EDGAR RICE BURROUGHS
Die Götter des Mars
Zweiter Band des MARS-Zyklus
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
DIE GÖTTER DES MARS
Vorwort
Kapitel 1: Die Pflanzenmenschen
Kapitel 2: Ein Kampf im Wald
Kapitel 3: Die Kammer der Mysterien
Kapitel 4: Thuvia
Kapitel 5: Gefährliche Korridore
Kapitel 6: Die schwarzen Piraten des Barsoom
Kapitel 7: Eine schöne Göttin
Kapitel 8: Die Tiefen des Omean-Meeres
Kapitel 9: Issus, die Göttin des Ewigen Lebens
Kapitel 10: Die Gefängnis-Insel Shador
Kapitel 11: Die Hölle bricht los
Kapitel 12: Dem Tod geweiht
Kapitel 13: Ausbruch in die Freiheit
Kapitel 14: Die Augen in der Dunkelheit
Kapitel 15: Flucht und Verfolgung
Kapitel 16: In Haft
Kapitel 17: Das Todesurteil
Kapitel 18: Solas Geschichte
Kapitel 19: Schwarze Verzweiflung
Kapitel 20: Die Luftschlacht
Kapitel 21: Durch Fluten und Flammen
Kapitel 22: Sieg und Niederlage
Das Buch
Nach einem langen Exil auf der Erde ist John Carter endlich auf seinen geliebten Mars zurückgekehrt, doch die schöne Dejah Thoris, die Frau, die er liebte, ist verschwunden.
Nun war er im legendären Eden des Mars gefangen - einem Eden, dem niemand je lebendig entrann...
Der Roman Die Götter des Mars erschien erstmals im Jahre 1913 (unter dem Titel The Gods Of Mars) als Fortsetzungsgeschichte im The-All-Story-Magazin.
Der Apex-Verlag macht Die Götter des Mars zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren wieder als deutschsprachige Ausgabe verfügbar, neu ins Deutsche übersetzt von Gabriele C. Woiwode.
Der Autor
Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.
Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten - Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.
Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.
Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.
Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.
Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.
Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.
Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.
Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.
In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.
In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.
Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.
Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.
E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“
Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.
DIE GÖTTER DES MARS
Vorwort
Zwölf Jahre waren vergangen, seit ich den Körper meines Großonkels, Captain John Carter aus Virginia, in diesem seltsamen Mausoleum im alten Friedhof von Richmond, vor den Augen der Menschen verborgen hatte.
Oft hatte ich über die merkwürdigen Anweisungen gegrübelt, die er mir zum Bau seiner mächtigen Gruft hinterlassen hatte. Besonders über den Teil, in dem er mich angewiesen hatte, dass er in einem offenem Sarg liegen sollte, und dass die schweren Mechanismen, welche die Riegel der riesigen Pforte zu seiner Grabhöhle kontrollierten, nur von der Innenseite her zu öffnen sein sollten.
Zwölf Jahre war es her, seit ich das erstaunliche Manuskript dieses bemerkenswerten Mannes gelesen hatte. Dieser Mann, der sich an keine Kindheit erinnern konnte, und der nicht einmal eine vage Vorstellung von seinem Alter hatte, der stets jung geblieben war und dennoch den Ur-Großvater meines Großvaters auf seinen Knien geschaukelt hatte. Dieser Mann, der zehn Jahre auf dem Planeten Mars verbracht hatte, der für die grünen Menschen auf dem Barsoom gekämpft hatte – und gegen sie. Dieser Mann, der für und gegen die roten Menschen gekämpft hatte und die schöne Dejah Thoris, Prinzessin von Helium, zu seiner Frau gemacht hatte, und der knapp zehn Jahre lang ein Prinz des Hauses von Tardos Mors, Jeddak von Helium, gewesen ist.
Zwölf Jahre waren vergangen, seit man seinen Körper auf dem Steilufer vor seinem Haus am Hudson gefunden hatte, und viele Male während dieser langen Jahre hatte ich mich gefragt, ob John Carter wirklich tot war – oder ob er nur wieder über die toten Meeresböden jenes sterbenden Planeten streifte. Ob er womöglich auf den Barsoom zurückgekehrt war, um herauszufinden, ob er die finstere Tür der mächtigen Atmosphären-Anlage noch rechtzeitig genug hatte öffnen können, um die unzähligen Millionen Marsianer davor zu bewahren, den Erstickungstod sterben zu müssen - an jenem längst vergangenem Tag, der ihn durch achtundvierzig Millionen Meilen des Alls wieder zurück zur Erde sausen sah. Ich hatte mich gefragt, ob er seine schwarzhaarige Prinzessin und den zierlichen Sohn gefunden hatte, von dem er geträumt hatte, das er in den königlichen Gärten von Tardos Mors bei ihm gewesen wäre, und nun auf seine Rückkehr wartete.
Oder hatte er herausgefunden, dass er zu spät gekommen war und war deshalb nur zu lebenden Toten in einer toten Welt zurückgekehrt? Oder war er am Ende tatsächlich tot und würde nie wieder weder zur Mutter Erde noch zu seinem geliebten Mars zurückkehren?
So verlor ich mich auch an einem schwülen Abend im August in derlei sinnlosen Spekulationen, als der alte Ben, mein persönlicher Diener, mir ein Telegramm brachte.
Ich riss es auf und las:
»TREFFPUNKT MORGEN. HOTEL RALEIGH, RICHMOND. JOHN CARTER.«
Früh am nächsten Morgen nahm ich den ersten Zug nach Richmond und zwei Stunden später wurde ich in einen Raum geführt, in dem wahrhaftig John Carter saß.
Als ich eintrat, stand er auf, um mich zu begrüßen. Sein altes herzliches Willkommen-Lächeln erhellte seine edlen Gesichtszüge. Offensichtlich war er kein bisschen gealtert, sondern immer noch ein großer, wohl proportionierter Mann des Kampfes von dreißig Jahren. Seine wachen grünen Augen waren ungetrübt, und die einzigen Falten in seinem Gesicht waren die Linien eines gefestigten Charakters und der Entschlossenheit, die seit meiner ersten Erinnerung an ihn, vor fast fünfunddreißig Jahren, stets in seinem Gesicht gewesen waren.
»Nun, mein Neffe«, begrüßte er mich, »wie fühlst du dich? So, als würdest du einen Geist sehen, oder als würdest unter den Nachwirkungen zu vieler Mint Juleps in Onkel Bens Bar leiden?«
»Zu viele Mint Juleps, schätze ich«, antwortete ich und lächelte. Denn tatsächlich fühle ich mich wirklich sehr gut.
»Aber vielleicht ist es nur die Tatsache, dass ich dich wiedersehe, die sich so auf mich auswirkt. Bist du auf den Mars zurückgekehrt? Erzähl! Und Dejah Thoris? Hast du sie gesund vorgefunden, und hat sie auf dich gewartet?«
»Ja, ich war wieder auf dem Barsoom, und... Aber das ist eine lange Geschichte. Zu lange, um sie dir in der kurzen Zeit zu erzählen die mir bleibt, bevor ich wieder zurück muss.
