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Leseprobe

 

 

 

 

THE GORDONS

 

 

Geheimauftrag

für Kater D. C.

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 146

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

GEHEIMAUFTRAG FÜR KATER D. C. 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

Er trägt den FBI-Agenten-Namen X-14, lebt in Beverly Hills, ist fünf Jahre alt, 22 Pfund schwer und hat schwarzes Fell: Kater D. C. .

Das Leben von zwei Menschen hängt an einem Haar - einem Katzenhaar! Shirley und Memo - das Glamour-Girl und der nicht ganz lupenreine Edelstein-Schleifer - sollen Juwelen im Wert von 300.000 Dollar für einen Auftraggeber beiseiteschaffen.

Nur Agent X-14 kann diesen Fall für das FBI lösen, und er zeigt seine Krallen...

 

The Gordons ist das Pseudonym eines Autorenduos, bestehend aus Gordon Gordon (* 2. März 1906 in Anderson, Indiana; † 14. März 2002) und Mildred Gordon (* 24. Juni 1912 in Kansas; † 3. Februar 1979 in Tucson, Arizona).  Von ihrem Werk ist vor allem die Trilogie um Kater D.C. hervorzuheben: Diese Romane wurden vom Publikum wie auch von der offiziellen Kritik hoch geschätzt und später auch kongenial verfilmt.

Der Roman Geheimauftrag für Kater D. C. (der zweite Band der Serie Kater D. C.) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1968.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  GEHEIMAUFTRAG FÜR KATER D. C.

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Im selben Augenblick, als D.C. Randall, Alter fünf, Gewicht zwanzig Pfund, Pelz schwarz, arglos auf den frischen, roten Beton spazierte, drängte der FBI-Beamte Zeke Kelso einige Kilometer entfernt in der Außenstelle Los Angeles seinen Vorgesetzten, den besagten D.C. Randall wieder als Informanten einzusetzen.

»Sie kennen meine Einstellung zu Katzen im Allgemeinen und zu diesem fetten Vieh im Besonderen«, sagte er zum Leiter der Außenstelle. »Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe...«

Er brauchte eine Katze, um eine Nachricht zu überbringen. Es handelte sich um eine verzweifelte Situation. Nur eine Katze konnte sich da durchlavieren.

Newton, der Leiter der Außenstelle, stöhnte. Die Vorstellung war ihm zuwider, obwohl das FBI D.C. schon einmal – und mit durchschlagendem Erfolg – als Informanten eingesetzt hatte. Newton war es höchst unbehaglich bei dem Gedanken, der Zentrale in Washington erklären zu müssen, dass nur eine Katze sich in die alte, verlassene Fabrik einschleichen konnte. Der Plan war lächerlich. Trotzdem, überlegte Newton, vielleicht würde sich die Sache so deichseln lassen, dass Washington nie etwas davon erfuhr. Zeke konnte D.C. in seinen Berichten als Informanten X-14 führen. Unter dieser Bezeichnung war er in dem vorigen Fall gelaufen. In Washington hatte man wahrscheinlich inzwischen vergessen, dass X-14 nicht der Spezies homo sapiens angehörte.

 

D.C. hob eine Pfote und zögerte in der Dunkelheit. Seine anderen Pfoten waren tief in die noch feuchte Betonmischung eingesunken. Er knurrte vor sich hin.

Er hob eine Vorderpfote hoch, dann die andere und versuchte das gleiche, nicht allzu erfolgreich, mit seinen Hinterbeinen. Endlich hatte er wieder festen Boden unter den Füßen. Wohlüberlegt schüttelte er zunächst das eine Hinterbein, dann das andere, um das klebrige Zeug loszuwerden. Neben sich entdeckte er einen schnittigen weißen Wagen. Erst wollte er darunter kriechen, doch dann besann er sich anders und sprang auf die Kühlerhaube. Hier hatte er bessere Sicht, für den Fall, dass Feinde in der Nähe lauerten.

Eine Stunde später war er zu Hause, hockte auf seinem Lieblingsplatz, oben auf dem Kühlschrank. Das Tohuwabohu zu seinen Füßen ließ ihn völlig unberührt. Sein Mädchen, Ingrid Randall, siebzehn Jahre alt, hundert Pfund schwer, blondhaarig, gab eine Pyjama-Party. Ungefähr vierzehn junge Mädchen samt Verehrern waren in einen Raum gepfercht, der kaum für vier unterernährte Erwachsene ausgereicht hätte. Die Paare trugen gleiche Anzüge, die die Mädchen genäht hatten. Den akuten Platzmangel bewältigten die jungen Leute kurzerhand, indem sie sich auch Spültisch und Herd zu Sitzgelegenheiten erkoren. Verschiedene Mädchen trugen Stofftiere mit sich herum.

Ingrid drängte sich durch das Gewühl, um D.C. ein Stück Pizza anzubieten. An ihrem Hasenanzug fehlten auch die Ohren nicht. Unter ihren Arm hatte sie einen Plüschbären geklemmt. D.C. reckte den Hals nach unten und stupste ihre Hand an, um seiner Dankbarkeit Ausdruck zu geben. Derartige kleine Gesten rührten die Menschen und erwiesen sich als äußerst nützlich im Herausschlagen zusätzlicher Futtermengen.

»Siehst du die Kerben in seinen Ohren?«, schrie Ingrid ihrem Freund Jimmy zu, einem hochaufgeschossenen, kräftig gebauten Jungen mit rasch gewinnendem Lächeln. Er war Klassensprecher, Herausgeber der Schülerzeitung, Held des Theaterstücks, das die Klasse aufzuführen gedachte, und sang außerdem mit zwar unberechenbarem, dafür aber umso entschlossenerem Tenor im Gesangverein. In diesem Augenblick allerdings wirkte er in seinem Hasenanzug ausgesprochen lächerlich. Doch Ingrid war so stolz gewesen, als sie ihm am Mittag in Sandys Imbissraum den Anzug überreichte, dass er es nicht übers Herz brachte, zu protestieren.

