PAUL EDWARDS
PROTOAGENT JOHN EAGLE 2
- Sechs Romane in einem Band -
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DIE KILLER-CYBORGS (The Deadly Cyborgs)
DIE VIER ZEROS (The Glyphs Of Gold)
DIE GRÜNE GÖTTIN (The Green Goddess)
STAHLSCHÄDEL (Silverskull)
DIE EINÄUGIGE BOMBE (The Holocaust Auction)
TÖDLICHER MOHN (Poppies Of Death)
Das Buch
Der Prototyp des modernen Geheimagenten ist ein Mann wie John Eagle: von den Apachen gehärtet, von Weißen geschult, unterstützt von den Waffen der Zukunft.
John Eagle erledigt ebenso gefährliche wie phantastische Missionen, wie es sie auf Erden kein zweites Mal gibt! Seine Befehle erhält er von Mr. Merlin - aus einer geheimen Kommandozentrale, tief verborgen unter einem Vulkan auf Hawaii; seine Gefährten sind Tod und Verderben, sein Ziel ist die ganze Welt...
Paul Edwards' legendäre Roman-Serie PROTOAGENT JOHN EAGLE enthält sämtliche Zutaten, die das Genre des Agenten-Romans so unwiderstehlich machen: knallharte, spannungsgeladene Action vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, wunderschöne Frauen, exotische Schauplätze und Over-the-top-Science-Fiction-Elemente - sowie im Falle von JOHN EAGLE zusätzlich eine unübertroffen eingefangene 1970er-Jahre-Atmosphäre.
Dieser Band enthält die Romane Die Killer-Cyborgs, Die vier Zeros, Die grüne Göttin, Stahlschädel, Die einäugige Bombe und Tödlicher Mohn.
DIE KILLER-CYBORGS (The Deadly Cyborgs)
Erstes Kapitel
Antonio Da Zara trug zwei Garnituren warmer Unterwäsche und drei Paar Socken übereinander.
Er kippte die letzten Tropfen Fior di Alpi und zog seine gesteppte Nylonhose an. Dann schlüpfte er in die gefütterten Stiefel und verschnürte sie. Der kleine, aber stämmige Mann stand auf und ging hinüber zum Fenster. Er zog den Vorhang etwas zur Seite. Dicke Schneeflocken behinderten die Sicht. Selbst den 8160 Meter hohen Dhaulagiri konnte man nicht sehen.
Da Zara zuckte mit den Schultern. Er wandte sich wieder seinen Kleidern zu, die auf dem Bett lagen. Seine Bewegungen waren die eines durchtrainierten Athleten. Nur die weißen Strähnen in seinem sonst schwarzen Piratenbart deuteten auf die Tatsache hin, dass er schon weit über fünfzig Jahre alt war.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war er Offizier der Alpenjäger gewesen, während des Krieges hatte er in Norditalien als Guerillaführer gekämpft, später war er Bergsteiger in den Alpen, den Anden und im Himalaya gewesen. Jetzt war er Sicherheitsoffizier von Basis 1. Da Zara zog zwei warme Sweater übereinander. Um den Hals schlang er sich ein grünes Tuch - ein Geschenk von Sir Edmund Hillary, dem Bezwinger des Mount Everest.
Er schlüpfte in die Parka und verschloss sie sorgfältig. Bevor er die pelzgefütterten Handschuhe anzog, schnallte er den Gürtel um. Daran baumelten ein Eispickel, Krampen, Haken, ein Seil und Notrationen.
Da Zara warf sich die finnische 7,65-Millimeter-Maschinenpistole über die Schulter, schnappte sich den Bergstock und stapfte durch den schweren Vorhang ins Freie, um seine nächtliche Kontrollrunde zu beginnen.
Von den Stiefeln bis zur Parka war seine Bekleidung schneeweiß - zur Tarnung.
Basis 1 war auf dem Gipfel erbaut. Halb war sie wissenschaftliches Forschungszentrum, halb Militärposten und Trainingslager. Ihre getarnten Bauten waren durch ein Netz unterirdischer Gänge miteinander verbunden. Der Nachschub wurde meist mit Jeeps über den gewundenen Pfad von Katmandu heraufgebracht. Wichtige Besucher kamen per Flugzeug und landeten auf der versteckt angelegten Gipfelpiste.
Antonio Da Zara bewachte Basis 1 mit seinen zweihundert Sherpas, die in Nordost-Nepal angeworben worden waren - drahtige, zähe Gebirgsmenschen von unwahrscheinlicher Ausdauer.
Der Wind erstarb, als Da Zara über die schneebedeckte Straße ging. Hinter einer Wolke kam der Mond hervor. Das Schneetreiben hatte aufgehört, die Luft war kristallklar. Da Zara marschierte auf einem Pfad, der von infraroten Lampen markiert war.
Jetzt, da der Wind nachgelassen hatte, war es nicht ausgesprochen kalt. Höchstens ein paar Grad unter Null. Da Zara achtete auf die Zeit, während er ging. Er zählte seine Schritte. Mehr als einmal hatte er in seinem Alpinistenleben sein und anderer Menschen Leben dadurch gerettet, dass er auch bei schlimmstem Schneetreiben seinen Weg fand. Es gab ihm ein Gefühl der Selbstsicherheit, als er am Ende des Pfads die Lichter der Hangars aus der Dunkelheit auftauchen sah. Da Zara hatte sich nur um elf Schritte verschätzt.
Hundert Meter weiter rief jemand in schrillem Gurkha- Dialekt die Parole aus. Da Zara fröstelte. Ruhig gab er die Parole zurück. Eine schlanke, weiße Gestalt mit einer Maschinenpistole gesellte sich zu ihm.
Unter seiner Kapuze grinste ihn der Sherpa an. Da Zara erkannte Anting, einen Korporal, der sich auf zwei
Jahre verpflichtet hatte.
»Alles ruhig, eh?«, fragte Da Zara.
»Wie immer.«
Er erwiderte Antings Gruß und wandte sich nach rechts, um seinen Kontrollgang wiederaufzunehmen. Etwas von der Straße entfernt standen weitere Posten, die von den Klippen aus ins Tal hinabspähten. Diese Männer waren am weitesten von der Basis entfernt. Aber selbst in den härtesten Nächten vergaß Da Zara nie, sie zu kontrollieren.
Allerdings wusste er, dass er sich auf die Männer verlassen konnte. Sie wussten genau, dass trainierte Bergsteiger an dieser Stelle den Berg hinaufklettern konnten. Aber sie wussten natürlich auch, dass das Lärm machen würde und über eine Stunde dauern würde. Da Zara kontrollierte diese Posten, damit ihre Aufmerksamkeit nicht nachließ. Der Offizier streifte sich die Eisenkrampen über die Stiefel und überquerte dann den steilen Weg am Abhang des Berges. Jetzt war er ganz nahe am nächsten Posten. Eigentlich hätte der schon vor ein paar Minuten die Parole ausrufen müssen.
Da Zara blieb stehen. Irgendetwas war hier faul. Aber Da Zaras Ärger verstärkte nur seine Aufmerksamkeit. Leise nahm er die MP von der Schulter. Ohne die Handschuhe auszuziehen, prüfte er Magazin und Abzug, um sicher zu sein, dass alles trotz der Kälte funktionierte. Dann entsicherte er die Waffe.
Mit der Maschinenpistole in der Rechten, den Bergstock in der Linken, marschierte Da Zara weiter. Im selben Moment, in dem er das Geräusch hörte, warf sich der Mann zu Boden. Vorsichtig kroch er voran. Er sah nichts - keine Bewegung; auch das Geräusch wiederholte sich nicht. Alles war ruhig wie zuvor. Da Zara hatte nur das Gefühl, dass der Laut irgendwo über ihm erklungen war.
Dann verbannte er den Gedanken daran und kroch zu dem Körper. Es war einer der Wachtposten. Der Mann lag reglos im zertrampelten, blutigen Schnee. Sein Gesicht, der Körper, der Tarnanzug - alles war blutig und zerfetzt. Seine Waffe lag zerschmettert neben ihm.
Da Zara kniete neben dem Toten. Er zog einen Handschuh aus und tastete nach der Brust. Der Mann war - noch warm, Blut sickerte aus den Wunden.
Da Zara drehte den Kopf des Toten zu sich. Es war Ang Tharkay, ein älterer Sherpa - sehr beliebt bei den übrigen. Der Brustkorb war eingeschlagen, ein Arm des Mannes mehrfach gebrochen. Blutige Eingeweide hingen aus dem Leib. Da Zara richtete sich auf wackligen Beinen auf. In seinem ganzen Soldatenleben hatte er nicht einen Toten gesehen, der so zugerichtet gewesen war - ausgenommen Menschen, die von Minen zerfetzt worden waren. Aber hier hatte es keine Detonation gegeben. Aus den Wunden zu schließen, konnte Da Zara nur annehmen, dass der arme Teufel von Krallen zerfetzt worden war.
»Hallo!«, rief eine Stimme, und Da Zara schwang mit der Waffe im Anschlag herum. Eine weiße Gestalt rannte auf ihn zu. Da Zara erkannte Dalu, den anderen Posten.
»Haben Sie gerufen, Captain?«, fragte Dalu auf Englisch mit Gurkha-Akzent.
Wortlos schüttelte Da Zara den Kopf. Er ging zur Seite und deutete auf den toten Ang.
»Aiyeee!«, rief Dalu. Er fiel auf die Knie und schnatterte aufgeregt im Gurkha-Dialekt los. Dann fasste er sich wieder. Er betastete den Lauf der Waffe des Toten. »Kalt«, stellte er fest. »Wir hörten auch keine Schüsse, nur Geschrei!« Einen Moment wandte er die Augen zu dem toten Ang, dann blickte er rasch fort.
»Wie konnte das geschehen, Captain?«, fragte er. Da Zara gab keine Antwort. Er überlegte, was er jetzt tun musste. Die Basis musste alarmiert werden, man musste sofort die Wachen verstärken und Streifen ausschicken. Ja, Streifen, welche die Wachtposten unterstützen konnten...
Da Zara wandte sich an den Sherpa »Dalu...«
Aber Dalu hatte sich aufgerichtet und schritt aufmerksam durch den Schnee. Da Zara hatte Angst, der Mann könne in der Dunkelheit abstürzen. Er folgte in dessen Fußstapfen. Aber ehe Da Zara ihn erreicht hatte, kniete Dalu nieder und deutete auf den Boden. Im lockeren Neuschnee erkannte man Abdrücke. Riesige, fünfzehige Abdrücke. Über ein Dutzend. Zwei Abdrücke waren etwas tiefer, als wäre von hier aus jemand mit einem gewaltigen Sprung auf die höhergelegenen Felsen gesprungen.
»Yeti!«, sagte Dalu.
»Yeti«, wiederholte Da Zara das Gurkha-Wort, das den sagenhaften Schneemenschen des Himalaya bezeichnete.
Zweites Kapitel
Der Bericht von Basis 1 war per Mikrowellen an Mr. Merlins Hauptquartier auf Makaluha gesandt worden.
Samson hatte sich in seinem Bungalow aus dem Bett gerollt. Es dauerte fast fünf Minuten, ehe er die Bedeutung der Nachricht erfasst hatte, die sein aufgeregter Adjutant ihm gemeldet hatte. Aber als er den Sinn kapiert hatte, brüllte Samson etliche Befehle und raffte sich auf.
Eine seiner Anweisungen lautete, sofort Mr. Merlin zu wecken. Der richtete sich auf: ein großer, weißhaariger Mann, dessen Beine kraftlos über die Bettkante baumelten. Seit 1918 war Mr. Merlin gelähmt.
»Ja?«, fragte er mit tiefer Stimme.
»Sir, eine Nachricht von Basis 1. Sie wurden angegriffen«, stammelte Samsons Adjutant.
»Angegriffen?«
»Eine kleine Attacke«, sagte der Mann eilig. »Nur ein Mann wurde getötet. Aber...«
»Aber?«, raunzte Merlin.
»Der General wollte, dass Sie Bescheid wüssten, weil es so komische Begleitumstände gibt.«
»Also!«
»Sir«, sagte der Mann hilflos, »Rogers meldet, dass der Sherpa von einem... Dass der Sherpa von einem Schneemenschen getötet wurde!«
Merlin starrte auf den Telefonhörer in seiner Hand. War Samsons Adjutant betrunken? »Das meldet Rogers?«, fragte er ungläubig.
»Jawohl. Ich habe die Meldung vor mir liegen, Sir, ich kann sie Ihnen vorlesen.«
»Nein!«, sagte Merlin. »Geben Sie sie an mein Büro weiter. Und wecken Sie Polly.«
Mr. Merlin drückte auf den Knopf in der Armlehne; summend rollte ihn sein Elektrokrankenstuhl hinüber an seinen Schreibtisch.
Eine große, hübsche Frau kam barfuß ins Zimmer. Ihr grüner Morgenmantel verbarg kaum ihre ansehnlichen Kurven. Merlin sagte: »Zieh den Vorhang vor das grelle Licht. Wir haben zu arbeiten.«
»Sei doch nicht so verdammt autoritär um halb sechs morgens«, maulte Polly Perkins. Über zwanzig Jahre war sie Merlins Geliebte gewesen. Die Leidenschaft war zwar vorüber, aber sie hingen aneinander.
Mr. Merlin gab ihr einen Klaps aufs Hinterteil. Ungerührt ging Polly hinüber zur Kontrolltafel und drückte auf den Knopf, der die Vorhänge zuzog. »Was möchtest du frühstücken?«, fragte sie.
Merlins Augen überflogen die vor ihm liegende Meldung. Er gab keine Antwort.
»Frühstück?«, fragte Polly nun etwas lauter.
»Spiegelei auf Schinken«, knurrte Merlin und las mit wachsendem Erstaunen die Nachricht.
Jetzt las auch Polly das Blatt und legte es wieder auf den Schreibtisch.
»Gib mir...«, begann Merlin.
»...alle Computerangaben über Yetis?«, vollendete sie den Satz. Sie verließ den Raum, und Merlin hörte sie nebenan telefonieren. Die Leute im Computerraum waren noch nicht ganz fertig. Es dauerte zwanzig Minuten, ehe die Angaben auf dem Bildschirm an Merlins Schreibtisch aufleuchteten.
Sie besagten kaum mehr als das, was in den Zeitschriften bisher über Yetis erschienen war. Mr. Merlin war Wissenschaftler und außerdem Realist. Die Mischung aus Spekulationen, Mutmaßungen und Geheimnis ärgerte ihn. Die Angaben begannen mit einer umständlichen Schilderung der alten Legenden über den Schneemenschen: Angeblich war der Yeti ein riesiger, menschen- oder affenähnlicher Gigant, der in den oberen Regionen des Himalayas hauste, weit fort von bewohnten Gebieten. Und der Yeti war bösartig. In jedem Sherpa-Dorf kursierten Gerüchte über verschwundene Leute und gerissenes Vieh. Und stets hatte man dann Yeti-Spuren entdeckt. Den Sherpa-Erzählungen waren schließlich auch ernsthaftere Geschichten aus dem Westen beigefügt. Danach gab es drei Theorien.
Nummer 1: Es hatte nichts mit dem Yeti auf sich. Die angeblichen Begegnungen und auch die Fotos seiner Spuren waren Unsinn. Alles über den Yeti war reine Einbildung.
Nummer 2: Es war doch was dran an den Geschichten. Die Fußabdrücke stammten von großen Affen oder Bären, die hoch im Gebirge lebten. Und die ungewöhnliche Form der Abdrücke war durch schmelzenden Schnee oder durch Verwehungen entstanden.
Nummer 3: Es gab den Yeti tatsächlich. Irgendwo im Himalaya hauste eine unbekannte Gattung Menschenaffen oder gar menschenähnliche Wesen, die es verstanden, sich allen Nachforschungen geschickt zu entziehen.
Als geschulter Wissenschaftler und Realist entschied sich Merlin für Theorie Nummer 1.
Aber Rogers, Kommandeur von Basis 1, war ein zuverlässiger und gescheiter Mann, ebenso sein Sicherheitsoffizier Da Zara. Beide hatte Merlins Stabschef Samson, ein pensionierter Vier-Sterne-General, sorgfältig ausgesucht. Wenn Rogers und Da Zara den Tod eines Mannes unter Hinweis auf einen Yeti meldeten, war das Grund genug, darüber nachzudenken. Merlin schnitt eine Grimasse und stellte sich vor, was für Schwierigkeiten Rogers und Da Zara in den nächsten Tagen mit ihren Sherpas bekommen würden, wenn sich die Yeti-Sache erst herumgesprochen hatte.
Mr. Merlin trommelte mit den Fingern. Wie konnte man die Sherpas beruhigen? Wenn die Wachmannschaften verschreckt wurden, war Basis 1, sein Schlüsselposten in Asien, in ernster Gefahr. Merlin dachte nach. Er war kein impulsiver Mensch. Und er wusste, dass unnütze Aufregung immer schadete. Meist ereignete sich das Allerschlimmste doch nicht. Und oft schon hatten sich Probleme von selbst wieder erledigt. Laut sagte er: »Man muss abwarten. Erst mal gar nichts unternehmen.« Er wollte seine Entscheidung so lange aufschieben, bis er Fotos und andere Unterlagen aus Nepal erhalten hatte.
Jetzt hörte er wieder Pollys Stimme. Sie telefonierte immer noch im Nebenzimmer. Er trank gerade den letzten Schluck Tee, als sie mit ihrem Stenoblock hereinkam. »Eine neue Meldung von Basis 1«, sagte Polly Perkins ruhig. »Ein zweiter Sherpa, zunächst vermisst, ist gefunden worden. Tot. Seine Leiche war ebenso grauenhaft zugerichtet wie die andere. Man hat noch mehr Yeti-Spuren entdeckt.«
Mr. Merlin nickte. Sein Gesicht wirkte verbissen, eine Weile stieß er Flüche und Verwünschungen aus. Polly wartete, bis sich der Sturm wieder gelegt hatte. »Noch was: Rogers meldet Panik unter den Nepalesen, besonders unter den Sherpa-Frauen. Er will, dass wir etwas unternehmen. Und zwar rasch!«
Mr. Merlin grollte. »Etwas unternehmen«, wiederholte er. »Verdammt! Ein großes Problem, das ich da beim Frühstück lösen soll.«
Polly lächelte freundlich, den Bleistift in der Hand, und wartete auf seine Entscheidung.
Merlin schüttelte den Kopf. Er brauchte Zeit zum Nachdenken. Er winkte Polly hinaus.
Mr. Merlin - das war nicht sein richtiger Name - verabscheute die Öffentlichkeit. Wäre dem nicht so gewesen, dann hätte er mit Fug und Recht den Titel »reichster Mann der Welt« für sich beanspruchen können. Aber das war nicht sein Stil. Er hielt sein Privatleben geheim. Manchmal sagte er scherzhaft zu Polly: »Ich könnte J. Paul Getty oder Howard Hughes noch beibringen, wie man in der Verborgenheit lebt. Beide könnten von mir lernen!«
Alles, was die Welt von ihm wusste, war die Tatsache, dass er ein Multimillionär mit Abscheu vor Publicity war. Eine sehr einflussreiche Person, aber vor allem unheimlich reich. Mr. Merlins Großvater war schlimmer gewesen als all die Geldbarone Amerikas im 19. Jahrhundert. Schlimmer als alle zusammen. Und erfolgreicher. Wenn die übrigen dem Dollar nachjagten, hatte Merlins Großvater immer im Verborgenen sein Geld gescheffelt. Und das machte er so brutal, wie es in jener Zeit der Eisenbahnen und Dampfschiffe üblich war. Er hinterließ seinem Sohn hundert Millionen Dollar. Und Mr. Merlins Vater hatte seinem Sohn fünfhundert Millionen vererbt. Mit diesem Vermögen im Rücken hatte es Merlin nie sonderlich interessiert, noch mehr zu verdienen. Es lief einfach automatisch und vermehrte sich wie von selbst. Er wusste nur ungefähr über seinen Besitz Bescheid. Wie viele Milliarden er hatte, konnte er nicht sagen. So hatte er sich ein- für allemal aus dem Finanzleben zurückgezogen.