Ich habe das Geheimnis gelernt, Neffe! Ich kann jetzt die fährtenlose Weite des Universums nur alleine mit der Kraft meines Willens überwinden und zwischen all den unzähligen Planeten kommen und gehen, wie ich möchte.
Aber mein Herz ist stets auf dem Barsoom und solange es dort ist und meine marsianische Prinzessin darin trägt, bezweifle ich, dass ich die sterbende Welt des Barsoom, die mein Leben ist, jemals wieder verlassen werde.
Ich bin jetzt gekommen, weil meine Zuneigung zu dir mich dazu veranlasst hat. Ich möchte dich noch einmal sehen, bevor du für immer in dieses andere Leben hinübergehst, das ich niemals kennenlernen werde und das ich ebenso unfähig zu verstehen bin wie du. Und das, obwohl ich bereits dreimal gestorben bin, und auch heute Nacht wieder den Tod sterben werde, so wie du ihn kennst.
Selbst die weisen und mysteriösen Thern des Barsoom, diese antike Sekte, denen seit unzähligen Zeiten das Geheimnis von Leben und Tod obliegt, sind trotz ihrer unbezwingbaren Wahrhaftigkeit im Diesseits auf den Abhängen der Berge von Otz, ebenso unwissend wie wir. Ich habe es bewiesen, obwohl ich fast mein Leben dabei verloren hätte. Aber das wirst du alles in den Aufzeichnungen lesen, die ich während der letzten drei Monate seit meiner Rückkehr auf die Erde angefertigt habe.«
Er klopfte auf die dicke Mappe, die neben seinem Ellenbogen auf dem Tisch lag.
»Ich weiß, dass es dich interessiert und, dass du es mir glaubst. Und ich weiß, dass es die Welt ebenfalls interessiert, obwohl sie es viele Jahre lang nicht glauben können wird. Ja, für sehr viele Jahre, denn sie werden es einfach nicht begreifen können. Die Menschen der Erde haben sich noch nicht bis zu dem Punkt entwickelt, an dem sie die Dinge verstehen können, die ich in diesen Aufzeichnungen aufgeschrieben habe.
Gib ihnen, was immer du ihnen daraus geben möchtest, und von dem du glaubst, dass es ihnen nicht schaden wird. Aber fühl dich nicht gekränkt, wenn sie dich auslachen.«
In dieser Nacht lief ich mit ihm hinunter zum Friedhof. Am Eingang zu seiner Gruft drehte er sich um und drückte meine Hand.
»Auf Wiedersehen, Neffe«, sagte er. »Ich werde dich vielleicht nie wieder sehen, denn ich bezweifle, dass ich es jemals fertig bringen werde, meine Frau und meinen Jungen zu verlassen, so lange sie leben. Und die Lebenserwartung auf dem Barsoom beträgt nicht selten mehr als tausend Jahre.«
Dann betrat er die Gruft.
Hinter ihm schwang das große Portal langsam zu, die schweren Angeln knirschten, bis sie einrasteten und das Schloss klickte.
Seitdem habe ich Captain John Carter aus Virginia nie wieder gesehen.
Aber hier ist die Geschichte seiner Rückkehr auf den Mars - genauso wie ich sie mir aus der riesigen Menge seiner Aufzeichnungen zusammengereimt habe, die er für mich auf dem Tisch seines Zimmers im Hotel in Richmond hinterlassen hat.
Ich habe vieles ausgelassen. Vieles habe ich gar nicht gewagt zu erzählen, und dennoch werden Sie die Geschichte seiner zweiten Suche nach Dejah Thoris, der Prinzessin von Helium, sogar noch viel erstaunlicher finden, als die seines ersten Manuskriptes.
Seine erste Geschichte, in der wir dem kämpfenden Mann aus Virginia unter den Monden des Mars über tote Meeresböden gefolgt sind, habe ich erst kürzlich einer ungläubigen Welt übergeben,.
E.R.B.
Kapitel 1: Die Pflanzenmenschen
Wie das graue Band eines toten Flusses floss der edle Hudson still unter mir dahin, als ich in jener klaren, kalten Nacht Anfang März des Jahres 1886 am Steilufer vor meinem Haus stand. Wieder fühlte ich diesen seltsamen, unwiderstehlichen Einfluss des mächtigen Kriegsgottes, meines geliebten Mars. Mit ausgebreiteten Armen hatte ich ihn inständig angefleht, mich zu meiner verlorenen Liebe zurückzubringen.
Seit jener Nacht 1866, als ich vor dieser Höhle in Arizona gestanden hatte, in der mein lebloser Körper in einem Zustand gefesselt war, der dem Tod auf der Erde gleichkommt, hatte ich diese unwiderstehliche Anziehungskraft die vom Gott meines Berufes, dem eines Soldaten ausging, nicht wieder gespürt.
Mit meinen Armen weit nach dem roten Auge des großen Planeten ausgestreckt, stand ich da und flehte um die Rückkehr jener seltsamen Kraft, die mich bereits zwei Mal durch die Unendlichkeit des Alls getragen hatte. Ich flehte, so wie ich schon in tausenden Nächten zuvor gefleht hatte, in diesen langen zehn Jahre in denen ich gewartet und gehofft hatte.
Plötzlich überkam mich eine Welle von Übelkeit; meine Sinne verschwammen, meine Knie gaben unter mir nach, und ich stürzte kopfüber zu Boden, direkt auf den äußersten Rand des hohen Steilufers.
Sofort wurde mein Verstand wieder klar, und das lebhafte Bild der Grauen dieser gruseligen Höhle in Arizona schwappte aus jener längst vergangenen Nacht zurück an die Schwelle meines Bewusstseins.
Meine Muskeln weigerten sich auf meinen Willen zu reagieren, und wieder konnte ich das grauenhafte Stöhnen und Rasseln des furchterregenden Etwas hören, das im Dunkeln der Höhle auf mich lauerte und mich bedrohte – selbst hier an den Ufern des ruhigen Hudson. Ich machte dieselben übermenschlichen Anstrengungen, um die Fesseln dieser seltsamen Lähmung zu durchbrechen, die mich gefangen hielt. Und wieder hörte ich das scharfe Klicken, als würde man einen straff gespannten Stacheldraht lösen - und dann stand ich nackt und frei neben dem starrenden leblosen Ding, das bis noch vor kurzem mit dem warmen roten Lebensblut von John Carter durchpulst wurde.
Mit einem kurzen Blick zurück zum Abschied, wandte ich meine Augen zum Mars, hob meine Hände zu seinen grellen Strahlen und wartete. Ich musste nicht lange warten, denn kaum hatte ich mich umgedreht, als ich mit der Schnelligkeit von Gedanken in die furchtbare Leere vor mir geschossen wurde. Wieder gab es diesen Moment unvorstellbarer Kälte und äußerster Dunkelheit, wie ich sie auch schon vor zwanzig Jahren erlebt hatte.
Dann öffnete ich meine Augen unter den brennenden Strahlen einer heißen Sonne, die sich durch winzige Öffnungen in der Kuppel eines mächtigen Waldes bohrten, in dem ich lag.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als mich die plötzliche Furcht überkam, ich könnte durch Fügung eines grausamen Schicksals irgendwo auf einem anderen, seltsamen Planeten gelandet sein.
