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Leseprobe

 

 

 

 

Robert S. Gordon

 

 

Cover-Girls sterben einsam

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 52

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

COVER-GIRLS STERBEN EINSAM 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

Der Mann hatte ein hartes Gesicht, eine kleine Narbe auf der rechten Augenbraue, wie sie manchmal bei Boxern als Berufsabzeichen vorkommt, kalte Augen und ein hervorspringendes Kinn, auf der Lippe eine kaum verheilte Platzwunde.

Er trug ein sauberes Hemd, eine gepunktete Krawatte und einen großkarierten Anzug. Seine schwarzen Schuhe waren blank geputzt.

Der Mann starrte auf Cooper und überlegte. Hier war die Gelegenheit, den Schnüffler auszuschalten, und zwar für immer. Aber davon hatte sein Auftraggeber nichts gesagt. Er ging zum Tisch und überlegte, ob er ihn anrufen sollte. Doch dann unterließ er es schließlich. Er trat Cooper noch mal mit voller Wucht in die Seite und ging dann zur Tür, die er vorsichtig öffnete.

 

Mit Cover-Girls sterben einsam von Robert S. Gordon veröffentlicht der Apex-Verlag den ersten spannungsgeladenen Roman um den Privatdetektiv James Fenimore Cooper, einen geradezu klassischen Crime-Noir-(Anti-)Helden. 

   COVER-GIRLS STERBEN EINSAM

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Die erste Ladung ging vorn in den Wagen. Die Haube wurde nach oben gerissen, der Kühler und einige Schläuche gingen in Fetzen, Wasser und Öl flossen auf die Straße. Cooper hechtete aus dem Wagen heraus, überschlug sich mehrmals und landete im Straßengraben, den Kopf fest auf den Boden gepresst. Der Kerl schießt mit Schrot, mit dem man Zement zertrümmern konnte, dachte Jim Cooper. Der nächste Schuss setzte das Auto in Flammen. Jim robbte weiter, denn im Straßengraben wurde es immer heißer.

Vorsichtig hob er den Kopf, dann sah er ihn.

Der Bursche stand hinter einem dicken Baum, hielt das Schrotgewehr an der Hüfte und mit der anderen Hand das Mädchen fest. Er hätte es nicht festzuhalten brauchen, es war im Moment starr vor Angst.

Jim überlegte; wie waren seine Chancen? Verdammt schlecht, sagte er sich. Der Kerl hatte das Gewehr und das Mädchen, und seine eigene Pistole hing zu Hause im Schrank. Hinter ihm explodierte der Tank seines Chevys. Einige Autoteile flogen durch die Luft. Der Mann drückte das Mädchen an den Baum und duckte sich. Das war der richtige Augenblick. Jim richtete sich auf und sprang vorwärts. Das Mädchen sah ihn und trat dem Mann mit voller Wucht in den Magen. Der brüllte vor Schmerz auf, und Jim konnte an ihn herankommen. Der Bursche war einen Kopf größer, aber Jim versuchte erst gar nicht, den Dingen eine sportliche Note zu geben. Er trat gleich noch einmal gegen die bewusste Stelle.

Vorsichtshalber riss Jim ihn an den Haaren wieder hoch und trieb ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Unter seinen Knöcheln platzte die Lippe des Mannes auf, und er spuckte zwei Zähne aus. Er versuchte aufzustehen, klappte aber gleich wieder zusammen. Er weinte vor Wut.

Sie hatte sich schnell wieder gefasst. »Was jetzt?«, fragte sie.

Sie war jung, hübsch, verschreckt und hatte kupferfarbene Haare und grüne Augen.

Sie trug ein so kurzes Kleid, zwei Zentimeter über den Popo, dass Jim versucht war zu fragen, ob sie für das Hemdchen keinen Rock hatte.

»Wir müssen hier schnellstens weg, bevor man da unten in den Häusern die Polizei verständigt. Wenn es nicht längst geschehen ist.«

Sie nickte sofort, dann sah sie ihn forschend an.

»Wer sind Sie eigentlich?«

»Cooper, James F. Cooper. Ihre Schwester glaubte, Sie wären in Schwierigkeiten, und deswegen sollte ich auf Sie aufpassen, was mir verdammt schlecht gelungen ist.«

»Wieso? Sie kamen doch noch zur rechten Zeit.«

Anscheinend erfolgte jetzt die Reaktion auf die ganzen Aufregungen der letzten Stunden, denn sie schloss die Augen und lehnte sich an den Baum. Jim wollte sich am Kopf kratzen, aber dazu kam er nicht mehr. Etwas explodierte auf seinem Schädel, und er stürzte vornüber in die Finsternis.