Im Jahr 1917 war er zu den Ledernacken eingezogen worden. Er hätte natürlich den Krieg hinter einem sicheren Schreibtisch in einem Washingtoner Ministerium verbringen können. Stattdessen meldete er sich zum Fronteinsatz nach Frankreich. Während der Ardennenkämpfe zerschmetterte ihm ein deutsches Geschoss die Wirbelsäule. Seitdem konnte er nicht mehr gehen.
Alice, seine Frau, war das einzige Mädchen, das er wirklich geliebt hatte. Aber sie starb qualvoll an Krebs. Nur Dr. Fortesque wusste, dass Merlin ihr schließlich eine Überdosis Morphium gegeben hatte, um sie zu erlösen.
Mr. Merlin ähnelte einem Renaissance-Menschen. Er war auf jeden Fall ein Paradoxon, in mancher Beziehung völlig harmlos, andererseits ein gerissener Fuchs. Obgleich er Atomphysik studiert hatte, freute er sich über Märchen und sah sich Disneyfilme an. Er beherrschte acht Sprachen in Wort und Schrift. Er hatte das Bhagavad-Gita ins Englische übersetzt. Als Hobby hatte er Kriminalromane geschrieben, die Bestseller wurden, natürlich unter falschem Namen, unter dem er auch den Verlag gekauft hatte, der diese Bücher herausbrachte.
Das Haus mit den vierzig Zimmern, das sich Merlin auf dem Makaluha - einem erloschenen Vulkan auf seiner Privatinsel vor Hawaii - gebaut hatte, war das Hauptquartier seiner weltweiten Geheimdienstorganisation. Ohne Profit arbeitete er zum Nutzen der Vereinigten Staaten und der ganzen westlichen Welt.
Denn Mr. Merlin war ein überzeugter Patriot.
Nur zwei Menschen außer Merlin selbst wussten diese Dinge - der Präsident der USA und sein Verteidigungsminister. Energisch biss Mr. Merlin auf seine Zigarre. Jetzt musste etwas geschehen, um die Sache in Basis 1 wieder in Ordnung zu bringen Er nahm die Zigarre aus dem Mund. »Polly! Bring deinen Block!«, rief er.
Sie kam lächelnd herein. Seine manchmal grobe Art verletzte sie nicht, denn sie mochte ihn.
»Verschlüsselte Nachricht an Basis 1. Muss sofort hinaus!«, sagte Mr. Merlin. »Dringlichkeitsstufe 1. Merlin an Kommandeur von Basis 1. Einsatz aller Mittel, um angeblichen Yeti zu fangen oder zu töten. Erlaube auch riskante Einsätze aller Kaukasier. Sherpas brauchen sich nicht zu beteiligen, falls sie nicht wünschen. Wenn für das Unternehmen dienlich, muss auch Beschädigung von Basis 1 in Kauf genommen werden.«
Sie las es nochmals vor. »Ist das genau der Wortlaut?«
»Selbstverständlich!«
»Streich das angeblich bei Yeti weg. Es klingt, als glaubtest du Rogers und Da Zara nicht.«
»Verdammtes Frauenzimmer. Wer hat hier zu befehlen?«
»Du.«
»Gut! Dann nimm jetzt das Tablett fort und lass mich arbeiten.«
Sie holte das Tablett. Noch ehe sie die Tür erreicht hatte, rief er murrend: »Also gut. Du hast Recht. Streich das Wort angeblich!«
Drittes Kapitel
Die vier Männer aßen ihr Abendbrot am großen Schreibtisch in Rogers Büro. Rogers, Kommandeur von Basis 1, aus der Kadettenschule West Point hervorgegangen, ehemaliger Fallschirmjägeroffizier unter General Samson in Korea, war verwundet und hochdekoriert aus der Armee ausgeschieden.
Sein Stellvertreter Tinsdale war ein blasser, blonder Brite, der sich ebenfalls in Korea hervorgetan hatte. Schoendienst, Da Zaras Untergebener, sah man deutlich an, dass er seit achtundvierzig Stunden ununterbrochen im Dienst gewesen war. Der breitschultrige Riese hatte die Armee nach dem Vietnamkrieg verlassen.
»Also Sie sind gegen den Einsatz der Hubschrauber, Antonio?«, fragte Rogers.
»Si, colonello.«
»Wir können vier Helikopter in wenigen Stunden bereitstellen«, meinte Tinsdale. »Zwei könnten dann ständig über der Basis kreisen und jede Bewegung aus der Luft beobachten.«
»Aber die Maschinen können doch auf keinen Fall ununterbrochen kreisen, oder?«, fragte Da Zara.
»Ja, aber...«, sagte Tinsdale.
»Ich bin für Captain Da Zaras Plan. Er gibt uns mehr Spielraum«, sagte Schoendienst mit ärgerlicher Stimme.
Tinsdale hieb mit der Faust auf den Tisch. »Ich bin dafür, den Burschen Saures zu geben. Wenn die Hubschrauber über der Basis kreisen und hier unten alle Scheinwerfer brennen, merken wir jede Annäherung. Dann können wir ein- für allemal mit den Yetis aufräumen!«
Rogers nickte verständnisvoll und sah zu Da Zara hinüber. Der große Ex-Fallschirmjäger nahm an der Diskussion kaum teil, nur gelegentlich stellte er ein paar Fragen. Da Zara wusste, dass Rogers mit seinem eigenen Vorschlag erst herausrücken würde, wenn alle anderen ihre Vorschläge geäußert hatten.
»Keine Ihrer Ideen hält sich an die Anweisungen von Mr. Merlin«, meinte Da Zara.
»Mit ein bisschen Glück könnten wir einen gefrorenen Yeti nach Makaluha bringen«, meinte Tinsdale hartnäckig. Da Zara nickte und schnitt sich ein großes Stück von seinem Steak ab.
Rogers warf ein: »Die Vorschrift lautet, alle Mittel einzusetzen, um einen Yeti zu fangen oder zu töten.«
»Eben«, sagte Tinsdale. »Wir sollen alle Mittel einsetzen. Alle. Warum dann nicht die Hubschrauber?«
Da Zara kaute auf seinem Fleisch. Eigentlich hatte er keinen Hunger. Aber er musste nachts hart ran, da wollte er seinem Körper auf Vorrat Nahrung zuführen. »Ich glaube, wir sollten weiter wie die Spinne im Netz lauern. Mit etwas Glück kommen wir heute Nacht an einen Gefangenen.«
»Sehr zweifelhaft, Antonio«, meinte Tinsdale. »Wir haben in zwei Nächten vier Leute verloren...«
Da Zara nickte grimmig. Noch zwei Sherpas waren tot aufgefunden worden.
»Wie lange können Sie bei diesen Verlusten noch Ihre Mannschaft Zusammenhalten?« protestierte Tinsdale. »Ich finde diese Nepalesen sehr gut, aber sie sind nun mal Primitive. Und diese Todesfälle treffen sie an ihrem wundesten Punkt - sie glauben an Geister.«
Das war es. Da Zara hatte die Furcht in den Augen seiner sonst so mutigen Gurkhas gesehen. Falls nochmals so etwas passierte, würden sie mit ihren Frauen auf- und davonlaufen. Er brauchte keine Antwort zu geben, denn es klopfte.
Der junge Mann, der draußen im Vorzimmer arbeitete, kam herein und brachte Da Zara ein Paket in braunem Ölpapier. »Das kommt aus der Waffenkammer. Für Sie, Captain.«
Da Zara wickelte das Paket aus. Es enthielt eine riesige Pistole.
»Großer Gott«, sagte Tinsdale. »Was ist denn das für eine Waffe, Antonio?«
»Eine .44er Ruger Magnum«, sagte Da Zara und betrachtete die Stahlöse, die er in der Werkstatt hatte anschweißen lassen. Später wollte er die Waffe mit einem Brustriemen unter der Schulter tragen, damit er sie beim Handgemenge im Schnee nicht verlor.
»Keine große Treffsicherheit«, sagte er zu Tinsdale. »Aber keine Handfeuerwaffe der Welt hat eine größere Durchschlagskraft.« In der Tasche seiner Parka hatte Da Zara ein Dutzend Kugeln, vorn wie Dumdumgeschosse abgefeilt.
»Die da ziehen Sie der finnischen Maschinenpistole vor?«, fragte Schoendienst.
Da Zara nickte. »Eine 7,65er Kugel aus der Suomi stoppt jedes Lebewesen, selbst einen Elefanten, wenn man alle siebzig ins Ziel bringt. Aber auf kurze Distanz, wenn man vielleicht nur einmal feuern kann - tja, ich habe eben Vertrauen in diese Kanone«, sagte Da Zara achselzuckend.
Rogers lächelte. »Dann machen wir es also, wie Captain Da Zara vorschlägt. Für die nächsten paar Nächte gilt: keine erkennbaren Vorbereitungen, unauffällig die Posten verstärken und alle Männer mit Signalpistolen ausrüsten. Wir erwarten weitere Angriffe und müssen vorbereitet sein. Inzwischen beruhigen Sie die Nepalesen, Gordon. Und wie Schoendienst vorschlug, sollen zwei Abteilungen Gurkhas im Bereitschaftsraum bei den Hangars warten.«
Rogers blickte in die Runde, wartete, ob jemand noch eine Frage hatte. Dann stand er auf. »Ich bin im Kommandoraum«, sagte der hochgewachsene Oberst und verließ das Zimmer.
»Ich gehe zu den Hangars.« Tinsdale ging ebenfalls. Über die Schulter rief er Da Zara zu: »Viel Glück, Antonio.«
Dankbar lächelte Da Zara. Zu dem ermüdeten Schoendienst sagte er: »Sie schlafen sich erst mal aus, mein Freund.«
Erleichtert zog sich Schoendienst zurück. Nun allein, kaute Da Zara bedächtig das Steak weiter. Seine Augen wanderten zu der großen, hässlichen Pistole hinüber. War seine Entscheidung richtig? Konnte ihn diese Waffe besser schützen als die MP? Da Zara seufzte. Wie sollte ein Soldat realistische Vorbereitungen treffen, wenn sein Gegner ein Fabelwesen war?
Stunden später machte Da Zara seinen Kontrollgang. Er musste sich auch bei den entlegenen Posten zeigen, um die Sherpas zu ermutigen. Nur die kühnsten unter ihnen hatten sich für die Außenposten gemeldet. So einer war auch Pasang, der nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt stand. Aufmerksam spähte der Sherpa ins Tal hinab.
Da Zara wusste, dass angreifende Yetis diesmal nicht so entkommen konnten wie in den Nächten zuvor. Diesmal war man zu ihrem Empfang gerüstet.
Da Zara hatte das Ende seines Kontrollabschnitts erreicht. Er wandte sich um und ging mit der Waffe in der Hand in seiner eigenen Spur zurück zu Pasang. Der kam auf den Offizier zu: »Nichts Neues, Da Zara Sahib«, sagte der Sherpa.
»Gut«, antwortete der Italiener, »aber bleib wachsam!«
Pasang nickte heftig. Da Zara erinnerte sich daran, dass der Sherpa aus demselben Dorf stammte wie Ang Tharkay, der Mann, der als erster getötet worden war. Pasang würde auch ohne Aufforderung auf Posten sein, denn er hätte nur zu gern einem Yeti das Magazin seiner MP in den Pelz gejagt. Der Gurkha nickte noch einmal und wandte sich ab. Auch Da Zara nahm seinen Marsch wieder auf. Wind kam auf, und Schnee rieselte vom Himmel. Erst in einzelnen Flocken, dann in Massen.
Hier oben konnte sich ein Angreifer unbemerkt bis auf ein paar Meter an ihn heranmachen, das wusste Da Zara. Und er fragte sich wieder, ob es richtig gewesen war, die Magnum zu wählen. Sicher, ihre Durchschlagskraft war einmalig. Aber wenn er mit dem ersten Schuss sein Ziel verfehlte, würde er Bruchteile von Sekunden brauchen, ehe er wieder abdrücken konnte. Sekundenbruchteile, die über sein Leben entscheiden konnten. Da Zara verscheuchte die sinnlosen Gedanken und spähte durch den wirbelnden Schnee. In der Dunkelheit da draußen lauerte vielleicht schon die Gefahr.
Da Zara war fast drei Stunden lang Streife gegangen, als er das Geräusch zum zweiten Mal in seinem Leben hörte - ein seltsames Kratzen von Stahl auf Felsen. Es war genau dasselbe Geräusch, das er in jener Nacht gehört hatte, in der Ang Tharkay gestorben war.
Bei dem Schneegestöber war es unmöglich, die Richtung zu bestimmen, aus der das Kratzen an seine Ohren gedrungen war. Da Zara fragte sich, kam es von unterhalb, rechts von ihm? Er entsicherte die Magnum und hielt sie mit beiden Händen. Der Mann wartete darauf, dass sich das Geräusch wiederholte, um sofort Pasang über Sprechfunk zu alarmieren. Aber er wollte jetzt nicht gleich alle Posten aufschrecken, immerhin konnten ihm seine angespannten Nerven auch einen Streich gespielt haben.
Da Zara tastete sich vorsichtig voran und zählte dabei seine Schritte. Nur ein paar Meter trennten ihn vom Abgrund. Plötzlich zerriss ein Schrei die Luft, gellend vor Entsetzen und tödlicher Angst. Da Zara wirbelte herum, rannte den Abhang hinauf, aber der Schnee behinderte ihn und machte ihn unbeholfen.
Aus dem Gestöber tauchten zwei Gestalten auf. Er sah deutlich, dass sie miteinander kämpften. Der Kleinere trug einen weißen Tarnanzug - und der andere war ein menschenähnlicher Riese mit unheimlich langen Armen. An seinem breiten Schädel waren keine Ohren. Sein Pelz war mit Schnee bestäubt.
Aus zehn Schritt Entfernung feuerte Da Zara. Der Yeti schleuderte die kleine Gestalt beiseite. Und dann kam das Ungetüm geradewegs auf Da Zara zu. Es brüllte, schnaubte und versuchte, nach der Waffe zu greifen. Schließlich sprang es Da Zara mit einem gewaltigen Satz an. Der Captain machte zwei Schritte rückwärts, stürzte zu Boden, aber genau das rettete ihm das Leben. Unglaublich, aber der Yeti überwand die Distanz mit einem einzigen Satz, obwohl er Da Zaras Kugel im Leib hatte. Auf dem Rücken liegend, schoss der Mann noch einmal, als das Wesen dicht an ihm vorbeistürzte. Der schwere Körper rollte den Abhang hinab und kippte über den Rand der Klippe. Da Zara hörte die grässlichen Geräusche, die der Yeti machte, als er im Fall gegen Felsen stieß.
Da Zara rappelte sich auf und rannte durch den Schnee zu Pasang hinüber. Der Sherpa lag im Sterben. Aus hässlichen Wunden in Brust, Hals und Armen strömte das Blut, aber Pasang konnte noch sprechen. Da Zara beugte sich über den Nepalesen.
»Yeti - riecht nicht - «, flüsterte er. Da Zara merkte, dass Pasangs Augen brachen. Es ging zu Ende. Aber noch im Sterben stieg plötzlich neue Furcht in den Augen des Sherpas auf.
Instinktiv schnellte sich Da Zara nach links. Er spürte eine Bewegung hinter sich - ein zweiter Yeti! Mit ausgestreckten Armen, an den Händen riesige Klauen, kam er näher. Mit einem Satz war Da Zara hoch, sprang mit seiner ganzen Kraft und beiden Stiefeln gegen ein Knie des Ungeheuers. Ihm war, als wäre er gegen Granit gesprungen. Da Zara stürzte wieder und riss im Fallen an dem Riemen der Magnum.
Der Yeti flog durch die Luft und landete mit seinen krallenbewehrten Füßen genau an der Stelle, wo gerade noch Da Zaras Brust gelegen hatte. Aber mit unheimlicher Geschwindigkeit richtete er sich wieder auf und fletschte die Fangzähne. Da Zara umklammerte seine Waffe mit beiden Händen und setzte ein Dumdumgeschoss genau in die breite Brust des Angreifers. Doch das grauenhafte Wesen schüttelte sich nur und stierte Da Zara aus seltsam leeren Augen an. Dann kam es wieder auf den Mann zu. Da Zara setzte die Pistole auf die Brust des Yetis und drückte noch einmal ab. Das Ungeheuer zuckte zusammen, machte aber noch einen Schritt nach vorn. Auch seine letzte Kugel schoss Da Zara dem Yeti mitten in die Brust. Dann ließ er sich auf die Knie nieder, suchte fieberhaft nach den Extrakugeln in seiner Tasche. Auch der Yeti war in die Knie gebrochen. Seine Klauen griffen an die blutende Brust. Der Pelz hatte sich gerötet. Dann schlossen sich die furchtbaren Augen, und der Yeti sank mit dem Gesicht zuerst in den Schnee.
Der ganze Berg war jetzt hell erleuchtet. Überall stiegen gelben Leuchtkugeln auf. Da Zara lud erst seine Waffe neu, ehe er nach dem Sprechfunkgerät an seinem Gürtel langte. Er zitterte, aber er schämte sich dessen nicht. So hautnah war Da Zara dem Tod noch nie gewesen.
Er hörte Hubschrauber über sich kreisen und rief mit krächzender Stimme in das Gerät: »Da Zara auf Posten 17. Sanitäter hierher!« Sekunden später hörte er Schoendienst: »Verstanden, Antonio. Wir kommen sofort.« Jetzt wandte sich Da Zara Pasang zu. Aber in der zerschmetterten Brust des Sherpas war kein Funken Leben mehr. Da Zara zog einen Handschuh aus und fühlte nach dem Puls des Mannes. Nichts. Dann hob er ein Lid - aber in den Augen stand nur die große Leere.
Er nahm die Hand wieder von Pasangs Gesicht und seufzte. Fünf Tote in drei Nächten. Musste man mit weiteren Angriffen rechnen? Wie viele Yetis lauerten noch draußen? Oder waren nur diese beiden unterwegs gewesen?
Ein Helikopter kam tiefer und tauchte den Schnee ringsum in grelles Licht. Eine Minute später stob ein Jeep den Bergweg herauf. Schoendienst und vier Sherpas rannten durch den tiefen Schnee zu ihm.
»Sind Sie verletzt?«, fragte einer der Nepalesen. Da Zara schüttelte den Kopf und deutete auf den Toten vor sich. »Ich habe zwei von den verdammten Untieren erledigt. Einer stürzte die Klippen hinunter, morgen suchen wir ihn. Der andere liegt dort drüben.«
Er führte Schoendienst zu dem toten Yeti. Die Kreatur war riesengroß - fast zwei Meter - und mit rötlich schwarzem Pelz bedeckt. Der Kopf ähnelte dem eines Mongoloiden, war glattrasiert und hatte da, wo die Ohren hingehörten nur rosige Haut.