Warum auch nicht? Welche Führung hatte ich denn, in dieser fährtenlosen Weite des interplanetaren Raumes? Welche Zusicherung hatte ich, dass ich statt auf dem Mars nicht auf irgendeinen weit entfernten Stern eines anderen Sonnensystems geschleudert worden war?
Ich lag auf einem kurz-geschnittenen Rasen aus roten grasähnlichen Pflanzen. Um mich herum erstreckte sich ein Hain seltsamer, aber wunderschöner Bäume, bedeckt mit riesigen herrlichen Blüten, gefüllt mit wundervollen stimmlosen Vögeln. Ich nenne sie Vögel, weil sie Flügel hatten, aber tatsächlich hat noch kein sterbliches Auge der Erde jemals ein so merkwürdiges Geschöpf erblickt.
Die Vegetation war ähnlich der, welche die Rasenflächen der großen Wasserwege der roten Marsianer bedeckt. Aber die Bäume und Vögel waren anders als alles, was ich bisher auf dem Mars gesehen hatte. Und dann konnte ich durch die Bäume hindurch den auf dem Mars ungewöhnlichsten Anblick überhaupt erkennen: ein riesiger See, dessen blaues Wasser in der Sonne schimmerte und funkelte.
Als ich aufstand um es mich weiter umzusehen, erlebte ich die gleiche lächerliche Katastrophe, die mich schon bei meinen ersten Versuchen unter Marsbedingungen laufen zu wollen, ereilt hatte. Die geringere Anziehungskraft dieses kleinen Planeten und der niedrige Luftdruck seiner dünnen Atmosphäre, erforderten so wenig Widerstand meiner erdhaften Muskeln, dass mich schon der normale Kraftaufwand beim Aufstehen bereits mehrere Fuß hoch in die Luft hob und mich in dem weichen und herrlichen Gras dieser seltsamen Welt aufs Gesicht warf.
Diese Erfahrung gab mir allerdings die kleine Zusicherung, dass ich anscheinend in einer mir unbekannten Region des Mars gelandet sei. Das war sehr gut möglich, denn während meiner zehnjährigen Zeit auf diesem Planeten hatte ich nur einen vergleichsweise kleinen Bereich seiner großen Weite entdecken können.
Ich lachte über meine eigene Vergesslichkeit, stand erneut auf und hatte schon bald die Kunst wiedererlangt, meine erdhaften Kräfte an die veränderten Bedingungen anzupassen.
Als ich langsam über das fast unmerkliche Gefälle zum See hinab lief, fiel mir das parkähnliche Aussehen des Rasens und der Bäume auf. Das Gras war kurz geschnitten und teppichähnlich wie ein alter englischer Rasen, und die Bäume hatten einen sorgfältigen Schnitt auf eine einheitliche Höhe von ungefähr fünfzehn Fuß. So vermittelte der Wald aus kurzer Entfernung in jeder Blickrichtung den Eindruck eines weitläufigen Raumes mit einer niedrigen Decke.
All diese Zeichen sorgsamer und systematischer Kultivierung überzeugten mich davon, dass es mir auch bei dieser zweiten Gelegenheit geglückt war, wieder auf dem Mars im Gebiet zivilisierten Menschen gelandet zu sein. Sollte ich auf sie stoßen, würden mir die Höflichkeit und der Schutz zuteilwerden, der meinem Rang als Prinz des Hauses von Tardos Mors zustand.
Während ich weiter in Richtung des Sees lief, fesselten die Bäume des Waldes meine ganze Aufmerksamkeit. Ihre mächtigen Stämme, einige mit gut hundert Fuß Durchmesser, zeugten von ihrer erstaunlichen Höhe, deren tatsächliches Ausmaß ich nur erahnen konnte, denn weiter als bis sechzig oder achtzig Fuß konnte ich ihr dichtes Blattwerk über mir mit den Augen nicht durchdringen.
Weit über mir konnte ich die Äste und Zweige erkennen, die so glatt und glänzend waren, wie die neuesten Pianos, die jetzt in Amerika hergestellt wurden. Das Holz einiger dieser Bäume war so schwarz wie Ebenholz, während ihre nächsten Nachbarn im gedämpften Licht des Waldes so klar und weiß glänzten wie edelstes Porzellan - oder sie waren himmelblau, scharlachrot oder von reinstem Purpur. Ihre Blätter waren genauso fröhlich und bunt wie ihre Stämme, während ihre dicht zusammenstehenden Blüten mit Worten einer Erden-Sprache nicht zu beschreiben sind und tatsächlich die Sprache von Göttern erfordern würden.
Als ich mich den Grenzen des Waldes näherte, erblickte ich vor mir, zwischen dem Hain und dem See, die breite Ausdehnung von Weideland. Gerade wollte ich aus den Schatten der Bäume heraustreten, als meine Augen etwas erblickten, das jeden romantischen und poetischen Gedanken zu den Schönheiten dieser seltsamen Landschaft schlagartig vertrieb.
Ein kleines Stück den Fluss hinauf erhob sich ein mächtiges senkrechtes Steilufer aus dem tiefen Grund des großen Flusses. Aber es war nicht dieser inspirierende und herrliche Anblick der Größe der Natur, der meine unmittelbare Aufmerksamkeit von der Schönheit des Waldes ablenkte. Es war der Anblick von gut zwanzig Gestalten, die sich langsam über die Wiesen am Ufer des mächtigen Flusses bewegten.
Seltsame, groteske Gestalten waren es, anders als alles andere, was ich je auf dem Mars gesehen hatte. Und doch waren sie aus der Ferne durchaus menschenähnlich. Die größeren Exemplare schienen, aufrecht stehend, gut zehn bis zwölf Fuß groß zu sein, und die Proportionen vom Rumpf und den unteren Gliedmaßen entsprachen in etwa denen von Menschen auf der Erde. Ihre Arme jedoch waren sehr kurz und von da, wo ich stand, sahen sie so ähnlich aus wie der Rüssel eines Elefanten, denn sie bewegten sich in geschmeidigen und schlangenähnlichen Wellen, so als wären sie gänzlich ohne Knochen. Falls sie dennoch Knochen haben sollten, dann müssten es unzählige Wirbelknochen sein.
Ich stand hinter dem Stamm eines riesigen Baumes und beobachtete sie. Eine der Gestalten bewegte sich langsam in meine Richtung. Sie war mit dem beschäftigt, was ihre hauptsächliche Tätigkeit zu sein schien und die daraus bestand, ihre sonderbar geformten Hände über die Oberfläche des Rasens zu bewegen. Aber welchem Zweck dies dienen sollte, konnte ich nicht ausmachen.
Nachdem das Geschöpf ziemlich nah an mich herangekommen war, konnte ich es sehr viel deutlicher erkennen. Und obwohl ich mit seiner Art später noch vertrauter werden sollte, kann ich sagen, dass mir bereits diese eine, oberflächliche Betrachtung dieser grässlichen Verzerrung der Natur durchaus gereicht hätte, wäre ich eigener Herr über meine Schicksal gewesen. Selbst der schnellste Flieger der Marine von Helium hätte mich nicht schnell genug weit weg von diesen widerlichen Kreaturen bringen können.