Er konnte aber nur Sekunden bewusstlos gewesen sein, denn als er die Augen öffnete, sah er gerade noch, wie der Bursche hinkend, aber so schnell er nur konnte, die letzten Meter bis zu dem alten Oldsmobil zurücklegte, sich hinter das Lenkrad schwang und den Zündschlüssel herumdrehte. Sekunden später war an der Stelle, wo der Oldsmobil gestanden hatte, nur noch eine Staubwolke.

Jim stöhnte. Anscheinend wurde er alt, oder der Bursche war viel zäher, als er angenommen hatte.

May Wood kniete neben ihm und hatte seinen Kopf in ihrem Schoß.

»Ich glaube, ich sollte mal einen Berufswechsel erwägen. Womit hat er zugeschlagen?«

»Mit dem Gewehrkolben.«

Er versuchte zu nicken, was ihn beinahe wieder in Ohnmacht fallen ließ. May streichelte seinen Kopf.

»Warum hat er nicht geschossen?«

May ließ vorsichtig seinen Kopf zu Boden gleiten und stand auf. Sie ging zu dem am Boden liegenden Schrotgewehr und hob es auf.

»Anscheinend hätte er laden müssen, und das dauerte ihm wohl zu lange.«

Jim hielt sich am Baum fest und erhob sich.

»Also nichts wie weg von hier, lassen Sie das Gewehr liegen! Wir müssen es per Anhalter versuchen, und mit der Donnerbüchse im Arm würde es uns schwerfallen.«

May musste ihn stützen, sonst wäre er gefallen. Er fragte nichts, und sie sagte nichts, bis sie nach anderthalb Meilen auf den Highway nach Santa Monica stießen. Erst da machte sie den Mund auf.

»Warum sind wir nicht auf der anderen Straße geblieben?«

»Weil dort jeden Moment die Polizei aufkreuzen konnte. Die habe ich morgen früh sowieso auf dem Hals.«

»Was werden Sie ihnen erzählen?«

Jim sah sie von der Seite an.

»Weiß ich denn was? Es sei denn, Sie können mir einiges erzählen?«

Cooper winkte, aber ein großer Wagen brauste vorbei. In wenigen Minuten konnte es ein Gewitter geben, denn von fern hörte man schon den Donner.

»Sie haben mir das Leben gerettet, Mr. Cooper, und ich will Ihnen gern erzählen, was ich weiß, nur ist es auch nicht sehr viel.«

Wieder fuhr ein Wagen, trotz Jims Stop-Geste, vorbei.

»Wie wär’s, wenn Sie damit anfangen?«

Der nächste Wagen hielt ebenfalls nicht.

»Lassen Sie mich mal«, sagte May, »ich werde heute Nacht bei Ihnen bleiben. Es ist das Wenigste, was ich für Sie tun kann.«

»Wie meinen Sie das?«

Gleich der erste Wagen, den sie zu stoppen versuchte, bremste und hielt zwanzig Meter danach an. Er kam sogar rückwärts bis zu ihnen gefahren.

»Ich gehöre noch zu den Mädchen, die dankbar sein können. Außerdem gefallen Sie mir.«

Na, Hemmungen hat sie wenigstens nicht, dachte Jim.

»Sie sind zu jung für mich, May.«

Sie gingen die paar Schritte bis zu dem Auto. Wenn der Fahrer über Jims Anwesenheit enttäuscht war, so ließ er es sich nicht merken.

»Ich kann Sie bis zum Douglas Mac Arthur Park mitnehmen, ich wohne dort in der Nähe.«

Jim nickte und dann, nachdem sich May gesetzt hatte, kletterte auch er in den Wagen. Der Fahrer lachte sie noch mal an und brauste dann los.

»Ich bin achtzehn«, flüsterte May Jim zu.

»Na eben, zu jung für mich Sie können bei mir noch einen Kaffee trinken, dann besorge ich Ihnen ein Taxi.«

Sie zuckte nur die Achseln. In dem Moment begann es zu regnen.