Die vier Sherpas standen furchtsam herum. Schoendienst sagte: »Die Ärzte wollen sicher einen Blick auf ihn werfen, ehe er steifgefroren ist.« Aber er musste die Nepalesen barsch anfahren, ehe sie das Ungeheuer an Armen und Beinen packten. Murrend hoben sie den schweren Körper hoch. Einer der Männer stolperte dabei rückwärts und hatte plötzlich ein Stück Yeti-Pelz in der Hand. Angewidert warf er es fort. Aber Schoendienst und Da Zara eilten hinzu und hoben das Fellstück auf. Es ähnelte einem Handschuh - hatte aber vorn Löcher, damit die Klauen hindurchpassten.
Sie hoben die Hand des toten Ungeheuers an. Um das Handgelenk lag ein Metallband. Von da aus gingen fünf Drähte zu den vier Fingern und dem Daumen, die alle mit riesigen Klauen bewehrt waren.
»Zum Teufel«, fluchte Schoendienst. »Zum Teufel, was ist das bloß?«
Viertes Kapitel
»Wie soll ich zwei dieser Körper von Nepal nach Kalifornien transportieren? Vor allem: ohne Hilfe und Wissen der Regierungen beider Länder? Das ist unmöglich!«, sagte Lynch.
»Auf den ersten Blick«, lächelte Mr. Merlin. »Aber Baker braucht die Yetis dringend«, meinte General Samson zu seinem Adjutanten und stieß dicke Rauchwolken aus seiner Pfeife.
»Aber...«, sagte Lynch.
»Haben Sie den Kurier bereit, der die Fotos und Tonbänder mitnehmen soll?«, fragte General Samson.
»Jawohl, Sir.«
»Baker weiß schon Bescheid«, sagte Merlin. »Er ist versessen darauf, das Material auszuwerten. Aber er weiß natürlich, wie schwer wir es mit dem Transport der beiden Leichen haben.«
»Wir werden uns was einfallen lassen«, lenkte Lynch ein.
»Unmögliches erledigen wir sofort«, grinste General Samson.
»Wunder dauern etwas länger«, ergänzte Mr. Merlin den bekannten Spruch. Vergnügt schaute er die beiden Männer an. »Lasst uns jetzt ein wenig ausruhen. Es war ein langer Tag.«
Die Männer erhoben sich. Samson, der ehemalige Vier-Sterne-General und jetzige Stabschef, schüttelte Merlin die Hand. »Das kann man wohl sagen«, meinte er. Dann gingen sie.
Mr. Merlin schloss die Augen und rieb sich die Nase. Seit zwanzig Stunden, seit die Nachricht von Basis 1 eingegangen war, dass es Da Zara gelungen sei, zwei Yetis zu töten, hatte er an seinem Schreibtisch gesessen.
Den ganzen Tag über war eine Unmenge neuer Meldungen eingegangen. Als Wichtigstes ging daraus hervor, dass die Yetis Menschen waren. Zwar hatte man sie durch chirurgische Eingriffe verändert und vor allem ihre Kräfte vervielfacht, aber es handelte sich um Menschen. Die wichtigsten Körperstellen, Schädel, Bauch und Brust, waren durch Plastikplatten geschützt.
Alle paar Minuten waren dann weitere aufregende Berichte von der Obduktion in Basis 1 bei Merlin eingetroffen. So hatte man herausgefunden, dass der Verdauungstrakt der Yetis entfernt und durch einen ausgeklügelten, künstlichen Versorgungsspeicher ersetzt worden war. Ein autarkes Stoffwechselsystem sorgte dafür, dass die Ungeheuer ohne Flüssigkeitsverlust leben konnten. Elektronische Schrittmacher unterstützten Herz und Lungen, während die Augen durch Miniaturkameras ersetzt worden waren. Schließlich hatten die Yetis an Stelle der Ohren Parabolmikrophone.
Mr. Merlin und sein Stab waren von einer Überraschung in die andere gestürzt, wenn wieder eine neue Nachricht von Basis 1 die Dechiffriermaschine in Makaluha passiert hatte. Und es war schon Nacht, als endlich der Kurier mit dem Film- und Tonbandmaterial in Hawaii eingetroffen war. Erst danach konnten Merlin und seine Leute das Problem richtig studieren.
Die erste Entscheidung lautete: sofort eine Ladung Magnums, .45er Colts und Thompson-MPs an Basis 1.
Mr. Merlin erinnerte sich, dass er mit einem Blick auf die gewaltigen Yeti-Leichen gesagt hatte: »Vielleicht reichen .45er Kaliber nicht mal aus. Möglicherweise brauchen die da oben Elefantenbüchsen!«
Entscheidung Nummer zwei hieß, Dr. Baker in das Geheimnis einzuweihen. Baker war schon seit Jahren einer der Gefolgsleute von Mr. Merlin. Dieser hatte über Funk mit ihm gesprochen und ihn vorinformiert. Baker war genau der richtige Mann - Doktor der Medizin und Biophysik. Ungeduldig würde Baker jetzt darauf warten, endlich an seine Aufgabe gehen zu können.
Die dritte Entscheidung musste erst noch gefällt werden: Wie schmuggelte man die Yetis aus Nepal heraus und in die USA zu Dr. Baker?
Im Gegensatz dazu war die vierte Entscheidung umso leichter zu. treffen: die Lage erforderte unbedingt den sofortigen Einsatz von John Eagle, Prototyp des modernen Agenten.
Mr. Merlin seufzte und drückte auf eine Sprechtaste. »Polly, ist der Kurier schon draußen?«
»Er wartet hier.«
»Lass ihn noch warten und komm zu mir.«
Mr. Merlin hatte das ganze Material über die toten Yetis samt Obduktionsbefunden vor sich aufgebaut. Er macht eine Handbewegung danach und meinte zu Polly: »Pack alles in ein Kuvert, versiegle es und steck es in den Kurierkoffer, den Lynch mitgebracht hat.«
Beim Zusammenpacken fiel Pollys Blick auf das Farbfoto eines der toten Yetis. Hastig blickte sie wieder fort. Bald war alles verschnürt, und Polly steckte das Paket in den Lederkoffer mit Schnappschloss. Am Metallbügel des Koffers war eine Kette befestigt, die in einer Art Handschelle endete.
»Jetzt bring ihn rein«, sagte Merlin.
Mit einem Lächeln bat Polly den Mann herein. Er war mittelgroß, dunkelhaarig und etwa Mitte Zwanzig.
»Sie heißen?«, fragte Mr. Merlin.
»Grimes, Sir.«
»Gut, Grimes, Sie werden für uns nach Kalifornien fliegen. Allerdings nicht lange dort bleiben. Morgen Nachmittag müssen Sie wieder zurück sein.«
Grimes nickte wortlos.
»Am Flughafen erwartet Sie ein Wagen, der Sie dann zu einem bestimmten Hotel bringen wird. Dort treffen Sie Mr. Goodrich, Ihren Kontaktmann. Er hat den Schlüssel für Ihr Anhängsel.« Merlin rieb sich die Stirn. »Den Mann, dem Goodrich den Kofferinhalt gibt, werden Sie nicht kennenlernen, obgleich er auf derselben Hoteletage wohnt wie Sie. Bis er das Material an Sie und Goodrich zurückgibt, werden sie beide ihn bewachen. Dann fliegen Sie und Goodrich hierher zurück - Sie mit dem Koffer am Handgelenk, Goodrich mit dem passenden Schlüssel.«
»Ja, Sir«, sagte Grimes. Als Mr. Merlin nichts weiter hinzufügte, trat er zu dem Koffer, ließ die Handfessel um sein Gelenk schnappen und ging, von Polly begleitet, hinaus.
»Was sind das für Kreaturen?«, fragte sie, als sie zurückkam.
»Cyborgs.«
»Und was sind - bitte schön - Cyborgs?«
»Das ist ein Kürzel - es bedeutet cybernetisch gesteuerte Organismen.«
»Cybernetisch?«, wiederholte Polly verständnislos. »Das hat wohl mit Computern zu tun, wie?«
»Eng sogar. Cybernetik ist die Wissenschaft von der Steuerung oder Regelung von Bewegungsabläufen in Technik, Biologie, Medizin und vielen anderen Fachgebieten, oft durch Computer.«
»Ach ja, vor einiger Zeit nannte man Computer doch Rechengehirne, ich entsinne mich noch daran.«
»Gut. Jedenfalls schlug damals jemand vor, in einen Menschen einen Computer einzubauen, um zu sehen, was passiert - mit dem Menschen natürlich, nicht mit dem Computer. Aber das war Spinnerei. Eine echte Sciencefiction-Idee. Niemand nahm das tatsächlich ernst.«
»Wegen ethischer Bedenken?«, fragte Polly.
»Natürlich. Das wäre doch so, als wollte man für die Verhaltensforschung mit Menschenbabys statt mit Schimpansen experimentieren. So etwas erwägen nur verbrecherische Gehirne.«
»Erzähl mir nichts mehr davon«, sagte Polly voller Entsetzen. »Bitte!« Sie blickte in sein müdes Gesicht. »Und leg dich jetzt schlafen, ja?«
Mr. Merlin sah sie vor Müdigkeit nur noch verschwommen. Da war doch noch etwas zu erledigen gewesen? Ach ja! »Verständige Samson, er soll morgen als erstes veranlassen, dass John Eagle alarmiert wird.«
»Soll auch Camp 3 verständigt werden?«, fragte Polly.
Es ging vielleicht alles rascher, wenn man gleich in Basis 1 begann, dachte Merlin. Laut sagte er: »Nein, jetzt noch nicht.« Er drückte auf den Motorknopf seines Rollstuhls und fuhr zum Aufzug.
Fünftes Kapitel
Das Harquahala-Gebirge ist hoch und trocken. Tagsüber brennt die Sonne erbarmungslos und taucht es in glühende Hitze. Nachts fallen die Temperaturen so stark, dass sie selbst im Sommer empfindlich kalt sind, ja sogar einen ungeschützten Menschen erfrieren lassen können.
John Eagle war ein Mensch und bis auf ein Baumwollhemd auch ungeschützt. Aber ihm machte die Kälte nichts, während er sein Pferd in dieser mondlosen Nacht den Berg hinabritt. Er war quicklebendig und freute sich darauf, dass bald vor ihm seine Ranch auftauchen würde.
Mit seinem Mustang »Sooty« war Eagle für drei Tage im Gelände gewesen. Für »Sooty« hatte er einen Sack Hafer mitgenommen, für sich nichts weiter als den Apachenbogen und Pfeile.
Egale war der Sohn eines schottischen Ingenieurs und einer adligen Engländerin. Aber erzogen worden war er indianisch. Seine Mutter war gleich nach der Geburt des Sohnes - fern ihrer Heimat, in Arizona - gestorben. Dort arbeitete ihr Mann beim Straßenbau. Eagles Vater hatte den Kleinen in die Obhut von White Deer gegeben, der Tochter eines Apachenhäuptlings. Und bei diesem Stamm wuchs der Junge nach dem Tod des Vaters auch auf.
Kein Wunder, dass er wie ein Apache fühlte.
Der Weiße in John Eagle hatte die moderne Ranch erbaut. Aber der Apache in ihm hatte dafür gesorgt, dass die Wände aus rohen, selbstgeformten Steinen hochgezogen wurden. Und es war der Indianer in ihm, der ihn unempfindlich gegen die Kälte machte und der sich nach ein paar Tagen im Freien dagegen sträubte, wieder in einem Haus leben zu müssen. Aber es war der Weiße in ihm, der John daran erinnerte, dass es auch Pflichten für ihn gab.
Er sprang vom Pferd und öffnete das Tor. Sooty brauchte nicht zum Stall geführt zu werden. Eagle schloss das Tor wieder und folgte dem Tier. Im Dunkeln rieb er es ab. Dann nahm er die Satteltaschen und ging zum Haus. Später, wenn sich das Pferd etwas abgekühlt hatte, wollte er es füttern.
Wie immer hatte er die Haustür unverschlossen gelassen. Er stieß sie weit auf und zündete mit einem Streichholz die Kerosinlampe an. Ihr gelbliches Licht brach sich in den blanken Bodenfliesen. Der Schein erhellte den spärlich, aber geschmackvoll eingerichteten Raum, an dessen Wänden indianische Gegenstände hingen, die Eagle ebenso liebte wie ein behagliches Feuer im Kamin. Dafür schätzte er weder Elektrizität noch Klimaanlage in seinem Haus.
Eine Wandseite war mit gutgefüllten Bücherregalen bedeckt. Hier stand auch Eagles Telefon. Er hatte es sich eigens in diese Einsamkeit legen lassen müssen. Wahrscheinlich war es überhaupt eines der teuersten Telefone in ganz Amerika gewesen. An das Telefon war ein Tonband angeschlossen, dessen weiße Lampe brannte. Das bedeutete: wichtige Nachricht, während ein rotes Lämpchen die normalen Gespräche meldete.
Eagle ging rasch hinüber und drückte auf einen Knopf. Erst ein Rauschen, Knistern - dann: »Eagle, hier ist Samson. Von jetzt ab stehen Sie auf Abruf.«
Also war es wieder soweit. Sie brauchten ihn für einen Einsatz. Und das vielleicht schon bald. Wahrscheinlich würde er nicht einmal mehr über Camp 3 eingewiesen werden. Aber oft war das ohnehin die größte Quälerei, schlimmer sogar als der Einsatz.
Eagle rieb sich das Kinn und dachte nach, was er jetzt zu tun hatte. Auf jeden Fall musste er hierbleiben. Allein. Also würde er die Verabredung, die er mit Ruth Lone
Wolf fürs Wochenende getroffen hatte, wieder absagen. Natürlich konnte er Ruth nicht die vierhundert Meilen mit ihrem Thunderbird von Albuquerque bis hier herauf rasen lassen, nur damit sie ihm beim Packen für eine seiner Blitzreisen nach Camp 3 oder Hawaii half. Also auf jeden Fall absagen. Und dann musste er seinem Nachbarn Tommy Long Hawk - auch einem Apachen - Bescheid geben, damit dessen Sohn sich um die Ranch kümmerte.
Eagle bereute es wirklich, Ruth wieder ausladen zu müssen. Von allen Frauen, die er je gemocht hatte, war sie ihm die liebste. Sie war halb Irin, halb Sioux-Indianerin. Und genau die Frau mit der Raffinesse einer Städterin, die der Weiße in John Eagle brauchte; andererseits war sie das einfache Mädchen, das der Apache in John liebte. Bei Ruth sorgte - wie früher bei White Deer - das Indianische dafür, dass sie keinen unnützen Fragen stellte, wenn er wieder plötzlich zu einem Einsatz geschickt würde.
Für seine Art Job brauchte Egale beides - das Können der Weißen und die Instinkte der Apachen. Wobei das Indianische in Krisen überwog. So konnte er einen Feind hundert Meilen pro Tag über schlechtes Gelände zu Fuß verfolgen - egal ob in Wüsten, im Gebirge oder im Dschungel.
John Eagle war genauso, wie sich Mr. Merlin seinen Prototyp vorgestellt hatte. Er entsprach dem Begriff einer Ein-Mann-Armee. Für seine besonderen Aufgaben war Eagle von Mr. Merlin in einem Spezialtraining gedrillt worden, das einen anderen Menschen vermutlich umgebracht hätte. Außerdem verfügte er über Waffen und Ausrüstung, die ihrer Zeit weit voraus waren.
Zwischen Eagle und Merlin bestand ein Vertrag, den der Apache bis in jede Einzelheit auswendig kannte. Danach bekam er für die fünf Jahre, die er als Protoagent arbeitete, jährlich hunderttausend Dollar. Sofern er am Ende der Laufzeit noch am Leben war, erwartete ihn ein Bonus von einer Million Dollar, dazu Landbesitz, ein hoher Orden, lebenslange Steuerfreiheit und noch vieles mehr.
Andererseits verpflichtete der Kontrakt ihn aber auch, fünf Jahre alle Aufträge - auch die gefahrvollsten - zu übernehmen, die Mr. Merlin bereithielt. Alle Einsätze leistete Eagle als Staatenloser; die Vereinigten Staaten würden nichts tun, um ihn vor Gefängnis, Folter oder Tod zu bewahren. Außerdem musste er absolutes Stillschweigen garantieren. Falls er sein Schweigen brach oder zu erfahren versuchte, wer sich hinter dem Namen Mr. Merlin verbarg, konnte das für ihn Tod oder lebenslange Einzelhaft bedeuten.
John Eagle hatte das Wort des US-Präsidenten, dass dieser Vertrag peinlich genau eingehalten würde.
Der Apache machte Feuer. Dann nahm er das Hirschfleisch aus der Satteltasche - er hatte das Tier draußen mit Pfeil und Bogen erlegt - und schnitt sich ein Steak ab. Als das Holz etwas heruntergebrannt war, legte er zwei Klötze nach. Dann ging er hinaus, um Sooty zu füttern. Er tätschelte dem Tier wie Abschied nehmend den Hals.
Sechstes Kapitel
Kalt und steif wachte Susan Blackwood auf. Und, ja, nackt. Also hatte man sie wieder in die harte Zelle gesteckt. Aber - wie lange war sie nun hier? War sie gestern Abend sofort eingeschlafen? Oder hatten sie sie schon gestern Nachmittag hergebracht? Wachte sie heute zum ersten Mal auf? War jetzt früher Morgen?
Energisch schüttelte sie den Kopf und setzte sich kerzengerade auf. Ein paarmal atmete sie tief durch, um die Panik zu bekämpfen. Sie musste jetzt ganz klar denken, sich erinnern. Falls sie den Überblick verlor, war das schon der erste Schritt zum Zusammenbruch, das wusste Susan noch aus den Agentenkursen zum Thema Gehirnwäsche.
Sie warf das dünne Laken fort und stellte sich in die kahle Zelle, die in Dr. Chens Bergfestung lag. Susan streckte die Arme, bis ihr die Schultern wehtaten. Dann zog sie - erst eins, dann das andere - die Knie bis zur Brust. Als die Muskeln schon etwas geschmeidiger waren, steigerte sie das Tempo. Nach fünfzehn Minuten Gymnastik atmete sie heftig. Die Haut ihres schlanken Körpers hatte sich gerötet, und sie begann zu schwitzen.
Susan krabbelte wieder unter das Laken. Ihr Kopf war jetzt klarer. Sie erinnerte sich auch wieder, dass die Wächter zu ihr in die »weiche« Zelle gekommen waren - vor sechs oder sieben Stunden. Man hatte sie gepackt und mit dem Aufzug ein Stockwerk tiefer gebracht.
In der harten Zelle hatten die Posten in militärischer Haltung dagestanden, während sie sich auszog - nur die Augen der Männer verrieten ihre Erregung. Aber so war es immer, wenn sie sich vor ihnen ausziehen musste, und nie blieb einer allein mit ihr. Ihr Körper war eine Überlebenschance für sie. Und sie hätte sich bei günstiger Gelegenheit ohne weiteres einem der Wächter hingegeben, wenn es ihre Situation verbessert hätte. Aber sie ahnten das. Darum waren immer mindestens zwei zugleich in ihrer Zelle.
Susan war noch weit vom Zusammenbruch entfernt, das wusste sie. Dabei kam ihr natürlich zugute, dass sie über die Technik der Gehirnwäsche Bescheid wusste. Jetzt also war wieder die »harte« Zelle dran - 6X12X6 Schritte - kahle Wände, ein Aborteimer, ein Napf für das kalte Essen und ein Gitter in der Tür, durch das sie von Zeit zu Zeit spähten.
