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Leseprobe

 

 

 

 

FLETCHER PRATT

 

 

KOMET DER VERWANDLUNG

- Galaxis Science Fiction, Band 27 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

KOMET DER VERWANDLUNG 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

 

Das Buch

Eine Invasion aus dem Bereich der Riesensonne Rigel bedroht die Erde. Unaufhaltsam rast von dort ein Komet mit feindlichen Invasoren auf unseren Planeten zu. Von ihnen geht eine unheimliche Wirkung aus, unter der sich der molekulare Aufbau jeglicher menschlichen Substanz verwandelt. Niemand auf der Erde, kein einziger Wissenschaftler - weder Physiker noch Astronom, Chemiker oder Biologe oder Mediziner - hatte vorausahnen können, dass die Menschheit keiner konkreten Gefahr ausgesetzt sein würde: Dass sich die Umlaufbahn der Erde mit der Kometenbahn kreuzen würde, hatte man vorausgesehen, aber allen Berechnungen nach würde kein Menschenleben vernichtet, kaum eine Zerstörung angerichtet werden. Folglich war die Panik ausgeblieben.

Bis zu jenem Morgen, als die Menschen erwachten ...

 

Komet der Verwandlung von Fletcher Pratt (* 25. April 1897 in einem Reservat bei Buffalo, New York; † 10. Juni 1956 in Long Branch, New Jersey) erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden. 

  KOMET DER VERWANDLUNG

 

 

 

 

 

  

  Erstes Kapitel

 

 

Murray Lee erwachte jäh.

Ein schmerzhaftes Dröhnen in seinem Hinterkopf und eine Steifheit jedes einzelnen Muskels gaben ihm das Gefühl, als sei er entsetzlich geschlagen worden; aber er konnte sich an nichts Derartiges erinnern.

Mühsam drehte er sich im Bett um und betastete seinen linken Ellbogen, von dem ein unerklärlicher Schmerz ausging.

Da traf ihn der furchtbarste Schock seines Lebens: Der Ellbogen fühlte sich nicht an wie Fleisch und Blut, sondern wie ein Maschinenteil, und die Bewegung verursachte ein metallisches Klappern.

Erschrocken richtete er sich auf und warf die Decke zurück. Wieder klapperte es, und der Arm bot sich seinem entsetzten Blick als ein verwirrender Fremdkörper dar: ein System von Metallbändern, die am Ellbogen in eben dem Mechanismus zusammenliefen, den er vorhin gespürt hatte. Die Finger waren stählerne Klauen und endeten in gummiartigen Kuppen. Trotzdem war das Gefühl in dem so grotesk veränderten Glied erhalten geblieben.

Ein paar Sekunden lang starrte er auf seinen Arm und glaubte zu träumen. Dann hob er vorsichtig den rechten Arm. Er war das genaue Gegenstück des linken. Er bewegte die Finger - sie gehorchten seinem Willen, als seien sie immer noch aus Fleisch und Blut.

Eine grauenhafte Angst packte ihn. Er riss die Pyjamajacke auf. Es überraschte ihn kaum, dass statt der Rippen und Muskelstränge glänzende Metallplatten zum Vorschein kamen.

Träumte er? War er betrunken - oder wahnsinnig geworden?

Er sprang aus dem Bett und rannte zum Spiegel. Seine Schritte hallten und dröhnten wie die Schläge schwerer Hämmer. Jede Bewegung brachte ein Kreischen wie von schlechtgeölten Maschinenteilen in seinem Körper hervor.

Dann stand er vor dem Spiegel, vor dem er sich seit Jahren rasiert hatte. Das Gesicht, das ihm daraus entgegenstarrte, trug metallene Züge, die den seinen entfernt ähnelten, darüber eine Bürste wirrer Haare aus steifem, feinem Draht.

Man wird nicht wahnsinnig in solchen Momenten. Das Bewusstsein ist gar nicht fähig, einen solchen Schock sofort aufzunehmen und in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. Murray Lee beschloss, sich auf alle Fälle erst einmal anzuziehen.

