CHRISTIAN DÖRGE (Hrsg.)
Die Trommeln des Todes
Drei Romane in einem Band
Apex Western, Band 34
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
1. Charles Heckelmann: FIFTY-FIFTY MIT DEM TEUFEL (Deputy Marshal)
2. William C. MacDonald: DIE TROMMELN DES TEUFELS (The Devil's Drum)
3. Eric Allen: DER LEOPARD VON MISSOURI (Lone Gun)
Das Buch
Ed Garry kommt nach Wyoming, um ein Diebesnest auszuheben und die Fährte eines Mörders aufzuspüren. Aber er stößt überall auf Schweigen, Misstrauen und Feindseligkeit. Ganz auf sich gestellt, muss er einen erbitterten Kampf gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt führen. Wird es ihm dennoch gelingen, seine Aufgabe zu erfüllen?
Ein Erdrutsch blockiert die Strecke der Texas-Arizona-Bahn. Die Fracht eines Güterzugs muss auf Pferdewagen verladen werden.
Doch schon der erste Transport erreicht nicht sein Ziel: Die beiden Wagen werden überfallen und ausgeplündert – die Kutscher ermordet.
Eisenbahn-Detektiv Gregory Quist ahnt, wie wertvoll die Beute der Banditen ist...
Der große alte Mann, der Häuptling der Cherokees, ist müde und todkrank. Er kann sich nicht mehr für Recht und Freiheit einsetzen.
Nur sein Sohn Smoke Blackbird weiß, dass passiver Widerstand den Untergang des Stammes bedeutet. Und Smoke führt einen einsamen Kampf...
Die von Christian Dörge zusammengestellte und herausgegebene Sammlung Die Trommeln des Todes enthält drei ausgesuchte und klassische Spitzen-Romane US-amerikanischer Autoren, perfekten Lesestoff also für alle Western-Fans und Leser der Reihe APEX WESTERN: Fifty-fifty mit dem Teufel von Charles Heckelmann, Die Trommeln des Teufels von William C. MacDonald sowie Der Leopard von Missouri von Eric Allen.
1. Charles Heckelmann: FIFTY-FIFTY MIT DEM TEUFEL
(Deputy Marshal)
Erstes Kapitel
Ed Garry schob sich den schwarzen Sombrero tief in die Stirn und legte die Stiefel auf den schmutzigen Plüschüberzug des gegenüberliegenden Sitzes. Dann starrte er gelangweilt in die Nacht hinaus. Die Funken der Lokomotive zogen dünne Streifen durch die Dunkelheit. Von der Ebene, die draußen vorbeiflog, war kaum etwas zu erkennen.
Das schwache, buttergelbe Licht der schaukelnden Hängelampe im Waggon reichte nicht aus, um Garrys Züge deutlich erkennen zu lassen. In einem tiefbraunen Gesicht lagen schmale, rauchgraue, harte Augen. Der Mund bildete eine helle Linie, die fast wie eine Narbe aussah. Der Mann war sechs Fuß groß, breit in den Schultern und schmal in den Hüften. Wenn er keinen Hut trug, dann standen ihm die kohlschwarzen Haare wild nach allen Seiten vom Kopf ab.
Als er lässig die Hand hob, fühlte er unter dem rauen Stoff des Baumwollhemdes die scharfkantigen Umrisse des Marshal-Sterns in der Brusttasche. Er dachte an seine Aufgabe und presste die Lippen noch fester aufeinander.
Die Dampfpfeife der Lokomotive schrie auf, Bremsen kreischten, der Zug verlor an Fahrt. Der Schaffner öffnete die Tür zur vorderen Plattform und blickte gleichgültig auf die zwölf Reisenden im Wagen.
»Rincon!«, bellte er, dann trat er wieder auf die Plattform hinaus.
Der Zug ruckte über Weichen, ratterte mit lautem Klingeln an einem langgestreckten Schuppen vorbei und hielt schließlich gegenüber einer Verladerampe. Mehrere Männer stiegen aus und gingen zum Schuppen hinüber. Ihre Schritte knirschten auf dem groben Schotter.
Schreie, Kommandos - das scharfe Zischen von Ventilen, dann setzte sich der Zug langsam wieder in Bewegung. Keuchend zerrte die Lokomotive ihre vier Waggons aus dem Bahnhof von Rincon hinaus in die offene Prärie.
Garry lauschte dem schneller werdenden Rhythmus der Kolben, dem Rattern der Räder über die Nahtstellen der Gleise. Plötzlich richtete er sich mit einem Ruck auf.
Eilige Schritte stampften über den losen Schotter des Dammes. Er blickte hinaus, doch die Deckenlampe spiegelte sich in dem schmutzigen Fenster. Er konnte nichts erkennen.
Irgendwo in der Ferne schrie eine Männerstimme. Gleich darauf schlug etwas hart gegen die Außenwand des Waggons - eine Kugel! Die eiligen Schritte neben dem Waggon hielten für eine Sekunde inne, dann waren sie wieder zu hören. Der Zug ratterte allmählich immer schneller dahin, und schließlich verschluckte der Lärm das Geräusch der Schritte.
Garry lehnte sich wieder zurück. Der Mann hat sein Wettrennen mit der Lokomotive verloren, dachte er gleichmütig, aber da flog die vordere Tür des Waggons auf. Ein Mann stand vornübergebeugt in der Türöffnung.
Durch die geöffnete Tür drang ein Schwall von Rauch und Ruß ein und ließ den Mann krampfhaft husten. Die Muskeln in seinem bleichen, schmalen Gesicht waren aufs äußerste angespannt. Und in seinen trüben Augen lag ein gehetzter Ausdruck. Er atmete flach und hastig wie nach einer übermenschlichen Anstrengung...
Drei oder vier der Männer im Waggon wachten aus ihrem Schlummer auf, blinzelten und schliefen weiter. Hinter Garry rief eine Stimme:
»Tür zumachen! Lasst doch den verdammten Rauch und Ruß nicht rein!«
Der Fremde schüttelte sich und blickte sich dann aufmerksam im Waggon um. Er musterte jeden der Passagiere einen Augenblick, dann drehte er sich zur offenen Plattform um. Als er nun endlich die Tür schloss, tat er es ungeschickt und langsam, als ob ihn jede Bewegung große Anstrengung kostete.
Er drehte sich wieder um und kam mit ungleichmäßigen Schritten den Mittelgang entlang. Sein knochiges Gesicht wirkte schmerzverzerrt, der dunkle Rock lag lose um seinen ausgemergelten Körper. Den linken Arm hatte er steif gegen die Seite gepresst. Schließlich ließ er sich auf den Sitz neben Garry sinken.
Er atmete erleichtert auf. Garry nickte ihm wortlos zu. Die Lippen des Fremden hoben sich im schwachen Versuch eines freundlichen Lächelns.
»Stimmt was nicht?«, fragte Garry.
Ein rascher, misstrauischer Blick des Fremden traf ihn.
»Geht gleich - wieder - bin nur - bisschen außer Atem - vom Laufen, Mister«, keuchte er.
Achselzuckend wandte sich Garry ab.
Der Schaffner kam herein und blieb neben dem Fremden stehen.
»Wohin, Mister?«, fragte er.
»Nach Tummit.«
Garry schaute zum Fenster hinaus, aber als er den Ortsnamen hörte, war sein Interesse geweckt. Er beobachtete seinen Sitznachbarn im Spiegel der blinden Scheibe. Der Fremde tastete seine Taschen nach Kleingeld ab. Alle Bewegungen waren unsicher und mühsam. Endlich fand er die Münzen, und als der Schaffner weiterging, glänzte das Gesicht des Fremden von Schweiß. Sein drahtiger Körper sank gegen die hölzerne Armlehne. Nach einer Weile schloss er die Augen.
Der Zug rumpelte durch die nachtdunkle Prärie. In das Rattern der Räder mischte sich das Schrieken ausgetrockneter Holzplanken.
Die Lokomotive riss die vier Waggons um eine ziemlich enge Kurve. Garry kämpfte gegen die Fliehkraft an und merkte, dass der Mann neben ihm schwankte und dann nach vorn fiel. Er landete auf Händen und Knien, auf dem schmutzigen Wagenboden.
Garry stand auf und eilte ihm zu Hilfe. Er packte den Fremden unter den Achseln und zerrte ihn zurück. Er hing schwer und leblos in seinem Griff. Der Kopf rollte ihm nach vorn, und Garry musste ihn auf seinen Sitz drücken, damit er nicht wieder herunterfiel.
Nur allmählich erholte sich der Mann wieder und wehrte sich sofort gegen Garrys Hände. Garry ließ ihn los und blickte verwundert auf den feuchten, roten Fleck auf seiner linken Hand.
»Hören Sie, Freund, Sie brauchen dringend einen Quacksalber«, sagte Garry langsam. »Haben Sie eine Ladung Blei abbekommen?«
»Ja.«
Die Antwort war knapp und abweisend. Er wollte nicht darüber reden, das wurde deutlich gemacht. Doch Garry ließ sich nicht beirren.
»Das war in Rincon, wie? Dort hab’ ich einen Schuss gehört, und jemanden, der dem Zug nachgelaufen ist.«
Schweigend betrachtete der Fremde Garrys Gesicht. Seine gequälten Augen erzählten von Schmerzen und von namenloser Angst.
»Sie wollten mich - umlegen.«
Mühsam brachte er die Worte heraus, als ob seine Stimmbänder keine Kraft mehr hätten.
Garry fragte direkt: »Wer war’s denn?«
»Ich hab’ keinen gesehen. Ein Schuss von hinten - weiß auch nicht, warum...«
Er brach ab, als hätte ihn irgendein Laut gewarnt. Misstrauisch bildete er über die Schulter zum Ende des Wagens, aber dort in den Schatten rührte sich nichts.
Eine panische Angst saß dem Mann im Nacken, schüttelte ihn und ließ ihm keine Ruhe.
Auch Garry blickte sich sorgfältig um. Er spürte das Ziehen zwischen den Schulterblättern, das bei ihm immer die Warnung vor einer nahenden Gefahr bedeutete.
»Sind sie Ihnen bis in den Zug gefolgt?«, fragte er leise.
»Glaube nicht - aber...«
»Lassen Sie mich lieber mal nach dem Loch schauen, Mister. Ich seh’ doch, wie Sie dran sind!«
Er drängte sich an den Fremden heran, doch der wehrte ihn ab und knirschte mit den Zähnen, als ihn eine neue Schmerzwelle überfiel.
»Keine Zeit jetzt - sind gleich in Tummit - muss dort raus...«
Wieder verloren sich seine Worte im Rattern und Quietschen der alten Waggons. Dann konzentrierte er seinen Blick auf Garrys Gesicht und sagte:
»Mein Name ist Masters. Fahren Sie zufällig auch nach Tummit?«
Garry überlegte für einen Augenblick, ob der Mordversuch an Masters vielleicht etwas mit seinem Auftrag in Tummit zu tun haben könnte. Diese Möglichkeit schien weit hergeholt, doch ganz von der Hand zu weisen war sie nicht.
»Ich bin Ed Garry. Ja, ich fahre auch nach Tummit.« Masters sagte nichts. Da fügte Garry hinzu: »Werden Sie erwartet?«
»Ja. Aber ich weiß nicht - ob ich noch allein - aussteigen kann.«
»Ich helfe Ihnen«, bot Garry an.
»Tummit!«, bellte der Schaffner vom Wagenende her.
Der Zug verlangsamte noch nicht einmal seine Fahrt, doch dieses eine Wort riss Masters vom Sitz. Er stand im Mittelgang, ehe Garry nach seinem Arm greifen konnte.
»Warten Sie doch, wir haben noch eine Menge Zeit!«, sagte Garry.
Masters schüttelte eigensinnig den Kopf und klammerte sich an die Armlehne seines Sitzes. Sein Gesicht war kalkweiß.
»Kann nicht warten, bis der Zug steht. Kann’s jetzt nicht - riskieren«, sagte Masters heiser.
Garry stützte ihn und drang nicht weiter in ihn, weil er ahnte, dass Masters in Tummit einen zweiten Anschlag fürchtete. Der Zug fuhr langsamer. Gemeinsam stolperten sie nach hinten. Drei oder vier der anderen Passagiere erhoben sich halb von ihren Plätzen, um die beiden genauer betrachten zu können, aber dann setzten sie sich wieder hin.
Garry beobachtete jede Bewegung im Waggon aufmerksam. Er war nun sicher, dass keiner der Männer im Waggon Masters kannte.
Garry und Masters waren die einzigen Fahrgäste, die nach Tummit wollten.
Zweites Kapitel
Sie standen auf der hinteren Plattform und klammerten sich an das schmutzige Eisengeländer, als die Bremsen auf kreischten.
Garry trat zuerst auf die Metalltreppe und hielt Masters zurück. Der Zug bremste rasch, aber noch immer schien der Boden an Garry rasend schnell vorbeizurollen.
Masters stieß Garry den Ellbogen zwischen die Rippen.
»Springen Sie doch!«, verlangte er heiser.
»Augenblick noch!«, gab Garry zurück.
Er sah das Kopfschütteln des Fremden, kümmerte sich aber nicht darum. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem vorbeiflitzenden Schottergrund zu. Er schätzte die Geschwindigkeit mit einem Blick ab und sprang.
Garry landete geschickt auf den Beinen und setzte sich sofort in Bewegung. Masters konnte sich kaum noch an das Geländer klammern. Als Garry auf gleicher Höhe mit ihm war, ließ er los. Seine Stiefel rutschten im lockeren Schotter aus. Er fiel gegen Garry und riss ihn mit zu Boden.
Eng umklammert stürzten die beiden Männer die Böschung hinunter und prallten gegen einen Baumstumpf. Garry rang nach Atem, dann raffte er sich auf und half Masters beim Aufstehen. Langsam kletterten sie den Bahndamm wieder hinauf und blieben für einen Augenblick stehen, um Luft zu schnappen. Die roten Rücklichter des letzten Waggons glitten auf den hellen Dunstschleier zu, der über Tummit schwebte.
Die beiden Männer kletterten auf der anderen Seite wieder vom Bahndamm herunter und gingen auf direktem Weg über eine flache Wiese auf die Häuser der Stadt zu.