 

James F. Cooper hatte Kaffee gekocht, und nun brachte er May Wood eine Tasse. Sie saß auf der Couch und hatte die Beine hochgezogen, dadurch wurde das Kleid zu einem winzigen Etwas.

»Ich schwöre Ihnen, Jim, ich weiß nicht, was mit dem Kerl los war. Er beobachtete mich seit einer Woche, aber er versuchte nicht, mich anzusprechen. Ich sagte es Sylvia und sie meinte, ich sollte mich nicht aufregen.«

Jim hatte seinen Kaffee schon ausgetrunken. Ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können, dachte er.

»Ihre Schwester rief mich an und bat mich, ein bisschen auf Sie aufzupassen. Das war gestern.«

May sah ihn erstaunt an.

»Sie haben mich beobachtet? Alle Achtung, ich habe nichts davon gemerkt.«

»Sie nicht, aber anscheinend der verrückte Knabe. Sonst wäre es heute vielleicht nicht zu dieser Entführung gekommen. Ich hatte die ganze Geschichte für ziemlich harmlos gehalten, bis es dann knallte.«

»Ich weiß überhaupt nicht, was ich von alledem denken soll.«

»Wahrscheinlich hatte sich der Bursche vorgenommen, Sie zu entführen, um Ihrer Schwester das Bankkonto zu erleichtern. Dann bemerkte er, dass er verfolgt wurde und drehte durch.«

»Er hätte uns beide getötet!«

Jim nickte.

»Es wäre kaum etwas anderes für ihn übriggeblieben.«

May lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen.

»Müssten wir es nicht der Polizei melden?«

»Ihre Schwester hat mich engagiert, damit, falls etwas passiert, nichts davon in die Zeitungen kommt. Also gibt es keine Polizei, wenigstens nicht für Sie.«

Sie setzte sich ganz gesittet hin und versuchte sogar den Minirock etwas nach unten zu ziehen.

»Sie werden Ihr Auto finden.«

»Ja, wahrscheinlich haben sie es schon gefunden und versuchen jetzt die Nummer und den Besitzer herauszubekommen. Es wird ’ne Weile dauern, denn viel ist von dem Wagen sicher nicht übriggeblieben.«

»Wann, schätzen Sie?«

»In sieben bis acht Stunden spätestens.«

Sie lächelte, dann fuhr ihre Zungenspitze ganz schnell über ihre Lippen.

»Okay, wir haben acht Stunden Zeit.«

Jim stand auf.

»Ich werde Ihnen ein Taxi besorgen. Wieso wohnen Sie eigentlich nicht bei Ihrer Schwester?«

»Vergessen wir das Taxi«, sagte May, »und Sylvia brauchte ihre Ruhe. Sie bezahlt mein Apartment.«

May stand auf und blieb ganz dicht vor Jim stehen.

»Hören Sie, May. Ich wette, es gibt ein paar hunderttausend netter junger Männer, die zu Ihnen passen.«

»Hören Sie, warum wetten Sie nicht mein Kleid gegen Ihre Stiefel? Ich hätte es sofort ausgezogen, Sie hätten nämlich gewonnen.«

»Es wird Zeit für Sie, ins Bett zu gehen!«

Sie lächelte.

»Ich dachte schon, Sie würden überhaupt nicht damit anfangen.«

Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie das Minikleid ausgezogen. Darunter trug sie nur einen durchsichtigen BH und einen ebensolchen Slip. Jim wollte sich räuspern, aber es wurde nur ein Krächzen.

»Also gut, Sie können hier auf der Couch schlafen«, sagte er, »aber Sie müssen weg sein, bevor die Polizei kommt.«

May schüttelte den Kopf.

»Du lieber Himmel, reden Sie eigentlich immer wie ein Spießer?«

Sie legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Vorsichtig befreite er sich von ihr.

»Sie sind um vierundzwanzig Jahre zu spät dran!«

Sie küsste ihn wieder, dann lächelte sie ihn an.

»Oh, Jim, ich finde, das ist dein Problem!«

 

 

Als Jim Cooper erwachte, war sie verschwunden. Er streckte sich, stand auf und sah in dem anderen der zwei Räume nach. May war schon gegangen.

Er ging ins Bad und sah sich im Spiegel an.

»He, was ist los mit dir, alter Junge? Sie ist achtzehn!« Er streckte sich die Zunge heraus, dann ging er unter die Dusche.