Dabei betrachtete er sein neues Selbst mit wachsender Bestürzung und doch zugleich mit einer gewissen Bewunderung. Er war tatsächlich eine unerhört komplizierte und gut funktionierende Maschine. Die Metallbänder griffen ebenso glatt ineinander wie seine früheren Muskeln. Die Gelenke waren leicht beweglich. Angenehm überrascht stellte er fest, dass seine Zehen sich zum Greifen eigneten; er konnte sogar den linken Schuh mit dem rechten Fuß anziehen, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen.

Erst als er fertig angekleidet war, fiel ihm die ungewohnte Stille auf. Das Dröhnen New Yorks, das sonst bis zum achtundvierzigsten Stockwerk dieses modernen Wohnblocks heraufdrang, war verstummt.

Wie spät mochte es sein? Der Wecker war auf Viertel vor zwei stehengeblieben. Er würde Ben nach der Zeit fragen müssen.

Dies brachte ihn auf einen neuen Gedanken. Ben Ruby, mit dem er zusammenwohnte, war Wissenschaftler. Drüsenspezialist. Vielleicht konnte der ihm erklären, was eigentlich mit ihm geschehen war.

Er klopfte an Bens Tür - der Schlag hallte unerwartet laut in der Stille. Die Tür wurde aufgerissen. Auf der Schwelle stand eine Karikatur Ben Rubys in Metall - eine ähnliche Maschine wie Murray selbst, nur halb bekleidet.

»Nur herein!«, rief Ben scheppernd. Seine Stimme klang wie eine alte zerkratzte Grammophonplatte. »Du siehst köstlich aus. Der eiserne Murray! Wozu hast du dich so in Schale geworfen? Könntest ebenso gut einem Steinbohrer Hosen anziehen. Ich bin gerade beim Frühstück.«

Nun, Ben schien jedenfalls seinen Humor nicht eingebüßt zu haben. Wahrscheinlich war er schon länger wach und hatte Zeit gehabt, sich mit der neuen Lage abzufinden.

Lee fragte:

»Was ist los? Bin ich verrückt - oder du - oder alle beide?«

»Keine Spur. Das Tollste, was je passiert ist! Der große Komet - weißt du nicht mehr? Alle Zeitungen waren doch voll davon. Es hieß, er sei radioaktiv und rase geradewegs auf die Erde zu. Niemand glaubte daran. Jetzt haben wir die Bescherung.«

Murray erinnerte sich dunkel der Zeitungsberichte.

»Alle Menschen sind in Metall verwandelt«, fuhr Ben fort. »Mir scheint, du brauchst Schmierfett. Augenblick mal.«

Er stampfte ins Nebenzimmer und kam gleich darauf mit einer Radiobatterie in der einen und einem Ölkännchen in der anderen Hand zurück.

»Abschmierfett steht leider heute nicht auf der Speisekarte«, bemerkte er munter. »Nur Schreibmaschinenöl.«

Er machte sich daran, Lees metallene Gelenke zu ölen. Dann deutete er mit einer Zehe auf die Batterie.

»Schließ sie selbst an. An einen Arm und das entgegengesetzte Bein. Sie lädt dich auf. Irgendwo in uns muss ein Akku sein, der den Strom speichert.«

Murray Lee gehorchte, obwohl er nichts von alledem verstand, und schloss die Batterie an seine Glieder an.

Es war die seltsamste Mahlzeit, die er je eingenommen hatte. Aber er fand sie erstaunlich belebend.

»Noch eine Portion?«, fragte Ben zuvorkommend.

Murray winkte ab.

»Erzähl mir endlich, was geschehen ist!«, bat er.

»Genau weiß ich es auch nicht. Muss eine Art radioaktiver Gassturm gewesen sein, ausgelöst durch den Kometen. Hat uns auf irgendeine Weise in Maschinen verwandelt. Wir werden in Zukunft von elektrischem Strom leben und keinen Arzt mehr brauchen - eher einen guten Mechaniker. Aber die meisten Menschen sind dabei umgekommen. Komm mit.«

Er fasste Murray klirrend am Arm und führte ihn auf den Flur hinaus. Murray wollte zum Aufzug, aber Ben schüttelte den Kopf.

»Kein Strom.«

»Oh, Gott! Achtundvierzig Stockwerke zu Fuß!«

»Man gewöhnt sich daran.«

Sie stiegen eine Treppe hinunter, und Ben stieß die Tür einer Wohnung auf, deren Schloss aufgebrochen war.