»Wohin in Tummit?«, fragte Garry.
»Das Wagenrad - das Hotel - ich treffe mich dort mit...«
Er brach ab und streifte Garry mit einem misstrauischen Seitenblick. Garry stellte keine weiteren Fragen. Aber er fühlte, wie Masters’ Kräfte rasch nachließen. Er stolperte immer öfter, fiel gegen Garry, und alle seine Bewegungen hatten etwas Bleiernes. Seine Muskeln gehorchten ihm immer widerwilliger.
Als sie das staubige, breite Band der Hauptstraße von Tummit erreichten, bog ein Stück weiter vorn ein einzelner Reiter von einem Seitenweg ein. Er riss sein Pferd vorn hoch, betrachtete die beiden Männer sehr eingehend und galoppierte dann die Straße hinunter.
Garry fühlte sich plötzlich höchst ungemütlich in seiner Haut. Er hatte hier einen Auftrag zu erfüllen. Dabei verdichtete sich in ihm die Gewissheit, dass er durch Masters in ein Netz von zusätzlichen Schwierigkeiten verwickelt wurde, die er auf keinen Fall brauchen konnte und die seine gefährliche Mission in Tummit noch zusätzlich erschwerten.
An beiden Seiten der Hauptstraße erhoben sich dunkle, verwitterte Häuser. Die Stiefel der Männer wirbelten Staub auf, der sich als gleichmäßiger Film auf ihre Kleidung legte. Sie kamen an der erleuchteten Einfahrt zu einem Mietstall vorbei, dann an den Bretterstapeln eines Sägewerks.
Jenseits der nächsten Kreuzung sah Garry mehrere Bars und Saloons. Wenn sich Cowboys oder Männer aus der Stadt durch die Schwingtüren schoben, fiel jedes Mal ein gelblicher Lichtbalken auf die Straße.
Masters lehnte sich schwer gegen Garrys Schulter. In diesem Teil der Stadt waren die hölzernen Fußwege leer, aber aus einer nahegelegenen Bar drang gleichmäßiges Stimmengemurmel.
»Wir sollten doch lieber erst zum Doktor gehen«, sagte Garry. Seine Hand war schon wieder klebrig.
Masters schüttelte den Kopf.
»Nein, ich brauche nur einen Drink, dann bin ich schon wieder in Ordnung.«
Garry widersprach nicht mehr, sondern führte Masters in den nächsten Saloon. Ein Geruch nach feuchtem Sägemehl, schalem Whisky und Schweiß drang ihm entgegen. Er machte einen Bogen um die Bartheke, die rechts eine ganze Wand einnahm, und steuerte auf einen Tisch in der entferntesten Ecke des Raums zu.
Masters ließ sich aufatmend auf den Stuhl sinken, lehnte die Schulter gegen die Wand und musterte dann das Innere des Saloons aus blutunterlaufenen Augen.
Garry ging hinüber zur Bar und bestellte eine Flasche Whisky und zwei Gläser. Mehrere Cowboys streiften ihn mit abweisenden, beinahe feindseligen Blicken. Garry wunderte sich nicht darüber. Tummit war eine gefährliche, wilde Stadt, und er war ein Fremder hier. Fremden gegenüber ist man immer misstrauisch.
Er bezahlte, nahm Flasche und Gläser und kehrte zu seinem Tisch zurück.
Masters’ Finger zitterten, als er sein volles Glas an die Lippen hob. Aber er trank den Whisky in einem Zug. Danach schien es ihm etwas besser zu gehen.
Sein Blick wanderte hinüber zur Theke, von wo aus ihn zwei der Cowboys aufmerksam beobachteten. Wieder blinkte die Angst in seinen Augen.
»Kennen Sie die beiden?«, fragte Garry.
»Nein, aber vielleicht kennen sie mich. Ich - muss jemanden treffen, drüben im Wagenrad. Rücken Sie näher ’ran!«
Er hustete wieder. Sein Gesicht bekam eine ungesunde graue Farbe.
Garry rückte seinen Stuhl näher an Masters heran. Dann streckte er die Hand aus, um die Flasche herüberzuziehen. In diesem Augenblick berührte Masters’ Hand die seine. Dabei schob er Garry ein klein zusammengefaltetes Stück Papier zwischen die Finger.
»Stecken Sie das weg! Keiner darf es finden, es ist - sehr - wichtig!«, flüsterte Masters rau. Mit zitternden Fingern wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn. »Vielleicht schaff’ ich’s heute Abend nicht. Dann müssen Sie die Nachricht überbringen. Sie ist für...«
Ein scharfes, metallisches Klicken ließ ihn jäh abbrechen. Garry fuhr herum und blickte zu dem Fenster hinüber, das zwanzig Fuß entfernt auf den Seitenweg zwischen zwei Häusern hinausführte.
Er sah einen Gewehrlauf und darüber den verwischten, hellen Fleck eines Gesichtes. Der Lauf zielte genau auf Masters’ Brust.
Garry reagierte mit der instinktiven Sicherheit langer Erfahrung.
Er ließ sich vom Stuhl rollen und riss Masters mit sich zu Boden. Das Gewehr am Fenster krachte. Im nächsten Augenblick fühlte Garry, wie ein krampfhaftes Zucken durch Masters’ Körper lief. Der Schütze hatte sein Ziel getroffen.
Die beiden rollten unter den Tisch. Garrys rechter Arm lag unter Masters’ leblosem Gewicht. Hastig zerrte Garry den Arm heraus und griff nach seinem sechsschüssigen Colt.
Der zweite Schuss des unsichtbaren Mörders ließ die Öllampe über der Bar zerspringen. Der Barmann und die beiden Cowboys gingen in Deckung.
Garry jagte einen Schuss zum Fenster hin und hörte Glas splittern. Dann krachte das Gewehr wieder. Die zweite Lampe verlöschte, es wurde stockfinster im Saloon.
Garry kroch auf Händen und Knien unter dem Tisch hervor und jagte noch zwei Kugeln zum Fenster hin, aber er bekam keine Antwort mehr.
Doch im Dunkel des Saloons bewegte sich jemand. Schritte schlurften über den Dielenboden, dann tauchten die Umrisse einer Gestalt vor dem helleren Hintergrund des zerbrochenen Fensters auf. Garry zielte.
Gleichzeitig mit dem Schuss sprang er auf. Da traf ein harter Schlag seinen rechten Unterarm. Der Schuss ging in die Decke. Im grellen Blitz des Mündungsfeuers sah er den Mann, der unmittelbar vor ihm auftauchte.
Draußen auf der Straße wurden Stimmen laut, noch jemand bewegte sich in dem finsteren Raum, doch darauf konnte Garry jetzt nicht achten. Er schlug mit aller Kraft zu. Sein Coltlauf traf die Schulter des Mannes vor ihm. Der Mann stöhnte auf und fiel gegen Garrys Knie. Er riss Garry zu Boden und stürzte sich auf ihn.
Garry verlor seine Waffe und schlug blindlings mit den Fäusten zu. Aber er schlug ins Leere. In der nächsten Sekunde traf ihn ein harter Schlag am Kopf. Er fiel halb gelähmt auf sein Gesicht und hörte, wie der Mordschütze in Masters’ Nähe herumsuchte. Er durchsucht sein Opfer! schoss es ihm durch den Kopf.
Garry versuchte krampfhaft, sich noch einmal aufzuraffen. Aber da sank er zurück in undurchdringliche Dunkelheit.
Drittes Kapitel
Als auf der anderen Seite des Raums ein Licht aufflammte, kam Garry wieder zu sich und rappelte sich auf. Der Barmann hockte auf der Theke und befestigte eine gewöhnliche Stall-Laterne an dem Haken, wo vorhin die Öllampe gehangen hatte.
Männer drängten durch die Schwingtür herein. Hinter Garrys Ohr wuchs eine große Beule. Jedes Mal, wenn er den Kopf bewegte, überfiel ihn Schwindelgefühl. Schmerz klopfte in seinem Schädel.
Er ging neben Masters in die Hocke. Ein Blick sagte ihm, dass der Mann tot war. Die weit aufgerissenen Augen starrten glasig zur Decke. Noch im Tod drückten sie Pein und Verzweiflung aus.
Garry erhob sich langsam und blinzelte in das grelle Licht. Sein Colt lag auf dem Boden. Er hob ihn auf und wandte sich wieder zu dem Fenster, von dem aus die Schüsse gefallen waren. Da verbaute ihm ein großer, kräftiger Mann den Weg. Um seinen Kopf wallte eine mächtige blonde Mähne, die ihm etwas Löwenhaftes verlieh.
»Wohin, Fremder?«, fragte der Löwe.
»Geht Sie das etwas an?«, gab Garry scharf zurück.
»Vielleicht. Hinter Ihnen liegt ein Toter. Darüber sollte man sich in Ruhe unterhalten.«
Der Große machte einen starken, selbstbewussten Eindruck. Der scharfe Nachtwind hatte seine Wangen gerötet. Er trug einen Waffengürtel, doch seine Hände waren leer. Es waren breite, kraftvolle Hände mit muskulösen Gelenken. Die Innenseiten der Hände zeigten Schwielen von harter Arbeit mit dem Lasso.
»Reden können wir später«, sagte Garry hart, dock der andere wich um keinen Zoll. Da trat Garry vor und stieß ihn mit der flachen linken Hand beiseite.
Der Mann stolperte zwei Schritte zurück. Garry setzte seinen Weg zum Fenster fort, bis hinter ihm eine wilde Stimme schrillte:
»Noch einen Schritt, und Sie haben eine Kugel im Rücken!«
Garry wirbelte herum und sah einen untersetzten Mann mit grauen Augen und einem Sheriffstern auf der Brust. Sein Colt zeigte genau auf Garrys Brust. Hinter ihm drängten sich weitere Männer am Eingang zum Saloon.
Der Sheriff deutete auf die leblose Gestalt und fragte den Blonden:
»Hast du den Mann schon mal gesehen, Benton?«
Joel Benton schüttelte den Kopf. Dann blieb sein Blick auf Garry hängen.
»Der Fremde dort schien sich mächtig für ihn zu interessieren, als ich reinkam, Toler«, sagte er langsam. »Du solltest ihn mal fragen.«
Toler nickte und kam mit einem wölfischen Grinsen auf seinem schlaffen Gesicht näher.
»Sie sind vor ein paar Minuten zusammen reingekommen!«, rief der Barmann. »Er hat eine Flasche Whisky gekauft. Scheinen Freunde zu sein, aber...«
»Schon recht, Moose!«, unterbrach ihn Toler scharf. »Es sieht so aus, als ob jemand seine Taschen durchsucht hätte. Sie sind nach außen gedreht.« Er fixierte Garry, »raus mit der Sprache: Was wissen Sie darüber?«
Garry war inzwischen an das Fenster getreten. Unter seinen Stiefeln knirschten Glassplitter. Als er sich jetzt umdrehte, war seine Miene hart und gespannt.
Gefährlich leise verkündete er: »Ich werde reden, aber später. Ihr seht doch, dass jemand den Burschen dort aus dem Hinterhalt erschossen hat und auch mich erwischen wollte. Im Augenblick interessiert mich nur die Spur des Killers.«
Toler und Benton spürten die Entschlossenheit hinter der Stimme des großen, schlanken Mannes am Fenster. Garry kümmerte sich nicht weiter um sie, sondern kletterte durch das zerbrochene Fenster auf den Seitenweg hinaus.
Im Schutz der Dunkelheit steckte er erst einmal das zusammengefaltete Papier, das er von Masters bekommen hatte, hinter das Schweißband seines Hutes. Dann riss er ein Streichholz an und untersuchte im flackernden Lichtschein den Boden unter dem Fenster.
Genau unter dem Fenster entdeckte er einen Stiefelabsatz. Der hohe Absatz stammte zweifellos vom Stiefel eines Cowboys; an der rechten Seite war das Leder abgeschabt, und ein Nagel fehlte.
Als Toler und Benton herauskletterten, schob er den Absatz in die Hosentasche. Ohne den Sheriff eines Blickes zu würdigen, suchte er den Weg ab. Im Schein eines zweiten Streichholzes erkannte er die Fußabdrücke. Dann stieß er einen unterdrückten Ruf aus.
»Was gibt’s?«, fragte der Sheriff misstrauisch.
Garry deutete auf einen länglichen Eindruck in dem weichen, braunen Staub.
»Das stammt von einem Gewehrkolben, der an einer Seite abgesplittert ist«, erklärte Garry. »Sehen Sie, dass der Eindruck hier unscharf wird?«
»Vielleicht war es ein Gewehrkolben, vielleicht auch nicht«, sagte Benton zynisch. »Und woher wollen Sie wissen, dass diese Spur heute Abend entstanden ist?«
Garry gab keine Antwort.
Wie ein witternder Jagdhund nahm er die Fährte auf. Er riss hin und wieder ein Streichholz an und folgte den Fußabdrücken bis zu einer kleinen Baumgruppe auf der anderen Seite der Kreuzung. Dort entdeckte er die Hufabdrücke eines Pferdes und wusste nun, dass der Mörder ihm vorerst entkommen war. Sie kehrten in den Saloon zurück.
Garry sah, dass man Masters inzwischen auf einen Tisch gelegt hatte. Ein kleiner, beleibter Mann in schwarzem Rock beugte sich über ihn.
Als Garry auf den Tisch zuging, drehte sich ein hochgewachsenes, schlankes Mädchen um. In ihren klaren, graugrünen Augen lag ein deutlicher Ausdruck von Trauer. Ohne besonderes Interesse blickte sie Garry an und drehte sich dann wieder zu dem Tisch um.
»Janet - kennst du den Toten?«, fragte der Sheriff.
Sie blickte ihn ruhig an und nickte. Als sie sprach, merkte man ihrer Stimme die ungeheure Selbstbeherrschung an:
»Es ist mein Onkel Harley Masters. Ich habe ihn am Abendzug erwartet, aber er ist nicht mitgekommen.«
Ein junger, schwarzhaariger Mann, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mädchen hatte, kam um den Tisch herum und blieb vor Toler stehen.