Manchmal ließen sie auch das grelle Licht tagelang brennen, bis sie fast schrie. Dann wieder ließen sie Susan ununterbrochen im Dunkeln, bis sie fast nach Gnade rief.
Aber tatsächlich hatte sie bis jetzt noch nicht geschrien. Wieder lagen zwei Tage in der »weichen« Zelle mit dem Waschtisch, der Wärme und dem weichen Bett hinter ihr. Das war ihre Methode: mal hart, mal weich. Man wollte, dass sie sich nach der »weichen« Zelle sehnte, aber das wäre das erste Zeichen von Selbstaufgabe gewesen.
Susan merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Verdammte Heulsuse, hör auf mit dem Selbstmitleid. Laut sagte sie: »Himmeldonnerwetter, du bist doch eine zähe Bulldogge, ein Bullenbeißer bist du!« Susan musste laut lachen. War das ein Zeichen ihrer Kraft oder schon der Beginn von Hysterie?
Sie war sich über ihren Zustand nicht ganz klar. Der Wechsel von harter zu weicher Zelle begann sie zu verwirren. Natürlich war ihr bewusst, dass sie sich auf einen der Posten hätte stürzen und ihn mit ein paar Karateschlägen entwaffnen können. Mit so einer Knarre wollte sie die Bude schon noch ganz schön durcheinanderwirbeln, ehe man sie umbrachte. Sie glaubte selbst nicht mehr daran, dieses Labor im Berg je lebend verlassen zu können. Aber sie wusste eines ganz genau: Lieber wollte sie sterben, als zulassen, dass Dr. Chen den ersten weiblichen Cyborg aus ihr machte.
Sie musste jetzt klaren Kopf behalten und ihn auch benutzen. Je mehr ihr Gehirn nachließ, desto eher würden sie ihren Widerstand brechen können. Dann war sie schon auf dem besten Weg, ein Cyborg zu werden - eines dieser unmenschlichen Wesen, die Dr. Chen unten in einem Dutzend Käfigen gefangen hielt.
Dein Kopf muss arbeiten, muss denken! Langsam sagte sie sich die Reihen des Einmaleins auf - bis zu 25X25. Macht 625. Sie wusste nicht alles auswendig. Manchmal musste sie sich eine Tafel vorstellen, auf der sie im Geist die Rechnungen ausführen konnte. Als sie endlich bei 625 angekommen war, atmete sie erleichtert auf. Wie ein Kind freute sie sich darüber, dass ihr die Konzentrationsübung gelungen war.
Sie haben dich noch nicht kleingekriegt, Mädchen. Aber jetzt mach dich an eine schwerere Aufgabe. Überleg mal, wie lange du schon hier eingesperrt bist. Du hast keine Uhr, keinen Kalender gesehen, du hattest keinen Stift, um dir was aufzuschreiben. Schaffst du das?
Susan hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Genau das war auch einer der Gründe gewesen, weshalb man sie beim britischen Geheimdienst angenommen hatte. Jetzt begann sie nachzurechnen, wie lange es schon her war, seit man sie aus Peking in diese Bergfestung gebracht hatte.
Die Tage glichen einander. Doch sie hatte sich für jeden Tag eine Besonderheit gemerkt. Nun erinnerte sie sich der Reihe nach an diese Besonderheiten.
»89«, sagte sie laut. Sie war seit 89 Tagen hier eingesperrt. Davor war sie über ein Jahr als Medizinstudentin in Peking gewesen. Susan war 27 Jahre alt, hatte vier Jahre Praxis beim Geheimdienst hinter sich, aber körperlich wirkte sie wie eine Zwanzigjährige.
Susan war kaum sechs Monate in Peking gewesen, als ihr Kontaktmann sie auf Dr. Chens geheimes Treiben aufmerksam gemacht hatte. Alles jedoch nur vage Hinweise. Der sowjetische Geheimdienst bekam regelmäßig solche Tips über die medizinische Versuchsanstalt, die von den Chinesen in Südtibet errichtet worden war.
Als man sie zusammen mit zwei anderen Studenten für ein Praktikum ausgerechnet bei Dr. Chens Projekt ausgewählt hatte, war ihr das als großer Glücksfall erschienen. Erst als sie schon hier war, wurde ihr klar, dass man sie als westliche Agentin entlarvt hatte. Dr. Chens Lachen klang ihr noch in den Ohren, als er ihr erklärte, dass sie schon kurz nach ihrer Ankunft in der Volksrepublik überwacht worden sei.
Und am selben Tag hatte er ihr auch gesagt, dass sie nicht als medizinische Assistentin nach Tibet gebracht worden sei, sondern als Versuchskaninchen. Dr. Chen grinste ihr ins erstarrte Gesicht. »Dank hoher Gönner in der Regierung konnte ich es einrichten, dass Sie nun hier sind. Denn ich will Sie haben - nicht sexuell, sondern für die Versuche, meine Liebe!«
Dr. Chen kicherte bei seinen Worten. Susan Blackwood sah in die großen Augen hinter der randlosen Brille und war sich klar darüber, dass dieser Mann nicht ganz richtig im Kopf war - trotz seiner Brillanz.
»Eine intelligente und durchtrainierte Frau in bester physischer Verfassung«, sagte Dr. Chen nachdenklich. »Das ist der nächste logische Schritt im Projekt Cyborg. Bis jetzt konnte ich nur aus verurteilten Häftlingen Cyborgs machen. Stupide Typen oder Missgeburten. Oft genug sogar beides.«
Susan blickte ihn aus kalten Augen an: »Sie werden nie die Erlaubnis zur Weiterführung Ihrer Versuche bekommen, das wissen Sie ganz genau. Schließlich sind die Chinesen ein altes, zivilisiertes Volk. Man wird die Erlaubnis, die man Ihnen gab, noch einmal überprüfen. Und dann können Sie Ihr verrücktes Projekt durchs Klo spülen.«
Chen Yu war ein schlanker, großer Mann voll nervöser Energie. Susan schätzte sein Alter auf Ende Dreißig. Ein Mensch mit unglaublicher Selbstbeherrschung. Aber nun explodierte er. »O nein!«, schrie er. »Chen Yu war lange genug in den Vereinigten Staaten, wo schon sein Vater und seine Mutter gelebt haben. Chen Yu musste allen hohen Tieren die Stiefel lecken - sogar nach seiner Rückkehr in sein Vaterland. Aber jetzt wird nichts mehr Chen Yu aufhalten! Denn er ist ein vom Schicksal Auserwählter!«
Susan brüllte dagegen: »Sie sind ein Spinner!«
Er war wieder ganz ruhig geworden. »Klammern Sie sich nur an diese Hoffnung. Aber ich an Ihrer Stelle würde versuchen, die Situation objektiv zu betrachten. Was soll's - ein paar Jahre als Cyborg, na und?« Chen breitete die Hände mit einer Geste aus wie jemand, der für Vernunft plädiert.
»Unglücklicherweise wird es nur für ein paar Jahre sein, das kann ich Ihnen versichern«, fuhr er fort. »Unsere Cyborgs leben nicht lange. Denn die Operationen beeinflussen ihr Nervensystem zu stark. Ein Problem, das wir noch nicht lösen konnten. Natürlich bleibt Ihnen auch noch eine andere Wahl offen, falls Sie mir nicht helfen wollen: Sie können sich dagegen entscheiden und in unseren Gefängnissen verfaulen. Als überführte Spionin.«
Susan Blackwood schüttelte sich bei der Erinnerung, während sie nackt unter dem Laken auf der Pritsche lag. Es nützte ihr nicht viel, wenn sie nur hier lag und Dr. Chen hasste.
Dummes Ding, denk lieber über die Wachtposten nach. Sie sind deine einzige Chance. Wenn der russische Geheimdienst so gut über Chens Hauptquartier Bescheid wusste, dann bedeutete das, sie hatten einen ihrer Agenten hier eingeschleust. Vielleicht kam sogar Hilfe aus dieser Richtung, überlegte sie.
Quatsch, sagte sich Susan. Der russische KGB hatte anderes zu tun, als britischen Spionen aus der Klemme zu helfen. Nein, sie musste sich auf die Wachen konzentrieren. Mit einer ihrer Waffen konnte sie ganz schön was anrichten, ehe man sie umlegte.
Siebtes Kapitel
Lynch, General Samsons Adjutant, bat John Eagle in den Monitorraum und schloss die Tür hinter ihm. Eagle warf sich in einen Klubsessel. Das Lämpchen über einem Gerät leuchtete. Eagle sah sich selbst auf dem Schirm. In Farbe.
Über Lautsprecher ertönte Mr. Merlins Stimme: »Also John, das sieht mir ganz nach Ihrem schwierigsten Einsatz aus.«
»Ich habe die Farbdias der Yetis gesehen. Ja, es wird ein harter Job.«
»Kampf Mann gegen Mann kommt nicht in Frage. Haben Sie Dr. Bakers Tonbänder gehört?«
»Ja, ziemlich verblüffend. Aber ich habe bei Bakers Bemerkungen über die seelischen Aspekte gestutzt; als Folge der Misshandlungen, denen diese armen Teufel ausgesetzt waren, müssen...«
»Misshandlung ist genau der richtige Ausdruck«, sagte Mr. Merlin.
»Baker meinte, kein Wesen könne so schwerwiegende Eingriffe überstehen, ohne verrückt zu werden. Ist es möglich, dass die beiden Yetis von Basis 1 geisteskrank waren?«
»Darüber haben wir nachgedacht. Nie zuvor hat es dort irgendwelche Yeti-Überfälle gegeben, nie wurde ein Yeti in der Gegend von Basis 1 gesichtet. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Annahme, die beiden seien durchgedreht und einfach ihrem Herrn und Meister fortgelaufen, um zufällig Basis 1 anzugreifen.«
»Warum nicht?«, fragte Eagle.
Mit Ärger in der Stimme antwortete Mr. Merlin: »Es gibt genügend logische Gründe, um Basis 1 auskundschaften zu lassen, sie anzugreifen oder gar auszumerzen.«
»Gibt es Beweise dafür, dass mehr als zwei Yetis existieren? Diese beiden könnten die einzigen der Welt sein.«
»Das wissen wir nicht. Aber das ist mit ein Grund, weshalb Sie nach Nepal gehen.«
»Ja«, sagte Eagle und unterdrückte seinen Ärger. Wirklich, der übelste Teil in seinem Leben als Protoagent waren diese einseitigen TV-Konferenzen mit Mr. Merlin. In ein Mikrophon zu sprechen und die Antworten über Lautsprecher zu empfangen, das war schon eine ärgerliche Art, sich mit einem anderen Menschen zu verständigen.
Mr. Merlins Stimme sagte: »Sie werden bemerkt haben, dass Baker...«
»Tun Sie mir einen Gefallen«, bat Eagle.
»Ja?« Mr. Merlin antwortete so schneidend, wie Eagle es in seinem ganzen Leben noch nie gehört hatte. Zweifellos war Merlin nicht gewohnt, unterbrochen zu werden.
»Schaffen Sie den verdammten Fernseher aus diesem Raum, ehe ich zurückkomme. Es ist, als spräche man mit seinem Spiegelbild.«
Anhaltendes Schweigen. Eagle fragte sich, ob Mr. Merlin sich eine Notiz wegen des Fernsehers machte oder aber versuchte, seinen Groll zu beherrschen.
»Ja. Also, Baker sagte, eines der Hauptprobleme bei der Entwicklung von Cyborgs seien die abnormen seelischen Reaktionen in bezug auf Sexualtrieb und so weiter. Aber er sagte nicht, unsere Cyborgs seien verrückt. Im Gegenteil: Es sei wahrscheinlich, dass sie nach den Eingriffen disziplinierte Diener ihres Herrn würden.«
Eagle nickte wortlos.
»Wir sind sogar sicher, dass diese Cyborgs nicht geisteskrank sind. Der Mann, der so erfolgreich Übermenschen herstellen kann, darf sich einfach nicht leisten, Verrückte zu produzieren. Es gibt zwar keine Anhaltspunkte dafür, aber zweifellos hat ihr Schöpfer einen Weg gefunden, um die Yetis so gefügig zu machen, dass sie ihr Schicksal geduldig ertragen.«
»Weil wir gerade von ihrem Schöpfer sprechen - gibt es Neuigkeiten über Dr. Chen Yu?«, fragte Eagle.
»Wir haben versucht, in China etwas über ihn zu erfahren.«
»Und?«
»Es ist gar nicht so einfach.«
»Das weiß ich!« Eagle sagte das fast ungeduldig. Hier zu sitzen und mit seinem eigenen Spiegelbild zu plaudern, entsprach nicht seinem Temperament.
»Er ist 39 Jahre alt und als Kind von Shanghai nach USA ausgewandert. Machte seinen medizinischen Doktor an der John-Hopkins-Universität und arbeitete später an der Staatsuniversität von Massachusetts als Chirurg. Belegte Kurse in Cybernetik am Technikum von Massachusetts. Dann machte er eines Tages Ferien in Hongkong - und verschwand in Rot China.«
Mr. Merlin legte eine Pause ein.
»Soweit die Tatsachen. Vielleicht ist dem noch etwas hinzuzufügen, wenn die neuen Berichte eingehen. Jedenfalls scheint Chen ein Psychopath zu sein. Aber kein Kommunist. Er ist völlig unpolitisch, dafür hegt er einen unheimlichen Hass gegen Amerika.«
»Obwohl er seit seinem dritten Lebensjahr in USA lebte?«
»Ja. Er hatte eine unglückliche Kindheit. Schon sein Vater war ein in Amerika ausgebildeter Chirurg. In den dreißiger Jahren kam er mit Frau und Kind ins Land, um uns alles über Akupunktur zu erzählen - nur wollte niemand etwas davon hören. Es scheint, dass er ein großer Idealist gewesen ist.«
»Seiner Zeit weit voraus, wie?«, fragte Eagle.
»Ja. Und natürlich hat man ihn als Quacksalber abgetan. Als Kind erlebte Chen Yu einen völlig verbitterten Vater. Und für die Mutter war es auch nicht leicht, ihren Sohn in einem fremden Land großzuziehen. Dazu kommt, dass auch sie verbittert darüber war, wie man ihren Mann behandelte.«
»Sie legte in das Kind den Keim des Hasses?«
»Möglich. Jedenfalls scheint Chen besonders auf seine Mutter fixiert gewesen zu sein. Und vom Vater übernahm er die Sucht, als Messias auftreten zu müssen. Aber trotz allem: Er ist ein brillanter Kopf.«
Eagle dachte darüber nach. Dann sagte er: »Das sind nur Fetzen seines Charakterbildes. Ich möchte über alle Neuigkeiten unterrichtet werden, die noch kommen sollten.«
»Das wird noch heute Abend geschehen. Sie fliegen dann mit PanAm bis Bangkok, weiter mit Air India nach Delhi und von dort nach Katmandu.«
»In Ordnung.«
Überraschenderweise lachte Mr. Merlin: »Sie scheinen froh zu sein, endlich abhauen zu können.«
»Das bin ich auch.«
»Oder wollen Sie nur meiner Stimme entgehen? Lynch und Samson haben versprochen, demnächst eine andere Lösung zu finden, damit Sie sich künftig ohne Ärger mit mir unterhalten können. Jetzt verabschiede ich mich von Ihnen. Viel Glück, John!«
Noch ehe sich Eagle bedanken konnte, erlosch das Licht, der Fernseher wurde dunkel.
In Katmandu wurde Eagle von zwei großen Männern empfangen. Sie trugen zwar Zivil, sahen aber wie ehemalige Polizisten aus. Die beiden packten Eagle in einen Ford und brausten mit ihm zu einer entlegenen Ecke des Flugplatzes, wo sie ihn in eine C-130 Hercules verfrachteten. Auf der Maschine stand in großen Lettern: Gesellschaft für Geologische Forschungen.
Eagle achtete darauf, dass seine Ausrüstung gut verstaut wurde. Kaum hatte er sich angeschnallt, dröhnten auch schon die vier Turbopropeller los. Minuten später waren sie in der Luft. Zweimal kreiste der Pilot über der Stadt, um Höhe zu gewinnen. Durch das Bullauge sah Eagle unter sich den Königspalast, die vielen Tempel und die rotgedeckten Häuser. Dann schwenkte das Flugzeug auf Kurs tibetanische Grenze, zu Basis 1.
In Gedanken kontrollierte Eagle noch einmal seine Ausrüstung. Da war zunächst die CO2-Pistole mit dem langen Lauf. Mit ihr konnte er lautlos die kleinen Todesnadeln verschießen. Außerdem hatte er seinen Tarnanzug mit Chamäleon-Element, Gesichtsmaske und Helm bei sich. Damit war er gegen Entdeckung durch die Cyborgs nahezu geschützt. Der nach seinen Maßen modellierte Plastikanzug hielt zwar keinem direkten Treffer stand, aber gegen Weit- oder Streifschüsse schützte er gut. Noch besser war die chemische Präparierung des Anzugs, die sich nach Bedarf jedem farbigen Untergrund anpasste - als perfekte Tarnung. Und außerdem konnte man in diesem Kleidungsstück über Batterie Hitze und Kälte regulieren. Ferner hatte er neuentwickelte Minigranaten mitgenommen, grüne und violette zum Einsatz gegen Menschen und Bauwerke, und drei orangefarbene mit Nuklear-Sprengkopf, mit denen man ganze Stadtteile oder Schlachtschiffe zerstören konnte. Natürlich hatten alle komplizierte Zeitzünder und Auslösemechanismen.
Dann hatte er noch seinen zweiteiligen, zusammensetzbaren Bogen aus einer Speziallegierung mit fünfzig Pfeilen ausgewählt. Man konnte die Spitzen der Pfeile abschrauben, wenn sie durch einen Körper gegangen waren, und die Schäfte wieder verwenden.
Weiter gehörten zu seinem Handwerkszeug Wasser- und Nahrungstabletten, die er hasste, eine Kompassuhr, ein Bergstock mit Stilett im Griff, starke Infrarotlampen, Spezialbrille und Minisender. Für diesen Auftrag hatte er noch Kletterstiefel und eine komplette Bergausrüstung mitgenommen. Nur Sauerstoff war nicht dabei, aber er hatte ja nicht vor, so hoch zu klettern, dass er in Atemnot geriet.
Seine CO2-Pistole war für den Job in den Bergen umgerüstet worden. Sie hatte jetzt ein starkes Zielfernrohr und einen bequemen Griff. Wenn man noch den auf- schraubbaren Verlängerungslauf ansetzte, war sie eine treffsichere Waffe für Heckenschützen.
Eagle fuhr aus seinen Gedanken hoch, als ihn ein Mitglied der Crew antippte und sagte: »Schauen Sie mal hinaus!«
Da unten lag der Berg, den die Sherpas Tschomolungma nannten: »Göttin-Mutter der Erde«. Der Mount Everest, dessen drei Gipfel über 8800 Meter hoch und durch den Wolkenvorhang ragten. Dahinter sah er den Makalu und den Kangchendzonga.
Als er so hinabschaute, verstand Eagle, weshalb man diese Gipfel das Dach der Welt nannte. Als dann etwas später der Dhaulagiri - der weiße Berg - auftauchte, wusste John, dass Basis 1 erreicht war. Und schon setzte die Hercules zur Landung auf der versteckten Piste an.
Mit einem dumpfen Rumpeln berührten die Räder die Rollbahn, die Propeller rotierten langsamer, und endlich kam die Maschine vor den Hangars zum Stehen. Eagle blickte aus dem Fenster und sah eine Gruppe von Männern draußen warten. Er überlegte, wer von ihnen Da Zara war.