Auf Murrays fragenden Blick zuckte Ben die Achseln.

»Ich habe die Tür aufgebrochen. Dachte, ich könnte noch helfen. Aber es war nichts mehr zu machen. Die dicke Frau hat hier gewohnt - du weißt, die immer im Fahrstuhl über uns die Nase rümpfte, wenn wir einen gehoben hatten.«

Murray zögerte einen Augenblick auf der Schwelle. Er scheute den Anblick des Todes. Aber seine Bedenken erwiesen sich als überflüssig. Die unförmige Gestalt, unter deren Gewicht das Bett fast zusammenbrach, hatte nichts von einem menschlichen Körper an sich. Es war eine plumpe, hässliche, gusseiserne Statue, die in einem billigen Nachthemd aus Kunstseide steckte.

»Siehst du?«, sagte Ben. »Die Verwandlung war nicht vollständig. Sie ist einfach zu leblosem Metall geworden. Vielleicht, weil ihre Fenster geschlossen waren.«

Murray sah unbehaglich auf den gewaltigen Metallklumpen hinunter.

»Können wir nichts für sie tun?«

»Nicht das Geringste. Komm, wir haben noch eine Unmenge Treppen hinunterzusteigen. Scheußlich, was für einen Lärm wir machen! Ein Bad in Rostschutz-Öl täte uns gut.«

Die Treppen schienen kein Ende zu nehmen.

Endlich erreichten sie die Straße. Totenstille umgab sie. Hoch oben über den Straßenschluchten segelten weiße Wölkchen am blauen Himmel.

»Ein Glück, dass schönes Wetter ist«, bemerkte Ben. »Für Regenwetter müssen wir uns noch was ausdenken; schließlich wollen wir ja nicht rosten.«

Sie betraten den erstbesten Drugstore. Er bot ein Bild plötzlich erstarrten Lebens: Die gusseiserne Statue des Verkäufers lehnte lässig an der Theke, wie im Gespräch mit dem ebenfalls leblosen eisernen Mädchen, das ihm gegenüber auf einem Barhocker saß. Auf dem Gesicht des Mädchens war noch eine Puderschicht zu sehen und auf den eisernen Lippen eingetrocknete Reste von Lippenstift.

»Übrigens«, fragte Murray, »hast du eine Ahnung, welches Datum wir haben? Das alles kann doch nicht gestern passiert sein...«

Ben zuckte die Achseln.

»Wer weiß?« Er stöberte in den Schubladen herum.

»Was suchst du eigentlich?«, fragte Murray.

»Gummihandschuhe. Ich möchte nicht mit den Metallfingern an Starkstrom kommen.«

»Hier sind welche. Was nun?«

»Jetzt suchen wir uns Gummigaloschen«, entschied Ben, der auf seinen glatten Metallfüßen immer wieder ausglitt. »Wir nehmen uns ein Taxi und fahren zu einem Schuhladen.«

Sie fanden ein Taxi und zerrten den eisernen Fahrer von seinem Sitz. Es war erstaunlich, wie leicht es ihnen fiel, das schwere Gewicht des metallenen Körpers zu heben.

Glücklicherweise steckte der Zündschlüssel, und der Wagen sprang ohne weiteres an.

Als sie in die Madison Avenue einbogen, bot sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Mehrere Busse waren ineinander gefahren. Die Fahrgäste waren in allen möglichen Stellungen zu Metall erstarrt. Der Unfall musste genau im Augenblick der allgemeinen Verwandlung stattgefunden haben, als die Hände am Steuer und die Hirne der Fahrer zu Metall wurden. Die meisten Fahrgäste waren schwer verletzt worden, und das Blut aus ihren Wunden war zu metallenen Rinnsalen erhärtet.

Sie hielten vor einem Schuhgeschäft. Es war geschlossen, aber Ben trat ohne weiteres die Schaufensterscheibe ein.

Es war schwierig, passende Überschuhe zu finden, denn die neuen Füße waren bedeutend länger als ihre alten. Murray schlitzte mehrere Galoschen mit seinen eisernen Zehen auf, bevor er die richtigen fand.

»Jetzt hätte ich Lust auf einen Drink«, seufzte er, als sie den Laden verließen.