Da keine Pizza mehr zu erwarten war, wandte sich D.C. wieder dem sehr ernsthaften und nervenaufreibenden Geschäft zu, den erhärteten Beton zwischen seinen Zehen zu entfernen. Gleichgültig jedoch, wie erbittert er leckte, biss und zog, diese neue Art von Schmutz ließ sich nicht beseitigen. Hin und wieder legte er eine Kampfpause ein und ließ seine Blicke mit Wonne durch den Raum schweifen.

Die letzte Platte war abgespielt. Alles stürzte gleichzeitig zum Herd. Zwei Jungen prallten hart aneinander, als sie zum Plattenspieler stürmten, um der Krise ausbrechender Stille zu begegnen.

Ingrid ging unauffällig hinaus und lief den Flur entlang. Leise klopfte sie an die Tür zum Zimmer ihres Vaters. Als sich nichts rührte, öffnete sie vorsichtig. »Papa«, rief sie.

Er saß zusammengesunken in seinem Bett und schlief. Das Fachblatt war ihm aus den Händen geglitten und lag auf seinem Bauch.

Sie hob die Stimme ein wenig. »Papa!«

Er schlug langsam die Augen auf und richtete sich mit einem verlegenen Lächeln auf. Er sah noch gut aus mit seinen neunundvierzig Jahren. Sein Haar war an den Schläfen ergraut. Das verlieh ihm einen Zug vornehmer Würde, der ihm in der Jugend gefehlt hatte.

»Stört dich die Musik?«, fragte sie.

»Musik?« Er warf die Zeitschrift auf den Boden. »Ich hab’ gar keine Musik gehört. Was ich hörte, klang eher wie der Brunftschrei eines Hirsches und das Stöhnen eines Todeskandidaten, dem jemand den Kragen umdreht.«

»Papa«, fügte sie hinzu. »Wir können die Musik leiser stellen.«

»Nein, nein. Lass nur. Diese Woche hat uns ja die Polizei noch keinen Besuch abgestattet.«

»Gute Nacht, Papa.«

»Gute Nacht.«

An der Tür blickte sie sich um.

»Mach jetzt das Licht aus und schlaf schön.«

Als sie gegangen war, schüttelte er das Kopfkissen auf, knipste das Licht aus und kroch unter die Decke. Er verschränkte die Arme unter dem Kopf. Diese Kinder, dachte er. Seit Lauras Tod gaben sie sich die größte Mühe, für ihn zu sorgen. Vorher hatte er sich häufig voller Zweifel die Frage gestellt, ob sie überhaupt wussten, wer er war. Manchmal war er versucht gewesen, seine Hand zu heben und zu sagen: Mein Name ist George Randall. Ich bin euer Nachbar. Ich wohne im zweiten Zimmer rechts. Wenn ich euch mal irgendwie behilflich sein kann... 

Seit Lauras Tod jedoch umgaben sie ihn zu jeder Stunde mit solcher Fürsorge, dass es manchmal direkt komisch wirkte. Ingrid war ständig damit beschäftigt, an seinen Kleidern nach losen Knöpfen zu suchen, die sie annähen konnte. Wenn ein Knopf nur ein bisschen herunterhing, riss sie ihn kurzerhand ab. Patti, die sich widerstrebend mit dem Gedanken vertraut machte, dass sie bald zum alten Eisen gehören würde – sie würde in ein paar Wochen vierundzwanzig werden –, verräumte seine Sachen nach einem so wohldurchdachten System, dass er niemals etwas finden konnte. Sie hätte Architektin oder Wissenschaftlerin werden sollen, dachte er, anstatt Mannequin. Sie war ein hochintelligentes Mädchen, doch ihre Schönheit schadete ihr. Selbst heutzutage wollten die Leute nicht glauben, dass eine Frau schön und klug zugleich sein konnte. Und Mike, der Dreizehnjährige, sorgte dafür, dass der Wagen stets auf Hochglanz poliert war, ohne dafür eine Bezahlung zu verlangen. Das widersprach völlig dem Geschäftssinn, den er sonst bei solchen Anlässen entwickelte. Nach jeder Wagenwäsche allerdings pflegte er auf seine edle Tat in einem Ton hinzuweisen, aus dem klar zu erraten war, dass er sich der Heiligsprechung für würdig hielt. Selbst D.C. hatte sich ein wenig verändert. Ein- oder zweimal war er ihm auf den Schoß gesprungen, um dadurch seine Bereitschaft kundzutun, Geschehenes zu vergessen. Damn Cat. So hatte er ihn einmal genannt. Der Name war geblieben. Auf Lauras strenge Weisung hin hatte man ihn allerdings auf D.C. abgekürzt.

Laura. Der Schmerz saß tief. Er würde nie vergehen. Fünf Jahre hatten sie sich gekannt, hatten während ihres letzten Schuljahres und während ihrer Studienzeit jede freie Minute miteinander verbracht. Sechsundzwanzig Jahre lang hatten sie zusammen gelacht und geweint und sich durch unglaublich schwere Zeiten hindurchgekämpft. Und dann, als endlich alles ein bisschen leichter geworden war, hatte sie ihn verlassen. Das Leben brachte so raschen Wechsel.

Als er sich auf die linke Seite drehte, schlich sich ein unangenehmer Gedanke ein. Er musste mit Ingrid über diesen Jungen sprechen, mit dem sie befreundet war. Er war ihm nicht sonderlich sympathisch. Er gestand sich ein, dass er keine stichhaltige Begründung für diese Abneigung vorbringen konnte. Es war nur ein Gefühl, doch seine Menschenkenntnis hatte ihn selten getäuscht. Er hatte nicht vor, Ingrid seine Gedanken darzulegen, er wollte ihr erst einmal auf den Zahn fühlen.

Wenn er es recht bedachte, dann konnte er schon erklären, was ihm missfiel. Der Junge machte den Eindruck eines Menschen, der sich nahm, was er wollte, wenn er es wollte, ohne erst lange zu fragen...