Jim zog sich an, frühstückte und ging dann in den Nebenraum, der ihm als Büro diente. Vor der Tür lag die Zeitung. Die Schlagzeile ließ ihn stehenbleiben:

 

SYLVIA WOOD GESTORBEN!

 

Er las, was der Reporter zu der ganzen Geschichte geschrieben hatte. Danach hatte Sylvia Wood in der vergangenen Nacht zu viele Schlaftabletten genommen, und als ihre Haushälterin, Lina Allisento, sie entdeckte, kam jede Hilfe zu spät.

Jim ging zurück an seinen Frühstückstisch und setzte sich.

Das Telefon summte. Cooper nahm den Hörer ab.

»Jim, sind Sie am Apparat? Hier spricht Robeira.«

»Hallo, Tony! Welch eifersüchtiger Ehemann trachtet nach Ihrem Leben?«

Die raue Stimme des bekannten Filmschauspielers ließ auf einige Nervosität schließen.

»Jim, ich muss Sie dringend sprechen, es ist wichtig. Können wir zusammen essen? Sagen wir in drei Stunden bei Romanoff, okay?«

»Langsam, Tony! Ich erwarte nämlich ein paar Herren von der Polizei, und die werden mir einige Zeit zusetzen. Aber in drei Stunden müsste es überstanden sein. Also gut, Tony, in drei Stunden bei Romanoff.«

Jim legte auf. Noch einmal las er die erste Seite der Zeitung. Inzwischen würde es May auch schon wissen. Wahrscheinlich hatte man in der vergangenen Nacht schon versucht, sie zu erreichen.

Musste er den Cops denn die Wahrheit sagen? Sie würden sofort May vernehmen, und sie hatte jetzt ganz sicher genug um die Ohren.

Wie aufs Stichwort klingelte es. Jim stand auf und öffnete die Tür. Zwei Beamte standen vor ihm. Er trat zur Seite und ließ sie herein.

»Mr. Cooper?«

Jim nickte.

»James Fenimore Cooper. Um was geht es denn?«

Der zweite Beamte sah ihn irritiert an.

»James Fenimore - kommt mir verdammt bekannt vor.«

Der erste Beamte nahm einen Notizblock in die Hand und schrieb etwas ein, dann sah er Jim an.

»Sie haben einen Wagen, Mr. Cooper?«

Jim nickte nochmals, sagte aber weiter nichts.

»Was für eine Marke?«

Nun fand es Jim an der Zeit zu antworten.

»Ein gelber Chevy, Baujahr 1972. Würden Sie mir vielleicht mal sagen, was das zu bedeuten hat?«

»Wo ist Ihr Wagen, Mr. Cooper?«

Jim zeigte mit dem Daumen zum Fenster.

»Drüben, auf der anderen Straßenseite. Ich war gestern Abend zu faul, ihn noch in die Garage zu fahren.«

Der zweite Beamte trat zum Fenster.

»Wo, Mr. Cooper?«

Jim ging ebenfalls zum Fenster.

»Dort... Eh, einen Moment! Mein Wagen ist weg! Dort, wo jetzt der kleine Lieferwagen steht, hatte ich ihn abgestellt.«

»Das wissen Sie ganz genau?«

Jim drehte sich um.

»He, Jungs, spannt mich nicht auf die Folter. Ihr seid hier, also habt Ihr meinen Wagen schon gefunden. Das nenne ich prompte Arbeit.«

Die beiden verzogen keine Miene.

»Sie haben also Ihren Wagen gestern Abend dort drüben abgestellt. Um welche Zeit genau?«

Jim tat, als ob er überlegte.

»So gegen halb zehn, kann auch etwas früher gewesen sein.«

Die beiden sahen sich an. Der eine steckte das Notizbuch wieder weg.

»Hoffentlich sind Sie gegen Diebstahl versichert. Ihr Wagen ist nämlich hin, Totalschaden, völlig ausgebrannt.«

Der andere Beamte ging zur Tür, blieb dort stehen und musterte Cooper.

»Kann sein, Ihr Wagen wurde zu einem Verbrechen benutzt, er wurde nämlich in Brand geschossen. Wir werden sicher bald Näheres erfahren, dann müssten Sie uns allerdings besuchen.«

Jim schüttelte den Kopf.