»Harley ist tot. Für ihn können wir nur noch eins tun: den Mörder finden! Was hältst du davon?«
Ein Ausdruck von Arroganz und Stolz zeichnete das junge, sonnengebräunte Gesicht. Der schmale Mund sah aus wie die Narbe eines Messerstichs.
Toler fuhr sich ungemütlich über den Stoppelbart und sagte verlegen: »Mein Beileid, Bill.«
Bill Master antwortete nicht, sondern starrte den Sheriff nur herausfordernd an. Toler fuhr fort: »Hier im Raum ist nur einer, der uns mehr darüber sagen kann.«
»Wer?«
Toler drehte sich zu Garry um, doch da mischte sich der kahlköpfige Barmann wieder ein:
»Der dort ist es, Bill!« Er deutete auf Garry. »Er ist zusammen mit Janets Onkel reingekommen. Sie haben kaum ein paar Minuten an dem Tisch dort drüben gesessen, da hab’ ich ein Klicken gehört. Ich war gerade beim Gläserspülen. Ich drehte mich um - da hat sich der Kerl gerade auf den Alten geworfen, und der Schuss krachte. Dann sind die Lichter ausgegangen.«
»Sag ihm auch, von wo der Schuss gekommen ist!«, forderte Garry.
»Das weiß ich nicht so recht«, antwortete der Barmann langsam. Dabei beobachtete er genau die Wirkung seiner Worte bei den anderen. »Es ging alles so schnell. Die Hölle war hier los! Ich hab’ das Schießen und Kämpfen und Fluchen gehört und bin in Deckung gegangen.«
Bill Masters stieß den Barmann grob beiseite und fluchte unterdrückt. Dann stand er dicht vor Garry.
»Freund, wenn Sie Masters umgebracht haben, dann kommen Sie hier nicht mehr lebend raus! Her mit der Kanone!«
»Wer vertritt hier das Gesetz - Sie oder Toler?«, erwiderte Garry.
»Das spielt jetzt keine Rolle!«
»Für mich doch.«
Masters’ Mund wurde hart und schmal. Seine rechte Hand glitt zu dem Halfter an seiner Seite.
»Verdammt - dann hol’ ich mir Ihr Eisen eben!«
Bill Masters bewegte sich rasch und sicher. Aber er hatte seinen Colt noch nicht halb aus dem Leder gezogen, da sprang Garry seine Waffe förmlich in die Hand. Ein erstauntes Murmeln ging durch den Raum. Janets Augen wurden weit, dann trat ein nachdenklicher Ausdruck auf ihr Gesicht.
Garry bedrohte Masters nur für einen kurzen Augenblick, dann wirbelte er den Colt blitzschnell herum und hielt ihn mit dem Griff nach vorn dem Sheriff hin.
»Sie werden feststellen, dass daraus geschossen wurde«, sagte er gelassen. »Ich hab’ auf den hinterhältigen Killer gezielt, aber danebengeschossen. Der erste Schuss kam vom Fenster. Ich wollte den alten Masters aus der Schusslinie stoßen, aber es war zu spät.« Sein herausfordernder Blick hielt Toler und Bill Masters in Bann.
»Wenn du das glaubst, Toler, dann bist du ein verdammter Narr!«, rief Masters wütend. »Siehst du denn nicht, dass er ein gewissenloser Revolverschwinger ist?«
»Wenn ich das wäre, Masters, dann würden Sie jetzt nicht mehr leben.«
Garry sagte das ganz ruhig und ohne besondere Betonung, doch es gab niemanden im Saloon, der nicht sofort die Bedeutung dieser Worte begriffen hätte. Jeder Revolverschwinger, der von seiner Geschicklichkeit und Schnelligkeit lebte und seine Kunst für Geld verkaufte, hätte auf Bill Masters’ Herausforderung mit einem tödlichen Schuss geantwortet. Bill hatte zuerst gezogen. Er verdankte Garry sein Leben.
Auch Bill Masters begriff das. Sein Stolz hatte einen empfindlichen Riss bekommen. Er merkte, dass die Stimmung unter den Männern langsam umschlug. Da vergaß er alle Vorsicht und trat dicht vor Garry hin.
»Vielleicht wollen Sie doch lieber weitermachen!«, forderte er Garry mit bebender Stimme heraus.
Es war, als hätte sich um Garry eine eiskalte, solide Mauer der Selbstsicherheit gebildet - unsichtbar, aber undurchdringlich. Kein Muskel regte sich in seinem ernsten Gesicht. Seine Ruhe beeinflusste Master und machte ihn unsicher, obgleich Garry ihn nicht einmal anblickte.
Er hatte seine eigenen Sorgen. Sein Auftrag hier verlangte ein unauffälliges Auftreten. Jetzt stand er ungewollt im Mittelpunkt des Interesses. Der Ärger über diesen schlechten Start ließ seine Stimme härter klingen, als er beabsichtigte: »Masters - passen Sie gut auf, denn ich sage das nur einmal: Versuchen Sie nie, mir in die Quere zu kommen!«
Viertes Kapitel
Die Drohung hing unsichtbar im Raum. Bill Masters wagte keine Bewegung. Er sagte kein Wort.
Da trat das Mädchen vor.
»Lass das, Bill!«, befahl sie mit bekümmertem Unterton und wandte sich dann an Garry. Ihr Auge bekam einen lauernden, unfreundlichen Glanz: »Jetzt haben Sie uns gezeigt, was Sie können. Vielleicht lassen Sie sich nun auch dazu herab, uns einiges zu erzählen, Mr...«
»Ed Garry«, stellte er sich vor. »Ma’am, es tut mir leid, dass...«
Er brach ab und deutete auf den Toten hinter sich. Eine pechschwarze Haarsträhne fiel Ed ins Gesicht, als er den Hut abnahm. Er strich sie mit einer fahrigen Bewegung zurück.
»Ich bezweifle, ob es Ihnen leid tut«, sagte Janet kalt. Sie beherrschte sich, bis sie das leise Lächeln um Garrys Mundwinkel bemerkte. Es war ein Lächeln der Bewunderung für ihre Schönheit, die durch den unterdrückten Ärger noch besser zur Geltung kam. Doch sie missverstand das versteckte Kompliment.
»Sie scheinen das alles sehr amüsant zu finden«, sagte sie scharf. »Aber ich will Ihnen eines sagen: Sie spielen hier den starken Mann, und vielleicht kommt Ihnen Ihr eigener Schatten mächtig groß vor. Sie haben alle in diesem Raum damit geblufft - nur mich nicht. Hier ist heute Abend ein Mann gestorben. Ich will seinen Mörder haben, und zwar bald. Vielleicht sind Sie es, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall werden Sie den Mund aufmachen, sonst schreibe ich Ihnen meinen Namen mit dieser Reitpeitsche ins Gesicht!«
Ihre unbeugsame Haltung beeindruckte ihn mehr, als irgendetwas anderes ihn je zuvor beeindruckt hatte. Sein Lächeln verschwand.
»Ma’am, Sie scheinen ein ziemlich harter Brocken zu sein, aber Sie haben recht. Der Tod eines Menschen ist immer eine ernste Sache. Aber ich habe nicht deswegen gelächelt. Ihren Onkel habe ich heute Abend zum ersten Mal gesehen, als er in Rincon auf den Zug sprang.«
Er berichtete mit wenigen Worten, was seitdem alles geschehen war.
»Er war schon verwundet, als er einstieg?«, fragte Janet.
»Ja. Ich hörte einen Mann neben dem Zug herlaufen, dann einen Schuss. Kurz darauf stieg er ein. Jemand war hinter ihm her, und er muss einen weiteren Anschlag auf sein Leben befürchtet haben.«
»Warum haben Sie ihn nicht zum Doktor gebracht, wenn er verwundet war?«
»Er wollte nicht auf mich hören, sondern versteifte sich darauf, dass er erst hier in Tummit jemanden treffen müsste. Wahrscheinlich hat er Sie damit gemeint.«
Janet war ruhiger geworden, doch in ihren Augen lag immer noch unbeugsame Feindschaft. Auch die anderen im Raum schienen sich schweigend gegen Garry verschworen zu haben, das spürte er. Sie glaubten ihm nicht.
»Er kann auch einen anderen gesucht haben. Aber warum wurde er erschossen? Und von wem?«, fragte Janet nach einer Pause. »Sie behaupten, der erste Schuss sei dort von dem Fenster gekommen. Haben Sie das Gesicht des Schützen gesehen?«
»Nein. Aber mir wäre wohler, wenn ich’s gesehen hätte«, murmelte Garry bitter. »Ich hab’ nur einen hellen Fleck gesehen, dann ging’s schon los. - Was ist, Doktor? Haben Sie schon die Kugeln aus ihm herausgeholt?«
Doc Vinson tat einen Schritt vorwärts.
»Die suche ich später. Aber Sie haben recht: Er wurde von Gewehrkugeln getötet.«
Janet beobachtete Garry aus den Augenwinkeln. Garry hatte das Gefühl, als wollte sie ihn noch etwas fragen, aber sie unterdrückte die Frage in letzter Sekunde. Stattdessen murmelte sie: »Hat mein Onkel Ihnen irgendetwas aufgetragen? Oder hat er Ihnen etwas gegeben - für mich?«
Garry zögerte, denn er fühlte das neu erwachte Interesse der anderen Männer. Besonders Benton konnte sich kaum noch beherrschen.
»Nein«, antwortete Garry schließlich. »Wollte er Ihnen denn eine wichtige Nachricht bringen?«
Janet war Garrys Zögern nicht entgangen. Über ihr Gesicht huschte ein schwer zu deutender Ausdruck.
»Ich weiß nicht; er schrieb mir einen Brief, und dann...«
Sie brach ab, als Hufschläge näherkamen. Auch sie hatte gelogen, das spürte Garry genau.
Drei Reiter sprangen vor dem Saloon aus dem Sattel, banden ihre Pferde an die Haltestange und trampelten herein.
»Ich hab’ gehört, dass es hier eine Schießerei gegeben hat - was war los?« polterte der Anführer der drei. Er war kräftig und kurzbeinig. Jetzt schob er sich ziemlich rücksichtslos durch den Kreis der Zuschauer und blieb vor dem Tisch mit dem Toten stehen. Man hatte den Eindruck, dass seine kurzen Beine plötzlich Wurzeln geschlagen hätten.
»Weißt du denn nichts Genaueres, Hanald?«, fragte Bill Masters.
»Woher zum Teufel sollte ich es denn wissen?«, gab Leo Hanald zurück. »Ich bin gerade erst in die Stadt gekommen.«
Hanald und seine beiden Begleiter warfen feindselige Blicke auf Bill Masters. Ihre Muskeln waren gespannt, als erwarteten sie jeden Augenblick eine Auseinandersetzung.
Masters lächelte dünn.
»So? Wirklich? Ich frag’ mich, ob du das wohl beweisen kannst.«
Er machte eine Pause und ließ den Zweifel in seinen Worten auf die Männer einwirken. Noch bevor Hanald zu einer heftigen Erwiderung ansetzen konnte, fuhr er rasch fort:
»Hier ist ein Mord passiert - Janets Onkel Harley wurde erschossen. Aus dem Hinterhalt, dort vom Fenster her. Das sind jetzt schon zwei, wie?«
Hanald hatte zu dem Toten hingeschaut. Aber jetzt kapierte er auf einmal, was Masters andeuten wollte. Er fuhr herum und ballte die Fäuste, dass die Knöchel weiß aus den Handrücken ragten.
»Dahinter steckt doch was, Masters«, sagte er langsam. »Sprich dich ruhig deutlicher aus!«
»Bill denkt vermutlich dasselbe, was auch andere hier denken«, mischte sich Janet unerwartet heftig ein.
»Und was ist das?«, fragte Hanald gepresst.
»Bill meint, dass nun schon zwei Leute der M-Ranch ermordet worden sind. Der erste war mein Vater Salty Masters vor drei Monaten. Jetzt mein Onkel Harley, und beide wurden aus dem Hinterhalt erschossen. Das stimmt doch nachdenklich, wie?«
Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. Die Spannung im Raum stieg. Hinter dem gezwungenen, humorlosen Lächeln des Mädchens war brennender Hass zu spüren.
Mit erhobener Stimme fuhr sie fort: »Besonders nachdenklich stimmt mich der Umstand, dass ihr von der Sporen-Ranch die meiste Ursache hättet, die M-Ranch an die Wand zu drängen. Ihr habt nie vergessen, dass wir euch vor ein paar Monaten von den Weiden am East Fork vertrieben haben. Außerdem tut ihr alles, um unsere Macht hier im Tal zu brechen.«
Janet ersparte ihm nichts. Ihr Temperament riss sie mit. Sie sah die Warnung in Hanalds harten Augen aufflackern und dachte schon, er würde sie schlagen. Vielleicht wünschte sie sich das sogar, denn so hätte sie einen Grund gehabt, ihren Revolver gegen den Mann zu ziehen.
Aber er beherrschte sich und ballte zähneknirschend die Fäuste.
»Du hast dir eine Menge herausgenommen, weil du eine Frau bist und weil ihr M-Leute euch schon immer besser als die anderen vorgekommen seid!«, sagte er mühsam. »Aber das wird sich von jetzt an ändern - ich versprech’s dir! Von einem Mann hätte ich mir so was nie gefallen lassen, und von dir werde ich auch nicht mehr viel davon einstecken. Du deutest an, dass ich deinen Vater und deinen Onkel umgebracht haben könnte. Ich sag’ dir, dass ich es nicht nötig habe, jemanden aus dem Hinterhalt umzulegen. Wenn ich einen töten will, dann tu’ ich das offen, mit der ganzen Stadt als Zeugen!«
Janet wich seinem brennenden Blick nicht aus.
»Sheriff, du solltest dir mal seine Flinte ansehen«, sagte sie.
Hanald hob rasch den Blick.
»Eine Flinte war’s also! - Gus, hol meine Winchester rein!«
Toler zögerte noch. Einer der beiden Reiter von der Sporen-Ranch ging zur Tür, aber Janet sagte: »Toler, geh lieber selbst!«
Der Sheriff ging achselzuckend hinaus und kam gleich darauf mit einer Winchesterbüchse zurück. Er roch am Lauf und verkündete mit einem entschuldigenden Blick zu Janet: »Die ist in letzter Zeit nicht abgefeuert worden.«
»Zufrieden?«, fragte Hanald wütend.
