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Leseprobe

 

 

 

 

ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 68:

Der programmierte Attentäter

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER PROGRAMMIERTE ATTENTÄTER von Robert Quint 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

Das Buch

Verharschter Schnee knirschte unter den schweren Stiefeln, die nahtlos mit dem Silbermaterial des Schutzanzugs verschmolzen waren. Wind pfiff und wirbelte Eiskristalle auf, wehte weiße, gespenstisch anzusehende Schwaden über den steilen Hang der Böschung.

Die Queen No beschleunigte ihre Schritte.

Geduckt näherte sie sich der schroffen Linie des Hügelkamms. Ihr Atem ging ruhig. Ihre Gedanken waren kalt wie die Welt, die sich um sie erstreckte, und nie würden ihre Arme erlahmen unter der Last der schweren Kombiwaffe, die so silbrig schimmerte wie ihr flexibler Schutzanzug.

Es war dämmrig. Und eisig wie in einem Gefrierschrank.

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DER PROGRAMMIERTE ATTENTÄTER

von Robert Quint

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

Verharschter Schnee knirschte unter den schweren Stiefeln, die nahtlos mit dem Silbermaterial des Schutzanzugs verschmolzen waren. Wind pfiff und wirbelte Eiskristalle auf, wehte weiße, gespenstisch anzusehende Schwaden über den steilen Hang der Böschung.

Die Queen No beschleunigte ihre Schritte.

Geduckt näherte sie sich der schroffen Linie des Hügelkamms. Ihr Atem ging ruhig. Ihre Gedanken waren kalt wie die Welt, die sich um sie erstreckte, und nie würden ihre Arme erlahmen unter der Last der schweren Kombiwaffe, die so silbrig schimmerte wie ihr flexibler Schutzanzug.

Es war dämmrig. Und eisig wie in einem Gefrierschrank.

Die Queen No hatte den Hügelkamm erreicht, und sie kauerte sich nieder und tastete mit der freien Hand über die Schaltung an ihrem breiten Hüftgürtel.

Abrupt begann die Multisensorische Maske purpurn zu glühen. Wie ein flimmerndes Band bedeckte sie die Gesichtspartie der Queen No, lichtete das Halbdunkel, riss Eis und Fels und pulverige Schneeverwehungen aus der Dämmerung und neutralisierte das Pfeifen des heftiger werdenden Windes, sodass die anderen, die leisen, verräterischen Laute hörbar wurden.

Unter ihr, am Fuß der zackigen Böschung, zwanzig Meter weiter nur, hockte der Mechanoide spinnenbeinig und lauernd in der Erdgrube. Die Queen No lauschte mit ihren sensibilisierten Sinnen und vernahm das hohle Scharren, mit dem sich seine Gelenke bewegten, das Summen seiner Servomotoren, das feine Zischen der Schneeflocken, die verdampften, sobald sie seinen heißen Metallleib berührten.

Der Mechanoide wähnte sich in Sicherheit. Seine Abschirmungen arbeiteten mit höchster Leistung, und ohne die MS-Maske hätte ihn die Queen No nie entdeckt.

Mit einer geschmeidigen Bewegung hob sie den Karabiner, legte an, zielte und schoss, alles in nur ein, zwei Sekunden. Der Laserstrahl flammte wie ein Blitz und traf den Steuerknoten des Mechanoiden. Metall schmolz. Elektrische Entladungen flackerten bläulich.

Der Spinnenkörper sackte zusammen.

Flink rollte die Queen No zur Seite, sank halb ein in dem hüfthohen Schnee, und im gleichen Moment vernahm sie auch das hektische Kreischen eines Explosivgeschosses, das von irgendwoher heranfegte und sich nur wenige Meter von ihr entfernt in die weiße Decke der Böschung bohrte.

Die Detonation packte die Queen mit eiserner Faust und schleuderte sie davon.

Als sie aufprallte, hatte ihr die MS-Maske bereits den Standort des zweiten Angreifers enthüllt.

Ein Elektrischer Vogel, groß wie ein Albatros, tarngefärbt, sodass er eins war mit dem Grau des Himmels und dem schmutzigen Weiß der tanzenden Flocken. Von Süden glitt er heran, auf rundum beweglichen Schwingen und getrieben von einem miniaturenen Düsensatz, der ihm die Geschwindigkeit eines Gleiters verlieh.