»Bloß nicht!«, sagte Ben. »Alkohol würde dir schlecht bekommen. Ich schlage vor, wir versuchen, weitere Überlebende zu finden. Bis jetzt scheint es, als wären wir die einzigen. Ob das daran liegt, dass wir so hoch wohnten? Unten auf der Straße sind offenbar alle umgekommen.«

»Vielleicht«, meinte Murray, »sind die anderen Überlebenden früher zu sich gekommen und haben die Stadt verlassen.«

»Möglich. Auf jeden Fall müssen wir die höhergelegenen Wohnungen durchsuchen.«

Er wollte auf das Taxi zugehen, als Murray ihn zurückhielt.

»Horch! Was ist das?«

Schwere Schritte stampften die Seitenstraße herauf.

»He! Hallo! Hierher!«, schrie Ben.

Die Schritte kamen näher.

Murray rannte ihnen entgegen, blieb aber wie angewurzelt stehen, als der Ankömmling um die Ecke bog.

Es war ein Mädchen - oder vielmehr, es war vor der Verwandlung ein Mädchen gewesen, denn jetzt war es eine Maschine wie sie. Die metallene junge Dame war nach ihren bisherigen Schönheitsbegriffen nicht gerade hübsch. Sie war gut gekleidet, trug aber keinen Hut - das Drahtgeflecht der Haare auf ihrem Kopf ließ keinen Hut zu.

Sie war offenbar sehr erleichtert, Leidensgenossen zu finden.

»Oh, mein Gott!«, jammerte sie. »Ich habe einen Schluck Wasser getrunken, und seitdem tut mir alles weh!«

»Kein Wunder«, sagte Ben sachlich. »Sie müssen frisch geölt werden. Warten Sie, ich hole Ihnen etwas.«

Er klapperte die Straße hinunter und ließ Murray mit dem Mädchen allein.

»Darf ich mich vorstellen?«, verbeugte sich Murray höflich. »Ich bin - oder vielmehr, ich war Murray Lee. Mein Freund heißt Ben Ruby. Er ist Wissenschaftler und er meint, der Komet muss uns durch irgendein radioaktives Gas in Metall verwandelt haben. Ihre Wohnung liegt wohl ziemlich hoch?«

»Woher wissen Sie das?«, fragte sie erstaunt. »Ja, im obersten Stock des Sherry-Netherland Gebäudes. Ich heiße Gloria Rutherford. Entschuldigen Sie, das Sprechen tut mir weh.«

Sie hörten das Klirren von Glas, als Ben eine Tankstelle aufbrach. Gleich darauf kam er mit einem Armvoll Flaschen zurück.«

»Rizinusöl«, erklärte er. »Das Beste für den Darm. Nehmen Sie einen tüchtigen Schluck.«

Er bot jedem eine Flasche, öffnete dann eine für sich selbst und trank in langen, durstigen Zügen. Mit dem Rest des Öls rieb er sich von Kopf bis Fuß ein.

Gloria zog eine kleine Grimasse, folgte aber doch seinem Rat.

»Schmeckt nicht einmal schlecht«, sagte sie, als sie die Flasche absetzte. »Hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal Rizinusöl trinken würde! Aber jetzt sagen Sie mir endlich, was wir machen sollen?«

»Andere Überlebende suchen.«

»Vielleicht könnten wir ein großes Feuer anzünden«, schlug Murray vor. »Das würde andere Menschen anlocken.«

»Was sollen wir anzünden?«

»Ein Gebäude«, meinte Ben. »Warum nicht? Es gibt kein Eigentum mehr, wenn alle Eigentümer tot sind.«

»Ich weiß was!« fiel Gloria ein. »Die alte Metropolitan Oper! Dieses scheußliche Bauwerk hat mich schon jahrelang geärgert.«

Der Vorschlag fand allgemeinen Beifall.

Sie stiegen in das Taxi. Zwanzig Minuten später steckten sie die Kulissen auf der Bühne der alten Oper an. Das Feuer griff schnell um sich. Sie gingen zum Wagen zurück und beobachteten mit kindlichem Vergnügen, wie eine dicke Rauchwolke aufstieg und das alte Bauwerk bald lichterloh brannte.