»Was es nicht alles gibt. Da wird einem der Wagen gestohlen, und dann macht die Polizei noch Schwierigkeiten. Ich denke, wenn Sie noch etwas von mir wissen wollen, werden Sie schon wiederkommen müssen.«

Beide standen an der Tür.

Der eine tippte sich an die Hutkrempe.

»Wir werden sehen, Mr. Cooper, einstweilen vielen Dank und - Sie werden sich nach einem neuen Auto umsehen müssen.«

Damit gingen sie hinaus.

Jim atmete auf, es war leichter gegangen, als er geglaubt hatte. Aber sicher gab es noch ein Nachspiel.

Pünktlich traf er bei Romanoff ein.

Tony Robeira erwartete ihn schon. Er hatte einen kleinen Tisch in einer Nische bestellt und drückte Jim die Hand. Es gab Filet a là Granville mit Champignons in Kräuterbutter, Pommes Frites und Salatherzen.

Erst nach dem Eisbecher fragte Jim, was Tony für Schmerzen hätte.

»Was sagen Sie zu Sylvia Wood?« beantwortete der Jims Frage mit einer Gegenfrage.

»Tragisch, ich hab’s erst gegen Mittag gelesen.«

Tony sah sich zuerst nach allen Seiten um, dann lehnte er sich über den Tisch.

»Jimmy, ich war kurz vorher noch bei ihr!«

Jim nickte ihm zu.

»Na und? Kannten Sie sich schon lange?«

»Wir lernten uns erst vor vierzehn Tagen kennen. Ich wäre ihr Partner in ihrem nächsten Film geworden.«

Jim zuckte die Schultern.

»Also gut, Tony, Sie kannten Sylvia seit vierzehn Tagen, Sie wären ihr nächster Partner geworden, und Sie waren kurz bevor sie die Tabletten schluckte noch bei ihr. Was soll ich dabei tun?«

»Sie muss die Tabletten zwischen dreiundzwanzig und dreiundzwanzig Uhr dreißig genommen haben. Ich war bis dreiundzwanzig Uhr bei ihr.«

»Okay, aber ich sehe noch immer nicht, was ich bei alledem tun könnte.«

»Jim, ich war kurz vorher noch bei ihr. Wenn es herauskommt, gibt es einen Skandal. Man wird Vermutungen anstellen, man wird mir schließlich die Schuld an ihrem Selbstmord anhängen. Ich weiß nicht, ob mich jemand gesehen hat. Ihre Haushälterin hat mich nicht eingelassen, und sie weiß auch nicht, wann ich gegangen bin. Allerdings...«

»Allerdings?«

»Es begann gerade zu regnen, alles in der Umgebung war dunkel. Nur - direkt an der Ecke Copa de Oro kam ein dunkelgrauer Wagen, dessen Scheinwerfer mich voll anstrahlten. Der Mann muss mich gesehen haben, ich stand direkt im Lichtkegel. Der Wagen hielt dann ein paar Häuser von Sylvias Bungalow.«

Jim lehnte sich zurück.

»Ein dunkelgrauer Wagen - davon gibt es in Los Angeles ungefähr zweitausend, wenn nicht mehr. Hm, er könnte in der Bellagio Road wohnen. Also gut, wenn ich ihn finde, werde ich ihn unter einem Vorwand ausholen. Hoffentlich bringe ich ihn dabei nicht erst auf eine Idee.«

»Ich danke Ihnen, Jim.«

Cooper lächelte.

»Nichts zu danken, ich werde Ihnen eine Rechnung stellen, Tony. Sowie ich etwas erfahre, gebe ich Ihnen Bescheid.«

Sie tranken noch einen Gin-Fizz, gingen zusammen aus dem Lokal, nachdem Robeira bezahlt hatte, und verabschiedeten sich vor der Tür.

Jim Cooper sah Robeira nach, der nur wenige Schritte bis zu seinem Sportwagen ging und dann, nochmals winkend, davonfuhr.

Jim Cooper überlegte, warum Robeira seinen Wagen in der Copa de Oro abgestellt hatte und nicht an Sylvias Haus. Hm, er hatte Angst vor einem Skandal. Aber als er dort parkte, konnte er noch gar nicht wissen, dass Sylvia eine Röhre Schlaftabletten zu viel schlucken würde.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

James Fenimore Cooper sah May erst bei der Beerdigung wieder. Sylvia Woods Leiche wurde auf dem Friedhof der Prominenten im Nordosten Hollywoods, Memorial Park, unweit der belebten Verdugo Road, beigesetzt. Die Brewster Film Corporation hatte es sich allerhand kosten lassen. Es war großartig inszeniert und die Menge, die sich vor dem Friedhof Kopf an Kopf drängte, bekam etwas zu sehen.