 

Ingrids pikantes kleines Gesicht erschien im Türspalt zu Pattis Zimmer. »Komm ‛rein«, forderte Patti sie auf. Sie probierte gerade eine lange Hose an, die sie aus dem teuren Modegeschäft in Beverly Hills mitgebracht hatte, wo sie arbeitete. Sie hielt den Atem an und zog den Bauch ein. Trotzdem war die Hose zu eng. »Ach verflixt«, sagte sie. »Größe achtunddreißig fällt dauernd kleiner aus. Ihr amüsiert euch anscheinend königlich da draußen.«

»Eine Schau! Die Musik stört dich doch hoffentlich nicht.«

»Sag mal«, meinte Patti, »sind heutzutage eigentlich alle Teenager schwerhörig?«

Ingrid lachte. »Du bist ja selber noch gar nicht so weit über das Alter der Schwerhörigkeit hinaus.«

»Mir gefällt’s«, versicherte Patti. »Wirklich. Wahrscheinlich hab’ ich eine primitive Ader. Ich finde Krach herrlich.«

Ingrid ließ sich rücklings aufs Bett fallen, richtete ihre Löffel auf dem Kopfkissen und starrte gedankenverloren an die Decke. »Die meisten Leute haben kein Verständnis dafür – weil es etwas Neues ist, etwas anderes. Es ist lebendig, drückt aus, was in uns vorgeht.«

»Ja, mein Schatz, ich weiß. Wenn man älter wird, greift man stattdessen zu Beruhigungsmitteln, und das macht nur halb so viel Spaß.«

Plötzlich erzitterte die Zimmertür in heftiger Erschütterung, und gleich darauf stürmte Mike herein.

»Wie oft hab’ ich dir schon gesagt, dass du anklopfen sollst, bevor du hier hereinbraust?«, rief Patti scharf, die noch immer mit der langen Hose kämpfte.

Er hörte sie gar nicht. »Lauft um euer Leben!«, rief er theatralisch. »Greg ist auf dem Weg hierher, und er führt Selbstgespräche.«

Greg Balter wohnte gegenüber in dem Haus, das seinen Eltern gehört hatte. Wie er es jemals dazu gebracht hatte, ein erfolgreicher Rechtsanwalt zu werden, lag jenseits von Pattis Begriffsvermögen. Wo er doch so leicht in Rage zu bringen war. Ehe sie Zeke Kelso kennengelernt hatte, war sie hin und wieder mit Greg ausgegangen. Eine Zeitlang hatte sie sich eingebildet, ihn zu lieben. Jetzt, in der Rückschau, war klar, dass sie geistig gestört gewesen sein musste. Sie hatte sich einmal eingebildet, diesen Mann von seinem Jähzorn heilen zu können. Doch wer wollte sich schon damit abmühen, einen Menschen umzuformen, wenn ein anderer wartete, bei dem sich jede reformatorische Tätigkeit erübrigte? Immerhin musste man zugeben, dass Greg gut aussah und es verstand, sich anzuziehen. Er war für jedes Mädchen der dekorative Begleiter, der die Gesamtwirkung hob. Außerdem wusste er sich auf allen Gebieten recht intelligent zu unterhalten. Er besaß allen Grund, von sich eingenommen zu sein, und das war er auch.

Laut und deutlich war sein Hämmern an der Haustür zu hören. Es war hartnäckig und fordernd. Er verschmähte es, die Türglocke zu benützen, obwohl Patti sie ihm wiederholt gezeigt und einmal sogar demonstriert hatte, wie einfach es war, darauf zu drücken.

Ingrid und Mike folgten ihr, als sie ganz gemächlich zur Tür schritt. Sie heuchelte Überraschung, als sie öffnete.

»Greg! Das ist aber nett.«

Dieser Empfang nahm ihm für einen Moment den Wind aus den Segeln. Doch nur einen Augenblick blieb er stumm, dann raste der donnernde Zug die eingleisige Spur entlang. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, erklärte er wütend. Er packte ihre Hand und zog. Sie stemmte die Füße auf den Boden wie ein störrisches Maultier. »Ich muss Ihnen etwas zeigen«, wiederholte er.

»Greg!«, rief Ingrid. »Bitte regen Sie sich nicht auf.«

»Wer spricht von Aufregung?«, brüllte er. »Ich bin hergekommen und sagte sehr ruhig, dass ich Ihnen etwas zeigen möchte. Das war alles. Kommen Sie!« Er riss Patti mit einem Ruck vorwärts. Sie verlor das Gleichgewicht. Sie stolperte hinter ihm her, während er über die Straße eilte. Ingrid, mit einem Plüschbären unter dem Arm, und Mike folgten. »Greg!«, rief Patti. »Greg! Sie tun mir weh.«

Er ließ ihre Hand los, blickte jedoch immer wieder zurück, um sich zu vergewissern, dass sie mitkam. Er rannte zu dem frisch betonierten Weg, der sich kunstvoll vom Bürgersteig zur Haustür wand.

»Da!«, schrie er und wies auf den Boden. »Dafür habe ich zweihundertsiebenundachtzig Dollar und neununddreißig Cent bezahlt, und Ihr blöder Kater hat alles ruiniert. Er hat sich nicht etwa damit begnügt, mal schnell drüber zu springen – nein, er musste den ganzen Weg entlangtappen. Morgen muss ich das ausbessern lassen.«

»Lassen Sie’s doch so«, schlug Mike vor. »Für so ein hübsches Muster würden bestimmt viele Leute einen Haufen Geld hinlegen.«

Greg fasste sie am Arm. »Und das ist noch nicht alles!«, brüllte er. Er zog sie ein paar Meter weiter zu einem teuren weißen Sportwagen. Der Wagen war sein Augapfel. Unermüdlich polierte er Lack und Chromverzierungen, und wenn jemand die Karosserie berührte, dann inspizierte er hinterher die Stelle ganz genau, um sich zu vergewissern, dass keine Fingerabdrücke zurückgeblieben waren.