Gloria fragte etwas besorgt:

»Was passiert, wenn das Feuer um sich greift und die ganze Stadt erfasst?«

»Das wäre kein großes Unglück, denn hier scheint ja doch kaum mehr jemand am Leben zu sein. Aber ich glaube nicht, dass die umliegenden Gebäude Feuer fangen. Stahl und Glas brennen nicht.«

Gloria seufzte.                    

»Übrigens - was werden wir essen? Sollen wir uns in Zukunft nur noch von Rizinusöl ernähren?«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Man unterhielt sich über die Möglichkeiten der neuen Lebensform. Würde man zum Beispiel Schlaf brauchen? Würde es nicht ratsam sein, an Stelle von Ärzten Mechaniker heranzubilden?

Während sie noch darüber debattierten, tauchte ein bärtiger Maschinenmensch auf, der sich als Rechtsanwalt Roberts vorstellte. Er war zusammen mit seiner Familie und seinem japanischen Diener auf dem Dachgarten des French Building von der Katastrophe überrascht worden.

Murray erbot sich sofort, die Überlebenden aus dem French Building mit dem Taxi zu holen. Es handelte sich um Roberts’ Tochter Ola Mae, ein sechzehnjähriges Mädchen, dessen hohe Absätze unter dem schweren Körpergewicht bedrohlich nachgaben; Roberts’ Frau, eine üppige Dame, die sich zur Bestürzung der Männer als die Kräftigste von allen herausstellte - Fett verwandelte sich nämlich genauso in Metall wie Muskeln. Und schließlich Yoshio, der japanische Diener.

Roberts und Ben vertieften sich sofort in ein Gespräch über die wissenschaftlichen Hintergründe ihrer Verwandlung. Ben meinte, der Komet müsse irgendeine unbekannte Substanz ausgestrahlt haben, die Materie völlig umwandeln konnte.

»Eine so flüchtige Substanz, dass weder von dem tierischen Gewebe, noch von der Substanz selbst eine Spur zurückgeblieben ist. Diese Metallbänder entsprechen fast vollkommen den früheren Muskeln.«

»Gewiss«, meinte Roberts. »Aber dieses Metall ist bedeutend elastischer als irgendein uns bisher bekanntes. Ich glaube nicht, dass alle Verwandlungen nur durch Kontakt mit dieser unbekannten Substanz bewirkt wurden. Ich glaube vielmehr, dass sie von irgendeiner außerirdischen Macht ausgehen. Anders kann ich mir die mechanische Vollkommenheit unserer neuen Körper nicht erklären. Sehen Sie sich doch nur einmal die Gelenke an! Und wie sinnvoll, dass unsere Fingerspitzen und Nasen aus einer gummiartigen Masse sind! Dahinter steckt mehr als eine Naturkatastrophe- nämlich eine hohe Intelligenz.«

Der Japaner räusperte sich bescheiden.

»Bitte ehrenwerte Herrschaften, nach sonderbarem Flugkörper zu sehen.« Er zeigte nach oben.

Während er noch sprach, rauschte es über ihren Köpfen. Ein riesiger Vogel mit vier Flügeln und einem langen gefiederten Schwanz flog über die Straße hinweg. Er hatte einen unverhältnismäßig großen kugelrunden Kopf mit klugen, tückischen Augen und schien die kleine Gruppe unten auf der Straße scharf zu beobachten.

Aufgeregte Stimmen wurden laut.

»Was ist das für ein Ungeheuer?«

»Hat der Komet dieses Küken ausgebrütet?«

»Sieht verdammt bösartig aus!«

Wenige Sekunden später war der Vogel ihren Blicken entschwunden.

»Was nun?«, fragte Gloria. »Sollten wir uns nicht auf die Suche nach weiteren Überlebenden machen? Je mehr wir sind, desto besser können wir einander beistehen.«

Roberts meinte: »Am besten, jeder von uns nimmt sich einen Wagen und sucht einen Stadtbezirk ab. Offenbar hat es nur Sinn, in den höhergelegenen Stockwerken zu suchen. Wir treffen uns alle wieder an dieser Ecke.«

 

Als man sich einige Stunden später wieder traf, hatte sich die Gesellschaft tatsächlich um einige Mitglieder vergrößert.