Der haarlose Körper war von einem sonderbar schaurigen Blau – bis auf einen breiten weißen Streifen, der sich um sein einziges hervorstehendes Auge ringelte, ein Auge, das vollständig weiß war – Pupille, Iris und der Augapfel. Die Nase war ein zerklüftetes, wie entzündet aussehendes rundes Loch mitten in einem ansonsten nackten Gesicht. Ein Loch, das mich an eine frische Schusswunde erinnerte, die noch nicht zu bluten begonnen hatte. Unter dieser scheußlichen Öffnung war das Gesicht bis zum Kinn völlig blank, denn soweit ich erkennen konnte, hatte dieses Ding keinen Mund.
Mit Ausnahme des Gesichts war der Kopf mit einer zerzausten Masse von gut acht bis zehn Inch langen, kohlrabenschwarzen Haaren bedeckt. Jedes einzelne Haar hatte die Dicke eines großen Angelwurms, und als das Geschöpf die Muskeln seiner Kopfhaut bewegte, schien sich diese gruselige Kopfbedeckung über das furchterregende Gesicht zu winden, zu schlängeln und zu krabbeln, als hätte jedes einzelne Haar tatsächlich ein eigenes Leben.
Der Körper und die Beine waren so menschlich symmetrisch wie sie von der Natur normalerweise vorgesehen sind, und auch die Füße hatten eine menschliche Form – aber von monströsen Ausmaßen. Von der Ferse bis zu den Zehen waren sie volle drei Fuß lang und sehr flach und breit.
Als diese Kreatur noch dichter an mich herangekommen war, konnte ich erkennen, dass die seltsamen Bewegungen, mit denen die merkwürdigen Hände über die Oberfläche des Rasens strichen, eine spezielle Methode des Fressens waren. Sie bestand daraus, die zarten Pflanzen mit rasiermesser-ähnlichen Klauen abzuschneiden und durch die arm-artigen Schlunde in die zwei Münder aufzusaugen, die jeweils in der Innenfläche jeder Hand lagen.
Zusätzlich zu den Eigenschaften, die ich schon beschrieben habe, war die Kreatur mit einem mächtigen Schwanz von etwa sechs Fuß Länge ausgestattet, ziemlich rund am Ansatz, aber sich zum Ende hin bis zu einer flachen, dünnen Klinge verjüngend. Diesen Schwanz zog es in einem rechten Winkel zum Boden hinter sich her.
Das mit Abstand Bemerkenswerteste an dieser Kreatur waren jedoch die beiden winzigen Repliken von sich selbst: jede ungefähr sechs Inch lang, baumelten sie auf jeder Seite in den Achselhöhlen. Sie wurden von einem kleinen Stamm gehalten, der aus der genauen Mitte der Köpfe zu wachsen schien und sie mit dem Körper des Erwachsenen verband. Ob sie noch jung oder lediglich Teile einer zusammengesetzten Figur waren, wusste ich nicht.
Während ich diese seltsame Missgeburt genauer betrachtet hatte, war auch der Rest der Herde fressend näher an mich herangekommen. Jetzt konnte ich auch erkennen, dass zwar viele, aber nicht alle diese kleineren Ausgaben an sich hängen hatten. Ich konnte außerdem erkennen, dass die Kleinen verschiedene Größen hatten: sie befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien von winzigen geschlossenen Blüten von einem Inch Durchmesser bis hin zu voll ausgewachsenen und fertig geformten Geschöpfen mit einer Länge von zehn bis zwölf Inch. Viele der kleineren Exemplare, die mit der Herde fraßen, waren nicht viel größer als die, die noch an ihren Eltern befestigt waren. Von den jungen Exemplaren dieser Größe bis hin zu den großen Erwachsenen, wies die Herde alle Größen auf.
So furchterregend wie sie auch aussahen – ich wusste nicht, ob ich sie fürchten sollte oder nicht, denn sie schienen für Kämpfe nicht besonders gut gerüstet zu sein.
Ich war gerade so weit, aus meinem Versteck herausgekommen, um mich ihnen zu zeigen, und zu sehen, welche Wirkung der Anblick eines Menschen auf sie haben würde, als zu meinem Glück mein unüberlegtes Vorhaben gerade noch rechtzeitig im Keim erstickt wurde: aus den Steilufern zu meiner Rechten ertönte ein kreischendes Wehgeschrei. Nackt und unbewaffnet wie ich war, wäre mein Ende in den Händen dieser grausamen Geschöpfe sowohl schnell als auch schrecklich gewesen, hätte ich noch die Zeit gehabt, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Als das Geschrei erklang, drehte sich jedes Mitglied der Herde in die Richtung, aus der das Wehklagen zu kommen schien, und im selben Moment stellte sich jedes einzelne der schlangen-ähnliche Haare steif und aufrecht auf, so als wäre jedes ein empfindungsfähiger Organismus, der nach der Quelle oder Bedeutung des Kreischens sehen oder hören wollte.
Tatsächlich stellte sich das später auch als wahr heraus. Denn diese seltsamen Gewächse auf den Schädeln der Pflanzenmenschen von Barsoom stellen die tausend Ohren dieser widerlichen Kreaturen dar - die letzten Überbleibsel dieser merkwürdigen Rasse, die aus dem ursprünglichen Lebensbaum entstanden war.
Sofort wandte sich jedes Auge einem Mitglied der Herde zu: ein großer Bursche, der offensichtlich der Anführer war. Ein merkwürdig schnurrendes Geräusch kam aus dem Mund in der Innenfläche eines seiner Hände, und gleichzeitig begann er schnell in Richtung des Steilufers zu laufen, gefolgt von der gesamten Herde.
Sowohl ihre Geschwindigkeit als auch die Art ihrer Bewegung waren bemerkenswert: sie hüpften wie Kängurus in großen Sprüngen von zwanzig bis dreißig Fuß.
Sie verschwanden rasch, als mir einfiel, ihnen zu folgen. Und so sprang und hüpfte ich ihnen mit großen Sprüngen über die Wiesen nach, die noch erstaunlicher als die der seltsamen Kreaturen waren. Denn die Muskeln eines athletischen Erden-Menschen können in der geringen Schwerkraft und im niedrigen Luftdruck des Mars erstaunliche Leistungen vollbringen.
Ihr Weg führte sie direkt zur offensichtlichen Quelle des Flusses am Fuß der Klippen. Als ich mich der Stelle näherte, sah ich, dass die Wiese mit riesigen Findlingen durchsetzt war, die der Zahn der Zeit anscheinend von den hoch aufragenden Klippen darüber nach unten versetzt hatte. Aus diesem Grund kam ich ziemlich nahe an den Ursprung der Störung heran, bevor ich die ganze Szene vor meinen entsetzten Augen sah. Ich stand auf einem der großen Felsbrocken und sah die Herde der Pflanzenmenschen um eine kleine Gruppe von vielleicht fünf oder sechs grünen Männern und Frauen des Barsoom herumstehen.