»Da, sehen Sie«, rief er. »Beton – roter Beton. Lauter rote Abdrücke. Sie gehen nicht mehr ab. Ich hab’ alles versucht. Wie ein Wahnsinniger habe ich in der letzten Stunde geschuftet. Jedes Mal, wenn ich ein Stückchen Zement ‛runterkriege, geht der Lack auch flöten. Ich habe dreitausendsechshundertvierzig Dollar für den Wagen gezahlt, und Ihr Kater hat ihn binnen fünf Minuten verschandelt. Sehen Sie sich’s doch an.«

»Ich weiß eine Werkstatt«, ließ sich Mike vernehmen, »wo Sie den Schlitten für neununddreißig Dollar frisch lackieren lassen können.«

Greg funkelte ihn erbost an. »So einen Wagen lässt man nicht für neununddreißig Dollar lackieren.«

Mike ließ sich nicht von seinem Vorschlag abbringen.

»Die nehmen bestimmt gern mehr, wenn Ihnen das zu billig ist. Ich kann Ihnen das Geld leihen, wenn Sie’s brauchen – acht Prozent Zinsen. Keine Spesen.«

»Jetzt reicht’s, Mike«, mischte sich Patti ein. Sie wandte sich Greg zu. »Ehe Sie weitere Anschuldigungen vorbringen, darf ich vielleicht darauf hinweisen, dass es in der Nachbarschaft noch mehr Katzen gibt. Es ist ausgesprochen ungerecht von Ihnen, D.C. anzuklagen, wenn Sie gar keine Beweise haben.«

»Beweise? Was wollen Sie denn noch? Schauen Sie sich doch die Pfotenabdrücke mal an! In der ganzen Gegend gibt’s keine Katze, die solche Riesenklauen hat.«

»Wir zahlen Ihnen alles, Greg«, warf Ingrid ein. »Nicht wahr, Patti? Das ist das einzig Richtige.«

»Klar«, bestätigte Mike sarkastisch. »Schmeiß dein Geld zum Fenster raus – nur weil du in ihn verknallt bist.«

»Mike Randall!«, fuhr Ingrid ihn aufgebracht an. »Was fällt dir ein?« Sie sah Greg an. »Nehmen Sie den Kleinen nicht ernst. Er versteht’s nicht besser.«

Greg schüttelte den Kopf wie ein benommener Boxer. »Ich wollte mich nicht aufregen. Aber es war ein entsetzlicher Schlag.« Er wandte sich an Patti. »Das verstehen Sie doch, nicht wahr? Sie wissen doch, wie Ihnen zumute wäre, wenn...«

»Ja, ich verstehe«, entgegnete sie eisig, »und wir werden genau das tun, was Ingrid vorgeschlagen hat. Wir werden für eine neue Lackierung bezahlen...«

»Nein, nein. Das kommt ja gar nicht in Frage. Ich wollte doch nur – na ja, vielleicht könnten Sie sich mal um Ihren verrückten Kater kümmern. Gibt es nicht Schulen, wo man Katzen unterbringen kann?«

»Sie meinen Hunde.«

»Er hat einen Drahtzaun um sein altes Petunienbeet«, unterbrach Mike.

»Was!«, rief Patti.

»Schaut aus wie ein Schlachtfeld«, fügte Mike hinzu.

»Mir blieb nichts anderes übrig«, erklärte Greg. »Meine Mutter hat dreiundzwanzig Jahre lang in diesem Beet Petunien gepflanzt. Es ist eine Art Gedenkstätte. Ich wollte nicht, dass der Kater alles durchpflügt.«

»Wenn Sie meinen, dass der kleine Zaun ihn abhalten wird...«, bemerkte Patti.

Über Gregs Gesicht huschte ein schwaches, schadenfrohes Lächeln.

»Der schon!«

Patti wollte nach Hause. »Ich schicke Ihnen morgen früh meinen Vater. Dann können Sie sich mit ihm wegen der neuen Lackierung einigen.«

»Patti, seien Sie doch nicht so! Ich hab’s ja nicht bös gemeint.«

»Sicher nicht«, versetzte sie frostig. »Gute Nacht, Greg.«

Als sie die Straße überquerten, stellte sie fest, dass sie zitterte. Sie nahm die Abkürzung durch den Vorgarten. Unter ihren Füßen spürte sie die weiche Nachgiebigkeit des Rasens. Einer ihrer hohen Absätze versank in einem Maulwurfsloch. Sie wäre gefallen, wenn Mike sie nicht gehalten hätte. »Dieses Katzenvieh!«, stieß sie gereizt hervor. Seit Monaten unterminierten die Maulwürfe die ganze Rasenfläche, und D.C. hatte bis jetzt nichts unternommen, als draußen zu lauern und hingerissen die Maulwurfslöcher zu beobachten.

Und auch A.C., der jetzt jämmerlich miauend unter dem Gebüsch hervortrottete und mit Routine den Hungernden spielte, hatte keine Pfote gerührt. A.C. war ein schwarz-weißer Kater dubioser Herkunft und Zucht, der entschieden zu klein geraten war. Vor mehreren Monaten war er hier aufgetaucht und nicht zu bewegen gewesen, das Feld zu räumen, gleichgültig, wie oft er gejagt und vertrieben wurde. Zu ihrer grenzenlosen Verwunderung hatte D.C., der normalerweise alle anderen Katzen rigoros bekämpfte, wenn es galt, die absolute Herrschaft in seinem Reich zu verteidigen, nichts gegen ihn einzuwenden gehabt. Gelegentlich rieben sie sogar ihre Nasen aneinander. A.C. war die Abkürzung für Assistant Cat. »Er legt’s drauf an, die Herrschaft an sich zu reißen«, hatte Mike festgestellt. Doch es war unwahrscheinlich, dass ihm das gelingen würde. Vater hatte unmissverständliche Verhaltensmaßregeln gegeben. »Wenn ich einen von euch dabei erwische, dass er der Katze etwas zu fressen zusteckt...« A.C. unternahm also auch nichts gegen die Maulwürfe, und das brachte Vater in Rage. »Da haben wir nun zwei Katzen hier, und wozu sind sie gut? Zu gar nichts? Sie beobachten die Menschen, und sie beobachten die Maulwürfe.«

Als sie das Wohnzimmer betraten, klingelte das Telefon.