»Ich weiß nicht. Es geht immer noch um das Weideland am East Fork. Die M-Ranch hat dort einen Mann verloren. Erinnerst du dich?«
»Klar. Wir haben auch einen verloren. Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass unten am East Fork offenes Weideland ist.«
Bill Masters fühlte sich von der Furchtlosigkeit des Mädchens beschämt und warf ein: »Solltest du die Absicht haben, die Weiden zurückzuholen, dann musst du schon eine Menge Gewehre mitbringen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich die brauchen werde«, sagte Hanald geringschätzig und gab seinen Begleitern einen Wink.
»Kommt, draußen ist die Luft sauberer!«
Sie stapften hinaus. Still beobachteten die anderen, wie die drei wegritten. Das lähmende Schweigen wurde von Janet unterbrochen, die einem der Cowboys an der Theke zurief:
»Komm her, Kyle! Hilf Bill, den Toten zur Leichenhalle rüberzutragen!«
Der Angesprochene gehorchte zögernd und vermied dabei Garrys Blick. Um seine Nase war eine große Zahl von Sommersprossen verteilt; er war glattrasiert, doch seine Wangen schimmerten trotzdem bläulich.
»Sheriff, Sie sind doch hier fertig, wie? Ich möchte meinen Colt wiederhaben!«, verlangte Garry.
»Ich sollte Sie wegen Mordes vorläufig festnehmen«, murrte der Sheriff und trat von einem Bein auf das andere.
»Welche Beweise?«, fragte Garry scharf.
»Ich möchte den Colt lieber behalten, bis ich genau weiß, welche Rolle Sie bei der ganzen Geschichte spielen«, sagte Toler unsicher.
Joel Benton ließ ein grausames, spöttisches Kichern hören.
»Kümmern Sie sich lieber nicht so viel um mich, Toler«, sagte Garry und streckte die Hand aus. »Meinen Colt!«
Toler brachte es einfach nicht fertig, Garrys sicherem Auftreten und dem drohenden Ausdruck seiner kalten Augen zu widerstehen. Er gab ihm widerspruchslos die Waffe. Garry nahm sie schweigend entgegen, ließ die Trommel herausschnappen und lud die beiden leeren Kammern nach. Dann versenkte er das Schießeisen im tiefgeschnallten Halfter.
Er wandte sich ab und ging mit festen Schritten hinaus in die Kühle der Nacht.
Fünftes Kapitel
Außer einem schlaksigen jungen Mann mit Brille befand sich niemand in der Halle des Wagenrades, als Garry das Hotel betrat. Durch einen Torbogen sah er mehrere Gäste im Speiseraum. Sie erinnerten ihn an seinen nagenden Hunger. Aber vor dem Essen wollte er sein Zimmer sehen.
Der Angestellte erhob sich und legte Garry das Gästebuch und eine Feder hin.
»Ed Garry - Hobart«, schrieb Garry ein.
»Fremd hier?«, fragte der junge Mann neugierig.
Garry nickte.
»Bleiben Sie länger?«
»Vielleicht. - Welches Zimmer?« Ungeduld stieg in Garry hoch.
Der Angestellte duckte sich unter der Zurechtweisung. Dann nahm er einen Schlüssel vom Brett und warf ihn auf den Tisch.
»Nehmen Sie Zimmer 17. Das macht zwei Dollar. Sie zahlen im Voraus!«
Garry zahlte, nahm den Schlüssel und ging die schmale Treppe im Hintergrund der Halle hinauf. Über dem Aufgang hing ein Wagenrad an der Wand. Ein zweites prangte neben dem Durchgang zum Speisesaal.
Zimmer 17 lag am Ende eines langen, dunklen Ganges. Als Garry die Tür öffnete, schlug ihm eine Welle heißer, abgestandener Luft entgegen. Er warf den Sombrero aufs Bett und stieß das Fenster auf. Eine leichte Brise blähte die staubigen, vergilbten Vorhänge.
Garry zog sich das verschwitzte Hemd über den Kopf, hängte es an den Bettpfosten und ging zu dem wackeligen Waschtisch. Dabei nahm er sich vor, sich gleich morgen ein frisches Hemd zu kaufen. Als er sich abgetrocknet hatte, warf er sich auf das Bett und holte den Zettel aus dem Schweißband des Sombreros.
Überrascht stellte er fest, dass es sich um eine mit Bleistift gezeichnete Landkarte handelte. Die Städte Rincon, Tummit und Buchard auf der anderen Seite des Berges waren markiert. Außerdem waren die Grenzen mehrerer Ranches eingetragen: Schräges M, Zerbrochener Sporn, Eckiges B und mehrere andere. Zwei für Garry bedeutungslose Linien begannen in Rincon und verliefen quer durch das Tal, bis sie sich jenseits der Berge in Buchard trafen.
Garry kannte die Gegend zu wenig, um aus der Karte schlau werden zu können. Sie spielte aber zweifellos eine wichtige Rolle bei dem tragischen Ende von Harley Masters. Als Masters ihm die Karte übergeben hatte, war er fast übertrieben vorsichtig vorgegangen. Er hatte sie bis zu dem Zeitpunkt festgehalten, wo er wusste, dass er die Verabredung in Tummit nicht würde einhalten können.
Hatte Janet Masters mit ihrer seltsamen Frage vielleicht die Karte gemeint? Hatte der hinterhältige Mörder im Dunkeln nach der Karte gesucht, als er den Toten abtastete?
Auf irgendeine Weise musste diese Landkarte für die Rinderkönige des Tals eine große Bedeutung haben - besonders für die Masters-Familie.
Je länger Garry nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass der Mord an Harley Masters mit dem ursprünglichen Grund seiner Hundert-Meilen-Reise Zusammenhängen musste. Die Morde an Salty Masters und Harley Masters lagen mehrere Monate auseinander, doch sie waren zweifellos Teile eines teuflischen Plans, dessen Ziel man nicht einmal erraten konnte.
Eins wusste Garry: Der Plan war noch nicht zu Ende ausgeführt. Mehr Gewaltakte und Morde würden folgen, das war sicher. Selbst mit der warmen Brise schien die Gefahr in das dunkle Zimmer hereinzuwehen.
Tummit war eine Grenzstadt, wild und ungezähmt. Dass die Ranchbesitzer sich gegenseitig bekämpften, war Garry schon klargeworden.
Garry dachte an Syl Darwin, den Chef der US-Marshals in Hobart. Er hatte das Problem in seiner üblichen knappen Art Umrissen, als er Garry losschickte.
»Ed, das hier ist ein Auftrag, den ich nicht jedem übertragen würde«, hatte er mit seiner tiefen, grollenden Stimme gesagt. »Sie werden allein gegen eine Übermacht stehen. Schön, das sind Sie gewöhnt, weil wir nie genug Leute haben. Aber hier liegt der Fall noch anders. In Tummit auf der anderen Seite der Berge machen ein paar Viehdiebe den Ranchern das Leben sauer. Auch zwischen den Ranchen hat’s Ärger gegeben, hauptsächlich wegen offener Weidegebiete. Vor ein paar Monaten ist ein Rancher namens Salty Masters umgelegt worden. Das alles haben wir jetzt erst erfahren. Ein Freund hat mich um Hilfe gebeten.«
»Dann wollen Sie, dass ich die Stadt aufräume?«
»Genau!«
Garry erinnerte sich, wie sein Chef danach gezögert hatte.
»Los, Chef - da ist doch noch etwas!« hatte er gesagt.
»Stimmt, Ed. Ich habe Grund zu der Annahme, dass sich eine Bande oben in den Bergen bei Tummit eingenistet hat. Es sind steckbrieflich gesuchte Verbrecher dabei, und ich will sie haben - tot oder lebendig! Und passen Sie gut auf, Ed, ich brauche Sie noch! Sie werden allein gegen die ganze Stadt stehen, und Ihr Marshal-Stern wird Ihnen dann auch nicht viel nützen. Die Banditen heißen Colt Redwood und Jed Northey. Sie werden wegen Mordes und Postraubs gesucht. Wenn’s Ihnen an den Kragen geht, dann wenden Sie sich an Jeff Lance. Er ist mein Freund, und er hat mir auch den Brief geschrieben. War früher Sheriff in Tummit. Was seitdem passiert ist, weiß ich auch nicht.« Das war alles gewesen.
Garry erhob sich, schlüpfte in sein Hemd und verließ das Zimmer.
Unten auf der Hauptstraße war das Nachtleben bereits erwacht. Ein schwer beladener Wagen rumpelte durch die Furchen der Straße. Die Räder wirbelten dicke Staubwolken auf. Unten am Ende der Straße kreischte eine Holzsäge. Eine Gruppe von Reitern galoppierte heran, hielt vor einem Saloon und verschwand durch die Schwingtür, nachdem die Männer ihre Pferde an die Haltestange gebunden hatten. Garry ging ihnen nach und betrat denselben Saloon. Gleich hinter der Schwingtür blieb er stehen und lauschte dem Durcheinander von Stimmen, Gläserklirren und Kartenklatschen.
Einer drehte sich um, sah ihn und verstummte. Dann ein zweiter, noch einer und noch einer. Wenige Sekunden später war es still geworden in dem Saloon. Die drohende Gefahr ließ Garrys Schultermuskeln steif werden. Niemand rührte sich, aber aller Augen waren auf Garry gerichtet.
Er ging auf die Bar zu. Der Hall seiner schweren Schritte auf dem mit feuchten Sägespänen bestreuten Boden war der einzige Laut im Raum. Mit erhobenem Kopf steuerte Garry einen freien Platz an der Bar an. Er wich keinem Blick aus, und immer mehr Männer merkten, dass sie diesen kalten, harten Augen nicht standhalten konnten.
Allmählich begann die halblaute Unterhaltung wieder.
»Ein Bier!«, bestellte Garry.
Der Barmann, der Garry von seinem Eintreten an aufmerksam beobachtet hatte, füllte ein Glas, schob es ihm hin und wartete auf das Geld. Garry legte einen Schein auf die Bar. Der Barmann nahm den Geldschein, wechselte ihn aus einer Kasse in der Ecke und legte Garry die Münzen hin. Dann wollte er sich abwenden.
»Einen Augenblick!«, rief Garry. Der Barmann blieb zögernd stehen. Mit absichtlich lauter Stimme fuhr Garry fort: »Ich suche zwei Männer: Colt Redwood und Jed Northey. Kennen Sie die beiden?«
Wieder legte sich das Schweigen wie eine dichte Nebeldecke auf den Saloon. Alle blickten zu Garry hin - lauernd, feindselig. Der Barmann ließ seinen hilflosen Blich an der Bar entlanggleiten, bis er am anderen Ende an Joel Benton hängenblieb.
Benton hatte den Kopf mit der Löwenmähne erhoben. Das Whiskyglas in seiner Pranke zitterte leicht. Er blickte zuerst den Barmann, dann Garry an und senkte den Blick schließlich in sein Glas.
Zwischen den beiden war ein geheimes Zeichen ausgetauscht worden, sagte sich Garry. Das Gesicht des Barmannes war jetzt gespannt, als er sagte: »Freunde von Ihnen?«
»Das geht Sie nichts an. Kennen Sie die beiden?«
Lächelnd breitete der Barmann die Hände aus.
»Mein Gott - hier kommen alle möglichen Leute herein. Wenn Sie die beiden beschreiben könnten...?«
Die allgemeine Spannung stieg noch mehr; die Männer hielten den Atem an.
Garry nahm einen langen Schluck und setzte das Glas dann ab. Er lehnte sich vor, und in seinen Augen glitzerte ein hartes, unerbittliches Licht.
»Für mich sind das auch nur Namen«, sagte er.
»Was wollen Sie dann von ihnen?«, fragte der Barmann und lächelte immer noch.
Kurz und scharf kam Garrys Antwort. Es klang, als fielen Sternchen in ein Glas:
»Sagen Sie den beiden nur, Ed Garry möchte sie sprechen. Sie finden mich hier in der Stadt.«
Unwillkürlich zuckte der Barmann zurück. Er wollte etwas sagen, doch der steinerne Ausdruck auf Ed Garrys Gesicht brachte ihn zum Schweigen.
Garry achtete nicht auf das Schweigen ringsum. Er trank in aller Ruhe sein Glas leer, setzte es so hart ab, dass viele der Männer unter dem Knall zusammenzuckten, und verließ dann mit langen, selbstbewussten Schritten den Saloon.
Sechstes Kapitel
Die Dunkelheit draußen war erfrischend und wohltuend. Garry lehnte sich gegen die Haltestange vor dem Saloon und atmete tief. Er hatte drin im Saloon den Bogen ziemlich überspannt, und nun setzte die Reaktion ein.
Von nun an wusste jeder in Tummit, wer er war. Er stand allein gegen die ganze Stadt - aber das störte ihn nicht, er war es gewöhnt. Er hatte den Köder ausgelegt und war nun neugierig, welcher Fisch anbeißen würde.
Eines war ihm sofort klargeworden: Die Namen Redwood und Northey waren den Männern in dem Saloon nicht unbekannt. Keiner von ihnen hatte es verstanden, sein brennendes Interesse zu verbergen.
Garry holte eine Zigarre aus der Tasche und blickte rein zufällig am Hotel hoch. Von den sechs Fenstern, die zur Straße gingen, waren fünf dunkel. Nur hinter den Vorhängen des sechsten Fensters ganz in der Ecke brannte eine schwache Lampe.
Es dauerte eine Sekunde, ehe ihm klar wurde, dass es sich um sein Zimmer handelte. Rasch steckte er die Zigarre wieder ein und lief über die Straße.
Die Hotelhalle war leer. Auch der neugierige Angestellte war nirgends zu sehen. Leise stieg er die Stufen hinauf und schlich dann den Gang entlang. Unter seiner Tür fiel ein Lichtstreifen heraus. Er stellte sich mit dem Rücken an die Wand und lauschte.
Kein Laut war zu hören. Er spürte doppelt unangenehm die schale Wärme des ungelüfteten Ganges. Dann nahm er den Colt aus dem Halfter, ließ den Hammer zurückschnappen und griff nach dem Türknopf.