Dass ich tatsächlich auf dem Mars war, daran hatte ich nun keinerlei Zweifel mehr, denn hier standen Mitglieder der wilden Horden, welche die toten Meeresböden und die verlassenen Städte des sterbenden Planeten bevölkern. Da waren die großen Männer in ihrer ganzen majestätischen und beeindruckenden Größe. Da waren die glänzenden weißen Stoßzähne, die aus den Seiten ihrer massiven Unterkiefer bis zur Mitte ihrer Stirn ragten und die hervorstehenden Augen, mit denen sie sowohl nach vorne oder hinten und zu jeder Seite sehen konnten, ohne ihre Köpfe drehen zu müssen. Da waren die sonderbaren Antennen-ähnlichen Ohren die oben aus ihrer Stirn herausragten und das zusätzliche Paar Arme, das aus der Mitte zwischen Schultern und Hüfte wuchs. Selbst ohne die glänzende grüne Haut und den metallenen Schmuck, der den Stamm kennzeichnete zu dem sie gehörten, hätte ich sie sofort als das erkannt, was sie waren, denn wo sonst im ganzen Universum gibt es etwas, das genauso aussieht wie sie?
Es waren zwei Männer und vier Frauen und ihr Schmuck wies sie als Mitglieder verschiedener Horden aus - eine Tatsache, die mich einigermaßen verblüffte. Denn die verschiedenen Horden der grünen Menschen des Barsoom sind seit Ewigkeiten im Krieg miteinander. Bis auf diesen einzigen historischen Moment, als der große Tars Tarkas von Thark einhundertfünfzigtausend grüne Krieger aus unterschiedlichen Horden versammelt hatte, um gegen die verlorene Stadt von Zodanga zu ziehen und Dejah Thoris, die Prinzessin von Helium aus den Klauen von Than Kosis zu retten, hatte ich grüne Marsianer aus verschiedenen Horden noch nie zusammen vereint in etwas anderem außer in tödlichen Kämpfen gegeneinander gesehen. Aber nun standen sie, Rücken an Rücken, hier zusammen, die Augen angesichts der sehr offensichtlich feindseligen Demonstration eines gemeinsamen Feindes vor Erstaunen geweitet. Sowohl die Männer als auch die Frauen waren mit Langschwertern und Dolchen bewaffnet, aber es waren offensichtlich keine Feuerwaffen zu sehen, sonst hätten sie mit den schaurigen Pflanzenmenschen des Barsoom kurzen Prozess gemacht.
Schließlich griff der Anführer der Pflanzenmenschen die kleine Gruppe an. Seine Methode des Angriffs war bemerkenswert, denn sie war wirkungsvoll und die ausgeprägte Seltsamkeit verstärkte die Wirkung noch, denn die Wissenschaft der grünen Krieger kannte keine Verteidigung gegen diese einzigartige Form des Angriffs. Dies wurde für mich schon bald offensichtlich, denn diese Art des Angriffs war ihnen ebenso wenig vertraut wie die Missgeburten, mit denen sie sich konfrontiert sahen.
Die Pflanzenmenschen griffen die Gruppe aus einer Entfernung von einem Dutzend Fuß an; sie erhoben sich mit einem Sprung, so als wollten sie direkt über ihre Köpfe steigen. Ihr kräftiger Schwanz hob sich auf einer Seite hoch nach oben, und als sie dicht über ihnen waren, fuhr er in einem furchtbaren Schlag nach unten und zerschmetterten den Schädel eines grünen Kriegers, als wäre er nur eine Eischale.
Der Rest der furchterregenden Herde kreiselte jetzt schnell und in atemberaubender Geschwindigkeit über dem kleinen Knäuel ihrer Opfer. Ihre erstaunlichen Sprünge und das schrill kreischende Schnurren ihrer ekelhaften Münder waren gut berechnet, um ihre Beute ausreichend zu verwirren und zu erschrecken. Zwei von ihnen sprangen gleichzeitig von jeder Seite, der mächtige Schlag der fürchterlichen Schwänze traf auf keinerlei Widerstand und zwei weitere grüne Krieger fielen in einem unwürdigen Tod zu Boden. Jetzt waren nur noch ein Krieger und zwei Frauen übrig, und es schien, als wäre es nur noch eine Sache von Sekunden, bevor diese drei ebenfalls tot auf dem scharlachroten Rasen liegen würden.
Aber gerade als zwei weitere der Pflanzenmenschen angriffen, schwang der Krieger, der durch die Erfahrungen der letzten Minuten vorbereitet war, sein mächtiges Langschwert in die Höhe und traf die sausende Masse mit einem klarem Hieb, der einen der Pflanzenmenschen vom Kinn bis zur Leiste in zwei Teile spaltete. Der andere jedoch, setzte einen einzigen Schlag seines furchterregenden Schwanzes, der beide Frauen mit zerschmetterten Körpern zu Boden warf.
Als der grüne Krieger sah, dass die letzten seiner Gefährten gefallen waren und im selben Moment begriff, dass ihn jetzt die gesamte Herde angriff, trat er ihnen mutig entgegen und schwang sein Langschwert in jener furchterregenden Art, die ich so oft bei den Männern seiner Art gesehen hatte, wenn sie ihr Schwert in ihrer wilden und fast ungebrochenen Kriegsführung gegen ihre eigene Rasse einsetzen. Nach rechts und links ausholend und schlagend, legte er einen offenen Pfad mitten durch die herankommenden Pflanzenmenschen. Dann begann ein irrer Wettlauf durch den Wald, im Schutze dessen er offensichtlich hoffte, einen Zufluchtsort finden zu können.
Er war in den Bereich des Waldes gelaufen, der an die Klippen grenzte, und so trug das Rennen die ganze Gruppe immer weiter von dem Felsbrocken weg, hinter dem ich mich mittlerweile versteckt hatte. Als ich den edlen Kampf beobachtete, dem sich der große Krieger gegen eine solche Übermacht stellte, schwoll mein Herz vor Bewunderung für ihn förmlich an. Und so wie ich es gewöhnlich immer mache, mehr aus einem Impuls als aus reiflichen Überlegungen heraus, sprang ich unvermittelt hinter meinem schützenden Felsen hervor und setzte zu den Körpern der toten grünen Marsianer hinüber, einen gut-durchdachten Plan bereits in petto habend.
Ein halbes Dutzend große Sprünge darauf war ich bereits auf der schnellen Verfolgung der widerlichen Monster, die sehr schnell zu dem fliehenden Krieger aufholten. Aber dieses Mal hielt ich ein mächtiges Langschwert in meiner Hand und in meinem Herzen wallte das alte Blut der Lust des kämpfenden Mannes, ein roter Nebel waberte vor meinen Augen und ich fühlte, wie meine Lippen mit dem alten Lächeln auf mein Herz antworteten, das mich mitten in der Freude des Kampfes seit jeher ausgemacht hatte.