Achtes Kapitel
Der drahtige Bursche mit den weißen Strähnen im Piratenbart war also Da Zara. Und der Riese, der ihn um Haupteslänge überragte, war Schoendienst, Kommandeur der Wachtruppe.
Da Zara schüttelte Eagle die Hand und warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann wandte er sich um und rief den Sherpas etwas im Gurkha-Dialekt zu. Er fasste Eagles Ellenbogen und lenkte ihn zum wartenden Jeep. »Man bringt Ihre Ausrüstung zu der Unterkunft, die für Sie reserviert ist, Mr. Eagle«, sagte Da Zara und kletterte hinter das Steuer.
Eagle zog die pelzgefütterte Kapuze über, denn die Temperatur lag hier bei minus achtzehn Grad Celsius. In Katmandu unten hatte ein Pullover genügt. Aber schon im Flugzeug hatte sich Eagle wärmere Sachen angezogen. In dieser Höhe von Nepal war das kalte Wetter für April nicht ungewöhnlich.
In der Unterkunft angelangt, füllte Da Zara zwei Gläser mit Fior di Alpi und fragte: »Sind Sie Bergsteiger, Signor?«
»Ich bin in den Rocky Mountains herumgeklettert«, sagte John.
»Aha, in den Rockies. Dort war ich nie. Ich sollte mal Ihre Heimat besuchen.«
Eagle schlürfte den Likör. Da Zara sagte: »Sie sehen aus, als wären Sie in guter Verfassung, und haben den richtigen Körperbau für diese Berge. Wann sind Sie zum letzten Mal geklettert?«
»Im letzten September.«
»Aha. Und auf welchen Berg?«
»Auf den Half Dome.«
»Den kenne ich nicht.«
»Er liegt im Yosemite-Gebirge.«
»Entschuldigung. Wie hoch ist er?«
»Zweitausendfünfzig.«
»Meter?«
»Nein, Fuß. Zweitausendundfünfzig Fuß.«
»Aber - aber das ist ja kein Berg, das ist eine...«
»Eine Wand«, ergänzte Eagle den Satz. »Mit zwei Freunden bin ich frei hinaufgestiegen. Wir brauchten zweieinhalb Tage.«
»Zweieinhalb Tage in der Wand?«
Eagle nickte. Er öffnete seinen Koffer und zog ein paar Farbfotos heraus. Eines davon zeigte die unglaublich steile Nordwestwand des Half Domes. Andere Fotos zeigten Eagle, der wie eine Fliege über den Granit kroch.
Da Zara hob die Augenbrauen, als er die Bilder sah. »Ich verstehe nicht, was Sie mit frei meinen«, sagte er.
»Normalerweise benutzt man Haken, Seile und Schlingen zum Steigen. Wenn man frei steigt, benutzt man nichts davon. Aber ich kann auch mit konventioneller Ausrüstung klettern, Captain.«
»Hoffentlich. Das hier ist nämlich der Himalaya.«
»Ich werde Zeit zur Akklimatisierung brauchen.«
»Ganz sicher.«
»Wie lange schlagen Sie vor?«
»Sie werden wahrscheinlich bald losziehen wollen, um die Ausgangsbasis der Yetis zu suchen?«
Eagle grinste: »Das hatte ich vor.«
»Sicher planen Sie nicht, ganz hinaufzuklettern - sagen wir, nicht über siebentausend Meter?«
»Unwahrscheinlich, dass die Yetis so hoch leben.«
»Ganz meiner Meinung. Dennoch, Signor Eagle, Sie sollten damit rechnen, ganz schön hohe Pässe überwinden zu müssen.«
Eagle nickte, und Da Zara fuhr fort: »Ein Mensch, der zu plötzlich in diesen Höhen klettert, verliert rasch die Besinnung.«
»Aber Sauerstoff kann ich nicht mitnehmen. Es ist schließlich keine Expedition.«
»Ehe Sie sich nicht an die enorme Höhe gewöhnt haben, ist Ihr Unternehmen aussichtslos.«
»Die Frage ist also, wie lange brauche ich zur Eingewöhnung?«
»Sie haben Nasenbluten. Jetzt schon«, sagte Da Zara mit leisem Lächeln.
Eagle fasste sich an die Nase. Blut klebte an seinem Finger und Da Zara holte ihm ein Taschentuch.
»Das erleben wir oft, wenn jemand plötzlich hier heraufkommt«, meinte er. »Wahrscheinlich wird es Ihnen noch häufiger passieren. Ihr Blutdruck ist noch an tiefere Regionen gewöhnt. Hier oben platzen Ihnen dann die dünnen Äderchen.«
»Ich weiß, ich weiß«, antwortete Eagle ärgerlich. Da Zara war einer der erfahrensten Bergsteiger der Welt, aber es verstimmte Eagle, dass er ihm alles so umständlich erklärte. »Wie lange brauche ich also?«, fragte er noch einmal.
»Der Körper muss erst einmal mehr rote Blutkörperchen produzieren, damit sie genügend Sauerstoff transportieren können. Wie lange das dauert, schwankt von Mensch zu Mensch.«
»Ungefähr?«
»Eine Woche, vielleicht auch ein Monat.«
»Können Sie sich nicht näher festlegen?«
»Nein!«, sagte Da Zara scharf. Eagle merkte, dass der andere ihn - den untrainierten Bergsteiger - für einen Selbstmörder hielt.
Unruhig lief Da Zara auf und ab. »Gehen Sie erst einmal hinaus, leben Sie eine Weile da draußen, und machen Sie ein paar Übungen. Dann kommen Sie zurück und lassen sich ärztlich untersuchen.«
»Natürlich. Was Sie auch von mir halten mögen, Signor Da Zara, ein Narr bin ich nicht.«
»Gewiss nicht. Sie sind im Fels geklettert. Auch im Schnee und Eis?«
»Auch. Ich brauche Ihnen aber nicht zu sagen, wie oft - Sie werden es in jedem Fall für nicht ausreichend halten.«
Da Zara lächelte. »Sie müssen wissen, dass Klettern hier im Winter fast unmöglich ist. Jetzt haben wir Frühling, frischer Schnee fällt auf den Winterharsch. Das gibt Tiefschnee, der Sie erschöpft, ehe Sie zehn Schritt gegangen sind.« Da Zara hob wieder eine Augenbraue. »Und zur Monsunzeit haben wir Lawinen, so gewaltig, dass sie das Empire State Building unter sich begraben könnten.«
Eagle nickte. »Ich bin davon unterrichtet. Die beste Zeit zum Klettern ist Ende Mai, Anfang Juni, nicht wahr?«
»Ja. Aber im Himalaya gibt es keine Garantie.«
»Verstanden. Können Sie mir nun die zwei Sherpas Zuteilen?«
»Nein!«, sagte Da Zara.
»Nein?«, fragte Eagle erstaunt zurück. Es war das erste Mal, dass jemand eine Anweisung Mr. Merlins nicht befolgte.
»Ich teile niemanden zu, Signor Eagle.« Da Zara ging wieder auf und ab. »Das ist kein Ausflug, sondern eine gefährliche Mission. Sie haben sicher gehört, was mit den beiden deutschen Nanga-Parbat-Expeditionen 1934 und 1937 passierte? Sorgfältig geplante Unternehmen unter sachkundiger Führung! Beide endeten mit Katastrophen. Und Sie Anfänger wollen, dass ich auf zwei Sherpas deute und sage, los, verabschiedet euch von euren Familien und zieht mit ihm ab?« Da Zara war jetzt richtig zornig. Plötzlich blieb er stehen. »Ich werde sie fragen, Signor Eagle. Ich werde fragen - und vielleicht finde ich wen, der so dämlich und tollkühn ist, mit Ihnen zu gehen!«
»Schon gut, schon gut! Seien Sie doch nicht so empfindlich. Ich beginne sofort mit dem Training. Was schlagen Sie vor?«
»Den Dhaulagiri. Nicht seinen Gipfel, nur die höheren Hänge. Wir können Sie mit dem Senkrechtstarter hinbringen und im Notfall auch wieder dort abholen.«
»Danke.«
»Also, dann gehe ich jetzt und frage meine Sherpas.«
Nach dem Essen verschwand Da Zara wortlos. Eagle ging hinüber zur Sanitätsabteilung und verbrachte den Nachmittag damit, mit den Ärzten über die Yeti-Cyborgs zu diskutieren. Aber die Leichen waren zu Eagles Überraschung schon fort. Man hatte sie irgendwie heimlich an Dr. Baker nach Kalifornien geschickt. Eagle hätte sie gern gesehen und war enttäuscht.
Da Zara erwartete ihn mit zwei Sherpas, als John Eagle zur Offiziersmesse zurückkam. »Das ist Sahib Eagle«, stellte er ihn vor. »Ondi und Ang Dawa.«
Eagle schüttelte den beiden die Hand. Keiner von ihnen war größer als gut 1,50 Meter - bei Sherpas aber
Normalgröße. Sie wirkten schlank und drahtig, waren beide etwa dreißig. Ondi hatte ein breites, lebhaftes Gesicht. Ang Dawa wirkte eher reserviert und ruhig.
»Die beiden haben eingewilligt, mit Ihnen zu gehen - mir zuliebe«, sagte Da Zara.
»Schon gut«, sagte Eagle und grinste.
»Zum Dhaulagiri«, meinte Da Zara betont.
Ondi grinste. »Da Zara Sahib erzählt, Sie in Ihrer Heimat klettern nur kleine Berge?«
»Nirgendwo auf der Welt sind die Berge so hoch wie in deiner Heimat, Ondi«, sagte der Protoagent. Die beiden Sherpas lachten.
»Morgen ganz früh wir fliegen mit Flugzeug, was senkrecht fliegt«, erklärte Ondi.
»Wir haben heute Abend noch viel zu tun«, sagte Eagle.
»Ja«, antwortete Da Zara. »Die Ausrüstung muss überprüft werden. Ich bitte die beiden, heute Abend vor dem Essen herzukommen. Aber jetzt möchten sie noch ein wenig zu ihren Familien.« Da Zara wandte sich an die Nepalesen und sagte etwas im Gurkha-Dialekt zu ihnen. Die beiden standen auf, verbeugten sich vor Eagle und Da Zara und verschwanden.
»Sie haben Glück«, meinte Da Zara. »Die beiden sind das, was die Sherpas Tiger nennen. Furchtlos und tapfer in den Bergen.«
»Ich danke Ihnen, dass Sie sie überredet haben.«
»Nein, Sie müssen die beiden überzeugen. Ich habe sie nur gebeten, mit Ihnen zum Dhaulagiri zu gehen. Wir können auf der Ostseite ohne viel Aufsehen mit dem Senkrechtstarter landen - ungefähr in fünftausend Meter Höhe. Nach einer Woche ungefähr sind Sie dann in der Lage, auch höher zu steigen.« Da Zara hatte die Arme gekreuzt und blickte Eagle ins Gesicht. »Ob sie dann weiter mitgehen, hängt ganz von Ihnen ab. Das hier ist der Himalaya, Signor. Eine Drei-Mann-Expedition ist mörderisch. Um eine Chance zu haben, muss sich jeder auf den anderen verlassen können und sich außerdem nicht unnötig in Gefahr bringen.«
»Ich traue mir zu, die beiden zu überzeugen«, antwortete Eagle mit Betonung. Er ärgerte sich über Da Zaras Art. Zwar schätzte er ihn als erfahrenen Bergsteiger, aber die dauernden negativen Bemerkungen zerrten an Eagles Nerven.
»Wie gesagt, ich kann keinem befehlen, mit Ihnen zu gehen, ich habe nur nach Freiwilligen gefragt. Und die beiden haben einen speziellen Hass auf die Chinesen. Deshalb waren sie einverstanden. Aber wenn Ihr Dhaulagiri-Unternehmen den beiden nicht passt, können Sie sicher sein, dass Sie keinen anderen Sherpa finden werden, der künftig mit Ihnen geht. Auf dem Dhaulagiri können Sie per Funk den Senkrechtstarter anfordern, falls Sie in Not geraten. Später nicht mehr. Und das bedeutet den Tod.«
»Sie sagten vorhin, Ondi und Ang Dawa hassten die Chinesen?«
»Ja. Beide kommen aus Tibet. Sie stammen aus einem der Täler dort drüben. 1959 flohen sie mit ihren Familien vor den Chinesen. Beide verloren nahe Angehörige und ihre Heimat.«
»Verstehe. Sie würden also keinen Zusammenstoß mit den Rotchinesen scheuen?«
»Jeder der beiden war schon ein paarmal wieder drüben, um den Rebellen Waffen hineinzuschmuggeln. Aber sie würden niemals mit einem Versager gehen. Auf dem Dhaulagiri müssen Sie beweisen, dass Sie bergsteigen können.«
Ganz früh am nächsten Morgen brachen sie auf. Die drei Männer hockten mit ihrer Ausrüstung in dem engen Raum hinter dem Cockpit. Ein seltsames Gefühl, mit dem Senkrechtstarter abzuheben. Fast wie in einem überladenen Aufzug. Schnee wirbelte unter ihnen auf, dann wurden sie von der Beschleunigung in ihre Metallsitze gepresst.
Eine halbe Stunde später luden sie ihre Sachen aus der Maschine. Sie nahmen ihr Gepäck auf und entfernten sich vorsichtshalber ein Stück, ehe der Pilot wieder abhob. Im Schutz von zwei schneebedeckten Felsen schlugen sie ihr Lager auf. Tausend Meter über ihnen lag der Gipfel. Der gefährliche Ostgletscher war nicht zu sehen. Eagle starrte hinauf und dachte, dass dieser Punkt, an dem er jetzt stand, höher war als irgendein Berg in den Alpen oder den Rockies.
Die Zelte waren leuchtend rot und bestanden aus dem stabilen Material, das die Royal Air Force in ihren Windkanälen für Hillarys Himalaya-Expedition 1953 getestet hatte. Eagle half beim Aufbau und breitete dann die gefütterten Schlafsäcke aus. Ang Dawa ließ auf dem kleinen Kocher Schnee für Teewasser schmelzen. Gern trank Eagle von dem heißen Zeug, das sie ihm anboten. Dabei studierte er die zerklüfteten Felsformationen des Gipfels. An diesem Berg und dem Ostgletscher war 1950 eine gut ausgerüstete, französische Expedition gescheitert, dieselbe Expedition, die den Annapurna bezwungen hatte.
Die beiden Sherpas waren mit ihrem Tee fertig. Jetzt rauchten sie langstielige Pfeifen mit kleinen Köpfen. Aufmerksam beobachteten die beiden den Apachen, Ondi belustigt, Ang Dawa gedankenvoll.
»Ich möchte jetzt ein bisschen klettern«, sagte Eagle.
Ondi grinste. Ang Dawa fragte: »Wie weit, Sahib?«
Eagle deutete hin. »Nur bis dort, wo der steile Aufstieg zum Gipfel beginnt.« Er schätzte die Entfernung auf etwa eintausendfünfhundert Meter. Die beiden Sherpas sahen hinüber und blickten sich dann an.
Dann stand Ondi auf und suchte die Ausrüstung zusammen, wobei er vor sich hinmurmelte. Sie machten sich fertig, und Eagle übernahm die Führung. Als sie aus dem Schutz des Lagers traten, versanken sie bis zur Hüfte im Schnee, den der Wind zusammengeweht hatte. Nachher war der Schnee immerhin noch knietief.
Für diesen mäßig steilen Hang brauchten sie noch keine Eispickel. Aber vor jedem Schritt musste das Terrain mit dem Stiel des Pickels auf Tragfähigkeit geprüft werden. In der trockenen Kälte marschierte Eagle zügig voran, ermahnte sich aber dann, Rücksicht auf die kleinen Sherpas zu nehmen. Er kannte die Gefahr von Selbstüberschätzung in heiklen Situationen und wusste auch, dass Sauerstoffmangel das Denkvermögen beeinflusste. Aber der Tag war so wundervoll klar, und er fühlte sich so herrlich frei und kräftig, dass er immer schneller ging. Wieder musste er sich ermahnen, nicht zu rasch auszuschreiten.
Häufig blickte er zurück. Ondi und Ang Dawa folgten in seinen Fußspuren. Wenn er sich umwandte, grinsten sie, Ondi breit und Ang Dawa gelassen - immer mit einem kleinen Nicken. Eagle ging immer rascher. Häufig sah er zurück zu den winzigen roten Punkten der Zelte, um die Entfernung zu schätzen. Zwar wurden die Zelte immer kleiner und kleiner, aber der Gipfel rückte nicht näher.
Doch! Jetzt war er schon viel näher! Sie hatten nicht viel Zeit gebraucht. Eagle schaute zurück. Vier weitere Sherpas hatten sich ihnen angeschlossen. Eagle ging schneller. Komisch, jetzt war der Gipfel plötzlich wieder so weit entfernt. Und irgendwie waren Ondi und Ang
Dawa vor ihn gelangt. Sie eilten durch die Verwehungen und griffen nach seinen Armen. Aus irgendeinem blöden Grund packten sie ihn beide an den Armen. Das belustigte Eagle. Er wollte ihnen sagen, sie sollten ihn loslassen, brachte aber vor Lachen kein Wort heraus. Und aus irgendeinem Grund wurde der Boden unter ihm so glatt. Er fiel so oft in den Schnee, dass er es gar nicht mehr zählen konnte. Und manchmal fielen die Sherpas mit ihm.
Dann schlief Eagle eine Weile.
Als er wach wurde, sah er rote Zeltwand über sich und roch Tee. Er befand sich im Zelt, und die beiden Sherpas machten draußen Tee. Er konnte nur eine Stimme hören - die von Ang Dawa. Er sprach Gurkha-Dialekt. Aber an der Art, wie er sprach, erkannte Eagle, dass er ins Funkgerät redete.
Eagle steckte den Kopf aus dem Zelt. Beide Sherpas saßen mit untergeschlagenen Beinen im Schnee, saugten an ihren Pfeifen und hielten Becher mit Tee in der Hand. Keiner der beiden sah irgendwie mitgenommen oder ermüdet aus.
Ondi grinste zu ihm hinüber. Und Ang Dawa meinte säuerlich: »Da Zara Sahib sagt, Sie muten sich zu viel zu am ersten Tag.«
Eagle nickte, und Ondi fragte: »Fühlen besser?«
»Ja. Bin wieder okay. War ich bewusstlos?«
»Ja, bewusstlos.«
»Habt ihr mich zurückgetragen?«
»Nein, Sie gegangen. Aber so!« Ondi verdrehte die Augen und kicherte in der Erinnerung. »Sie gegangen. Und fallen oft. Zum Tragen ist Sahib Eagle zu schwer. Und immer lachen.«
Eagle nickte beschämt. Er war nicht erschöpft oder zerschlagen. Aber dann dachte er an Da Zara. Der hatte sicher grimmig den Kopf geschüttelt, nachdem er erfahren hatte, wie dieser amerikanische Grünschnabel sich schon am ersten Tag auf dem Dhaulagiri blamiert hatte. Eagle schwor sich, dass so etwas nicht mehr Vorkommen sollte.
Ang Dawa meinte: »Basis 1 sagt, Sturm wird kommen, sie uns bald holen.«
Aber Eagle antwortete: »Nein, wir bleiben!«
Ang Dawa sprach ins Funkgerät. Sofort kam die Antwort. »Da Zara Sahib meint, besser zurückkommen und wieder her, wenn Sturm vorbei.«
»Sag ihm, wir bleiben«, befahl Eagle und sah zu seinem Erstaunen Respekt in den Augen der beiden Sherpas.