Mit einem Ruck stieß er die Tür auf und sprang ins Zimmer. Mit einem Satz war er aus der möglichen Schussrichtung, jeden Muskel gespannt, bereit zum Kampf.
In dem hochlehnigen Sessel auf der anderen Seite des Zimmers saß ein Mädchen: Janet Masters! Ihre graugrünen Augen waren spöttisch auf ihn gerichtet.
»Betreten Sie Ihr Zimmer immer auf diese Weise?«, fragte sie.
Garry lächelte nicht, sondern musterte sie nur aufmerksam, während er langsam seinen Colt ins abgewetzte Halfter steckte.
»Wollten Sie etwas von mir?«, fragte er höflich.
Ihre ganze Haltung wirkte entspannt, aber plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Die hohen Backenknochen traten hervor. Ihre rechte Hand machte eine blitzschnelle Bewegung und kam mit einem perlenbesetzten .38er Revolver wieder zum Vorschein. Die Mündung zielte genau auf Garrys Brust.
»Ja, ich will etwas«, sagte sie unpersönlich.
Die Bedrohung war so überraschend gekommen, dass Garry nicht mehr reagieren konnte. Er zuckte die Achseln, nahm den schwarzen Sombrero ab und sagte leichthin:
»Sie sind am Zug, Ma’am!«
Der schimmernde Lauf des Revolvers wankte nicht. Ein unangenehmes, arrogantes Lächeln spielte um ihre Lippen.
»Schnallen Sie erst einmal ab und lassen Sie den Waffengürtel auf den Boden fallen!«
Garry lehnte sich flach gegen die Wand. Blut schoss ihm in den Kopf. Er griff langsam zur Gürtelschnalle und ließ die Hände dort liegen.
Mit plötzlicher Wildheit rief Janet:
»Wenn Sie sich nicht beeilen, dann schieße ich Ihnen die Schnalle weg!«
Sie spürte seine Auflehnung. Er war kein Mann, den man so leicht herumkommandieren konnte. Deshalb genoss sie ihre augenblickliche Überlegenheit doppelt.
Garry schnallte ab und ließ den Gürtel zu Boden gleiten. Dann stieg er heraus und trat zur Seite.
»Tür abschließen!«, befahl sie.
Garry stieß die Tür mit einem Fußtritt ins Schloss. Er hielt den Sombrero noch immer in der rechten Hand.
Ihr Lächeln war jetzt verschwunden. Ohne jede Einleitung sagte sie: »Mein Onkel hat Ihnen einen Zettel für mich gegeben. Den möchte ich haben.«
Garry war sicher, dass sie nur auf den Busch klopfte. Er ließ sich nicht anmerken, was er dachte.
»Wie kommen Sie auf diese Idee?«, fragte er.
»Vor einer Woche schrieb er mir, dass er in den Westen kommen und mir eine wichtige Nachricht mitbringen wollte«, antwortete sie mit deutlichen Anzeichen ihrer steigenden Ungeduld.
»Und?«
»Sie waren der letzte, der ihn lebend gesehen hat. Sie haben selbst gesagt, dass er sich Ihnen angeschlossen hat, als er merkte, dass er Tummit allein nicht mehr erreichen konnte. Ich kenne ihn gut und weiß, dass er alles versucht hat, um die Nachricht zu mir zu bringen. Deshalb bin ich überzeugt, dass er sie Ihnen gegeben hat.« Sie hatte einige Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, als sie schloss: »Bei ihm haben wir nichts gefunden - keine Nachricht, keinen Zettel - nichts!«
»Sein Mörder hat ihn durchsucht. Das weiß jeder, der im Saloon war.«
Janets Finger spannten sich um den Revolverknauf.
»Ich bin nicht einmal sicher, ob Sie ihn nicht selbst durchsucht haben, als die Lampen aus waren.«
Garrys Miene verhärtete sich.
»Das ist natürlich auch eine Möglichkeit. Sonst noch etwas?«
»Ja!«, sagte sie hart. »Ich erinnere mich, wie Sie zögerten, als ich Ihnen diese Frage schon einmal stellte. Ihre Antwort hat zu lange gedauert. Also wissen Sie etwas. Und das will ich jetzt auch wissen. Harley hatte mir geschrieben, dass er eine sehr wichtige schriftliche Information für mich mitbringen wollte. Die will ich jetzt haben, und ich werde nicht mehr sehr lange darauf warten!«
Garry war versucht, die gezeichnete Landkarte herzugeben. Das Mädchen befand sich in einer gefährlichen Stimmung. Sie war von Natur aus schon heißblütig und entschlossen, und nun quälte sie zusätzlich noch der Tod ihres Onkels, die ständige Bedrohung der M-Ranch.
Weinen konnte sie anscheinend nicht. Die Tränen blieben in ihrem Innern verschlossen. Also waren Ärger und Zorn ihre einzigen Ventile für die aufgestauten Gefühle.
Er wollte ihr die Karte schon aushändigen, da hielt ihn ein angeborener Instinkt davon ab. Die Karte war für sie und ihre M-Ranch vielleicht von lebenswichtiger Bedeutung, doch Garry war davon überzeugt, dass sie auch eine Rolle in der Welle von Gesetzlosigkeiten spielte, die über Tummit hinwegrollte. Solange er nicht wusste, wie die Karte ins allgemeine Bild passte, wollte er sie geheim halten.
»Ich fürchte, da sind Sie zu dem falschen Mann gekommen, Ma’am«, sagte er langsam.
Ihre Revolvermündung bewegte sich aufwärts.
»Nein - für mich sind Sie der richtige Mann. Und wenn Sie nicht bald reden, dann werde ich Ihnen die Ohren wegschießen. Das linke zuerst.«
Garry konnte seinen Zorn kaum noch eindämmen. Er stieß sich von der Wand ab und ging durch das Zimmer auf sie zu. Nach dem dritten Schritt rief Janet: »Halt! Bleiben Sie, wo Sie sind, sonst verlieren Sie ihre Ohren.«
Er sagte nichts und ging um den eisernen Fuß seines Bettes herum. Sie schwieg ebenfalls, doch die Revolvermündung folgte ihm unnachgiebig. Man sah es ihrer gespannten Miene an, dass sie zum Schießen entschlossen war.
Plötzlich leuchtete es in ihren Augen auf. Garry kannte dieses Zeichen. Er drehte sich blitzartig um, stand direkt vor ihr und schlug seinen Sombrero über ihre Hand mit dem Revolver. Der Schuss krachte überlaut in dem kleinen Zimmer.
Garry spürte die Hitze des verbrannten Pulvers an seiner Wange. Die Kugel schwirrte an seinem Ohr vorbei. Rasch sprang Garry zur Seite, hakte seinen Fuß unter ihren Stuhl und zog daran. Janet konnte ihr Gewicht nicht schnell genug verlagern und fiel mitsamt dem Stuhl auf den Rücken.
Laute Schritte draußen auf dem Gang ließen Garry herumfahren. Eine Männerstimme rief: »Janet!« Dann wurde die Tür aufgestoßen, und Bill Masters stürmte herein. Er duckte sich tief und bedrohte Garry mit seinem Colt.
Garry handelte jetzt ganz ruhig und eiskalt. Er packte Janets .38er und ließ ihn auf Bill Masters’ Handgelenk herabsausen. Der Colt fiel ihm aus den Fingern. Eine halbe Sekunde später traf er ihn mit einem harten Aufwärtshaken. Der Schlag schleuderte Masters gegen das Fußende des Bettes. Sein breiter Rücken krachte gegen die Querstange, dann fiel er rücklings darüber aufs Bett.
Janet sprang auf und lief zu Bill hin. Sie setzte sich neben ihn und legte ihm einen Arm um die Schulter. Doch der Mann schüttelte den Arm ab und erhob sich schwankend.
Mit einem bösartigen Blick starrte er Garry an.
»Das werde ich Ihnen heimzahlen!«, schrie er.
Garry sagte nichts. Janet schwieg auch, aber in ihren Augen lag brennender Hass.
»Verschwinden Sie aus der Stadt!«, warnte sie Garry. Jedes Wort kostete sie große Anstrengung. »Verschwinden Sie, sonst bringe ich Sie um!«
»Ich fürchte, dazu wären Sie wirklich imstande«, sagte Garry mit einem Unterton des Bedauerns.
»Hat er etwas gesagt?«, fragte Masters.
»Nein, er hat nichts gesagt«, mischte sich Garry ein. »Was geht hier eigentlich vor? Worum geht’s bei der Information, die Sie erwartet haben?«
»Wenn Sie das noch nicht wissen, werden Sie es nie erfahren - jedenfalls nicht von mir«, antwortete Janet und nahm Bills Arm. »Komm, gehen wir!«
Sie gingen an ihm vorbei zur Tür.
»Warten Sie!«, rief Garry.
Die beiden blieben stehen. Garry betrachtete das Mädchen mit einem anerkennenden Blick.
»Hier - Ihr Revolver«, sagte er freundlich.
Er entlud die Waffe und gab sie ihr. Janet steckte sie ohne ein Wort des Dankes ein. Masters stand wartend an der Tür. Er sagte gepresst:
»Sie sind ein harter Bursche, mein Freund. Aber diese Stadt ist härter als Sie. Sie werden daran zerbrechen.«
Das dünne Lächeln spielte immer noch um Garrys Lippen.
»Das hat man mir schon oft angedroht - in anderen Städten.«
Die beiden gingen, er schloss die Tür hinter ihren Rücken.
Siebtes Kapitel
Zehn Minuten später kam Garry die Treppe herunter in die Hotelhalle. Er trug wieder den Revolvergürtel. Mit raschen Schritten ging er auf den schlaksigen Angestellten zu, der vor ihm zurückwich.
»Das vorhin in Ihrem Zimmer, Mr. Garry - da konnte ich nichts machen«, entschuldigte er sich furchtsam.
»Das glaube ich. Die M-Ranch hat hier eine Menge Einfluss, wie?« Seine Stimme wurde schneidend. »Aber sollte ich noch einmal jemanden in meinem Zimmer vorfinden, dann verlassen Sie lieber die Stadt, so schnell Sie können! - Wo kann man vernünftig essen?«
»Am besten isst man hier im Hotel«, sagte eine kühle, melodische Stimme hinter ihm.
Garry drehte sich um und erblickte ein schlankes, dunkelhaariges Mädchen. Sie war lautlos aus dem dunklen Speisesaal gekommen. In ihren olivbraunen Augen war die gleiche Herausforderung zu lesen wie auf ihren leicht gekräuselten Lippen.
»Der Speisesaal ist seit über einer Stunde geschlossen, Claire«, grollte der Hotelangestellte. »Sag nur nicht, das hast du vergessen!«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Aber in der Küche haben wir ein Steak und Kartoffeln übrig. Vielleicht auch ein Stück Apfelkuchen. Interessiert Sie das, Fremder?«
Sie betrachtete ihn aufmerksam, und was sie sah, schien ihr zu gefallen. Ihr Lächeln wurde einladend.
»Wer würde sich nicht dafür interessieren?«, murmelte Garry.
»Dann kommen Sie mit!«
Sie führte ihn in den Speisesaal. Der Angestellte grollte hinter ihnen her: »Wenn Hagers hier wäre, würdest du das nicht wagen!«
»Aber er ist nicht hier, und du wirst nicht viel dagegen tun können«, antwortete sie schnippisch.
Sie fand ihren Weg im Dunkeln und trat an die entfernte Wand des Speisesaals. Dort zündete sie eine Lampe an. Garry nahm den Sombrero ab, setzte sich und beobachtete sie ungeniert.
Alles an Claire sprach von ungebrochener Vitalität, von dem Wunsch, das Leben bis zur Neige zu genießen. Die frische Haut des gebräunten Gesichts, die vollen Lippen, ihre erfreulichen Kurven unter dem eng anliegenden grünen Seidenkleid mit dem weißen Rüschenbesatz sprachen davon. Aber sein Blick kehrte immer wieder zu den olivbraunen Augen zurück. Eigentlich waren es nicht einmal besonders schöne Augen, aber in ihren Tiefen schimmerte ein seltsames Licht, das einen Mann schon verwirren konnte.
»Wer ist eigentlich Hagers?«, fragte er, als sie mit der Lampe fertig war.
»Nur der Hotelbesitzer. Er ist geschäftlich unterwegs«, antwortete sie gleichgültig und betrachtete ihn wieder mit einer Ungeniertheit, die ihn verwunderte. Plötzlich sagte sie: »Ich habe vorhin Ihren Namen nicht mitbekommen.«
»Ed Garry.«
»Ich bin Claire Benton.«
Sie reichte ihm die Hand. Diese Geste war ebenso überraschend für ihn wie der Name. Er drückte vorsichtig ihre Hand, fühlte die seidige Wärme ihrer Haut, dann wurde die Hand wieder zurückgezogen. Claire hatte es nicht nötig, die vielen kleinen Tricks anzuwenden, zu denen andere Mädchen ihre Zuflucht nahmen.
Anscheinend las sie seine Gedanken, denn sie fuhr fort: »Sie machen sich Ihre Gedanken über mich, Ed.« Es erschien ihm ganz natürlich, dass sie ihn beim Vornamen nannte. »Sie sind fremd in Tummit. Fremde interessieren mich immer, besonders wenn es sich um Männer handelt.«
Sie lachte leise und gurrend. In ihrem Lachen lag die versteckte Andeutung eines Spiels, das sie ihm anbot.
Garrys Bewunderung für dieses Mädchen stieg. Sie war geradeheraus, aber bei ihr war es nickt die freche Keckheit der Mädchen aus den Tanzhallen. Sie konnte sich dieses Verhalten erlauben, weil dahinter eine feste, sickere Persönlichkeit stand.
Joel Benton fiel ihm ein. Er erinnerte sich plötzlich wieder, warum er nach Tummit gekommen war. Sein Lächeln wich einer harten Strenge.
»Sind Sie Joel Bentons Schwester?«, fragte er.
»Ja. Sie haben ihn also schon kennengelernt? Das ging aber schnell. Na ja - Joel ist hier auch ein wichtiger Mann.« Das klang beinahe spöttisch.