»Ich nehme das Gespräch in meinem Zimmer ab«, sagte Patti und eilte davon. Sie vermutete, es würde Zeke sein. Und wenn das zutraf und Ingrid an den Apparat ging, dann würde sie wieder stundenlang quasseln. »Sag ihnen bitte, sie sollen die Musik ein bisschen leiser stellen.«

Als sie Zekes Stimme hörte, schwemmte die Freude die letzten Reste des Zorns hinweg. Sie wusste nicht, wie es möglich war, dass für sie der Tag ein neues, freundlicheres Gesicht bekam, wenn sie nur seine Stimme hörte.

Er sprach sehr tief mit jenem weichen, lässigen, ein wenig breiten Akzent seines Heimatstaates Nevada. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Er nahm die Hürden im Leben leicht und sicher.

»Ich habe bis Mitternacht zu tun.«

»Ich bleibe solange auf.«

»Ja? Ich wollte etwas mit dir besprechen – etwas Geschäftliches.«

»Geschäftlich?« Ihr Tonfall verriet sie. Sie hatte keineswegs Lust, wegen einer Besprechung aufzubleiben, die das FBI anging.

»Wie geht’s eurem Kater? Ist er gesund?«

»D.C.?« Sie lachte. »Seit wann interessierst du dich denn für sein Wohlergehen?«

»Ich weiß, die Frage klingt etwas merkwürdig – ausgerechnet von mir, aber ich möchte ihn gern ausleihen. Ich brauche ihn – sagen wir, als Informanten.«

»Wie bitte?«

Der Gedanke, dass Zeke sich D.C. ausleihen wollte und noch dazu, um ihn als Informanten einzusetzen, war zum Lachen. Zeke hatte eine Allergie gegen Katzen. Er musste jedes Mal kräftig niesen, wenn ihm ein solches Tier über den Weg lief. Wenn Zeke sie besuchte, dann sperrte sie D.C. immer ein, mit dem Erfolg, dass D.C. sie mit allem Nachdruck beschimpfte, wenn er endlich wieder frei war.

»Ich brauche ihn für einen Fall, den ich zu bearbeiten habe«, fuhr Zeke fort.

»Ist es gefährlich? Ich meine, müssten wir Angst haben, dass ihm...«

»Wir würden alles Menschenmögliche tun, um ihn zu schützen, genauso als wäre er ein Mensch.«

»Er ist so gut wie ein Mensch«, stellte sie tadelnd fest.

Er verbesserte sich hastig.

»Ich weiß, ich weiß.« Hier befand er sich auf gefährlichem Boden. Er sprach langsam weiter, setzte jedes seiner Worte mit Überlegung. »Du weißt, dass ich dir alles erklären würde, wenn ich könnte, aber es geht eben nicht.«

»Natürlich, ich verstehe schon«, versicherte sie. Beim FBI hatte sich jeder Beamte streng an die Vorschrift zu halten, die gebot, dass Tatsachen über einen Fall, in dem Ermittlungen im Gange waren, nicht weitergegeben werden durften. »Ich muss erst mit Mike und Ingrid darüber sprechen. Sie haben das gleiche Bestimmungsrecht über D.C. wie ich. In solchen Fällen stimmen wir immer ab.«

»Es ist wirklich ungeheuer wichtig«, fuhr er fort. »Das wenigstens kann ich dir sagen. Wir haben allen Anlass zu der Vermutung, dass ein Mensch getötet wird, wenn es uns nicht gelingt, gewisse Informationen zu erhalten. Und diese Informationen können wir uns nur mit Hilfe einer Katze beschaffen.«

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Der FBI-Beamte Rodd, der die eingehenden Anzeigen bearbeitete, hatte Zeke am Morgen um neun Uhr vierundvierzig angerufen. Zeke diktierte gerade einem überschlanken Mädchen den Schlussbericht über einen Banküberfall. Ihre neckisch verheißungsvollen Augen ruhten unverwandt auf ihm, während die schlanken, flinken Finger über den Stenoblock eilten. Zeke Kelso war einer der wenigen unverheirateten Beamten in der Dienststelle. Es galt, ihn zur Strecke zu bringen.

»Ich erhielt gerade einen Anruf von einer gewissen Shirley Hutchinson«, berichtete Rodd. »Sie wohnt in Beverly Hills in der Dunbar Street 416, Apartment C, und gab an, bei dem Juweliergeschäft Palais Royal in Beverly Hills, South Beverly Drive, tätig zu sein. Sie teilte mir mit, sie sei im Besitz von Informationen, die das FBI interessieren würden. Ich konnte keine Einzelheiten aus ihr herausholen, aber als ich die Kartei auf ihren Namen und auf den Namen des Juweliergeschäfts überprüfte, stieß ich auf einen Fall, den Sie bearbeiten. Es handelt sich um Boris Philov, alias Philippe Duval, Eigentümer des Juweliergeschäfts Palais Royal, und zwar unter dem Namen Duval.«

Zeke war plötzlich ganz Ohr. Er griff nach einem gelben Schreibblock und notierte sich Shirley Hutchinsons Adresse. Siebenundzwanzig Monate lang beschäftigte sich das FBI schon mit dem Fall Philippe Duval, dessen Vorgeschichte in einer Akte mit der Aufschrift Interstaatliche Verbringung gestohlener Ware abgelegt war. Die Angelegenheit war von der Außenstelle in Miami aufgegriffen worden, kurz nachdem Duval, sechsundfünfzig Jahre alt, eins-sechsundachtzig groß, fünfundachtzig Kilo schwer, schwarzes Haar, dunkler Teint, Narbe am rechten Ohrläppchen, einen nächtlichen Einbruch in seinem exklusiven Juweliergeschäft angezeigt hatte. Schmuck und Steine im Wert von siebenhundertachtzigtausend Dollar waren damals gestohlen worden.