Der Sturm kam aus Richtung Norden und fegte über die kahle Ostseite des Berges. Die Zeltwände knatterten wie Gewehrschüsse, draußen fiel ununterbrochen der Schnee. Eagle und die zwei Sherpas blieben die ganzen drei Tage im warmen Zelt, eingerollt in ihre Schlafsäcke. Ang Dawa kochte und rauchte und verließ das Zelt nur, wenn er austreten musste. Einmal am Tag ging Eagle hinaus und marschierte mit seinem Kompass ein paar hundert Meter weit - als Test für sich selbst. Wenn er dann Kribbeln in Fingern und Zehen verspürte, kehrte er jedes Mal sofort um. Jetzt wusste er, dieses Kribbeln zeigte ihm an, dass die Gefahr drohte, wieder die Besinnung zu verlieren.
Als es schon schien, als dauere der Sturm ewig, hörte er plötzlich auf.
Eagle erwachte am vierten Morgen und hörte kein Windheulen mehr. Die Zeltwände knatterten nicht - er hörte nur, wie draußen die Sherpas ihren Tee kochten.
Der Himmel war strahlend blau. Eagle musste blinzeln, als er ins Freie trat. Ondi und Ang Dawa hatten die Gesichter vor der Sonne geschützt. Auch Eagle setzte seine Brille auf - er wollte nicht schneeblind werden.
Gemeinsam tranken sie den Tee; nach dem Frühstück schraubte Eagle den Verlängerungslauf auf seine CO2-Pistole und verwandelte die Waffe in ein Gewehr. Als Ziel wählte er einen leeren Karton, den er etwa zweihundert Meter entfernt auf einen Felsen stellte. Ondi und Ang Dawa beobachteten alles sehr amüsiert. Erstaunt blickten sie auf die Stahlpfeile, die er ihnen zeigte. Und als er die Waffe anlegte, den Abzug durchdrückte und eines der Geschosse lautlos aus dem Lauf flog, waren sie ganz verwirrt. Einen nach dem anderen jagte Eagle die Pfeile in den Karton. Dann drückte er Ang Dawa die Waffe in die Hand. Jeder der beiden Sherpas schoss zwei Pfeile ab. Obwohl die Waffe für sie ungewohnt war, waren sie gute Schützen.
Später studierte er das Wetter. Er war froh, dass der Wind nachgelassen hatte. Am Nachmittag seilten sie sich wieder an und kletterten etwa tausend Meter. Eagle merkte, dass er sich inzwischen an die Höhe gewöhnt hatte.
Am nächsten Tag unternahmen sie noch zwei Touren, und Eagle fühlte sich hinterher nicht erschöpfter als die beiden Sherpas. Und am dritten Tag führte er sie weit über jenen Punkt auf dem Nordosthang hinaus, an dem er damals schlappgemacht hatte.
Die beiden schwiegen. Aber Eagle spürte, dass die Sherpas davon beeindruckt waren, wie rasch seine Kräfte wiederhergestellt waren. Er überlegte, ob er die Gipfeltour wohl in zwei Tagen schaffen konnte. Minutenlang malte er sich das dumme Gesicht von Antonio Da Zara aus, wenn er erfuhr, dass der amerikanische Anfänger den Berg bezwungen hatte. Aber schließlich war dies kein Wettbewerb, sondern ein harter Einsatz.
Ondi hatte ihn beobachtet. Kichernd fragte er: »Sie wollen da hinauf, Sahib?«
»Vielleicht, vielleicht nicht.«
Ang Dawa bemerkte: »Ist sehr hoch und steil.«
»Ja, aber zu schaffen. Ich bin inzwischen so fit wie ihr.«
»Ja«, sagte Ang Dawa und nichts weiter. Er stopfte Tabak in seine Pfeife. Er übereilte nichts.
»Das Wetter kann Umschlägen«, meinte er dann. »Großer Sturm wird uns vom Gipfel fegen«, lachte Ondi.
Eagle sagte: »Das Wetter kann sich hier immer ändern. Ich bin jetzt fit genug; denkt mal darüber nach, ob wir's wagen können.«
Den Nachmittag über diskutierten die beiden im Gurkha-Dialekt. Abends, als sie in ihren Schlafsäcken lagen, meinte Ang Dawa: »Morgen früh gehen wir. Wenn Wetter gut.«
Zehntes Kapitel
Zwei Stunden nach Sonnenaufgang zogen sie los. Eagle half den Sherpas, ihre Lasten zu schultern, dann klinkten sie das Seil in die Gürtelhaken und marschierten davon - Eagle als erster, dann Ang Dawa, und Ondi am Schluss.
Eagle führte sie auf der Route, die sie beim Frühstück besprochen hatten. Sie verlief am Rand des Ostgletschers bis zu dem Punkt, an dem der Nordostgipfel eine besteigbare Wand anbot.
Die Luft war so ruhig, dass ihr Atem als reglose Wolke in der Kälte hing. Gegen vier Uhr waren sie am Ostgletscher: einem Katarakt aus Eis, der vom Gipfel herab bis weit den Hang hinunter verlief.
Eagle merkte bald, wie hart es war, hier einen Weg zu linden. Über ihm ragten Eisgebilde auf, so hoch wie dreistöckige Häuser. Vorsichtig gingen sie voran und achteten darauf, die größten Blöcke zu umgehen. Seit dem Sturm hatte die Sonne drei Tage lang gebrannt; es bestand Lawinengefahr.
Je höher sie stiegen, desto schwieriger wurde es, durch den frischen Schnee voranzukommen.
Im Schutz des Gipfels schlugen sie später ihr Lager auf. Nach dem Essen tranken sie miteinander Tee, dann schlüpfte Eagle in seinen Schlafsack und war zufrieden mit dem Ergebnis dieses Tages.
Frühmorgens brachen sie wieder auf. Diesmal wollten sie rund tausend Meter schaffen. Und es würde ein schwerer Tag werden, das wusste Eagle. Zunächst ging alles noch glatt. Aber dann wurde es steiler. Eagle führte die Sherpas über kahlgefegte Felsplatten. Schnee und Eis waren in den tiefen Furchen zusammengeweht worden, die sich den Hang hinaufzogen. Diese Furchen waren eine große Versuchung, denn sie bildeten einen guten Windschutz. Dennoch mied Eagle sie und kletterte lieber über die Felsen. Falls Lawinen niedergingen, würden sie am ehesten durch die verlockenden Rillen und Furchen zu Tal donnern.
Höher und höher ging es bergauf. Jetzt sah man die ganze Ostwand des Dhaulagiri. Mittags hatten sie die halbe Wegstrecke geschafft. Eagle fand einen Platz, an dem sie lagern konnten. Das Gefühl der Freude über die bisherige Leistung bekämpfte er. Euphorie war nichts für Bergsteiger. Die halbe Strecke relativ gut überwunden zu haben, war außerdem noch kein Grund zum Jubeln.
Nach der Rast hinderte plötzlich ein überhängender Fels ihren weiteren Aufstieg. Eagle blieb nichts anderes übrig, als die Bergnase zu umgehen. Dazu musste er aber durch eine der gefährlichen Rillen. Er sicherte sich mit der Leine und ging als erster los. Misstrauisch blickte er immer wieder nach oben. Jeden Augenblick konnte eine Lawine niedergehen.
Dann war er endlich auf der anderen Seite. Wieder sicherte er seinen Halt, dann folgten Ondi und Ang Dawa. Als auch die beiden Sherpas heil angelangt waren, setzten die drei Männer ihren Weg nach oben fort. Es ging nur langsam und mühsam, mit endlosem Tasten nach Halt für Hände und Füße, das Gesicht immer dicht an der steilen Wand. Für Gespräche blieb keine Zeit. Eagle hörte nur die Geräusche der Eispickel. Manchmal blickte er zu den beiden Sherpas hinunter. Sie mussten sich ebenso anstrengen wie er.
Gegen drei Uhr hatten sie drei Viertel der Strecke hinter sich gebracht. Sie legten eine kurze Teepause ein. Eagle war jetzt sicher, dass sie noch vor Einbruch der Dunkelheit den Gipfel erreichen würden, falls nichts mehr dazwischenkam.
Aber schon ein paar Meter weiter passierte es. Ein breiter Riß klaffte in der Wand - so, als habe ein Gigant den Berg zersägt. Eine Furche auf der rechten Seite bot sich als Ausweg an. Eagle seilte sich ab und überquerte die schneebedeckte Furche so vorsichtig wie ein Minenfeld. Der Schnee war hier unten so tief, dass er keinen richtigen Halt auf dem Grund fand. Bei fast jedem Schritt sank er bis zur Brust ein. Aber entschlossen kämpfte sich Eagle weiter und verdrängte alle Gedanken an Lawinen. Ondi und Ang Dawa sicherten sein Seil. Schließlich kam er auf der anderen Seite der Furche an, suchte einen guten Standplatz, um jetzt die anderen zu sichern. Ang Dawa ließ sich hinab und überquerte die Furche in Eagles Fußspuren. Auch er kam gut hinüber. Jetzt fehlte nur noch Ondi. Während die beiden Männer sein Seil hielten, machte sich Ondi auf den Weg, ein Grinsen auf dem breiten Gesicht.
Plötzlich hörte Eagle von oben ein dumpfes Geräusch und spürte kalte Luft; dann sah er, wie gewaltige Schneemassen von oben über Ondi stürzten. Wenn die Lawine nur gleichmäßig abgerutscht wäre, hätten die beiden Männer Ondis Seil vielleicht halten können. Aber die Massen krachten mit solcher Gewalt herab, dass nichts mehr zu retten war.
Ondi wurde unter dem Schnee begraben. Mit letzter Kraft konnte Eagle Ang Dawa halten, der von Ondis Sturz umgerissen wurde. Doch dessen Seil riss, und Eagle schaffte es mühsam, den Sherpa zu sich zu ziehen. Auf dem Felsen brach Ang Dawa zusammen. Er saß da, blickte Eagle böse an und schrie: »Er tot! Mein Freund Ondi tot - und Sahib Eagle schuld!«
Ang Dawa ballte zornig die Fäuste. »Sie schlecht. Sherpa musste sterben, weil Sie in Bergen spielen. Sie kriegen keine Hilfe mehr von Ang Dawa oder anderen Sherpas! Niemand geht mehr mit Sahib Eagle aus Basis 1, niemand!«
Eagle seufzte. Er brauchte nur in die tränennassen Augen des kleinen Mannes zu blicken, um keinen Zweifel daran zu haben, dass es dem Nepalesen ernst war. Wenn Ang Dawa die böse Nachricht vom Tod Ondis in Basis 1 verkündete, würde sich keiner mehr bereitfinden, ihn zu begleiten.
Und das bedeutete das Ende seiner Mission. Ohne die Hilfe der Sherpas konnte er niemals die Spur der Yetis bis zu deren Unterschlupf verfolgen.
»Sie kein guter Sahib«, wiederholte Ang Dawa noch einmal.
Elftes Kapitel
Eagle richtete sich auf. »Halt den Mund. Ich bin hier der Boß. Und dein Freund ist nicht tot, solange ich das nicht gesagt habe, verstanden?«
Jetzt war keine Zeit, einen Haken in den Fels zu treiben. Also schlang Eagle sein Seil zweimal um einen Vorsprung ohne scharfe Kanten, gab Ang Dawa das kurze Ende zum Festhalten und legte sein Gepäck ab. Dann stellte er das Funkgerät vor Ang Dawa. »Wenn mir etwas geschieht, kannst du damit Hilfe holen«, sagte er.
Ang Dawa nickte. Obwohl er sicher war, dass Ondi tot in den Schneemassen lag, half er Eagle.
Vorsichtig kletterte der Apache hinab. Die Eisen an seinen Stiefeln gaben ihm etwas Halt. Eagle wusste, dass die Chancen eins zu tausend standen, Ondi noch lebend zu finden. Aber er musste es versuchen, musste sich selbst überzeugen, dass der Sherpa tot war. Noch schlechter standen seine eigenen Überlebenschancen. Aber er musste es jetzt riskieren. Falls er mit einem toten Sherpa zu Basis 1 zurückkam, war sein Einsatz beendet, noch ehe er richtig begonnen hatte. Und Mr. Merlin hatte nicht viel Verständnis für so etwas.
Er kam zu einem scharfen Knick, nach dem es steil nach unten ging. Von diesem Punkt aus konnte Eagle sehen, wie die Lawine an Kraft verloren hatte und schließlich ausgelaufen war. Ringsum war alles von Schneemassen bedeckt, und nirgends bemerkte Eagle ein Zeichen von Ondi oder seiner Ausrüstung. Er seufzte und steckte sein Fernglas wieder ein. Zweifelsohne: Ondi war tot, unter Tonnen von Schnee begraben. Und dieser Schnee würde vielleicht Jahrhunderte den Körper des Mannes verborgen halten, ehe er ihn eines Tages wieder freigab.
Niedergeschlagen ging Eagle in seiner eigenen Spur wieder zurück. Aber plötzlich - etwa fünfzehn Meter von der Stelle entfernt, an der er Ang Dawa zurückgelassen hatte - hörte er einen Laut. Sofort riss Eagle die Pistole aus dem Gürtel. Anstatt sich mit dem Nächstliegenden zu befassen, hatte er an Mr. Merlin gedacht. Er war einfach unaufmerksam gewesen. Und jetzt konnte er nicht einmal bestimmen, von wo der Laut überhaupt gekommen war.
Mit gezückter Waffe kroch Eagle hinter einen Felsen. Wo das Geräusch auch ertönt war - es musste von einem Cyborg stammen, denn außer ihm, Ang Dawa und dem toten Ondi gab's hier keine menschlichen Wesen.
Doch außer dem Pfeifen des Windes konnte er jetzt nichts mehr vernehmen. So leise wie möglich kroch Eagle auf dem harten Schnee vorwärts. Da - wieder hörte er den Laut; fast wie das Stöhnen eines Menschen.
Den Finger am Abzug, schlich der Apache drei weitere Schritte vorwärts. Und dann hörte er das Geräusch noch einmal. Es stammte doch von einem Menschen - es waren Schmerzenslaute. Sie kamen von einer Stelle rechts über ihm.
Eagle klemmte die Waffe zwischen die Zähne und kletterte vorsichtig Hand über Hand nach oben. Er sah Ang Dawa nicht weit entfernt stehen und machte ihm mit dem Finger ein Zeichen, nicht zu schreien.
Die Pistole jetzt in der Rechten, in der Linken eine Lampe, beugte sich Eagle über den Rand. Er knipste die Lampe an - und sah etwa acht Meter unter sich Ondi! Das heißt, er sah nur den Kopf und die Schultern des Sherpas aus dem Schnee ragen.
Mit geschlossenen Augen stöhnte der Nepalese vor sich hin. Eagle wusste, dass der andere nur halb bei Bewusstsein war. Er legte die Waffe und Lampe beiseite und trieb mit fieberhafter Eile einen Haken in den Fels. Dann hängte er sein Seil in die Öse und ließ sich hinab.
Als sich Eagle über den Sherpa beugte, lag der ohnmächtig da. Ein blutiges Rinnsal sickerte aus einer Kopfwunde. Auch an der Stirn klaffte eine Wunde, aber sonst waren keine weiteren Verletzungen zu erkennen. Mit bloßen Händen grub Eagle den Schnee um Ondi fort, dann packte er ihn um die Brust und zog ihn heraus - wie man einen Pfosten aus der Erde zieht. Eagle legte den immer noch Bewusstlosen auf den Schnee. Ondi blutete weder aus dem Mund noch aus Nase und Ohren. Auch Knochenbrüche konnte Eagle nicht feststellen. Er hob die Lider hoch - keine Veränderung an den Pupillen. Puls und Atem gingen schwach, aber gleichmäßig. Sicher wird er einen Schock haben, dachte Eagle, wahrscheinlich auch Stauchungen und Prellungen.
Der Apache blickte zum Felsrand hinauf. Mit Hilfe des Seils konnte er Ondi auf seinem Rücken noch oben schaffen, aber Zeit für lange Überlegungen blieb nicht. Also hakte er Ondis Gepäck los und hängte es sich über die eigene Schulter. Dann zog er zweimal am Seil - für Ang Dawa das Zeichen, mehr nachzulassen. Damit sicherte er erst mal den Sherpa. Nun kletterte er ziemlich rasch mit Ondis Ausrüstungsbündel hinauf und legte den Pack oben ab. Gleich darauf war er wieder unten. Mit geübten Griffen hob er sich den leichten Mann auf den Rücken und band mit Extraseil Ondis Beine vor seiner Taille zusammen. Dann gab er Ang Dawa das Zeichen.
Die ersten paar Schritte drückte Ondis Gewicht ihn nicht zu stark. Aber dann spürte er die Last. Hände und Füße begannen vor Anstrengung zu zittern, sein Atem ging stoßweise. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte er sich nach oben, Schritt für Schritt.
Eagle merkte, dass sich Ang Dawa mit voller Kraft in das Seil stemmte. Der Nepalese konnte nicht wissen, dass er Ondi gefunden hatte, aber er musste sich wundern, weshalb jetzt so viel Gewicht an dem Tau hing.
Noch einen Schritt, und noch einen. Arme und Beine zitterten jetzt unkontrolliert. Eagle hörte sich selbst in der Sprache der Apachen um mehr Kraft flehen. Und er schaffte es. Plötzlich war er oben angelangt.
»Jetzt!«, presste Eagle hervor und brachte irgendwie auch den zweiten Fuß über den Felsrand. Er fiel vornüber zu Boden. Aber er war in Sicherheit - und mit ihm Ondi!
Eagle verlor einen Moment lang die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, sah er Ang Dawa auf den Knien kauern und seine Finger aus der Felsspalte lösen, in die sie sich gekrallt hatten, damit er nicht rücklings mit Ondi abstürzte. Bewegungslos lag der Apache auf dem Boden. Er konnte Ang Dawa nicht einmal helfen, die Leinen loszumachen, mit denen Ondi auf seinem Rücken festgezurrt war. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder aufrecht hinsetzen konnte. Wortlos starrte er in Ang Dawas Augen.
Dann brachte der Sherpa seinen Kameraden etwas höher hinauf, kam zurück und wartete, bis Eagle wieder kräftig genug war, um auch die paar Meter nach oben auf das Plateau zu klettern. Eagle holte die Kognakflasche aus dem Erste-Hilfe-Päckchen und flößte Ondi etwas von dem Alkohol ein, während Ang Dawa über Funk Basis 1 verständigte.
Der Kognak rann durch Ondis Kehle. Seine Augen waren jetzt geöffnet. Er würde es schaffen, dessen war sich Eagle sicher.
Nachdem auch er einen Schluck genommen hatte, konnte Eagle wieder sprechen. »Jetzt bringen wir ihn zu einem Landeplatz«, sagte er zu Ang Dawa. Eagle sortierte alles Überflüssige aus. Nur die Waffen und Proviant für etwa drei Stunden nahm er aus den Packen. Eine halbe Stunde später machten sie sich an den allerletzten Aufstieg. Zu zweit schleppten sie Ondis schlaffen Körper bergan.
Kaum waren sie oben, da meldete sich Basis 1 über Funk: der Senkrechtstarter war bereits im Anflug. Ang Dawa kletterte nochmals hinunter und holte Topf und Tee aus seinem Pack. Später bot er Eagle eine Tasse des zuckersüßen Gebräus an.