»Wie wichtig?«
»Das werden Sie schon noch feststellen.«
Damit ging sie weg. Garry blickte ihr nach, bis sie hinter einer Tür verschwunden war. Dann holte er seinen Tabaksbeutel heraus und begann langsam, sich eine Zigarette zu drehen. Er zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Ein Gefühl der Erleichterung überkam ihn. Seine Muskeln entspannten sich.
Nach wenigen Minuten kam Claire zurück. Sie brachte ihm einen Teller mit einem großen, saftigen Steak und einem Haufen Bratkartoffeln. Sie setzte das Tablett vor ihn hin, rückte Messer und Gabel zurecht und ging in die Küche zurück.
Garry hatte kaum mit dem Steak begonnen, da kam sie mit einem riesigen Stück Apfelkuchen und einer Tasse heißem Kaffee.
»Das macht einen Dollar«, sagte sie.
Garry legte einen Silberdollar neben den Teller und fragte mit leisem Lächeln:
»Also keine Einladung des Hauses?«
»Nicht, wenn Adlerauge da draußen aufpasst. Er wird mir den Dollar ab verlangen, bevor ich nach Hause gehe.«
Sie setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl. Er schluckte den Bissen hinunter, legte Messer und Gabel beiseite und wollte etwas sagen, da winkte sie rasch ab.
»Lassen Sie sich nicht stören, Ed. Ich schaue den Leuten gern beim Essen zu und freue mich, wenn ihnen das schmeckt, was ich gekocht habe. Ich werde Sie auch nicht mit Gerede langweilen.«
Sie hielt Wort.
Er war gerade dabei, den letzten Schluck Kaffee zu trinken, da bemerkte er, wie Claire rasch hochblickte. Er drehte sich um und sah Joel Benton hereinkommen.
Wie er so mit schweren, langsamen Schritten hereinkam, war er wirklich eine eindrucksvolle Erscheinung. Seine mächtigen Pranken schwangen lässig in der Nähe des Gürtels hin und her und verkündeten die drohende Gefahr.
Claire stand auf. Garry streifte sie mit einem raschen Blick und stellte fest, dass sie keine Angst hatte.
»Was gibt’s, Joel?«, fragte sie knapp.
Seine Brauen zogen sich unwillig zusammen.
»Bisschen spät für dich, wie?«
»Ed musste noch etwas zu essen bekommen«, erklärte sie.
Benton trat zu dem Tisch, nickte Garry kurz zu und gab dann seiner Schwester einen langen, strafenden Blick. Es war ihm nicht entgangen, dass sie den Vornamen gebraucht hatte.
»In der Stadt gibt’s eine Menge Restaurants«, knurrte er. »Aber im Wagenrad isst man halt am besten, stimmt’s?«
»Ja, du hast wie immer recht«, antwortete Claire unbeeindruckt.
»Und wahrscheinlich glaubst du, die Stadt braucht einen neuen Mann. Deshalb hast du dich darum gekümmert.«
Die Drohung in Bentons Stimme war jetzt unverkennbar, doch Claire lachte nur.
»Du hast schon wieder recht, Joel! Vielleicht kümmerst du dich jetzt ein bisschen um ihn, ja?«
Nach einem freundlichen Blick für Garry ging sie rasch weg.
»Darf ich mich setzen?«, murmelte Benton und nahm Claires Stuhl, ehe Garry zustimmen konnte. Die beiden Männer musterten sich gegenseitig. Garry blieb kühl und reserviert, aber er spürte wieder das Ziehen zwischen den Schulterblättern.
»Claire ist ein seltsames Mädchen. Sie möchte die Bekanntschaft eines jeden Fremden machen, der nach Tummit kommt«, sagte Benton überraschend.
Garry kam ihm keinen Schritt entgegen. Benton war sicherlich nicht hergekommen, um über seine Schwester zu plaudern. In eisigem Schweigen wartete Garry ab.
Nach einer Weile legte Benton seine mächtigen Pranken auf die Tischplatte und beugte sich ein wenig vor. Mit verdächtig freundlicher Stimme fragte er: »Sie sind also hergekommen, weil sie zwei Männer suchen? Redwood und Northey? Hab’ ich die Namen richtig verstanden?«
»Ja. Kennen Sie die beiden?«
»Scheint mir, als hätte ich die Namen schon mal gehört«, antwortete Benton vorsichtig. »Wie sehen sie denn aus?«
Garry war jetzt sicher, dass der Rancher sein Spielchen mit ihm versuchte. Er beschloss, für eine Weile mitzumachen.
»Redwood ist ein großer, muskulöser Kerl, über sechs Fuß groß, mit einem breiten, groben Gesicht. Er hat überall die Narben alter Auseinandersetzungen.«
»Und der andere?«
»An Northey ist nichts Ungewöhnliches. Groß und kräftig - ungefähr Ihre oder meine Größe. Helles Haar, glattes Gesicht.«
»So sehen hundert Leute hier im Tal aus.«
»Wahrscheinlich. Sagt Ihnen diese Beschreibung etwas?«
»Ich fürchte, nein.« Sein Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Seine Augen wurden eng und aufmerksam. »Hat Ihnen Harley Masters vor seinem Tod etwas gegeben oder etwas gesagt?«, fragte er ohne Umschweife.
Garry beherrschte sich und antwortete mit spöttischem Unterton: »Auf diese Frage hab’ ich schon längst gewartet, Benton.«
»Und?« Benton konnte seine Ungeduld nicht mehr zügeln. »So reden Sie doch schon!«
Garry konterte: »Vielleicht erzählen Sie mir zuerst, was hier in Tummit vorgeht. Bill und Janet Masters haben mein Zimmer durchstöbert und anschließend versucht, mich auszuhorchen. Jetzt kommen Sie damit an. Was soll das alles? Hat denn Harley etwas bei sich getragen, was für die Masters oder für Sie so wichtig ist?«
»Das möchte ich von Ihnen wissen, Garry. Und Sie kennen die Antwort auf Ihre Frage!«, sagte Benton mühsam beherrscht.
Dann wurde Bentons Aufmerksamkeit plötzlich abgelenkt. Er blickte zur Halle hinüber, seine Augen leuchteten auf, dann nickte er langsam.
Garry sah einen breitschultrigen, mächtigen Burschen in den Speisesaal treten. Unter seinen Schritten knarrte der Boden. Die ganze Atmosphäre schien sich zu verwandeln - ein eisiger Hauch rührte Garry an.
»Freut mich, dich zu sehen, Eli!«, begrüßte Benton den Neuangekommenen. »Gerade erst hereingekommen?«
Der andere beachtete Garry überhaupt nicht.
»Ja, es ist ein ziemlicher Weg.«
»Garry, das ist Eli Cresset - Ed Garry«, stellte Benton vor.
Die beiden Männer nickten einander zu, Garry hatte Gelegenheit, Cresset genauer zu betrachten. Er war breit in den Schultern und hatte einen mächtigen Brustkasten. Die Lippen unter der flachen Nase waren aufgeworfen, ein Stoppelbart bedeckte die Wangen. Als Garry die Narben auf dem flächigen Gesicht bemerkte, durchzuckte ihn ein Schock. Cressets Oberlippe wies die Narbe eines Messerstichs auf, die linke Augenbraue war halb abrasiert, und auf den Backenknochen hatte er weitere Narben.
Benton erklärte: »Hier in Tummit ist heute Abend einer erschossen worden - Harley Masters, Janets Onkel. Garry war bei ihm, als es passierte.«
Garry hatte den Eindruck, als ob dies für Cresset keine Neuigkeit wäre. Nichts in seinem Mienenspiel änderte sich. Nur die mächtigen Arme und Hände bewegten sich unruhig. In den blassblauen Augen lag eine Andeutung von Brutalität. Garry wusste, was nun kommen musste.
Langsam erhob sich Garry. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt. Benton lächelte ein wenig. Cresset spreizte seine stämmigen Beine, seine Augen wurden dunkel.
»Wissen Sie, was mir komisch vorkommt?«, fragte Garry.
»Was denn?« Cressets Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
»Ich muss Sie schon irgendwo gesehen haben. Oder wenigstens ein Bild von Ihnen.«
Wut und Angst verzerrten Cressets Gesicht. Er wollte sich auf Garry stürzen, doch da rief Benton: »Alles in Ordnung!«
Cresset sprang.
Garry trat einen Schritt zurück und stieß sich an der Tischkante, als er nach dem Colt greifen wollte. Benton stand plötzlich hinter ihm und nahm ihm das Eisen ab, ehe Garry es zu fassen bekam.
Cresset traf ihn mit einem harten Schlag unter dem Auge. Garry fühlte die Wucht des Schlags in allen Muskeln. Er stürzte mitsamt dem Tisch zu Boden.
Cresset warf sich auf ihn, um ihn endgültig zu erledigen.
Achtes Kapitel
Garry raffte sich wieder auf, doch da traf ihn Cressets Stiefelspitze zwischen den kurzen Rippen und warf ihn aufs Gesicht. Er fühlte Cressets Gewicht auf sich ruhen. Der Kerl versuchte, Garrys Hals zu umklammern.
Garry wehrte sich verzweifelt, aber er konnte diese muskulösen Finger nicht abschütteln.
Nach einer halben Ewigkeit gelang es Garry, einen Arm freizubekommen. Er rollte etwas zur Seite und rammte Cresset den Ellbogen gegen die Luftröhre. Cresset stöhnte auf, sein Griff lockerte sich. Garry konnte sich befreien.
Er sprang auf und umrundete den umgefallenen Tisch. Benton hatte sich zurückgezogen und schaute tatenlos zu, wie Cresset erneut angriff.
Der US-Marshal spürte immer noch die Nachwirkung des ersten Schlags. Auch seine Nackenmuskeln waren steif. Er sah das gefährliche, tierisch-wilde Glitzern in Cressets Augen und wusste, was ihn erwartete. In diesen Augen war keine Gnade. Cresset wollte ihn erledigen, und er hatte die Muskeln dazu.
Cresset schlug aus einer Entfernung von zwei Fuß zu. Garry unterlief den Schlag und legte alle seine Kraft in eine schmetternde Rechte zum Kopf seines Gegners. Es gelang ihm nicht, das Muskelpaket damit zu stoppen. Ein zweiter wuchtiger Hieb zischte an Garrys Kopf vorbei.
Dann schlug der Blitz in seiner Mitte ein. Erst nach einer Sekunde wusste Garry, dass es Cressets andere Faust war. Er spürte einen heißen, ziehenden Schmerz, als sei in seinem Inneren ein Feuer ausgebrochen. Der Instinkt riet ihm zum Rückzug. Er tat zwischen den Tischen einige Schritte rückwärts und hörte von der Halle her das Gemurmel mehrerer Stimmen.
Dann stieß er gegen einen Stuhl. Er stolperte, fing sich und schleuderte Cresset den Stuhl entgegen. Cresset sprang vor, packte den Stuhl in der Luft und warf ihn auf Garry zurück. Die Lehne krachte gegen Garrys Schultern und ließ einen neuen, dumpfen Schmerz aufflammen.
Er stoppte seinen Rückzug. Wut durchzuckte ihn wie ein Blitz. Er sah vor sich das verschwommene Gesicht seines Gegners, sprang vor und trommelte mit beiden Fäusten auf diese Zielscheibe los. Aber das Gesicht verschwand nicht. Es blieb vor ihm, und der Ausdruck der Augen wurde noch gemeiner, noch drohender.
In diesem Augenblick wurde Garry klar, dass er einen Faustkampf mit diesem Bullen nicht überstehen konnte. Seine Schläge stoppten ihn zwar, aber es gelang ihm nicht, die übermenschliche Kraft aus diesem Körper herauszutrommeln.
Eine Faust durchbrach die Deckung des Marshals. Eisenharte Knöchel trafen sein Kinn mit einem krachenden Schlag. Sein Kopf fühlte sich an, als wollte er davonfliegen; in seinen Ohren brandete ein lautes Rauschen auf. Sein Blick war plötzlich nicht mehr klar. Warmes Blut lief ihm in die Augen. Er spürte den salzigen Geschmack im Mund. Garry versuchte sich zu bewegen, doch seine Beine waren wie aus Holz.
Cresset sprang ihn mit weit ausgestreckten Armen an. Wenn Garry sich darin verfing, dann war der Kampf vorbei. Cresset konnte ihm das Rückgrat brechen. Garry wusste das, und auch Cresset wusste es. Ein teuflisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Die schaufelgroßen Hände packten die Schultern, glitten an Garry herab, zogen ihn enger in die tödliche Umarmung. Verzweifelt senkte Garry den Kopf. Dreimal, viermal krachte sein Schädel gegen Cressets Kinn.
Zum ersten Mal schwankte Cresset wie ein Betrunkener. Seine Augen blinzelten unsicher, dann siegte der tierische Instinkt. In blinder Wut sprang er Garry wieder an.
Garry warf sich zur Seite, stieß gegen einen Tisch. Seine ausgestreckte Hand fand einen Zuckernapf. Er war schwer. Garrys Finger schlossen sich um den Napf und hoben ihn auf.
Cressets Gesicht war nun ganz nahe. Garry holte aus und schlug seinem Gegner den schweren Napf ins Gesicht. Wieder taumelte Cresset zurück, wieder schwankte er. Der Napf fiel auf den Boden und zerschellte.
Garry unterdrückte die Schmerzen und sprang vor. Cressets Arme sanken nach unten. Garry traf den Gegner zweimal, ohne etwas einstecken zu müssen. Es waren kurze, harte Schläge, hinter denen seine ganze Kraft, sein ganzes Gewicht lag. Cresset fiel zurück, landete auf einem Stuhl und brach damit splitternd zu Boden.
Im Sturz riss er mit seinen ausgestreckten Stiefeln Garry von den Beinen. Er fiel genau neben Cresset, landete noch einen Hieb und rollte sich dann zur Seite.
Sie kamen gleichzeitig wieder auf die Beine. Cresset hatte sich ein wenig erholt und schnaubte vor Mordlust. An ihm war kaum noch etwas Menschliches.
Dann kam er mit wirbelnden Armen heran. Garry trat blitzschnell beiseite, Cresset stürmte an ihm vorbei. Garry fuhr herum und schlug mit dem Stuhl zu. Cresset versuchte, die Gefahr abzuwenden, doch ein Stuhlbein traf Cresset am Mund und hinterließ einen blutenden Riss.