Gewisse Anhaltspunkte – eine Alarmanlage, die nicht funktioniert hatte, und ein geheimer Safe, von dem nur wenige wussten – ließen damals darauf schließen, dass der Einbruch von einer Person begangen worden sein musste, die über die innerbetrieblichen Gegebenheiten informiert war. Bei der Überprüfung von Duvals Vergangenheit stellte das FBI nach Fühlungnahme mit der französischen Polizei fest, dass Duval am 19. März 1959 in Paris einen ähnlichen Einbruch angezeigt hatte. Der Wert der gestohlenen Ware belief sich damals auf vierhundertdreiunddreißigtausend Dollar. In beiden Fällen wurde Duval von der Versicherungsgesellschaft für die erlittenen Verluste entschädigt. Beide Male hatte Duval sein Geschäft nach Regelung der finanziellen Seite verkauft. Von Paris aus war er nach Miami gezogen und von dort nach Beverly Hills. Er war geborener Bulgare, doch in Paris aufgewachsen, ein weltgewandter Mann, der fünf Sprachen fließend beherrschte. Er gab sich gern als Kavalier alter europäischer Schule und wickelte damit seine weibliche Kundschaft ein.

»Shirley Hutchinson«, murmelte Zeke vor sich hin. Er erinnerte sich an sie. Zweimal hatte er das Palais Royal aufgesucht, um sich einen Überblick über Anlage und Einrichtung des Geschäfts zu verschaffen. Beide Male hatte sie ihn bedient. Hinterher hatte er ihren Leumund und ihre politische Führung überprüft und hatte sich streng vertraulich mit verschiedenen Leuten unterhalten, die sie kannten. Ihm war nichts Nachteiliges über sie zu Ohren gekommen.

»Sie sagte, wenn einer unserer Beamten – nur einer allein – heute zwischen zwölf und ein Uhr mittags sie in ihrer Wohnung aufsuchen wolle«, fuhr Rodd fort, »dann wäre sie zu Hause. Allerdings verlangte sie, dieser Beamte solle sich als Vertreter ausgeben oder sonst irgendeinen Vorwand benutzen und auch an den anderen Wohnungen klingeln. Sie fürchtet, dass man sie beobachtet.«

Zeke war klar, dass es sich um eine Falle handeln konnte. Vielleicht wollte sie nur auf den Busch klopfen, in Erfahrung bringen, ob das FBI etwas in der Hand hatte. Aber sie genoss einen ausgezeichneten Ruf, wenn man sich auch als FBI-Beamter nicht ausschließlich auf den guten Leumund einer Person verlassen durfte. Freunde sahen meist nur eine Seite des Charakters eines Menschen. Außerdem gab es immer ein erstes Mal.

Er beschloss, es zu wagen. »Ich werde selbst hinausfahren.«

Er unterbrach das Diktat, dankte der Stenotypistin und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, um sich zu konzentrieren. Was konnte er verkaufen? Warum nicht Bücher? Er kannte Henrietta Jelm recht gut. Sie leitete die Niederlassung eines bekannten Verlags, eine charmante und intelligente Person. Sie hatte gewiss Bücher in rauen Mengen. Wahrscheinlich würde sie ihn für leicht verrückt halten... Punkt zwölf Uhr kam er in der Dunbar Street 416 an. Das Haus, in dem Shirley Hutchinson wohnte, war ein leichtes, luftiges einstöckiges Gebäude, das einen schmalen Innenhof mit tropischen Sträuchern und zwei staubigen, müden Palmen umgab.

Er begann bei Apartment A. Ein behäbiger Mann, der auf einem Sandwich kaute und in der Hand ein Glas Bier hielt, kam zur Tür. Sein behaarter Schmerbauch quoll schwammig über den Bund der Badehose. Zeke ließ einen Schwall einführender Worte vom Stapel und zog einen dicken Wälzer aus seiner Aktentasche.

»Was wollen Sie?«, fuhr der Mann ihn an. »Können Sie nicht lesen? Da, schauen Sie sich das Schild an! Betteln und Hausieren verboten.«

Zeke spielte den Entrüsteten.

»Ich bin kein Hausierer. Mich führt eine kulturelle Mission zu Ihnen.«

Die Tür flog krachend zu.

Zeke begab sich zu Apartment B. Er wurde von einer grobknochigen Frau Anfang Fünfzig empfangen. Ihr kürzlich erst frisch gefärbtes rotes Haar war hoch auftoupiert. Sie stürzte sich auf ihn, als wäre er ihre letzte Verbindung zur Welt der Literatur. Sie blätterte eines der Bücher durch. Als sie zum nächsten Band griff, schüttelte Zeke voller Bedauern den Kopf.

»Leider lässt mir meine Firma höchstens zehn Minuten Zeit für jeden Kunden.«

Sie schien das einleuchtend zu finden. Sie kaufte das erste Buch und zahlte fünf Dollar fünfundneunzig. Henrietta Jelm würde Augen machen, wenn er das Geld ablieferte.

Die Tür zum Apartment C öffnete sich bei seinem ersten Klopfen. Shirley Hutchinson stand vor ihm, ein großes, schlankes Mädchen, biegsam wie ein Schilfrohr, das sich im Winde neigt. Sie hatte große, feuchtschimmernde Augen unter unwahrscheinlich blaugrünen Lidern und einen vollen, weichen Mund, der durch den farblosen Lippenstift noch weicher wirkte. Er blickte auf ihre Hände, um zu sehen, ob der Nagellack passte. Er passte.

Sie hörte seinen Ausführungen über die Vorteile der Belesenheit aufmerksam zu und bat ihn dann herein.

»Ich erinnere mich an Sie«, stellte sie fest und wies auf einen Sessel. »Sie kamen vor einiger Zeit zu uns in den Laden, um sich einen Verlobungsring anzusehen.«

»Sie haben ein gutes Gedächtnis.«

Sein Blick wanderte durch das Zimmer. Die Einrichtung war geschmackvoll und modern. Eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite führte in eine Kochnische.

»Lassen Sie sich nicht zu behaglich in den Sessel plumpsen«, riet sie. »Der Sessel stammt nämlich aus unserem früheren Verkaufsraum. Ich glaube, er war immer nur als Staffage gemeint. Möchten Sie irgendetwas zu trinken – Whiskey?« Ihre Stimme war tief und rauchig. Als er den Kopf schüttelte, fuhr sie fort. »Es gehört zu meinem Beruf, mich an die Gesichter der Menschen zu erinnern. Die meisten unserer Kunden sind wohlhabend, und wohlhabende Leute haben es gern, wenn man sich ihrer, namentlich entsinnt. – Haben Sie die junge Dame geheiratet?«

»Sie teilten uns mit, Sie seien im Besitz von Informationen, die uns interessieren könnten.« Er musste endlich zum Thema kommen.