So schnell ich auch war, kam ich keine Sekunde zu früh, denn der grüne Krieger war eingeholt worden, noch bevor er die Hälfte der Strecke zum Wald zurückgelegt hatte. Nun stand er mit dem Rücken zu einem Felsen, während die Herde, teilweise dicht zusammengeballt, um ihn herumzischte und kreischte.
Mit ihrem einen Auge in der Mitte ihres Kopfes jeweils direkt auf ihre Beute gerichtet, bemerkten sie mein geräuschloses Herannahen nicht, so dass ich mit meinem großen Langschwert schnell bei ihnen war – und schon lagen vier von ihnen tot am Boden, noch bevor sie mich überhaupt bemerkt hatten.
Einen Moment prallten sie vor meinen heftigen Ansturm zurück, und im gleichen Augenblick ergriff der grüne Krieger die Gelegenheit und sprang an meine Seite. Mit großen kreisenden Hieben schlug er in Form einer acht nach rechts und links aus, so wie ich es bisher nur von einem einzigen Krieger gesehen hatte, und er hörte solange nicht auf, bis niemand mehr lebend dastand, um ihm gegenüberzutreten. Seine kühne Klinge schnitt dabei so rasch durch Fleisch, Blut und Metall, als wäre jeder seiner Gegner nur dünne Luft.
Während wir in die Schlacht verstrickt waren, war hoch über uns dieses schrille merkwürdige Kreischen ertönt, das ich zuvor schon gehört hatte, und das die Herde zum Angriff auf ihre Opfer gerufen hatte. Immer wieder ertönte es, aber wir waren zu sehr mit den wilden und starken Kreaturen um uns herum beschäftigt, um wenigstens mit unseren Augen zu versuchen, die Quelle dieser grauenhaften Töne ausmachen zu können.
Riesige Schwänze klatschten in wütendem Zorn nach uns, messerscharfe Klauen schnitten in unsere Gliedmaßen und Körper, und ein grüner und klebriger Sirup, so wie das, was aus einer zertretenen Raupe heraussickert, verschmierte uns von Kopf bis Fuß, denn jeder Schnitt und Hieb unserer Langschwerter überzog uns mit einer neuen Flut dieses Zeugs aus den verletzten Adern der Pflanzenmenschen, durch die es in seiner trägen Klebrigkeit statt Blut floss.
Einmal fühlte ich das große Gewicht eines dieser Monster auf meinem Rücken und als sich kühne Klauen in mein Fleisch krallten, erlebte ich das furchtbare Gefühl feuchter Lippen, die das Lebensblut aus den Wunden saugten, in denen die Klauen immer noch hingen. Ich war gerade sehr mit einem äußerst wilden Burschen beschäftigt, der sich abmühte, von vorne an meine Kehle zu kommen, während zwei weitere, einer auf jeder Seite, heftig mit ihren Schwänzen nach mir schlugen.
Der grüne Krieger war intensiv damit beschäftigt, seine eigene Stellung zu halten und ich fühlte, dass ich den ungleichen Kampf nicht mehr lange durchhalten würde. Da entdeckte der riesige grüne Krieger meine Zwangslage, entzog sich den Monstern um ihn herum und fegte mit einem einzigen Hieb seiner Klinge, den Angreifer von meinem Rücken. Solchermaßen erleichtert, bereiteten mir die anderen keinerlei Probleme mehr.
Einmal zusammen, standen wir gegen den großen Felsbrocken fast Rücken an Rücken, und hielten so die Kreaturen davon ab, um uns herumzufliegen und ihre tödlichen Schläge zu setzen. Auf dem Boden waren sie leichte Gegner für uns, und wir machten gute Fortschritte dabei, das was von ihnen übrig war, zu töten, als unsere Aufmerksamkeit erneut von dem schrillen Kreischen über unseren Köpfen gefesselt wurde.
Diesmal sah ich auf: hoch über uns, auf einem kleinen natürlichen Balkon auf der Vorderseite der Klippe stand die seltsame Gestalt eines Mannes, der sein kreischendes Signal schrie, während er mit einer Hand in Richtung der Flussmündung wedelte, als würde er dort jemandem winken. Mit der anderen Hand deutete und gestikulierte er in unsere Richtung.
Ein Blick in die Richtung in die er sah, war genug, um mich über seine Absichten in Kenntnis zu setzen und mich gleichzeitig mit dem Schrecken eines schrecklichen Begreifens zu erfüllen. Denn, aus dem Wald und aus der fernen Weite des Flachlandes über den Fluss, konnte ich sehen, wie hunderte Linien wild springender Kreaturen aus allen Richtungen über den Rasen hereinströmten. Es waren genau die gleichen, mit denen wir gerade beschäftigt waren und zusammen mit ihnen kamen neue seltsame Monster, die mit großer Schnelligkeit, mal aufrecht und mal auf allen Vieren rannten.
»Es wird ein großartiger Tod werden«, sagte ich zu meinem Begleiter. »Sieh nur!«
Als er einen schnellen Blick in die Richtung warf, die ich ihm anzeigte, lächelte er.
»Zumindest werden wir kämpfend sterben, so wie es sich für große Krieger gehört, John Carter«, antwortete er.
Wir hatten gerade die letzten unserer unmittelbaren Gegner erledigt, als er zu sprechen begonnen hatte. Bei der Nennung meines Namens drehte ich mich voller Erstaunen zu ihm um.
Und da, vor meinen erstaunten Augen, erblickte ich den größten aller grünen Männer des Barsoom, ihren schlauesten Staatsmann, ihren mächtigsten General – meinen großartigen und guten Freund, Tars Tarkas, Jeddak von Thark.
Kapitel 2: Ein Kampf im Wald
Tars Tarkas und ich fanden keine Zeit mehr, unsere Erfahrungen auszutauschen, während wir dort vor dem großen Felsbrocken standen, umgeben von den Leichen unserer grotesken Angreifer. Denn als Antwort auf die seltsamen Rufe der merkwürdigen Gestalt über uns, strömte eine regelrechte Flut der schrecklichen Kreaturen aus allen Richtungen in das breite Tal hinunter.
»Komm«, rief Tars Tarkas, »wir müssen es bis zu den Klippen schaffen. Dort liegt unsere einzige Hoffnung, und sei es nur für eine vorübergehende Flucht. Dort könnten wir eine Höhle oder einen schmalen Felsvorsprung finden, die zwei Männer gegen diese kunterbunte, unbewaffnete Horde endlos lange verteidigen können.«
Gemeinsam rannten wir über den scharlachroten Rasen, wobei ich meine Geschwindigkeit anpasste, damit ich meinen langsameren Gefährten nicht weit hinter mir ließ. Wir mussten von unserem Felsen und den Klippen ungefähr dreihundert Yard überwinden, dann konnten wir uns einen passenden Schutz für unsere Stellung gegen diese schrecklichen Kreaturen suchen, die uns verfolgten.
Sie holten rasch zu uns auf und deshalb rief mir Tars Tarkas zu, ich solle voraus laufen, um nach der Zuflucht zu suchen, die wir brauchten. Der Vorschlag war gut, denn so konnten wir uns viele wertvolle Minuten sparen. Also strengte ich jedes Gramm meiner Erden-Muskeln an und schaffte die verbliebene Entfernung zwischen mir und den Klippen mit großen Sprüngen und Hüpfern in kürzester Zeit, so dass ich innerhalb weniger Augenblicke direkt am Fuß der Klippen war.