Cresset zog sich bis an die Wand zurück. Und jetzt tastete seine Hand zum ersten Mal nach dem Eisen. Er zog den Colt, aber zum Feuern kam er nicht mehr. Der Stuhl krachte auf sein Handgelenk herab und entwaffnete ihn.
Aber Garry verlor dabei auch den Stuhl. Er griff Cresset wieder mit bloßen Fäusten an, doch der war noch längst nicht erledigt. Mit einem mächtigen Kinnhaken holte er Garry erneut von den Beinen.
Garry landete auf den Schultern, machte eine Rolle und stützte sich auf die Knie. Cressets Stiefelspitze warf ihn zurück. Garry bekam ein Stuhlbein zwischen die Finger, überwand das Schwindelgefühl, sprang auf und stürmte gegen Cresset los. Sein Körper schmerzte, doch er biss die Zähne zusammen und schlug unerbittlich immer wieder mit dem Stuhlbein zu.
Garry wusste selbst kaum, wie es geschah, aber auf einmal glitt Cresset an der Wand herab und blieb zusammengekrümmt am Boden liegen.
Eine Woge von Lärm überflutete den Speisesaal. Schritte polterten heran, Männer stießen gegen Tische.
Garry beachtete sie nicht. Er drehte sich zu Benton um.
»Wollen Sie auch mitspielen?«, fragte er.
Benton stand gelassen da. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten.
»Nein«, antwortete er leise. »Wenigstens nicht jetzt.«
»Eine bessere Gelegenheit dürfte sich nicht mehr bieten!«, sagte Garry hart.
Er hatte den Kampf nicht gesucht. Cresset hatte ihm schwer zugesetzt. Seine Schläge hatten Garry nicht nur geschwächt, sondern auch jedes freundliche Gefühl aus ihm vertrieben. Zurückgeblieben war eine kalte Wut gegen den Mann, der den Kampf herausgefordert hatte.
Benton wandte sich den herandrängenden Leuten zu. Weed Toler tauchte auf und rief mit lauter Stimme nach Ordnung. Aber Benton scheuchte die Menge mit einer Handbewegung hinaus.
»Verschwindet!«, befahl er. »Das hier regle ich!«
»Was ist mit Cresset?«, fragte jemand.
»Lasst ihn, er kommt schon wieder zu sich. Verschwindet!«
Die Männer verzogen sich murrend, nur Toler trat auf Benton zu.
»Das gilt auch für dich, Toler!« schnappte Benton ärgerlich. »Wir sprechen uns später.«
Der Sheriff streifte Benton mit einem überraschten Blick, aber dann fügte er sich und zog sich ebenfalls in die Halle zurück.
»Wenn Sie pfeifen, dann tanzen sie alle, wie? fragte Garry zynisch und baute sich dicht vor Benton auf. »Nun, vor Ihnen steht ein Mann, der nicht nach Ihrer Pfeife tanzen wird. Wenn Sie mich das nächste Mal aus der Stadt jagen wollen, dann versuchen Sie es lieber selbst.«
»Ich werde es mir überlegen, Garry«, antwortete Benton gelassen. Er blickte zu Cresset hinüber. Der bewegte sich und stöhnte ein wenig. Benton grinste.
»Sie verstehen es, sich zu behaupten. Ich hätte nie gedacht, dass einer mit Cresset fertig werden könnte.«
Garry schwieg und machte sich seine Gedanken darüber, warum Benton sich wohl nicht eingemischt hatte.
Claire Benton unterbrach seine Überlegungen. Sie kam von der Halle her, blieb für einen Augenblick neben Cresset stehen und trat dann vor die Männer. Als sie Garry anblickte, funkelte in ihren Augen dieselbe Herausforderung wie bei ihrem ersten Zusammentreffen. Der Anblick des zusammengeschlagenen Mannes schien ihr nicht viel auszumachen.
»Gründliche Arbeit«, bemerkte sie. »Ich dachte mir fast, dass Sie es schaffen müssten.«
Die Worte klangen seltsam in ihrem Mund. Garry wollte schon antworten, da wandte sie sich ab und sagte zu ihrem Bruder: »Du hast dich gründlich verschätzt, wie? Auch für dich gibt’s in Tummit Grenzen.«
Plötzlicher Ärger schüttelte Benton.
»Ich hab’ dir schon einmal gesagt, du sollst verschwinden, Claire!«
»Stimmt, das hast du gesagt.«
Ihre Vitalität, ihr Selbstbewusstsein und ihre furchtlose Sprache regten Benton auf, während Garry ihn eigentlich mit seinen Worten nur beruhigt hatte.
»Verschwinde jetzt, Bill Masters sucht dich«, sagte Benton ärgerlich. »Hast du vergessen, dass du mit ihm ausreiten wolltest?«
»Nein, vergessen hab’ ich das nicht, aber ich hatte Wichtigeres zu tun«, antwortete Claire völlig unbeeindruckt.
Sie warf Garry einen verwirrenden Blick zu, unter dem ihm warm wurde, dann wandte sie sich ab und verließ den Speisesaal.
Cresset bewegte sich und stützte sich unbeholfen hoch. Mit verschleierten Augen schaute er sich um. Erst schien er den Marshal nicht zu erkennen, doch dann wurde sein Blick klarer. Er murmelte einen Fluch.
»Diese Stadt könnte einen Mann wie Sie gebrauchen, Garry«, sagte Benton plötzlich.
»Die Stadt - oder Sie?«
Benton zuckte die Achseln.
»Das kommt auf dasselbe heraus. Was halten Sie von einem Sheriffstern?«
»Und was ist mit Toler?«, fragte Garry vorsichtig.
»Er ist nur der Stellvertreter. Unser Sheriff ist Jeff Lance, aber der liegt schon seit ein paar Monaten im Bett, seit ihn ein Gaul abgeworfen hat.«
Das Spiel wurde immer verwickelter. Garry bemerkte den durchdringenden Blick seines Gegenübers und bemühte sich, seinerseits keine Gefühlsregung erkennen zu lassen.
»Seit Lance außer Dienst ist, geben Sie Toler die Befehle?«
»Nein, ich bin nicht der Sheriff, aber Toler tut, was ich ihm sage. Wir brauchen einen Mann, der seine Fäuste und den Colt gebrauchen kann. Tummit muss wieder ein Gesetz haben.«
»Für wen?«, fragte Garry scharf.
Benton ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das werden Sie schon sehen«, antwortete er.
Garry überlegte rasch. Im Augenblick war er nur daran interessiert, die Entwicklung möglichst rasch in ihr entscheidendes Stadium zu treiben. Die Suppe, die er da kochte, musste richtig heiß werden. Die Auseinandersetzung mit Cresset war ein Schritt in dieser Richtung gewesen. Bentons Angebot wäre ein zweiter Schritt.
»Wenn ich annehme, dann wird meine erste Amtshandlung darin bestehen, dass ich Cresset einloche«, sagte er langsam.
Cresset hatte sich inzwischen aufgerafft und stolperte auf den Ausgang zu. Er hielt inne, als Garry ihn rief. Dann wandte sich Garry mit ausgestreckter Hand an Benton:
»Meinen Colt!«
Sofort wurde es totenstill im Raum. Garry bereitete sich auf einen Überraschungsangriff des blonden Riesen vor, aber der nahm den Colt aus dem Gürtel und gab ihn wortlos zurück.
»Weshalb wollen Sie Cresset einsperren?«, fragte er.
»Ich will ihn aus dem Weg haben.«
»Welche Anklage?«
»Tätlicher Angriff dürfte dafür ausreichen.«
Benton schüttelte den Kopf. Seine Wangen bekamen wieder mehr Farbe.
»Das reicht hier nicht aus. Außerdem brauche ich ihn.«
»Für solche Aufgaben wie heute Nacht, schätze ich.«
Garrys Augen waren hart und feindselig. Er wartete, bis Cresset näher herangekommen war. Dann griff er in die Hemdtasche, holte den Marshalstern heraus und legte ihn neben sich auf den Tisch.
»Ich ändere die Anklage ab«, sagte er mit klingender Stimme. »Sie lautet jetzt auf Mord und Postraub!«
Das Metall glitzerte silbrig im Lampenlicht. Cresset sah den Stern. Sein Gesicht bekam eine graue, ungesunde Farbe. Hastig griff er nach dem Revolver, den er nicht mehr hatte.
Nüchtern und unpersönlich fuhr Garry fort: »Für Sie ist es das Ende der Straße, Redwood! Colt Redwood - oder meinetwegen auch Eli Cresset, wie Sie wollen.«
Er hielt seinen Colt so, dass er sowohl Cresset wie auch Benton damit in Schach halten konnte. Bentons Gesichtsmuskeln spannten sich. Auf diese Überraschung war er nicht vorbereitet gewesen.
»Das verändert vermutlich die Lage«, erklärte Garry.
»Was Sie betrifft, schon«, gab Benton zu. »Ich hatte Sie für einen Prämienjäger angesehen.«
»Falsch geraten.«
»Und von Ihnen falsch eingefädelt«, meinte Benton. »Woher wollen Sie wissen, dass Sie den richtigen Mann haben?«
Garry holte einen vielfach gefalteten und schmutzig gewordenen Steckbrief hervor. Das Foto zeigte Cresset, die Beschreibung passte haargenau auf ihn.
Benton schwieg jetzt. Garry faltete das Papier wieder zusammen und steckte es ein. Dann fasste er Cresset ins Auge und deutete mit dem Revolverlauf zur Halle hin.
»Gehen wir, Redwood!«, befahl er. Dann wandte er sich an Benton: »Sie auch!«
»Stehe ich unter Arrest?«, fragte Benton mit ironischem Lächeln.
»Nein. Ich hab’ Sie nur lieber vor mir als hinter mir.«
Benton hob seine breiten Schultern, dann ging er rasch an Redwood vorbei in die Halle. Redwood und Garry kamen langsamer nach.
In der Halle standen mehrere Männer herum, die den Vorgang gespannt verfolgten. Einer von ihnen sprang auf und lief hinaus, um die Neuigkeit möglichst schnell unters Volk zu bringen.
Draußen auf der Straße warteten noch mehr Leute. Sie bildeten eine geschlossene Mauer des Schweigens und starrten Garry mit feindseligen Blicken an. Er blickte nur geradeaus und führte seinen Gefangenen durch das Spalier. Aber in seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie so einsam gefühlt wie in diesem Augenblick. Ein Mann stand gegen die ganze feindliche Stadt. Von den Saloons und Bars strömten sie herbei. Ihre Blicke waren wie Dolche.
Garry ließ sich nicht behindern. Und niemand versuchte, ihn aufzuhalten. Er war trotzdem froh, als er vor sich das Gebäude mit der Aufschrift Gefängnis sah.
Aus dem einzigen Fenster fiel ein gelber Lichtstrahl auf die Straße. Die Tür stand einen Spalt breit offen. Garry stieß sie mit dem Fuß auf und ließ seinen Gefangenen eintreten.
Weed Toler saß in seinem Stuhl und hatte die Beine auf den Schreibtisch gelegt. Unzählige Kratzer, die von Sporen stammten, zeigten die Stelle an, wo zahllose Sheriffs ihre müden Beine ausgeruht hatten.
Jetzt erhob sich Toler langsam.
»Ich bringe Ihnen einen Insassen für das Gefängnis«, verkündete Garry.
Tolers Augen wurden schmal, seine Wangenmuskeln verhärteten sich.
»Was, zum Teufel, haben Sie vor?«, fragte er zornig. »Stecken Sie das Schießeisen weg! Wie sieht Cresset denn aus?«
»Er heißt Colt Redwood und wird wegen Mordes und Postraubs gesucht. Unter dieser Anschuldigung habe ich ihn verhaftet«, sagte Garry sachlich.
»Und wer gibt Ihnen das Recht dazu?«, fragte Toler verächtlich.
Garry zeigte ihm seinen Stern. »Genügt das?«
Toler wurde blass. Er leckte sich über die trockenen Lippen. Dann sagte er unsicher: »Lassen Sie ihn lieber laufen, Garry. Sie wissen nicht, was Sie sich da eingehandelt haben.«
»Wissen Sie es denn, Toler?«, fragte Garry rasch.
Wieder erschrak Toler. Garrys Stimme sank um einen ganzen Ton, aber sie klang nun hart wie Stahl: »Wir beide sollten uns einmal in aller Ruhe unterhalten, meine ich!«
Toler zog sich zurück, bis er mit den Schultern an den Eisenstäben der Haftzellen lehnte.
»Los, machen Sie schon! Aufschließen!«
Widerwillig zog Toler einen Schlüsselbund aus der Tasche. Das schwere Gittertor schwang quietschend auf. Redwood trottete hinein in den staubigen, schmalen Gang, der die beiden Hälften des Zellenblocks trennte. Auf jeder Seite waren zwei Einzelzellen. Redwood betrat von sich aus die erste Zelle. Toler warf die Tür zu. Das Schloss schnappte ein.
Die ganze Zeit über hatte der Bandit kein Wort gesprochen, aber jetzt umklammerte er zwei Gitterstäbe und wandte Garry sein geschwollenes Gesicht zu.
»Was glauben Sie denn, wie lang Sie mich hier drinnen behalten werden, Sternträger?«, fragte er feindselig.
Garry beachtete ihn nicht. Er wandte sich an Toler: »Sie sorgen dafür, dass er da drinnen bleibt, bis ich ihn mit nach Hobart nehmen kann!«
Er wartete nicht auf die Antwort, sondern ging auf den Ausgang zu. Hinter sich hörte er das heisere Geschrei des Banditen:
»Ich komm’ hier raus, Sternträger! Und dann werde ich dich jagen und umbringen!«
»Sollten Sie da jemals rauskommen, Redwood, dann werden Sie nicht lange nach mir suchen müssen«, antwortete Garry gelassen. »Aber an Ihrer Stelle würde ich den Bogen nicht überspannen. Sie haben in letzter Zeit sehr wenig Glück damit gehabt.«
Neuntes Kapitel
Etwa ein Dutzend Neugierige lungerte noch vor dem Gefängnis herum, als Garry auf die Straße trat. Er wartete auf dem Fußweg, bis Toler die Außentür abgeschlossen hatte. Wortlos ging der Sheriff davon.