Sie ging zur Tür und sperrte ab.

»Das war doch nur ein Vorwand, nicht wahr«, bemerkte sie, »dass Sie einen Verlobungsring suchten?«

Sie ließ sich anmutig auf die Couch sinken.

»Miss Hutchinson, bitte, was haben Sie uns zu sagen?«

»Kennen Sie Monsieur Duval?«

»Ich habe von ihm gehört.«

»Gestern Abend, es war ungefähr halb acht Uhr, bediente ich eine Kundin, die ziemlich lange blieb. Sie kaufte einen vierkarätigen Brillantring.« Abrupt brach sie ab. »Werden Sie mich schützen?«

»Das FBI gibt niemals seine Informationsquellen preis.«

»Das weiß ich – ich meinte... Sehen Sie, es ist möglich, dass ich von Zeit zu Zeit Neues zu berichten habe, und ich möchte die Gewissheit haben, dass ich mich an Sie persönlich wenden kann, wenn ich Hilfe brauche. Ich hätte gern Ihre private Telefonnummer und Ihre Privatadresse. Es könnte nötig werden, dass ich mich raschestens mit Ihnen in Verbindung setze.«

Zeke fühlte sich unbehaglich. »Sie können zu jeder Zeit in der Dienststelle anrufen.«

Sie strich über ihren Rock. »Ich spreche nicht gern mit Fremden. Ich möchte Freunde um mich haben, Leute, die ich kenne, denen ich vertrauen kann. Das verstehen Sie doch, oder? Ich könnte das, was ich vorhabe, nicht tun, wenn ich nicht sicher wäre, dass Sie für meine Lage Verständnis haben.«

Sie schenkte ihm ein Lächeln, in dessen scheinbarer Unschuld ganz klar zu lesen war: Du bist mir ungeheuer sympathisch. Zeke rutschte in seinem Sessel hin und her, schlug die Beine übereinander, streckte sie dann gleich wieder aus und schlug sie schließlich doch übereinander. Ihm war gar nicht wohl in seiner Haut, als er sich mit ihrer Bitte einverstanden erklärte. Newton, sein Chef, würde mit seiner Missbilligung nicht hinter dem Berg halten, doch er brauchte das Mädchen. Sie arbeitete in dem Geschäft und konnte unter Umständen wertvolle Informationen liefern. Gleichzeitig war ihm klar, dass auch die Möglichkeit eines Schwindelmanövers ihrerseits nicht auszuschließen war. Er kritzelte seine Telefonnummer und seine Adresse auf einen Zettel.

»Zeke Kelso«, las sie laut. »Der Name gefällt mir. Ehrlich und offen.« Dann fuhr sie fort. »Mr. Duval glaubte offensichtlich, ich wäre schon gegangen. Es war ja spät.« Ihre Gelassenheit ließ sie im Stich. Das dünne, unbeabsichtigte Klirren ihrer Armbänder verriet Angst. »Vielleicht sollte ich zuerst erzählen, dass verschiedene eigenartige Dinge geschahen. Monsieur Duval kaufte beispielsweise erst vor kurzem eine Schmuckkollektion im Wert von dreihunderttausend Dollar aus dem Raymond-Hawthorn-Nachlass und schärfte mir ein, ich dürfte zu keinem Menschen darüber sprechen. Er war in letzter Zeit ziemlich nervös und häufig vom Geschäft abwesend. Das ist sonst gar nicht seine Art. Es kamen Anrufe von komischen Leuten, die sich weigerten, ihren Namen zu nennen, als ich mich meldete. – Na ja, ich saß jedenfalls an dem kleinen Schreibtisch im Verkaufsraum und sortierte die Kassenzettel, als ich ihn in seinem Büro telefonieren hörte. Gleich neben dem Schreibtisch ist eine Luftklappe für die Klimaanlage.« Sie richtete sich auf und saß kerzengerade. Ihre Hände waren ruhelos. »Zuerst hörte ich gar nicht, was er sagte, weil ich nicht zuhörte. Doch dann wurde seine Stimme lauter. Ich hörte, wie er sagte, man müsse die Person irgendwann in einer dunklen Nacht kurz und schmerzlos um die Ecke bringen. Dann war er eine lange Zeit still, sagte nur hin und wieder ja, ja. Und später legte er auf.«

»Was taten Sie?«

»Ich lasse mir nicht leicht Angst einjagen, aber in dem Moment bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich packte mein Kassenbuch und ging heim. Ich schaltete nicht einmal das Licht aus. Heute Morgen machte er mich darauf aufmerksam, dass ich es vergessen hätte.«

»Vielleicht machte er nur Spaß.«

»Es klang nicht danach. Das hört man einfach, wissen Sie. Ich hab’ ein ganz komisches Gefühl bei der Sache. Sie finden wahrscheinlich, ich bin eine Frau mit übersteigerter Phantasie. Aber wenn Sie mich kennen würden... könnten Sie mich nicht zum Abendessen ausführen? Es würde mich beruhigen, wenn wir einander besser kennenlernten. Ich habe nämlich Angst. Und Sie könnten das Abendessen doch auf Ihr Spesenkonto setzen, oder?« Sie versuchte ein Lachen. »Ein Abendessen für einen sehr nervösen Spitzel.« Sie hielt einen Moment inne und fuhr dann hastig fort: »Ich musste Sie anrufen. Mein Vater – er war selbst Juwelier – hatte einen kleinen Laden in Seattle und bläute mir immer ein, ich sollte mich direkt ans FBI wenden, wenn jemals etwas vorfiele. Es gibt immer Juwelendiebe und Leute, die versuchen, gestohlene Steine an den Mann zu bringen. Wahrscheinlich wäre es unklug, wenn ich mich mit Ihnen in einem Restaurant sehen ließe, aber Sie könnten ja abends einmal zu mir kommen... Sie könnten sich als Installateur ausgeben. Der Müllschlucker funktioniert sowieso nur, wenn’s ihm Spaß macht. Dann könnten Sie bei mir zu Abend essen, und wir würden einander ein bisschen näherkommen.«

Zeke fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

»Ich wünschte, das ginge, aber – na ja, Sie wissen ja, wie das ist. Wir sind alle überlastet... Vielleicht lässt sich’s arrangieren, wenn...«

»Haben Sie etwa Angst vor mir?«

»Sollte ich, Miss Hutchinson?«

Wieder zwang sie sich zu einem mühsamen Lachen.