Die Klippen erhoben sich senkrecht, direkt aus dem fast ebenen Rasen des Tals. Es gab keine Ansammlung gefallender Felsbrocken, die einen mehr oder weniger groben Anstieg gebildet hätten, so wie es bei fast allen Klippen der Fall ist, die ich gesehen habe. Die verstreuten Felsbrocken, die von oben heruntergefallen waren und auf dem Gras lagen oder zum Teil darin eingesunken waren, waren der einzige Hinweis darauf, dass es überhaupt Absprengungen der massiven, turmhohen Felsformation gegeben hatte.
Meine ersten Erkundungen der Vorderseite der Klippen erfüllten mein Herz mit düsteren Vorahnungen, denn außer dort, wo der seltsame Herold stand und immer noch sein schrilles Kreischen rief, konnte ich nirgends auch nur den kleinsten Hinweis auf einen kleinen Vorsprung in der hohen Felswand entdecken, auf dem zumindest die Füße hätten Halt finden können. Rechts von mir verlor sich der Fuß der Klippe im dichten Blattwerk des Waldes, der dicht am Fuß endete und seine herrlichen Blätter ganze tausend Fuß gegen seinen unnachgiebigen und abweisenden Nachbarn in die Höhe reckte. Links der Klippe verlief, anscheinend ungebrochen, der Kopf des breiten Tals und verlor sich in den Umrissen einer Reihe mächtiger Berge, die das Tal säumten und in jeder Richtung begrenzten. Gute tausend Fuß von mir entfernt, brach der Fluss anscheinend direkt aus dem Fuß der Klippen hervor. Da es in dieser Richtung offensichtlich nicht die geringste Aussicht zur Flucht zu geben schien, wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Wald zu.
Die Klippen erhoben sich gute fünftausend Fuß hoch über mir. Die Sonne stand noch nicht direkt über ihnen, nur ein stumpfes Gelb war in ihren eigenen Schatten zu erkennen, das gelegentlich von den Streifen und Flecken stumpfer roter, grüner und manchmal auch weißer Quarzadern durchbrochen wurde. Obwohl sie insgesamt von außergewöhnlicher Schönheit waren, fürchte ich, dass ich sie bei dieser meiner ersten Erkundung nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit betrachtete. Sie stellten für mich lediglich ein Mittel zur Flucht dar, und als mein Blick immer wieder rasch über ihre weite Ausdehnung auf der Suche nach einer Felsspalte oder einem Versteck glitt, betrachtete ich sie mit dem gleichen Widerwillen, wie ein Gefangener die verhassten und unbezwingbaren Mauern seines Kerkers betrachtet.
Tars Tarkas näherte sich mit großer Geschwindigkeit, aber die furchtbare Herde folgte ihm noch schneller dicht auf den Fersen.
Jetzt oder nie - es blieb nur der Wald, und ich wollte gerade Tars Tarkas bedeuten, mir in diese Richtung zu folgen, als die Sonne über den Zenit der Klippen brach. Als die hellen Strahlen die matte Oberfläche streiften, brachen Millionen schillernder Lichter aus glänzendem Gold, flammenden Rot, weichen Grün und schimmernden Weiß hervor – das herrlichste und beeindruckendste Spektakel, das menschliches Augen je gesehen haben. Die Vorderseite der ganze Klippe war, wie eine spätere Erkundung schließlich auch bestätigte, so reich mit Adern und Flicken soliden Goldes durchsetzt, das es außer an den Stellen, an denen es durch die Ausbisse von Rubin-, Smaragd- und Diamantbrocken unterbrochen wurde, wie eine massive Wand aus diesem wertvollem Metall aussah – ein kleiner und verführerischer Hinweis auf die riesigen und unvorstellbaren Reichtümer, die tief unter dieser herrlichen Oberfläche verborgen lagen.
Was aber in dem Moment, als die Sonnenstrahlen die Vorderseite der Klippen zum Schimmern brachte, meine Aufmerksamkeit am meisten fesselte, waren die vereinzelten schwarzen Flecken, die jetzt sehr offensichtlich dicht oberhalb des Waldes über die herrliche Wand liefen, und sich nach unten hinter den Zweigen ausbreiteten.
Ich erkannte sofort, was sie waren – die dunklen Öffnungen von Höhlen in der massiven Felswand, mögliche Fluchtwege oder vorübergehender Schutz, sofern wir sie nur erreichen könnten.
Es gab nur einen einzigen Weg, und der führte über die mächtigen turmhohen Bäume an unserer rechten Seite. Dass ich die Bäume leicht hinaufkäme, wusste ich nur zu gut – aber für Tars Tarkas mit seiner mächtigen Statur und seinem enormen Gewicht, könnte es eine Aufgabe darstellen, die jenseits seiner Fähig- und Geschicklichkeiten liegt, denn Marsianer sind alles andere als gute Kletterer.
Auf der gesamten Oberfläche des antiken Planeten habe ich noch nie einen Hügel oder Berg gesehen, der höher gewesen wäre als viertausend Fuß über dem toten Meeresboden. Normalerweise verlief ihr Anstieg bis fast zum Gipfel auch sanft und stufenweise, so dass sie nur wenig Gelegenheit für Kletterübungen boten. Aber selbst wenn, hätten die Marsianer derartige Gelegenheiten kaum zu schätzen gewusst, denn sie konnten immer einen anderen Weg finden, der rings um die Basis jeder Erhebung verlief. Derartige Wege wurden gegenüber dem kürzeren, aber anstrengenderem Weg stets von ihnen bevorzugt.
Hier jedoch blieb nichts anderes übrig, als den Versuch zu wagen, die Bäume hinaufzuklettern, die an die Klippen grenzten, um die Höhlen darüber erreichen zu können.
Tars Tarkas hatte die Möglichkeiten und die damit verbunden Schwierigkeiten des Plans sofort begriffen. Aber es gab keine Alternative, und so rannten wir schnell auf die Bäume zu, die dicht an der Klippe standen.
Unsere unerbittlichen Verfolger waren jetzt dicht hinter uns - so dicht, dass es schien, als wäre es für den Jeddak von Thark bereits vollkommen unmöglich, den Wald noch vor ihnen zu erreichen. Tars Tarkas, zeigte auch keinerlei nennenswerten Willen, sich groß anzustrengen, denn die grünen Männer des Barsoom schätzen es nicht, zu flüchten, und ich hatte auch nie einen vor dem Tod fliehen sehen, egal in welcher Form sie mit ihm konfrontiert gewesen waren. Dass Tars Tarkas der mutigste unter den Mutigen war, hatte er tausendfach unter Beweis gestellt – ja, tausende Male in unzähligen tödlichen Kämpfen gegen Männer und Tiere. So war mir klar, dass es noch einen anderen Grund für seine Flucht geben musste, als nur die Angst vor dem Tod, denn er wusste sehr gut, dass mich selbst eine weit größere Triebkraft als Stolz oder Ehre dazu anspornte, vor diesen wilden Zerstörern zu flüchten. In meinem Fall war es die Liebe - die Liebe zur göttlichen Dejah Thoris. Der Grund von Tars Tarkas für seine plötzliche und tiefe Liebe zum Leben war mir nicht klar, denn es kommt häufiger vor, dass die Tharker den Tod suchen als das Leben – diese seltsamen, lieblosen, grausamen und unglücklichen Menschen.