»Sie große Klasse, Sahib Eagle. Jetzt begleitet Ang Dawa Sie überall hin. Nach Tibet, überall. Ang Dawa lässt Sie nicht allein gehen.«
Das war keineswegs Unterwürfigkeit, sondern der freie Entschluss des anderen, sich Eagles Führung anzuvertrauen. »Danke«, sagte Eagle. »Du bist ein verflucht netter Kerl, Ang Dawa.«
Und der fügte hinzu: »Ondi geht auch mit. Falls er überlebt.«
Zwölftes Kapitel
Als sie erwachte, spürte sie heftige Kopfschmerzen und Übelkeit. Das ist neu, dachte Susan Blackwood. Noch bevor sie die Augen aufschlug, wusste sie, dass sie sich wieder in der »weichen« Zelle befand. Sie merkte es an dem bequemen Bett und dem feinen Laken, das bis zum Kinn hochgezogen war. Aber die Kopfschmerzen? Die Übelkeit? Gehörten die in Dr. Chens fortschreitendes Programm? Oder war sie nur krank? Eine Grippe vielleicht?
Es wäre schon ein Witz gewesen, wenn sie hier erkrankte und vielleicht sogar starb, noch ehe Dr. Chen sie richtig für ihr künftiges Dasein als Cyborg präpariert hatte.
»Was hältst du von meinem Galgenhumor, Dr. Chen, du Schwein«, sagte sie laut und kicherte.
Dies warf in ihr wieder die alte Frage auf: Konnte sie lachen, weil sie noch Widerstand zu leisten vermochte, oder wurde sie schon hysterisch? Allmählich fiel es ihr immer schwerer, klar darüber nachzudenken.
Wie lange war sie jetzt schon in der weichen Zelle? Hatte man sie gestern hierhergebracht? Oder schon am Abend zuvor?
Susan streifte das Laken zurück. Dann setzte sie sich auf und schwang mit einem Ruck die Beine aus dem Bett. Schon lag sie mit dem Kopf auf dem teppichbedeckten Boden. Vor Schmerz schrie sie laut auf.
Einen Moment blieb sie so liegen. Dann richtete sie sich mühsam auf und hockte eine Weile nackt auf allen vieren.
Ein schwerer, süßlicher Duft lag im Raum. Wieder eine kleine Überraschung des lieben Doktor Chen? Die Übelkeit, die Kopfschmerzen und das Benommensein mussten mit diesem Duft Zusammenhängen.
Aber was war es? Es roch wie eine Mischung aus Blumenduft und Desinfektionsmittel. So etwas wie ein Nervengas? Auf jeden Fall etwas, das den Gleichgewichtssinn störte.
In Ordnung, gehen wir mal davon aus. Jetzt müssen wir nur noch rauskriegen, wie der ehrenwerte Doktor das Zeug in diese Zelle praktiziert hat.
Natürlich durch den Ventilator. Susan hob den Kopf und betrachtete den Ventilator, der hinter einem Gitter oben in der Wand eingelassen war.
Das werden wir rasch enträtselt haben, Mädchen, sagte sie sich. Auf Händen und Füßen kroch sie über den Teppich, bis sie die Wand erreicht hatte. Langsam richtete sie sich auf. Und je näher Susan dem Gitter kam, desto intensiver wurde der Duft. Jetzt war ihr alles klar.
Während sie sich bemühte, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, merkte sie, dass sie wieder kicherte.
Ihre Beine drohten einzuknicken. Hier war der künstliche Blumenduft besonders stark. Hinter dem Gitter erkannte sie eine gläserne Phiole. Der Stöpsel lag daneben - und daran war ein Zettel befestigt. Mit roter Tinte waren Buchstaben darauf gepinselt.
Susan lehnte sich nach rechts und stützte sich mit einem Arm ab. Mit den Fingern der Linken stocherte sie durch das Gitter. Sie konnte hindurchfassen und mit den Fingerspitzen den Stöpsel berühren. Mühsam bugsierte sie ihn bis dicht ans Gitter. Aber er passte nicht hindurch.
Susan kicherte wieder und löste mit den Fingerspitzen das Papier. Wie ein ungezogenes Kind, das etwas Verbotenes tut, grinste sie und zog eine Ecke des Zettels durch das Gitter. Endlich hatte sie es geschafft. Langsam ließ sie sich an der Wand herab zu Boden gleiten, um ihre Beute zu studieren.
Susan Blackwood,
ich bin Mitglied des sowjetischen KGB und arbeite hier. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Ich versuche, Ihnen entschärfte Injektionen zu geben. Wenn mir der Schwindel gelingt, benutze ich das Kennwort Kamel. Sollte er nicht gelingen, werde ich Ihnen auf andere Art helfen. Halten Sie durch. Wenigstens bis zur ersten Vorbereitungssitzung.
Markow
Susan las die Nachricht noch einmal. Sie erinnerte sich daran, dass ihr Kontaktmann in Peking ihr vor sehr langer Zeit erzählt hatte, dass die Russen einen ihrer Leute in das geheime Projekt des Dr. Chen eingeschleust hätten. Gut, lieber Kollege Markow. Hilfe von Spion zu Spion wird gern angenommen, dachte Susan.
Dann knüllte sie das Papier zusammen, steckte es in den Mund und verschluckte es.
Dreizehntes Kapitel
Noch ehe die Maschine in Basis 1 landete, kam Ondi wieder zu sich. Er hielt Eagles und Ang Dawas Hand und schwatzte matt, aber glücklich in seiner Sprache mit dem anderen Sherpa.
Die Ärzte, die in die Kabine kletterten, waren fast etwas ärgerlich, weil sie sich Ondis Zustand weit schlimmer vorgestellt hatten. Unglaublich, aber wahr: bis auf ein paar Prellungen merkte man dem Nepalesen überhaupt nicht an, dass er von einer Himalaya-Lawine verschüttet gewesen war. Zum Erstaunen des kleinen Sherpas verordneten die Mediziner ihm jedoch trotzdem achtundvierzig Stunden Bettruhe. Zur Vorsicht.
Abends gingen Eagle und Da Zara ihn besuchen. In Ondis Zimmer war die munterste Party im Gange. In der Luft hing der Duft von nepalesischem Haschisch - dem stärksten Haschisch der Welt. Und die Whiskyflaschen kreisten unter der Gruppe - Männer und Frauen -, die sich rings um Ondis Bett versammelt hatte. Eines der Mädchen, westlich gekleidet, war ungewöhnlich hübsch.
Eagle hatte gerade noch Zeit, sich von dem Patienten erzählen zu lassen, wie er sich durch Schwimmbewegungen an der Oberfläche der Lawine hatte halten können. Dann wurden alle von der energischen Krankenschwester hinausgeworfen. Am nächsten Abend durfte Ondi keinen Besuch mehr empfangen.
Dafür wurde das Fest in der Sherpa-Unterkunft fortgesetzt. Wieder ging Eagle mit Da Zara hin. Der Apache beabsichtigte nicht, sehr lange zu bleiben. Er war kein großer Trinker, und auch aus Hasch oder Marihuana machte er sich nicht viel.
An dem Lärm konnte er schon von außen hören, dass die Party auch ohne ihn ein Erfolg werden würde. Der Raum war zum Bersten überfüllt. Nur in der Mitte hatte man eine kleine Fläche zum Tanzen freigehalten. Und wieder lag der Haschischduft schwer in der Luft. Eagle nahm den Pappbecher mit selbstgebrautem Whisky und leerte ihn unvorsichtigerweise in einem Zug. Sofort wurde nachgeschenkt. Eagle entfernte sich lieber etwas von dem freigebigen Spender. Überall musste er sich von den glücklichen Sherpas die Hand schütteln lassen. Alle gratulierten ihm in komischem Englisch, weil er Ondis Leben gerettet hatte.
Mit dem Rücken zur Wand trank Eagle lächelnd seinen Whisky. Manchmal nahm er eine der angebotenen Pfeifen und machte einen Zug. Als er einmal durch den Raum sah, erblickte er das hübsche Mädchen, das er schon am Tag zuvor gesehen hatte. Auch diesmal trug es wieder westliche Kleidung - einen roten Rock, der die langen Beine freiließ, und eine langärmelige, weiße Bluse. Das Haar fiel ihr in einem dicken Zopf über die Schulter bis zu den wohlgeformten Brüsten. Sie lehnte an der Wand und schwatzte mit einem Sherpa-Unteroffizier. Als sie Eagles Blicke spürte, sah sie auf und lächelte ihm zu.
Er trank seinen dritten Becher Whisky leer und beschloss zu gehen. Als er sich einen Weg durch die Menge bahnte, bemerkte Ondi ihn. Lachend packte er ein verschüchtertes Sherpa-Mädchen bei der Hand und schrie: »Sahib, komm tanzen!« Die Westernmusik vom Tonband war zwar schon etwas außer Mode, aber Eagle führte das schlanke Mädchen zur Tanzfläche und wiegte sich mit ihm im Takt. Plötzlich merkte er, dass sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen hatten. Das Mädchen tanzte ausgezeichnet, und Eagle begann die Sache Spaß zu machen, während die übrigen mit den Händen den Rhythmus klatschten. Als die anderen wieder auf die Tanzfläche drängten, wurde ihm plötzlich ein Glas Whisky in die eine, eine Haschpfeife in die andere Hand gedrückt. Wieder bahnte er sich einen Weg zur Wand. Auf einmal wurde ihm sanft die Pfeife aus der Hand genommen. Eagle sah erstaunt das Sherpa-Mädchen im roten Rock vor sich, das einen tiefen Zug aus der Pfeife nahm.
»Ich heiße Anidede«, sagte das hübsche Ding und lächelte ihn aus tiefschwarzen Augen an.
»Mein Name ist Eagle«, antwortete er.
»Sag' irgendetwas«, meinte sie und lächelte wieder. »Ich möchte dich sprechen hören, damit ich mir eine Meinung über dich bilden kann.«
Jetzt musste Eagle lachen.
»Du bist kein Engländer, sondern Amerikaner, nicht wahr?«
»Ja.«
»Mein Bruder dachte, du seist Brite. Aber er ist nur ein einfacher Bursche aus den Bergen.«
»Wer ist dein Bruder?«
»Ondi. Du hast sein Leben gerettet.«
»Du sprichst aber sehr gut Englisch, Anidede.«
»Ja. Ich bin in Katmandu in die Klosterschule gegangen. Seit meinem elften Lebensjahr. Später haben mich die Nonnen zur Hebamme ausgebildet.«
Das Mädchen war kaum älter als zwanzig. Bis auf den Lidschatten benutzte Anidede kein Make-up. Ihre Haut schimmerte golden. »Erinnerst du dich noch an Tibet?«, fragte Eagle.
»Nur ganz wenig. Ich war noch sehr klein, als wir über die Berge hierher flüchteten. Meist trug mich mein Bruder auf den Schultern«, antwortete Anidede. Dann machte sie wieder einen tiefen Zug und gab danach ihm die Pfeife. »Rauch hiervon. Trink keinen Whisky mehr. Alkohol taugt nicht für einen Mann, der mich lieben soll. Und ich möchte, dass du mich die ganze Nacht liebst.«
Sie lächelte in Eagles erstauntes Gesicht und steckte ihm das Mundstück sanft zwischen die Lippen. »Es ist sehr, sehr schön, Liebe zu machen, wenn man vorher geraucht hat«, flüsterte sie.
Schweigend rauchten sie. Dann verschwand das Mädchen für einen Augenblick und kam in Parka und gefütterten Stiefeln zurück. Eagle geleitete sie aus der Unterkunft. Niemand schien die beiden bemerkt zu haben.
Als sie über die Landebahn gingen, hielt sie seinen Arm so an sich gepresst, dass er mit seinem Ellbogen ihre Brüste spüren konnte.
Eagle führte sie zu seinem Zimmer und knipste das Licht an. »Dieses Bett ist etwas schmal für ausgefallene Sexspiele«, erklärte er.
»Schon gut«, lachte das Mädchen. »Ich bin auch schmal. Ich brauche nicht viel Platz.« Dabei zog sie die Parka über den Kopf. »Du wirst sehen!«
Eagle schlüpfte aus seiner Pelzkleidung und beobachtete, wie sie sich auszog. Stiefel und Hose lagen schon am Boden. Anidede öffnete Haken und Reißverschluss ihres roten Rockes und ließ ihn mit einem eleganten Schwung ihrer Hüften zu Boden gleiten. Ihr Slip war nur ein Hauch. Dann wandte sie sich um, damit er ihr den Verschluss der Bluse öffnen konnte. Eagle packte sie bei den Armen und hob sie auf ein Fußbänkchen. Jetzt konnte er genau in die Augen des kleinen Geschöpfes blicken. Er öffnete ihren BH. Ihre Brüste waren zwar klein, aber fest. Als sie sah, wie er sie anstarrte, reckte sie voll weiblichen Stolzes die Schultern. Eagle musste lachen. Vorsichtig zog er ihr den kleinen Slip aus. Bis auf das schwarze Dreieck war ihr Körper - wie bei den meisten Orientalen - haarlos. Eagle trug das Mädchen zum Bett und legte es sacht nieder, um sich selbst auszuziehen.
Anidede wandte sich Eagle zu, als er sich hinlegte. Ihr geöffneter Mund presste sich auf seinen. Sanft strich er mit der Hand über ihren seidenweichen Körper. Als er dann leise mit den Fingerspitzen ihre Brustwarzen streichelte, begann sie zu zittern, und ihr Atem wurde heftiger. Da merkte Eagle, dass sie zu den wenigen Frauen gehörte, die einen Orgasmus schon beim Streicheln ihrer Brüste bekommen konnten. Er nahm sie in den Arm. Anidede keuchte jetzt, ihre Nasenflügel bebten, und ihr Körper errötete unter seinen Liebkosungen.
Eagle spreizte ihre Beine und rollte sich auf Anidede. Dann legte er sich ihre Beine über die Schultern und drang in sie ein; dabei spürte er ihre Zuckungen und sah, dass ihre schwarzen Augen verschwommen waren. Das Mädchen war in der Trance des Orgasmus. Er presste Anidede fest an sich, übermannt von seiner eigenen Erregung. Immer wieder, immer tiefer rammte er in sie hinein - bis auch er sich endlich verströmte.
Als Eagle bei grellem Licht aufwachte, stand Da Zara unter der Tür und rief: »Eagle! Die Cyborgs haben wieder angegriffen!«
Er richtete sich auf, wollte ein Laken über Anidede ziehen. Die aber grinste nur breit zu Da Zara hinüber und sagte munter: »Ciao, Antonio!«
Eagle schlüpfte aus dem Bett. »Wurde einer der Männer verletzt?«
»Nein. Aber sie haben einen Cyborg getötet.«
Der Italiener war mit dem Jeep gekommen. Sofort brachte er Eagle zur Krankenabteilung. Die ganze Basis war auf den Beinen - Fahrzeuge rasten vorbei, Männer liefen über den Platz. Hubschrauber kreisten über der Basis und alle Scheinwerfer brannten. In den Himmel stiegen Leuchtraketen. Im Sezierraum sah Eagle den ersten Cyborg seines Lebens. Die großkalibrigen Geschosse hatten seine Plastikplatten von der mächtigen Brust gerissen. Selbst im Tod war der Anblick dieser Kreatur schrecklich.
Die Ärzte hatten bereits das Fell, das den Cyborg als Yeti tarnte, beiseite gezogen. Eifrig beugten sich einige Chirurgen über den Kopf des Ungetüms. »Das ist neu, Da Zara«, sagte der Chefarzt. »Dieser hier ist nicht wie die beiden anderen. Man hat ihm die Stimmbänder entfernt, in seiner Brust sitzt nun ein Mikrowellenempfänger!«
»Na, fein«, meinte Eagle. »Cyborg Modell M-l, A-l, wie?«
Vierzehntes Kapitel
Die Tür zur harten Zelle schwang auf, und sie kamen zu viert in Susan Blackwoods Verlies: vier Wächter in den blauen Uniformen der Volksbefreiungsarmee. Ein Offizier folgte ihnen. So viele waren noch nie zu ihr gekommen. Und draußen auf dem Korridor standen noch zwei weißgekleidete Ärzte.
»Bitte, bereiten Sie uns keine Schwierigkeiten, Susan«, sagte einer der Soldaten auf Chinesisch.
Susan bäumte sich auf, nackt wie sie war, und versuchte, ihn an seiner empfindlichsten Stelle mit dem Fuß zu treffen. Der Mann, ein schlanker Bursche von höchstens achtzehn Jahren, reagierte blitzschnell und fing den Tritt mit der Hüfte ab. Ein zweiter Soldat sprang hinzu und packte sie, hob sie einfach hoch. Der erste schnappte sich die Füße des Mädchens. Zu zweit schleppten sie Susan wieder zur Pritsche zurück. Ein dritter Soldat kam herbei. Er hatte Eisenfesseln in den Händen. Aber der Offizier befahl: »Warte noch!« Und er sorgte dafür, dass Susan wieder mit dem Laken bedeckt wurde.
»Das ist wohl alles, was ihr Soldaten tun könnt?«, fragte einer der Ärzte boshaft. »Fünf von euch gegen eine einzige Frau. Macht schon voran und bringt dieses britische Miststück hier raus!«
Wütend gab der Offizier zurück: »Wollen Sie vielleicht unseren Job tun? Sie klappriger Dummkopf! Dieses Mädchen schlägt Sie mit einer Hand nieder!«
Susan merkte, wie es in den Augen der anderen Soldaten flackerte. Der Arzt knurrte böse: »Reden Sie gefälligst in anderem Ton mit mir!«
Einer der Soldaten kam mit einem Kittel und streifte ihn dem Mädchen über. Als Susan sich sträuben wollte, murmelte er beruhigend: »Komm schon, ganz ruhig!«
Dann wurden ihr Hände und Füße mit den Eisen gefesselt. Der Offizier trieb seine Leute zur Eile an. Man hob Susan auf eine Bahre. »Armes Mädchen«, seufzte einer der Soldaten und steckte ihr fürsorglich den Kittel fest.
Nun kam der kaukasisch aussehende Doktor auf sie zu. In der Hand hielt er eine Spritze und sagte auf Chinesisch: »Keine Angst!«
Wütend antwortete Susan in derselben Sprache: »Du verdammtes Schwein!«
Auf Englisch sagte der Mann: »Sie werden Durst haben wie ein Kamel, wenn Sie später erwachen.« Gemächlich rieb er ihr den Arm mit Alkohol ab und sah ihr fest in die Augen. Jetzt verstand sie. Der Mann musste Markow sein. Auf dem Zettel hatte gestanden, er wolle das Wort Kamel als Erkennungszeichen benutzen.
»Das ist Anectin. Zwanzig Milligramm. Ein rasch wirkendes Mittel zur Muskelentspannung. Allerdings wird Sie das Zeug in ein paar Minuten vorübergehend lähmen. Sie werden Atemnot und furchtbare Angstgefühle bekommen. Aber keine Sorge, sterben werden Sie nicht. Wir haben außerdem Sauerstoff bereitgestellt.«
Sein chinesischer Kollege schnauzte: »Warum reden Sie Englisch mit dem Weib?«
»Um sie zu entspannen, sie zu beruhigen«, gab der Kaukasier zurück. Dann sagte er wieder zu Susan: »Wenn ich jetzt den Einstich mache, schließen Sie einfach die Augen. Und lassen Sie sie zu, bis ich sie Ihnen wieder öffne.«
Susan fühlte den Nadelstich. Sie schloss die Augen. Kurz darauf merkte sie, wie der Mann ihre Lider hob. Sein Gesicht war ganz nahe bei ihr. Flüsternd formten seine Lippen die Worte: »Ich bin Markow.«
Zwei Soldaten rollten die Bahre aus der Zelle zum Aufzug am Ende des Ganges. Die übrigen folgten. Langsam sank der Aufzug dreißig Meter in die Tiefe, hinab in die Gewölbe des unterirdischen Forschungszentrums. Dann öffneten sich die Türen wieder, und die Bahre wurde in eines der Laboratorien gerollt.