Roberts selbst hatte zwar keine Menschen gefunden, aber er wusste ein sehr merkwürdiges Abenteuer zu berichten. Im obersten Stockwerk des Waldorf war eine Fensterscheibe zerbrochen, und in einer Zimmerecke lagen, in einem Nest aus weichen Tüchern, vier gewaltige Eier, jedes so groß wie eine Wassermelone. Roberts hatte mit dem Gedanken gespielt, eines davon mitzunehmen; aber dann sagte er sich, dass es Wichtigeres zu tun gäbe.

Als er wieder in seinen Wagen einstieg, hörte er ein Kreischen und sah einen riesigen vierflügeligen Vogel dicht über sich kreisen. Roberts gab Gas und fuhr davon. Der Vogel folgte ihm in einiger Entfernung, offenbar unschlüssig, ob er ihn angreifen solle.

Roberts schrie und hupte und fuchtelte mit den Armen. Dies schien auf den Vogel nicht den geringsten Eindruck zu machen. Er bewegte sich mit Hilfe der beiden Hinterflügel vorwärts, während die Vorderflügel nur als Tragflächen dienten.

Schließlich wurde Roberts die Verfolgung unheimlich. Er bremste scharf und rannte in ein Haus. Er hörte, wie der Vogel mit dem Schnabel die Haustür zu bearbeiten begann. Roberts versteckte sich in einem dunklen Flur, bis der Vogel die Suche aufgab und davonflog.

Gloria hatte einen dicken kleinen Mann mitgebracht, der sich als F. W. Stevens vorstellte. Er war Bankier aus der Wallstreet.

Ben hatte drei Überlebende gefunden, unter ihnen den kahlköpfigen Beeville, den bekanntesten Biologen Amerikas. Beevilles charakteristischer dicker Schnurrbart war zu einer kompakten Drahtbürste geworden.

Yoshio brachte einen und Mrs. Roberts nicht weniger als vier Neue - unter anderem eine sehr elegante junge Frau, die leider ebenfalls in eine Maschine verwandelt worden war: Marta Lami, die ungarische Tänzerin, die Sensation am Broadway in den Wochen vor der Katastrophe.

Sie versammelten sich in dem Drugstore am Times Square, und Roberts ergriff als erster das Wort.

»Ich halte es für unsere vordringlichste Aufgabe«, erklärte er, »nach weiteren Überlebenden zu suchen und uns alle eng zusammenzuschließen. Meine Familie und ich zum Beispiel hätten ohne Mister Rubys freundlichen Rat nicht gewusst, dass wir regelmäßig aufgeladen und geölt werden müssen. Gewiss gibt es noch andere in dieser Stadt, die solche Dinge nicht wissen. Darum ist es wichtig, dass wir Zusammenhalten und einander helfen und raten.«

Stevens widersprach.

»Nach meiner Ansicht ist es das Wichtigste, unsere Gruppe zu organisieren und einen Präsidenten zu wählen.« Es war nicht schwer zu erraten, wen er für diese Präsidentschaft am geeignetsten hielt - nämlich sich selbst.

Der Biologe Beeville gab der allgemeinen Meinung Ausdruck, als er sagte:

»Ich finde das im Augenblick mehr als überflüssig. Halten wir uns doch nicht mit solchen Formalitäten auf. Es gibt viel Wichtigeres. Zum Beispiel müssen wir mehr über unsere Existenz herausfinden. Wir wissen noch fast nichts. Es handelt sich darum, unsere neuen Körper wissenschaftlich zu erforschen. Dazu müssen wir unser ganzes biologisches und medizinisches Wissen über Bord werfen und neu anfangen. Damit haben wir für die nächste Zeit genug zu tun. Heben wir uns die Präsidentenwahl für später auf.«

Stevens protestierte beleidigt: »Wir können doch nicht die Anarchie als Staatsform anerkennen!«

Gloria versuchte zu vermitteln:

»Ich schlage vor, zeitraubende Wahlen und Organisationsarbeiten auf später zu verschieben. Wählen wir doch inzwischen einfach einen Boss auf Zeit - sagen wir auf

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Fletcher Pratt/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Lawrence Sterne Stevens/Christian Dörge.
Cover: Lawrence Sterne Stevens/Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Otto Kuehn (OT: Invaders From Rigel).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 29.05.2020
ISBN: 978-3-7487-4362-0

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