sessel zusammen und starrte ihn an.

»Sie haben sie noch nicht auf ihre Rechte hingewiesen«, erklärte Blixen, »also ist sie offensichtlich noch nicht verhaftet, oder haben Sie es einfach vergessen?«

»Nein, Sir«, antwortete Griswold, »vergessen haben wir es nicht.«

»Ich möchte wissen, von wem Sie diese albernen...«, rief Red aus.

»Besitzen Sie eine .22er Waffe, Miss Redfern?«, fragte Ames.

»Jetzt reicht’s«, erklärte Blixen und langte nach dem Telefon, wählte die Acht und wartete auf das Freizeichen.

»Nein, ich habe keine Waffe! Natürlich nicht!«, fuhr Red hoch.

»Red, genug jetzt«, warnte Blixen, als er wählte. Er spürte, wie Griswold ihn ansah. »Ich verständige meinen Rechtsanwalt, oder haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«

»Nein, Sir, ich glaube, das ist sogar eine gute Idee.«

»Ich brauche keinen Rechtsanwalt«, schrie Red.

»Vielleicht bitten Sie ihn gleich, uns am Revier Nord-Hollywood zu treffen«, meinte Griswold, »11480 Tiara.«

»Miss Redfern!« Ames streckte die Hand aus.

»Ich bringe sie schon mit«, versicherte Blixen.

Ames zögerte. Griswold tippte ihn kurz an und sagte: »Okay, also in einer halben Stunde.« Er nickte Ames zu, und sie gingen gemeinsam hinaus. Verdutzt sah Red ihnen nach.

»Wade?« sprach Blixen in den Hörer. »Nils-Frederik. Wade, ich habe ein kleines Problem...«

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

»Na, heute Abend sind wohl alle unterwegs«, meinte der Taxifahrer.

Blixen beugte sich vor.

»Wie bitte?«

»Ja, schauen Sie sich das mal an!«, fuhr der Taxifahrer fort. Er hielt an einem Fußgängerübergang, um einen blonden Riesen über die Straße zu lassen. Das weite Hemd des Jungen war zerrissen; seine Hose hatte er mit einem Stück Schnur festgebunden.

»Huh!«, bemerkte der Fahrer, blinzelte den beiden im Fond zu und lachte.

Red, halb im Schatten sitzend, sagte nun: »Ich dachte, die Hippies hätten sich schon längst wieder verzogen!«

»Ach, sie kommen und gehen«, antwortete der Fahrer, »sie sind auch ganz in Ordnung, die meisten jedenfalls!«

»Ein Hippiefreund!«, sagte Blixen ganz überrascht. »In Los Angeles? Das findet man ziemlich selten!«

»Na, ich sag’ Ihnen mal was. Es ist ziemlich anstrengend, sich gegen eine Clique zu behaupten. Entweder macht man mit, oder man wird rausgeschmissen. Das sehe ich an meinen eigenen Söhnen. Mein Ältester, Kenny, hat Haare bis zum Hintern«, fuhr der Fahrer fort. »Er meint, die Mädchen mögen’s so! Ich muss dazu sagen, dass ihm die Mädchen tatsächlich nachlaufen.«

Zur Rechten fiel die Stadt leicht ab in Richtung Santa Monica und nach Melrose, Beverly und Third hin. Die grellen Farben der Miracle Mile waren zu sehen.

»Ich liebe diese Stadt«, flüsterte Red. »Manchmal kann ich sie nicht mehr ertragen, und dann liebe ich sie wieder.«

»Jetzt ist auch die schönste Zeit«, antwortete Blixen.

»Ja.«

»Zieht es hinten?«, fragte der Taxifahrer.

Red schüttelte den Kopf, Blixen gab zurück: »Nein, nein, gerade recht so.«

»Aber sie ist so falsch«, murmelte Red, »vielleicht liegt’s daran, dass schon zu viel Filme hier gedreht worden sind.«

»Vielleicht.«

»Diese Polizisten haben mir eine ganz schöne Angst eingejagt. Trotzdem kann ich es immer noch nicht glauben - Mord!«

»Das liegt wohl am Wort.«

»Am Wort?«

»Es ist zu theatralisch. Es wurde schon zu oft von schlechten Schauspielern benutzt.«

»Hm, ja, ich verstehe, genauso wie mit Kommunist.«

»Oder Nationalismus oder sogar Liebe.«

In den Rinnsteinen kauerten Kinder in zerlumpten Kleidern, und ihre Verzweiflung war so tief wie die orientalischer Bettler; die Luft roch nach Farbe und Teer.

»Weißt du«, begann Red wieder, »dass du mich noch gar nicht gefragt hast, ob ich es getan habe? Ist dir das eigentlich schon aufgefallen?«

»Habe ich noch nicht gefragt?«

»Nein.«

»Na gut, hast du den Mann erschossen?«

»Nein.«

»Na, das erleichtert mich aber doch.«

»Glaubst du mir?«

»Natürlich.«

»Warum?«, fragte sie.

»Warum denn nicht?«

»Also du meinst, ich wäre nicht der Typ eines Mörders?«

»Soll es einen bestimmten

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Charles Larson/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Korrektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Hans Joachim Rex (OT: Someone's Death).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2021
ISBN: 978-3-7487-8479-1

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