Wieder feuerte die Queen No, verfehlte den Elektrischen Vogel nur um Haaresbreite und wechselte erneut ihre Position.

Ein zweites Explosivgeschoss. Eine neue Detonation. Glut und fauchende, verdrängte Luft. Eis schmolz und erstarrte gleich darauf zu bizarren Strukturen.

Der Elektrische Vogel beschrieb einen komplizierten Zickzackkurs, gesteuert von einem Zufallsgenerator, und näherte sich ihr mit tödlicher Zielsicherheit.

Die Queen No schaltete den Karabiner auf Dauerfeuer. Ein Rückkopplungsmechanismus veränderte die Informationen der MS-Maske.

Vor den Augen der Queen glühte unvermittelt ein fragiles Rasternetz, in dem sich der Elektrische Vogel als rotglosender Punkt abzeichnete.

No feuerte.

Der fingerdicke Laserstrahl tastete über den Himmel und zerfaserte hoch oben zwischen den rauen, zerzausten Wolkenbänken. Sie schwenkte die Waffe um einige Grad, bis sich das Zentrum des Rasterfeldes und der rote Ortungsreflex überlappten, und der Elektrische Vogel zersprang in tausend Splitter.

Nummer zwei, dachte die Queen befriedigt.

Sie horchte, sah sich um, suchte mithilfe der Multisensorischen Maske die eisige Ödnis ab.

Im Osten, zweitausend Meter oder mehr entfernt, registrierte sie Wärmestrahlung, intensiver als die Emissionen eines Mechanoiden.

Vermutlich die Queen Yell.

Keine weiteren Angreifer? No runzelte die Stirn.

Sie nutzte die Gelegenheit, um ihren Schutzanzug zu checken. Offenbar hatte die Detonation des Explosivgeschosses keine ernsten Schäden angerichtet. Lediglich ein handtellergroßer, geschwärzter Fleck unterhalb der Wölbung ihrer Brüste zeugte von der mörderischen Hitzeentwicklung.

Zweifellos war der Schutzanzug die vier Millionen Verrechnungseinheiten wert, die er gekostet hatte.

Dann rutschte sie die Böschung hinunter, hastete vorbei an den rußigen Überresten des Mechanoiden und rannte weiter in Richtung Osten.

Im Süden grollte Donner. Ein Feuerball folgte.

Demnach hatte die Queen Zan ihre Angreifer noch nicht völlig ausgeschaltet.

Noch ein Donnerschlag.

Plötzlich eine Bewegung hinter einem eisverkrusteten Felsblock, der wie ein Grabstein die Eiswüste überragte.

Die Queen No schlug einen Haken, entging einem sonnenhellen Lichtblitz und erwiderte das Feuer. Der Felsblock zerbarst. Ein Schatten schoss mit ungeheurer Geschwindigkeit davon, eine fahle Silhouette von Spinnengestalt, von der weitere Laserblitze ausgingen.

Wo sie den Boden trafen, fauchten Dampfwolken empor.

Der Mechanoide beschrieb einen weiten Bogen und näherte sich unablässig feuernd der Queen.

No wich den Schüssen mit der instinktiven Geschmeidigkeit einer Grauen aus, griff wieder an ihren Gürtel, umklammerte die Granate, die sich bei der Berührung von der magnetischen Halterung löste, und schleuderte sie in die Richtung des Mechanoiden.

Die Granate explodierte beim Aufprall.

Und die Welt versank hinter einem Vorhang aus Glut und Wasserdampf. Die Queen No wurde von der gewalttätigen Druckwelle zu Boden geworfen, schlitterte über den Schnee und kollidierte mit einem steinhart gefrorenen Erdhügel.

Schmerz peinigte sie für einen schrecklichen Moment, bis ihre automatische Biokontrolle eingriff und eine Anzahl Nervenimpulse blockierte. Dumpfe Taubheit blieb zurück. No drehte den Kopf.

Ein rauchender Krater hatte sich in die Eisödnis gefressen, ein Dutzend Meter durchmessend und halb so tief. Brodelndes Schmelzwasser schwappte in ihm, um rasch zu gefrieren; ein schmutziges Auge im Weiß der Frostwüste.

Von dem Mechanoiden war nur ein Schlackehaufen übrig geblieben.

Die Queen No richtete sich auf.