Schließlich erreichten wir doch noch die Schatten des Waldes, während rechts hinter uns der schnellste unserer Verfolger rannte. Ein riesiger Pflanzenmensch mit Klauen die er bereits ausgestreckt hatte, um sein blutsaugendes Maul auf uns ansetzen zu können. Er lief seinem nächsten Gefährten gute einhundert Yard voraus, und so rief ich Tars Tarkas zu, auf einen großen Baum zu steigen, der die Vorderseite der Klippe streifte, während ich den Burschen beseitigen würde. Damit würde ich meinem weniger geschickten Freund die Gelegenheit verschaffen, die oberen Äste erreichen zu können, bevor die ganze Herde bei uns und damit jeder Zipfel Hoffnung zunichte gemacht worden wäre.
Aber ich hatte sowohl die Durchtriebenheit meines unmittelbaren Gegners falsch eingeschätzt, als auch die Schnelligkeit, mit der seine Gefährten die Entfernung überwanden, die mich noch von ihnen trennte. Als ich mein Langschwert hob, um der Kreatur den Todeshieb zu versetzen, bremste er seinen Angriff und mein Schwert schnitt schadlos durch die leere Luft. Sein großer Schwanz schwang mit der Kraft eines Grizzlybär-Armes über das Gras und schleuderte mich zu Boden. Im nächsten Moment war die Bestie schon bei mir, aber noch bevor er sein ekelhaftes Maul in meine Brust und in den Hals schlagen konnte, griff ich mit beiden Händen nach seinen sich windenden Tentakeln.
Der Pflanzenmensch war gut bemuskelt, schwer und stark, aber meine erdhafte Kräfte und meine größere Beweglichkeit in Verbindung mit dem tödlichen Würgegriff, mit dem ich ihn hielt, hätte mir, so glaube ich, am Ende den Sieg gebracht – hätten wir die Zeit gehabt, die Vorzüge unserer Fähigkeiten ungestört weiter ausdiskutieren können. Aber als wir angespannt an dem Baum kämpften, auf den Tars Tarkas hätte klettern sollen, erhaschte ich mit einem Blick über die Schulter meines Gegners plötzlich den großen Schwarm der Verfolger, die jetzt schon dicht bei mir waren.
Nun sah ich zumindest, welcher Natur die anderen Monster waren, die als Reaktion auf die sonderbaren Rufe des Mannes auf der Felsklippe zusammen mit den Pflanzenmenschen gekommen waren. Es waren die am meisten gefürchtetsten Geschöpfe des Mars – die großen weißen Affen des Barsoom. Meine früheren Erfahrungen auf dem Mars hatten mich gründlich mit ihnen und ihren Methoden vertraut gemacht. Ich darf sagen, dass von allen furchterregenden und grauenhaften, seltsamen und grotesken Bewohnern dieser fremden Welt, es der weiße Affe ist, der mich am ehesten mit dem Gefühl von Angst erfüllt. Ich glaube, der Grund für dieses Gefühl der Angst, das diese Affen in mir auslösen, ist ihre bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Aussehen der Menschen auf der Erde, die ihnen ein so menschliches Aussehen gibt, das in Verbindung mit ihrer gigantischen Größe wirklich unheimlich ist.
Im Stehen sind sie gute fünfzehn Fuß groß und laufen aufrecht auf ihren Hinterbeinen. Wie die grünen Marsianer haben auch sie ein Zwischenpaar Arme in der Mitte zwischen ihren oberen und unteren Gliedmaßen. Ihre Augen stehen dicht zusammen, aber sie sind nicht vorstehend, so wie die der grünen Menschen des Mars. Ihre Ohren sind hoch angesetzt, aber seitlicher als die der grünen Menschen, während ihre Schnauzen und Zähne denen unserer afrikanischen Gorillas ähnlich sind. Auf ihren Köpfen wächst ein riesiger Schopf stoppeliger Haare.
Über die Schulter meines Feindes blickend, sah ich geradewegs in die Augen eines solchen Affen und in die der schrecklichen Pflanzenmenschen. Und dann waren sie wie eine riesige Welle knurrenden, schnappenden, kreischenden und grollenden Zorns über mir. Von all den Geräuschen, die an mein Ohr drangen, während ich zwischen ihnen zu Boden fiel, war das widerliche Schnarren der Pflanzenmenschen mit Abstand das schrecklichste.
Sofort versenkten sich eine ganze Reihe grausamer Fänge und Krallen in mein Fleisch, und kalte, saugende Lippen saugten sich an meinen Adern fest. Ich kämpfte mich frei, und obwohl ich durch das Gewicht der großen Körper unten gehalten wurde, gelang es mir, mich wieder auf die Füße zu kämpfen, wo ich, mein Langschwert immer noch in der Hand haltend, meinen Griff um das Heft so weit verkürzte, bis ich es als Dolch einsetzen konnte. Damit richtete ich eine so große Verwüstung unter ihnen an, dass ich für einen Moment frei stehen konnte.
Was mehrere Minuten gedauert hat, um es zu aufschreiben, ereignete sich tatsächlich in nur wenigen Sekunden. Während dieser kurzen Zeitspanne hatte Tars Tarkas meine Notlage erkannt und war von den unteren Ästen gesprungen, die er bereits mühselig erreicht hatte. Ich hatte gerade den letzten meiner Angreifer von mir geschleudert, als der große Tharker an meine Seite war und so kämpften wir wieder Rücken an Rücken, so wie wir schon hunderte Male zuvor zusammen gekämpft hatten.
Immer wieder stürmten die aggressiven Affen dicht auf uns zu und immer wieder schlugen wir sie mit unseren Schwertern zurück. Die großen Schwänze der Pflanzenmenschen schlugen mit ihrer gewaltigen Kraft nach uns, als sie uns aus allen Richtungen angriffen, oder sie sprangen mit der Wendigkeit von Greyhounds über unsere Köpfe. Aber jedem Angriff begegnete eine glänzende Klinge aus Schwerthänden, die seit zwanzig Jahren den Ruf haben, die Besten zu sein, die der Mars je gekannt hat. Denn Tars Tarkas und John Carter waren Namen, welche die kämpfenden Männer der Welt der Krieger förmlich liebten, sie auszusprechen.
Aber selbst die beiden besten Schwerter der Welt der kämpfenden Männer kann gegen eine überwältige Anzahl wilder und brutaler Bestien nicht ewig standhalten, die nicht wissen, was Verteidigung bedeutet, bis kalter Stahl ihre Herzen lehrt, nicht mehr
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Edgar Rice Burroughs/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Gabriele C. Woiwode (OT: The Gods Of Mars).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 13.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1527-6
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