Garry blickte ihm nach, während er sich eine Zigarette drehte. Dann rauchte er in aller Ruhe, bis die Männer, einer nach dem anderen, weggingen.
Aus dem Mietstall kamen zwei Reiter näher. Garry blickte auf und erkannte in dem vorderen Reiter Claire Benton. Sie lächelte ihn an.
»Haben Sie Ihren Gefangenen sicher verwahrt?«, fragte sie.
Garry nickte lächelnd und beobachtete aus den Augenwinkeln Joel Benton, der nun ebenfalls anhielt.
»Wir haben keine Zeit«, sagte er zu Claire, ohne Garry zu beachten. Sie schien ihn nicht zu hören, sondern schaute hinauf zum sternenübersäten Nachthimmel.
»Eine hübsche Nacht zum Ausreiten, Ed«, sagte sie lockend.
»Ich hab’ hier leider noch verschiedenes zu erledigen«, antwortete Garry bedauernd. »Aber vielleicht nehme ich Sie ein andermal beim Wort.«
Als er das sagte, kamen zwei andere Reiter heran: Janet und Bill Masters. Bill machte ein so finsteres Gesicht, dass Garry annehmen musste, er hätte seine Unterhaltung mit Claire gehört.
Die Eifersucht war Bill deutlich aus dem Gesicht abzulesen. Er grüßte Claire nur mit einem kurzen Nicken.
Claire lächelte freundlich.
»Tut mir leid, dass ich keine Zeit hatte, Bill - aber morgen vielleicht«, sagte sie und wandte sich an Janet: »Hallo, Janet!«
Janet murmelte ein eisiges »Hallo!« Dann streifte sie Garry mit einem kurzen Blick voll stiller Wut, gab ihrem Pferd die Sporen und jagte die Straße hinunter. Bill folgte ihr nach kurzem Zögern.
»Komm jetzt, Claire!«, sagte Benton ungeduldig über die Schulter weg. Doch dann wandte er sich mit einem schwer zu deutenden Blick an Garry: »Viel Glück, Marshal! Sie werden es brauchen können.«
Damit ritten die beiden weg.
Garry zog noch einmal an seiner Zigarette und warf dann das Ende auf die Straße. Langsam schlenderte er zum Mietstall hinüber. Er betrat die Einfahrt und klopfte an. Der Besitzer erklärte ihm den Weg zum Haus des Sheriffs.
Garry mietete sich ein Pferd und ritt etwa eine halbe Meile weit die Wagenstraße entlang. An der ersten Gabelung bog er nach links ab, ritt einen sanft ansteigenden Hügel hinauf und stand vor einem hübschen Fachwerkhaus, das unter großen Maulbeerbäumen versteckt war. Er stieg ab, band das Pferd an und ging durch den kleinen Vorgarten auf die Haustür zu.
Er klopfte. Eine ältere, grauhaarige Frau mit verarbeiteten Händen öffnete ihm.
»Ist der Sheriff drinnen?«, fragte Garry höflich, indem er den Hut abnahm.
Die Frau betrachtete ihn misstrauisch.
»Ja, das schon«, murmelte sie.
»Ich bin Ed Garry, Ma’am. Ich muss den Sheriff geschäftlich sprechen.« Er zeigte ihr den Marshal-Stern.
»Oh - das ist natürlich etwas anderes«, sagte sie rasch und herzlich. »Ich bin Mrs. Lance. Wissen Sie, wir müssen vorsichtig sein. In der Stadt haben wir nicht nur Freunde. - Treten Sie ein!«
Sie führte ihn durch einen Vorraum und durch das Wohnzimmer in ein Schlafzimmer. Im Bett lag ein älterer, magerer Mann; Mrs. Lance lächelte ihn an.
»Jeff, Mr. Garry möchte dich besuchen.«
Der alte Sheriff richtete sich mühsam auf, während seine Frau ihm die Kissen zurechtschüttelte. Dann zog sie sich zurück und ließ die beiden Männer allein.
»Hallo, Lance!« grüßte Garry und legte seinen Hut ab.
»Ich hab’ Sie schon erwartet«, sagte der alte Sheriff und streckte Garry seine magere, knochige Hand entgegen.
Garry nahm die Hand und wunderte sich über die Kraft, die noch unter der lederartigen Haut steckte. Trotzdem wirkte der Mann müde und verbraucht. Seine Augen hatten keinen Glanz mehr. Die hohlen Wangen zierte ein stacheliger, grauer Schnurrbart.
»Neuigkeiten breiten sich hier rasch aus, wie?«, fragte Garry.
Lance nickte.
»Ich bin so erledigt, dass ich nicht einmal aus dem Bett kann«, sagte der Sheriff bitter. »Aber ich habe Freunde, die mich über die Vorgänge in der Stadt unterrichten.« Er unterzog Garry einer eingehenden Musterung und fügte hinzu: »Sie sind einer von Syl Darwins Männern, wie?«
»Stimmt. Sieht man das?«
»Ich schon. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich oft mit ihm geritten bin. Ich kenne ihn gut und weiß, welche Sorte Männer er sich aussucht. Hart und zäh, vielleicht ein bisschen rücksichtlos, fair und geradeheraus, dazu furchtlos. Dass Sie Cresset erledigt haben, beweist Ihre Zugehörigkeit zu dieser Sorte.«
»Das wissen Sie auch schon?«, fragte Garry überrascht.
»Klar. Doc Vinson hat beobachtet, wie sie ihn zum Gefängnis brachten. Er war vor ein paar Minuten hier und hat mir alles berichtet. - Mann, das hätte ich zu gern miterlebt!«
Garry überhörte das versteckte Kompliment und kam gleich zur Sache.
»Etwas wissen Sie vielleicht noch nicht: Cressets richtiger Name ist Colt Redwood. Gegen ihn läuft eine Anklage wegen Mordes und Postraubes.«
»Nein, das wusste ich nicht«, gab Lance zu. »In meinen Augen war er zwar ein Bandit, aber ich hab’ ihn immer für einen Spion der Bande aus den Shadow Hills gehalten. Leider konnte ich ihm nie etwas nachweisen. - Das war also Ihr erster Zug hier!«
»Ja, die Suche nach ihm ist mein offizieller Grund für den Aufenthalt in Tummit. Mein zweiter Grund heißt Jed Northey. Sagt Ihnen der Name etwas?« Er gab dem Sheriff eine kurze Beschreibung.
Lance schüttelte bedauernd den Kopf.
»Die Beschreibung passt auf mindestens zehn Leute hier in Tummit. Damit kann man nicht viel anfangen. Den Namen hab’ ich noch nie gehört.«
»Das hab’ ich mir fast gedacht. Darwin meint, Redwood und Northey arbeiten immer gemeinsam. Wenn Redwood hier ist, kann Northey nicht weit sein.«
»Da können Sie lange suchen!«
»Schön, dann werde ich eben suchen!«
»Werden Sie dafür genug Zeit haben?« Auf der hohen Stirn des Sheriffs bildeten sich besorgte Falten.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß nicht, ob es klug war, gleich offen hinzutreten und zu verkünden, dass Sie den Stern tragen. Sie haben jetzt keinen einzigen Freund in der Stadt.«
»Ich hatte auch vorher keinen«, konterte Garry trocken.
»Stimmt. Aber man war sich über Sie nicht im Klaren. Man wusste nicht recht, wie man Sie einzustufen hatte. Jetzt weiß man es - und wird gegen Sie sein. Man wird sich fragen, welche Partei Sie ergreifen.«
»Ich werde keinerlei Partei ergreifen«, erklärte Garry.
»Das wird nicht einfach sein. Sie haben da einen ziemlich dicken Brocken angegangen.«
Die Warnung rührte Garry nicht.
»Ihr Stellvertreter hat mir das auch schon gesagt. Es ändert meinen Standpunkt nicht.«
»Hm, glauben Sie, Garry, Sie können diesen Cresset im Gefängnis halten?«, fragte Lance.
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Sie erwarten, dass er ausbrechen wird?«
Garry überlegte seine Antwort und sagte dann:
»Zuerst wollte ich ihn auf Nummer Sicher wissen. Aber seitdem hab’ ich meinen Plan geändert. Ich will ihn als Köder benutzen.«
»Für wen?«
»Das weiß ich auch noch nicht genau«, gab Garry zu. »Aber ich möchte gern sehen, wer nach dem Köder schnappen wird. Ich hab’ so eine Ahnung, dass dieser Cresset-Redwood etwas mit all den anderen Dingen zu tun hat - Viehdiebstähle, Morde...«
»Gibt es dafür Beweise?«
»Nein. Bisher ist das alles reine Vermutung.« Er berichtete dem Sheriff seine Unterhaltung mit Benton. »Auch Benton steckt irgendwie mit drin. Deshalb bin ich gespannt, ob Cresset im Gefängnis bleiben wird - und wenn nicht, wer ihn herausholt. Haben Sie eine Ahnung, wer hinter den Viehdiebstählen stecken könnte?«
»Ich tippe auf Redwood. Jedenfalls ist es die Bande aus den Shadow Hills. Einen Beweis hab’ ich allerdings nie gefunden. Er hat oben in den Bergen eine kleine Ranch, und wenn ich dort aufkreuzte, dann fand ich immer nur eine Herde mit Cressets eingetragenem Brandzeichen - das Schräge C. Keine Spur von gestohlenen Rindern.«
»Also haben sie alles gut organisiert! Sie bringen die gestohlenen Rinder schnell über die Berge. Irgendwelche Spuren?«
»Dort oben ist nur felsiger Boden. Man kann meilenweit keine Spur erkennen. Aber die gestohlenen Tiere müssen an der Ranch vorbei, einen anderen Weg gibt’s nicht.«
Garry hatte bis jetzt neben dem Bett gestanden. Er ließ sich auf einem hochlehnigen Stuhl nieder und fragte:
»Haben eigentlich alle Ranches im Tal Verluste erlitten?«
»Fast alle, aber die Masters hat’s am schwersten erwischt. - Da fällt mir übrigens ein: Sie sind angeblich schon in die Sache hineingestolpert, noch bevor Sie richtig in Tummit waren. Wollen Sie mir das erzählen? Oder geht’s mich nichts an?«
»Ich sehe keinen Grund, warum Sie es nicht erfahren sollten«, antwortete Garry. »Vielleicht gelingt es Ihnen, einen Sinn in die Sache zu bringen.«
Ed Garry berichtete genau, was sich zugetragen hatte, seit der verletzte Harley Masters in Rincon auf den Zug gesprungen war. Dann schloss er mit der Frage:
»Welche Rolle spielt eigentlich Leo Hanald? Nach dem Mord hatte er eine ernste Auseinandersetzung mit den beiden Masters. Zwischen den beiden Ranches scheint es viel böses Blut zu geben.«
Lance nickte nachdenklich und berichtete:
»Das hat vor einer ganzen Reihe von Jahren schon angefangen. Hanald war der erste Rancher im Tal. Später kam der alte Salty Masters, Janets Vater. Er warb eine starke Mannschaft an und weitete seinen Besitz rasch aus. Dabei verjagte er Hanald von einem guten Weidestück. Es gab einen Zusammenstoß. Der alte Masters bekam eine Kugel in die Schulter, und Hanald verlor seinen Vormann. Das war vor etwa sechs Monaten. Seitdem gibt es eine Art von vorübergehendem Waffenstillstand, aber zwischen den beiden Ranchern schwelt der Hass weiter. Vor drei Wochen hat Hanald versucht, ein Stück von seinem alten Weideland zurückzuerobern - an der Stelle, wo der Jordan und der Alamo zusammenfließen. Er und seine Mannschaft wurden geschlagen. Die Cowboys von der M-Ranch jagten seine dreihundert Rinder in die Berge. Hanald sucht immer noch nach verirrten Rindern.
Er hat gedroht, sich das Land wiederzuholen - dann aber für immer.«
Garry fuhr sich mit der Hand durch die widerspenstigen schwarzen Haare und knurrte.
»Wenn die Rancher sich gegenseitig bekämpfen, dann haben die Viehdiebe natürlich leichtes Spiel!«
»Genauso ist es«, gab Lance düster zu.
»Bill Masters hat angedeutet, dass Hanald den alten Masters hinterrücks erschossen haben könnte. Was halten Sie davon?«
Der Sheriff überlegte wieder genau, ehe er antwortete.
»Wir fanden Salty Masters auf dem Weg zwischen Tummit und seiner Ranch. Er hatte eine Kugel im Rücken. Ich hatte Hanald auch im Verdacht, aber es passt einfach nicht zu ihm, jemandem eine Kugel in den Rücken zu jagen.«
»Wer könnte es sonst getan haben?«
»Das möchte ich auch gern wissen!«
»Zwei Morde«, murmelte Garry nachdenklich. »Beide Männer bekamen eine Kugel in den Rücken. Beide hießen Masters. Es könnte sich um denselben Mörder handeln.«
»Sie haben recht, Garry! Gehen Sie mal dort an den Schreibsekretär. In der oberen rechten Schublade finden Sie etwas, was Sie interessieren dürfte.«
Gary öffnete die Schublade. In der vorderen Ecke fand er zwei gebrauchte Gewehrkugeln.
»Das sind normale .30er-Geschosse!«
»Stimmt. Auf dem einen Geschoss hab’ ich ein S eingeritzt. Das ist die Kugel, die ich aus Salty Masters herausgeholt habe. Die andere hat Harley Masters getötet. Bei solchen Vergleichen kann man zwar nie ganz sicher sein, aber wenn Sie mich fragen: Beide Kugeln stammen aus derselben Büchse!«
»Wahrscheinlich gibt’s im Tal keinen Cowboy, der nicht eine Winchester in seinem Scabbard stecken hat«, sagte Garry bitter.
»Eben drum - die Kugeln helfen uns auch nicht weiter.«
Garry zeigte dem alten Sheriff den Stiefelabsatz, den er vor dem Fenster des Saloons gefunden hatte. Er
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Authors/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Norbert Wölfl, Hans-Ulrich Nichau und Christian Dörge.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 25.03.2020
ISBN: 978-3-7487-3317-1
Alle Rechte vorbehalten