Sie hörte die Schritte, noch bevor die schlanke Gestalt hinter einer zernarbten Hügelgruppe sichtbar wurde.

»Gute Arbeit«, erklang die dunkle Stimme der Queen Yell in ihrem Ohrempfänger.

No schwieg.

Schließlich standen sich die beiden schlanken, hoch gewachsenen Frauen gegenüber. In ihren Silberanzügen und mit dem Purpurband der MS-Maske erinnerten sie mehr denn je an Zwillinge.

»Zan?«, fragte No einsilbig.

»Sie kommt«, erwiderte Yell.

Die beiden Frauen warteten. Wenige Minuten später erschien fern im Süden eine silbrig schimmernde Silhouette und kam rasch näher.

Auch die Queen Zan war groß und schlank, und ihre Gesichtszüge wurden ebenfalls von einer Multisensorischen Maske verborgen.

»Geben wir das Signal«, sagte sie grußlos.

Die Queen No hob den linken Arm mit dem schimmernden Reif des Communers, doch bevor sie sich mit dem Einsatzstab in Verbindung setzen konnte, stürzte eine funkelnde, an beiden Polen abgeplattete Kugel vom Himmel. Die beiden Magnetringe des Ringos warfen fahles Licht über das öde, windumtoste Eisland.

No schürzte nachdenklich die Lippen.

Hatte man sie – entgegen den Prinzipien, die bei einem Manöver der Schatten Gültigkeit besaßen – doch beobachtet? Das hätte einen eklatanten Bruch des Abkommens zwischen Cosmoralität und der Führung der Schatten bedeutet.

Ein Schatten war nur so gut wie seine Ausbildung. Die Agenten der Grauen Garden waren bei der Erfüllung ihrer Aufträge ganz auf sich allein gestellt, und die Trainingsprogramme – wie hier auf dieser menschenleeren Eiswelt in der 9. Stellaren Provinz – trugen diesem Umstand Rechnung.

Um perfekt funktionieren, um im Ernstfall überleben zu können, waren realistische Schulungsmöglichkeiten erforderlich.

Es spielte keine Rolle, wie ein Schatten seine Aufgabe löste. Wichtig war nur, dass er sie löste.

Wer beim Training versagte, versagte später auch im Einsatz.

Deshalb schien es notwendig, die Schulung unter vollkommen realistischen Umständen durchzuführen. Kein Schatten konnte sich darauf verlassen, während eines Manövers im Gefahrenfalle gerettet zu werden. Eingriffe von außen – selbst die Überwachung des Testprogrammes – waren strikt untersagt.

Hätte sich No den Angriffen der Mechanoiden nicht erwehren können, wäre sie gestorben, ohne dass ihre Kolonnenführerin auch nur den Versuch gemacht hätte, sie vor diesem Schicksal zu bewahren.

Der Ringo sank tiefer, umhüllt von Schneegestöber, und fuhr die Landebeine aus.

»Gehen wir«, sagte die Queen Yell leise.

Die drei Frauen setzten sich in Bewegung und näherten sich der Rampe, die sich aus der Südpolschleuse hervorschob. Helles Licht fiel aus der geöffneten Luke, gegen die sich eine untersetzte Gestalt abzeichnete.

Nos Erstaunen wuchs, als sie die Kommandeuse Cho Li erkannte.

Es ist etwas geschehen, dachte die Queen. Etwas Unvorhergesehenes, etwas, das wichtiger ist als unser noch nicht abgeschlossenes Testprogramm.

Die Rampe schwankte leicht unter ihren Schritten, und ohne Eile betrat sie zusammen mit Yell und Zan die Schleusenkammer. Knirschend schloss sich hinter den drei Schatten das massive, stählerne Tor.

»Mein Bedauern«, erklärte die Kommandeuse Cho Li, »ist ehrlich, aber Sie werden Ihr Manöver nicht fortsetzen können. Vor wenigen Minuten traf ein Kurier der Cosmoralität im Anahan-System ein. Er legitimierte sich mit einer Alpha-Order und befahl, das Programm unverzüglich abzubrechen.«

No starrte die untersetzte, weißhaarige Frau in der grauen Uniform verblüfft an.