»Sie kennen mich nicht...«

»Bitte, Miss Hutchinson«, unterbrach Zeke. »Ich habe nicht viel Zeit. Könnten Sie jetzt vielleicht in aller Einzelheit wiederholen, was Mr. Duval sagte? Versuchen Sie bitte, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern.«

Er stellte ihr Fragen, bohrte und forschte, bis er zufrieden war. Dann sagte er: »Ich möchte Sie nicht über Gebühr beunruhigen, aber lassen Sie sich unseretwegen auf keinerlei Risiko ein. Das FBI verlangt von keinem Menschen, dass er seine persönliche Sicherheit aufs Spiel setzt. Wenn Sie aber im Rahmen Ihrer geschäftlichen Tätigkeit Bruchstücke von Unterhaltungen aufschnappen, die Ihnen vielleicht bedeutungslos erscheinen, so vergessen Sie nicht, dass wir sie möglicherweise verwerten können. Versuchen Sie deshalb, sich solche Gespräche zu merken, aber schreiben Sie keinesfalls etwas nieder. Und denken Sie immer daran, dass nur ein Mensch in einer ausweglosen Lage den Mord als Lösung in Betracht zieht.«

Als er die Tür öffnete, sagte er laut: »Ich danke Ihnen für die Bestellung. Ich bin überzeugt, dass das Buch Ihnen zusagen wird.«

Er drehte sich um und wäre beinahe mit der Rothaarigen von nebenan zusammengestoßen. »Bei ihr sind Sie aber länger geblieben als zehn Minuten«, stellte die Frau mit anklagender Stimme fest.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Zeke warf einen Blick in Newtons Büro. Der Leiter der Außenstelle stand am Fenster. »Kommen Sie ‛rein, Zeke«, rief er. Er schob das Fenster hoch und setzte sich dann hinter seinen Schreibtisch. »Mir ist es gleich, was man über Klimaanlagen sagt. Der Mensch braucht einfach Sauerstoff. Aber verraten Sie nicht, dass mein Fenster offen ist. Sonst werde ich noch wegen Luftholens angeklagt.«

Er war ein kräftiger Mann, dessen Haar schon zu ergrauen begann. Sein Jackett hatte er abgelegt, die Krawatte gelockert. Sein Haar war wirr. Zeke empfand große Sympathie für diesen Mann. Das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.

Zeke überflog seine Notizen. »Sie ist vierundzwanzig Jahre alt, lebt allein, kam vor achtzehn Monaten aus Seattle hierher, wo ihre Eltern heute noch ansässig sind. Ihr Vater war dort früher einmal Eigentümer eines kleinen Juweliergeschäfts. Sie ist seit siebzehn Monaten für Duval tätig und kommt offenbar gut mit ihm aus. Sie entspricht dem Typ von Mädchen, denen man in einem teuren Geschäft begegnet. Groß, schlank, blond. Bei der Arbeit wirkt sie kühl und etwas unverbindlich, doch privat ist sie ein ausgesprochen kontaktfreudiger Mensch. So ziemlich die kontaktfreudigste Frau, die ich je kennengelernt habe.«

»Sie meinen...?«, begann Newton.

»Nein, nein. Sie macht einen sehr netten und anständigen Eindruck. Nur – nur, man könnte sagen, sie ist ein bisschen anhänglich, so wie ein Spaniel ungefähr.«

»Können wir ihr trauen?«

»Ich glaube schon.«

»Sie lassen sich doch hoffentlich nicht von der Tatsache beeinflussen, dass sie blond und verträumt ist?«

Zeke lächelte. »Ich würde jetzt gern sagen, dass für mich ein Mensch wie der andere ist, wenn ich mit einem Fall beschäftigt bin – aber das würden Sie mir nicht glauben.«

»Bestimmt nicht.«

»Also wie gesagt, sie kommt gut mit Duval aus. Er zahlt ihr wöchentlich einhundertfünfzig Dollar und ist mit freien Tagen sehr großzügig. Kein Wunder, dass sie vor den Kopf gestoßen war... Außerdem hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie sich an uns wendete. Aber sie weiß, dass es ihre Pflicht ist, und wird sich daranhalten. Ich habe mit ihr verabredet, dass sie mich anruft, wenn sich irgendetwas tut. Ich ermahnte sie, vorsichtig zu sein, denn wenn Duval Verdacht schöpfen sollte, dann...«

Newton schob die Unterlippe vor.

»Sieht so aus, als hätten sie Memo erwischt, was? Wer könnte es sonst sein?«

 

Memo hieß in Wirklichkeit Calvin Oscar Thurman, war achtunddreißig Jahre alt, eins-fünfundsiebzig groß und achtzig Kilo schwer. Er war unverheiratet und bei einer New Yorker Schmuckgroßhandlung als Schleifer tätig.

Vor einem Monat, am 9. Mai um zehn Uhr sieben morgens, war er in der Außenstelle des FBI in New York erschienen, um sein Herz auszuschütten.

In seinen unsteten kleinen Augen stand Angst. Seine Firma, berichtete er, wolle ihn nach Los Angeles schicken, wo er eine Juwelensammlung im Wert von dreihunderttausend

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Gordon Gordon/Mildred Gordon/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Mina Dörge.
Übersetzung: Mechtild Sandberg (OT: Undercover Cat Prowls Again).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 17.11.2020
ISBN: 978-3-7487-6480-9

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