Vor der kleinen Kapelle hatte die Polizei einen Sperrgürtel gezogen. Dort kam man nur herein, wenn man eine Einladungskarte vorzeigen konnte, die vom Studio ausgestellt war. Jimmy hatte Robeiras Karte, der sich an diesem Tag nicht wohl fühlte.

Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine Premiere, bei der es garantiert keine Wiederholung gab, ganz sicher nicht mit dem gleichen Star.

Ein paar Stühle von May entfernt saß ein Mann, der seine Tränen kaum zurückhalten konnte.

Ein Mann war neben Jim getreten. Mittelgroß, Anfang der Vierzig, mit kurzen roten Haaren.

»Schlimm, was?«

Jim sah sich den Gentleman näher an, dann nickte er und antwortete im Flüsterton: »Wer ist der Mann im grauen Anzug, der so sehr weint?«

Der Rothaarige putzte sich die Nase.

»Ihr geschiedener Mann, Joe Mulligan.«

»Es scheint ihm sehr nahe zu gehen.«

Der Rothaarige musterte Cooper von der Seite, dann zog er die Luft durch die Nase.

»Kunststück, er lebte ja von ihr. Jetzt wird er wohl wieder arbeiten müssen, es sei denn, sie hinter lässt ihm etwas.«

Nachdem ein Prediger gesprochen hatte, rauschten die Klänge der Orgel auf. Durch den Raum schwebten die bekanntesten Melodien aus den Sylvia-Wood-Filmen. Da sie meist heiterer Art waren, passten sie nur sehr wenig zu der ganzen Atmosphäre. Das Orgelspiel dauerte sehr lange, aber alle taten so, als würden sie aufmerksam zuhören. Wenigstens waren sie soweit bei der Sache, dass keiner am Schluss zu applaudieren begann.

Dann sprach Teddy Chloster, danach wurde der Sargdeckel zugeschraubt. Schade um die schöne Leiche... Lina Allisentos Schluchzen wurde lauter. Nur May Wood hatte sich nach wie vor gut in der Gewalt.

Während man im hellen Sonnenschein unter den Blitzen unzähliger Fotografen zum Grab schritt, nahm der Rothaarige Jim zur Seite.

»Hier ist nicht mehr viel los. Nehmen wir noch einen zur Brust?«

Jim nickte ihm zu.

»Wie wollen wir hier herauskommen?«

»Ich weiß einen Hinterausgang.«

Der Rothaarige führte ihn um die Kapelle herum, an einem Polizeikordon vorbei, durch eine kleine Menge, die allerdings auf der anderen Seite auf völlig aussichtslosem Posten ausharrte, dann standen sie auf der Straße.

Jim wischte sich mit seinem Taschentuch über die Stirn.

»Verdammt heiß.«

Der Rothaarige führte ihn über die Straße, um eine Ecke herum zu einem kleinen Lokal.

»Hier kann man sogar schon um diese Zeit etwas Hochprozentiges bekommen, außerdem ist es gut gekühlt. Wieso kommen Sie ausgerechnet zu Sylvia Woods Beerdigung, Mr. Cooper?«

Jim sah den Mann erstaunt an.

»Setzen wir uns dahinten in die Ecke... Woher kennen Sie mich?«

»Ich bin Fred Dewitt, und wenn Sie im Kino nicht beim Vorspann die Augen schließen, müssten Sie mich auch kennen. Ich war Sylvias Autor, ich schrieb ihr die Rollen sozusagen auf den Alabaster leib. Sie kenne ich seit dem Porter-Fall.«

Dewitt bestellte zwei Whiskys. Die kamen sogleich, und beide tranken sie das Zeug auf einen Zug aus.

Jim stellte das Glas ab.

»Sie waren mit ihr befreundet?«

Dewitt nickte vor sich hin.