»Ein Einsatz«, brummte die Queen Yell. »Ich dachte es mir.«

»Der Einsatz«, bestätigte die Kommandeuse und bedeutete ihnen, ihr zum Lift zu folgen, »erfordert die Mitarbeit von Ihnen allen. Ich habe den Befehl, Sie mit der Van Halen nach 34-Urt zu bringen, wo Sie sich einer Kolonne anschließen sollen. Der Kurier händigte mir drei Memo-Kristalle aus, durch die Sie alles Wichtige erfahren werden. Ich habe drei Kabinen herrichten lassen und die Kristalle dort deponiert.«

Die vier Frauen betraten den Lift, und er trug sie nach oben zur Äquatorebene der Van Halen-Zwei. Zunehmendes Maschinengedröhn verriet, dass sich der Ringo von der namenlosen Eiswelt löste und zum Orbitalen Mutterschiff zurückkehrte.

Cho Li wies den drei Schatten ihre Kabinen zu und wandte sich dann grußlos ab, um ihren Platz in der Zentrale einzunehmen.

Seufzend legte No ihre Handfläche auf den Öffnungsmechanismus der Tür, betrat den karg eingerichteten Raum und schlüpfte aus dem Schutzanzug.

Auf dem Klapptisch an der Wand sah sie den kleinen, goldenen Zylinder mit dem Memo-Kristall.

Vorsichtig entfernte No die MS-Maske und fuhr sich mit den Fingern durch ihr schulterlanges blondes Haar.

Die Queen besaß ein blasses, schmales Gesicht mit dunkelbraunen Augen, einer feingeformten Nase und dünnen blutroten Lippen. Winzige Fältchen lagen um ihre Mundwinkel und verliehen ihr ein mürrisches Aussehen.

Niemand hätte vermutet, dass es sich bei ihr um einen Schatten der Grauen Garden handelte. Aber niemand – selbst ihre Kolonnenführerin nicht – kannte ihr wahres Gesicht.

So lautete das Gesetz der Schatten, zu denen nur besonders begabte, zuverlässige Queens stoßen konnten.

No öffnete ohne Eile den Zylinder, holte den murmelgroßen, grünlich funkelnden Kristall heraus und schob ihn in den Abtaster des bereitstehenden Memo-Lesers. Dann legte sie den kühlen, dünnen Reif um ihre Stirn, ließ sich auf dem harten Klappbett nieder und schaltete den Leser ein.

Die Kabine verblasste.

Das Dröhnen der Maschinen erstarb.

Nebel wallten vor Nos Augen, graue Schwaden, die sich langsam lichteten. Eine Gestalt schälte sich aus dem Grau hervor. Eine Frau. Eine Frau mit roten Haaren und Mandelaugen, doch der Blick dieser Augen besaß eine stählerne Härte, die No nur einmal in ihrem Leben kennengelernt hatte.

Bei ihrer Vereidigung als Schatten durch die Herrin der Grauen Garden, Chan de Nouille.

No erbebte innerlich. Selbst ihre Konditionierung konnte nicht verhindern, dass Erregung sie überwältigte.

Die Große Graue persönlich!

»Queen!« Die Stimme war nüchtern, sachlich, fordernd. Es war eine Stimme, die gewohnt war zu befehlen. »Dies ist eine Alpha-Order, die den strengsten Geheimhaltungsvorschriften unterliegt. Der Memo-Kristall ist hinterher zu vernichten, und Sie haben über alles Gehörte Stillschweigen gegenüber Außenstehenden zu bewahren.«

Die Phantomgestalt lächelte jetzt. Selbst die harten Augen verloren etwas von ihrer Kälte.

»Ja, Herrin«, flüsterte No, ohne es zu bemerken.

»Durch die Flucht des verbrecherischen Max von Valdec ist eine prekäre Situation im Reich entstanden«, fuhr Chan de Nouilles Memo-Aufzeichnung fort, »die durch die unumgängliche Verringerung des Herrschaftsgebietes auf eine Raumkugel von achthundert Lichtjahren Durchmesser noch verschärft wird. Der Cosmoralität liegen Hinweise vor, dass Valdec eine Konterrevolution

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Robert Quint/Apex-Verlag. Published by arrangement with Thomas R. P. Mielke and Rolf W. Liersch
Bildmaterialien: Christian Dörge/Pixabay. DIE-TERRANAUTEN-Logo by Arndt Drechsler.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Andrea Velten.
Korrektorat: Andrea Velten.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 23.03.2021
ISBN: 978-3-7487-7804-2

Alle Rechte vorbehalten

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