»Ja, so kann man es nennen. Ich habe sie geliebt, wie man nur einmal im Leben lieben kann, alles andere ist dann nur stets eine billige Reproduktion. Damals, als sie zum Film kam, war sie wirklich das süßeste Geschöpf der Welt. Natürlich hatte sie schon allerhand hinter sich, zuerst Fotomodell, dann Covergirl. Aber ihre ganze Art war so unschuldig, durch und durch naiv, wenigstens, was das Filmgeschäft betraf. Na ja, man musste sie einfach gern haben.«

Dewitt bestellte noch mal, und Jim merkte, dass er sich die ganze Sylvia-Geschichte von der Seele reden wollte. Wahrscheinlich war es die ehrlichste Art, um sie zu trauern.

»Sie muss viel Geld hinter lassen.«

»Ja, Geld und Grundstücke. In den letzten Jahren war sie schwierig geworden. Sehr klug war sie nie, verstehen Sie, Jim. Sie war nicht besser als die meisten anderen unserer weiblichen Stars. Sie haben meistens einen Busen aus Granit, aber ein Gehirn wie ein Schweizer Käse. Ist übrigens nicht von mir, sondern von Billy Wilder. Trinken wir noch einen?«

Diesmal bestellte Jim.

»Ich hatte mal wegen einer Ermittlung mit ihr zu tun. Das heißt, sie war meine Klientin. Ich nehme an, May wird alles erben?«

Der nächste Whisky war fällig.

»Ja, sicher. Im Grunde genommen war Sylvia ein armes Luder. Weiß der Teufel, mit wie vielen Männern sie geschlafen hat, aber im Grunde genommen... Verstehen Sie, Jim, im Grunde genommen war sie stets allein. Sie hatte verdammt wenig Selbstbewusstsein. Sie tat alles, was Hollywood befahl, von Anfang an. Sagte man ihr, zieh dich aus, dann zog sie sich aus. Sagte man, ziehe dich an, na, dann zog sie sich eben an. Sie hatte eine entsetzliche Angst, etwas falsch zu machen. Verstehen Sie? Irgendwie habe ich immer gedacht, eines Tages würde sie durchdrehen.«

»Meinen Sie, Fred, dass sie eines Tages Hand an sich legen würde?«

Er zuckte die Achseln.

»Mir ist schon ein bisschen wohler. Der ganze Rummel da drüben hat sich mir auf den Magen gelegt.« Er sah einige Zeit auf das leere Glas, hob es dann hoch und drehte es nach allen Seiten, bevor er es wieder hinstellte. »Hm, ich weiß nicht, ob sie die Tabletten bewusst genommen hat. Ebenso kann ich mir nicht vorstellen, dass sie eines Tages als altes Mädchen irgendwo brav in ihrem Himmelbett gestorben wäre.«

Fred Dewitt bestellte nochmals Whisky. Sie tranken ihn aus, dann legte Jim seine Hand über sein Glas.

»Ich glaube, wir sollten Schluss machen, Fred. Mir scheint, Sie haben sie wirklich geliebt.«

Dewitt schloss für einen Moment die Augen.

»Geliebt«, sagte er gedehnt. »Geliebt... Mensch, Cooper, ich war ihr erster Mann, verstehen Sie. Ihr erster Ehemann, wir waren genau einundzwanzig Monate verheiratet.«

 

Kaum war Jim Cooper zu Hause, als die Glocke ertönte. Er ging zur Tür. May stand vor ihm. Sie ging an ihm vorbei, zog die schwarze Kostümjacke aus und warf sie in die Ecke. Dann setzte sie sich auf die Couch.

»Tut mir leid, Kleines«, sagte Jim.

Sie putzte sich umständlich die Nase, dann steckte sie das Taschentuch weg und sah Jim an.

»Ich habe nichts von mir hören lassen, weil alles ziemlich durcheinander ging.«

»Schon gut.«

Er ging in die kleine Küche und kochte Kaffee. Komisch, dachte er, immer wenn dieses Mädchen kommt, muss ich Kaffee kochen.

Sie war aufgestanden und ihm nachgegangen, nun stand sie in der Küchentür.

»Meinst du nicht, zwischen Sylvies Tod und meiner Entführung besteht ein Zusammenhang?«

Er drehte sich zu ihr und hätte sich beinahe mit dem kochenden Wasser verbrüht.

»Nein, glaube ich nicht«, sagte er, »der Bursche wollte dich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Robert S. Gordon/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: H. Guenther und Christian Dörge (OT: Covergirls).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2019
ISBN: 978-3-7487-2181-9

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