Die Soldaten machten einen Schritt zur Seite; der Offizier knurrte: »Sie gehört euch, ihr Metzger!«
Der Chinese würdigte ihn keiner Antwort. Erst im Laborraum sagte der Arzt zu Markow: »Die Soldaten werden mit jedem Tag unverschämter.«
»Haben Sie von der Schlägerei gestern Abend gehört?«, fragte Markow seinen Kollegen. »Ein Soldat gab einem vom medizinischen Personal in der Kantine eine freche Antwort. Und als der andere sauer wurde, haute ihm der Soldat eins auf die Nase.«
Der Chinese seufzte: »Nicht das erste Mal, dass so was passiert.«
Markow beugte sich über Susan und fühlte nach ihrem Puls. »Glauben Sie, dass zwischen den Leuten von der Armee und dem medizinischen Personal etwa grundloser Zank besteht? Aus Peking verlautet gerüchteweise, dass Chens Projekt vielleicht abgebrochen wird.«
»Verfluchtes Gerede! Ich würde nicht darauf hören. Aber selbst, wenn es zuträfe, was wissen diese dummen Soldaten schon davon?«
»Schön, ich habe aber festgestellt, dass die Offiziere Dr. Chen nicht mögen. Und so was wirkt sich dann auch auf die niederen Ränge aus.« Nach einer Pause fügte Markow hinzu: »Fürchten Sie nicht, dass eines Tages die Armee das Kommando hier übernimmt?« Susan war sicher, dass Markow nur ihretwegen solange herumdebattierte. Aber was wollte er ihr mitteilen? Vielleicht dass Dr. Chen bei seiner eigenen Regierung in Ungnade gefallen war?
Aber dann hörte sie nicht mehr auf die Unterhaltung - sie konnte nicht mehr atmen!
Wie eine Klammer umschloss plötzlich irgendetwas ihre Kehle. Sie wollte sich aufsetzen. Aber Markow drückte ihren Oberkörper hinab, und der Chinese packte ihre Füße.
Noch nie hatte sie solche Angst verspürt. Immer wieder versuchte Susan, sich aufzubäumen, um Luft zu bekommen. Ihr Mund öffnete sich, sie keuchte, rang nach Luft für ihre gemarterten Lungen.
Auf Chinesisch sagte Markow: »Es wäre besser, Sie hielten den Sauerstoff bereit. Sie gefällt mir nicht!« Als der andere sich um das Oxygengerät kümmerte, flüsterte Markow ihr auf Englisch zu: »Vertrauen Sie mir, Susan. Ich weiß, was ich tue. Sie werden nicht sterben. Leider konnte ich mit dem Anectin keinen Trick versuchen. Aber nächstes Mal bekommen Sie nur Salzlösung eingespritzt. Spielen Sie danach die Betäubte und verhalten Sie sich ein paar Stunden völlig müde und gleichgültig.«
Der andere kam zurück: »Was quatschen Sie denn schon wieder Englisch mit ihr?«
»Ich habe sie nur beruhigt«, sagte Markow.
»Hören Sie auf damit! Das ist ein Befehl! Ich habe hier die Leitung!«
Markow gab zurück: »Aber die Narkose ist mein Aufgabengebiet!«
Eine dritte Stimme ertönte: »Was ist denn hier los? Was geht vor?«
Markow antwortete: »Genosse Ling scheint zu phantasieren. Er ist beunruhigt, weil ich mit ihr Englisch gesprochen habe.«
Ein großer Chinese mit riesigen Augen hinter randloser Brille kam in Susans Blickfeld. Er sah auf sie mit der Gleichgültigkeit herab, die er auch für ein Versuchskaninchen übrig gehabt hätte. Trotz ihrer furchtbaren Angst fühlte Susan, dass sie noch nie in ihrem Leben jemanden so gehasst hatte wie ihn.
Auf Chinesisch sagte Dr. Chen: »Vertrauen Sie Markow, Genosse Ling, jeder von Ihnen hat eben sein Spezialgebiet.« Chen spähte über Markows Schulter: »Wieviel Anectin hat sie bekommen?«
»Zehn Kubikzentimeter von der Zwanzig-Milligramm-Lösung.«
»Hervorragendes Zeug. Sehen Sie mal die Angst in ihren Augen. Aber geben Sie ihr nur Sauerstoff, wenn es unbedingt nötig wird, um sie am Leben zu erhalten.«
Susans Brust ging auf und nieder. Wunderbarerweise drang etwas Luft in ihre Lungen. Sie versuchte es noch einmal. Noch mehr Luft. Und plötzlich war alles vorbei, die Angst wich.
Ihre Augen blitzten. »Mit was für einem verdammtem Gift quälen Sie mich, Sie Schwein?«
Dr. Chen lachte. »Der wissenschaftliche Name lautet Succinylcholin-Chlorid. Ein Entkrampfungsmittel. Nützlich bei Operationen, Elektroschocks, orthopädischen Übungen oder bei der Einführung von Schläuchen durch die Atemwege.«
Chen nahm ihre gefesselte Hand und fühlte nach dem Puls. »Rast ganz hübsch«, meinte er zu Ling. »Gerade der richtige Zustand, damit Sie mit der Suggestivbehandlung anfangen können.« Er drehte sich um, sah auf Susan herab: »Anectin hat noch eine Nebenwirkung - es verursacht Todesangst.«
Inzwischen kam Markow mit einer zweiten Spritze. Als Chen und Ling hinter ihm standen, machte er Susan rasch ein Zeichen mit den Augen. Dann spürte sie den Einstich und schloss die Lider. Jetzt musste sie für die nächsten Stunden die Willenlose spielen.
Susan hörte Chens Stimme ganz deutlich: »Diese zweite Dosis erhöht Ihre Aufnahmebereitschaft für die Sitzung, die wir jetzt veranstalten. Wir haben die russischen Methoden der Gehirnwäsche verfeinert. Ihre Erfahrungen mit Anectin fangen gerade erst an - wir haben noch eine große Auswahl an chemischen Waffen!«
Für die anderen dozierte er: »Diese Frau hat sich bisher sehr widerstandsfähig gegen harte und weiche Behandlung gezeigt. Vermutlich wurde sie von den Briten einem Spezialtraining unterzogen. Aber ich bin sicher, Sie werden das hinkriegen, Ling.«
Kurz darauf wurde Susan hochgeschoben. Sie blinzelte und sah, dass man sie in einen großen Sessel gegenüber einem Bildschirm setzte. Ling drückte sie in die Polster und hob ihre Lider - Susan ließ sie offen. Jetzt kamen ihr die Kenntnisse zugute, die sie beim autogenen Training erlernt hatte. Also spielte sie bewusst die Passive, als stehe sie unter dem Einfluss der Psychodroge, die Markow ihr nach Meinung von Chen und Ling eingespritzt hatte.
Der Farbbildschirm leuchtete auf. Sie sah, wie bei leiser Musik fröhliche Cyborgs im Schnee herumtollten. Also so fängt das an, dachte Susan. Sie wollen mir vormachen, dass das Leben als Cyborg eine wundervolle Sache sei. Und das Leben als Normalmensch unerträglich.
Ein Schaudern überkam sie. Wenn sie nicht Markow als Helfer gehabt hätte, wäre sie dem hilflos ausgeliefert gewesen. In ein, zwei Wochen hätten Ling und Dr. Chen ihre Persönlichkeit derart verformt, dass sie vermutlich darauf gebrannt hätte, endlich ein Cyborg zu werden.
Aber war Markow überhaupt ihr Helfer? Schließlich gab es kein Motiv für einen russischen KGB-Mann, einer britischen Spionin zu helfen und die eigene Mission zu gefährden. War nicht alles doch nur ein teuflischer Trick in Dr. Chens Plan?
Fünfzehntes Kapitel
Eagle bremste in einer Wolke von Schneestaub. Ang Dawa und Ondi waren Sekunden später bei ihm. Der schmalgesichtige Ang Dawa löste die Bindungen und steckte seine Ski in den Schnee, dann stapfte er zu den Fußspuren.
»Sie sind immer noch zusammen, Sahib Eagle. Sie haben sich nicht getrennt«, rief er zurück.
Der Apache nickte. Auch er war dieser Meinung. Seit dem Morgen, an dem Da Zara ihn und Anidede im Bett überrascht hatte, waren er und die beiden Sherpas den Spuren der angreifenden Yetis gefolgt. Er schätzte, dass es zehn oder zwölf waren - begleitet von zwei Menschen.
Den Spuren nach zu urteilen, machten die Yetis Schritte von fast zwei Metern. Sie hatten den Platz gefunden, wo die Ungeheuer auf ihre beiden menschlichen Begleiter gewartet hatten. Diese beiden, so glaubte Eagle, kommandierten die Gruppe. Und er glaubte auch, dass die Führer den Angriff abgeblasen hatten, nachdem sie entdeckten, dass die Wachen in Basis 1 mit großkalibrigen automatischen Waffen ausgerüstet worden waren.
»Immer noch großer Abstand, Sahib. Wir nicht fangen!«, meinte Ondi.
»Kaum«, knurrte Eagle. Er und die Sherpas konnten auf Skiern rascher vorwärtskommen als die anderen zu Fuß. Und doch hatten sie die Yeti-Gruppe noch immer nicht eingeholt.
»Wir nahe am Pass«, meinte Ang Dawa. Eagle hatte die Karte aufgeschlagen und studierte sie aufmerksam. Aber sie war nicht sehr gut, da sie nur aus Luftbildern zusammengestellt war. »Ja«, nickte Eagle. »Er beginnt dort drüben, rechts.«
Der Pass führte nach Tibet. Patrouillen aus Basis 1 hatten bemerkt, dass er von Soldaten der chinesischen Volksarmee kontrolliert wurde. Vermutlich hatten die Führer der Yeti-Gruppe die Soldaten darauf hingewiesen, dass sie wahrscheinlich verfolgt werden würden. Also mussten die Grenzposten besonders wachsam sein, wenn er mit den beiden Sherpas über den Pass kam. Und jeder Aufenthalt konnte den Yetis nur noch mehr Vorsprung verschaffen, außerdem mochte ein Sturm jederzeit ihre Spuren verwehen.
»Machen wir Lager, Sahib?«, fragte Ondi. »Ausschau halten?«
Sie konnten im Moment nichts anders tun. Es war ausgeschlossen, den Pass im Hellen zu überqueren.
Eagle zog seine Ski aus. »Wir schlagen ein Lager auf, und ich sehe mich mal um.« Er schraubte die Verlängerung auf den Lauf seiner Pistole und schlich im Schutz eines Felsens vorwärts. Dabei vertraute er darauf, dass die weiße Tarnkleidung, die er und die Sherpas trugen, Schutz vor Entdeckung bot. Kaum war er ein paar hundert Meter weit gegangen, da sah er die Antenne des tragbaren Senders der Wachtposten. Eagle kletterte auf einen schneebedeckten Hügel und legte sich flach auf den Bauch. Dann nahm er sein Fernglas zur Hand. Da die Sonne in seinem Rücken stand, brauchte er nicht zu fürchten, dass sich das Licht in den Gläsern spiegeln und ihn so verraten würde. Ganz dicht bei sich sah er zwei weißgekleidete Volksarmisten auf den Hügel klettern, auf dem die Antenne stand. Sie kochten Tee.
Eagle beobachtete sie eine ganze Weile. Die beiden wirkten wie Soldaten, die wussten, dass sie bald mit einem Angriff rechnen mussten. Die Wachen waren also alarmiert. Aber Eagle hatte schließlich von Anfang an nicht geglaubt, dass die Chinesen hier oben unaufmerksam seien.
Er beobachtete das ganze Gelände. Der Pass war zu schmal als dass er hoffen konnte, mit Ondi und Ang Dawa unbemerkt durchzuschlüpfen. Selbst wenn sie es nachts geschafft hätten, musste man am nächsten Morgen klar und deutlich ihre Spuren erkennen. Sofort würden ihnen dann Patrouillen folgen, und das bedeutete, dass sie zwischen zwei Fronten gerieten - zwischen die Grenzposten und die Cyborgs.
Auf der anderen Passseite erhob sich ein weiterer Hügel. Eagle studierte ihn genau. Der Fels war kahl, da der Sturm, der seit drei Tagen blies, den Schnee fortgeweht hatte. Der Apache suchte mit den Augen einen Weg - weit genug entfernt von den Grenzwachen und leicht zu klettern. In Gedanken notierte er sich alle wesentlichen Einzelheiten, damit er die Sherpas später - wenn der Mond herausgekommen war - sicher führen konnte.
Eagle vergewisserte sich sorgfältig, dass keine Soldaten auf jenem Hügel postiert waren, dann steckte er das Fernglas fort und machte sich an den Abstieg. Die Sherpas hatten inzwischen das weiße Zelt errichtet. Auf dem Primuskocher erhitzten sie die tiefgefrorenen Rationen. Beim Essen erklärte Eagle den beiden Nepalesen seinen Plan.
Aufmerksam lauschten sie. Als Eagle zu Ende kam, blickte Ondi zufrieden drein, und Ang Dawa fragte: »Sahib, sind zu viele Chinesen dort drüben? Können wir sie nicht einfach heute Nacht töten?«
»Ja«, stimmte Ondi begeistert ein. »Wir nicht leise vorbei. Wir killen chinesische Schweine, Sahib!«
Aber Eagle schüttelte den Kopf. »Zu viele Chinesen für uns.«
»Schade«, meinte Ang Dawa.
»Aber ich glaube, dass ihr leider noch manche Gelegenheit bekommen werdet, Chinesen umzubringen«, sagte Eagle.
Beide Sherpas grinsten. »Sehr gut. Wirklich sehr gut!«
»Lassen wir Ski hier?«, fragte Ang Dawa.
Eagle seufzte erleichtert, weil ihr Blutdurst damit abgelenkt war. Sie hassten die Chinesen, und ihr Instinkt befahl ihnen, jeden zu töten, den sie sahen. Aber das war ein schwacher Punkt der ganzen Mission. Es konnte unangenehm werden, wenn seine beiden Verbündeten, getrieben von ihrem Hass, einen unnötigen Kampf heraufbeschworen.
»Nein«, sagte Eagle. Die Ski wollten sie mitnehmen. Denn wenn sie den Pass erst einmal hinter sich hatten, brauchten sie die Bretter wieder, um die Cyborgs rascher einholen zu können. Natürlich konnten sie ihre Ausrüstung und die Skier nicht beim Klettern gebrauchen. »Wir machen ein Bündel aus ihnen, und der letzte Mann zieht es hinter sich her. Es wird uns behindern, muss aber doch so möglich sein.«
Ondi strahlte: »Sicher. Und wenn wir dann durch Chinesenlager sind, wir werfen Bomben links und rechts. Bum, bum, bum!«
Selbst der sonst ernste Ang Dawa lachte.
Um elf Uhr dreißig wachte Eagle auf. Der Mond musste bald seinen höchsten Punkt am Himmel erreicht haben, das Licht war hell genug. Man hätte eine Zeitung dabei lesen können. Lautlos brachen die Sherpas das Zelt ab. Dann machten sie sich fertig. Eagle schlüpfte als erster in die Skibindungen. Niemand sprach ein Wort, als er voranging, in Richtung Pass.
Ohne Schwierigkeiten fand er den Punkt, an dem die Kletterei beginnen sollte. Immer noch schweigend machten er und die Sherpas die Skier los und banden sie zu einem Bündel zusammen. Von den Chinesen war nichts zu hören.
Ondi kletterte als erster los, Ang Dawa folgte dicht dahinter, während Eagle als kräftigster von allen das Bündel zog. Lautlos stiegen sie bergauf. An einer Stelle musste Ondi einen Haken in die Wand schlagen. Er deckte ein Stück Stoff über das Eisen, damit die Hammerschläge gedämpft wurden. Eineinhalb Stunden dauerte es, bis Eagle sah, dass Ondi oben angelangt war. Minuten später folgte Ang Dawa. Ondi kroch vorwärts, um Ausschau zu halten. Ang Dawa half Eagle beim Hochziehen des Bündels. Es war zwei Uhr morgens - und sie hatten noch mehrere Stunden lang Mondlicht - genug Zeit, um das Lager sicher zu umgehen.
Eagle wollte gerade das Bündel schultern, als er den ersten Schrei, gefolgt von einem Stöhnen, hörte. Er und Ang Dawa wirbelten herum. Gewehrschüsse und wieder Geschrei. Eagle warf das Bündel zu Boden und riss die Pistole hoch. Ang Dawa war nur ein paar Schritt vor ihm, hatte schon den .45er Colt mit dem Schalldämpfer in der Hand.
Vor ihnen hörte das Schießen so plötzlich auf, wie es begonnen hatte. Aber Eagle sah, dass drüben die Chinesen in Bewegung geraten waren. Leuchtraketen flammten auf, und das Echo von Schreien drang zu ihnen empor.
Aus dem Schatten eines Felsens tauchte Ondi auf und redete im Gurkha-Dialekt auf Ang Dawa ein. »Chinesen?«, fragte Eagle.
Ondi fletschte die Zähne. »Ja, Sahib. Vier von den Kerlen. Aber jetzt alle tot. Ondi töten, bang, bang, bang.«
»Bist du verletzt?«
»Nicht verletzt. Chinesische Schweine haben keine Chance. Sie schießen, aber Ondi töten alle, bang, bang, bang.«
Eagle atmete schwer. Also hatte der Kommandeur eine Vorhut da drüben postiert gehabt. War nicht mehr zu ändern. Bei Tagesanbruch würden sie von den Chinesen verfolgt werden. Und sie selbst mussten versuchen, die Cyborgspuren wiederzufinden.
Eagle ärgerte sich über den Zwischenfall. Wäre er selbst an der Spitze gegangen, hätte er vielleicht eine Möglichkeit gefunden, unbemerkt an den vier Männern vorbeizukommen. Er hätte vorher dran denken müssen, denn er kannte ja den Hass der Sherpas. Jedenfalls war es jetzt zu spät, um sich Vorwürfe zu machen. »Rasch, die Skier an die Füße«, befahl er. Jetzt konnten sie genauso gut den flachen Hang auch hinabfahren, um schnell auf die Passsohle zu gelangen. Das würde ihnen ein paar Stunden Vorsprung vor den Chinesen verschaffen.
Bis Sonnenaufgang trieb er die Sherpas an. Dann befahl er ihnen zu halten, um Nähr- und Wasserpillen zu schlucken. Ang Dawa und Ondi blickten die Tabletten misstrauisch an. Als sie jedoch sahen, wie Eagle sie schluckte, machten sie es ihm nach.
Sie standen an einem Platz, von wo aus eine lange Abfahrt meilenweit den Hang hinabführte. Ehe sie wieder aufbrachen, beobachtete Eagle den Himmel. Strahlende Sonne. Ihr gleißendes Licht brach sich im Schnee und wäre ungeschützten Augen sofort zum Verderben geworden. Eagle erwartete keinen neuen Schnee mehr, der ihre Spuren verwehen konnte. Die Grenzsoldaten würden sie rasch finden.
Aber Neuschnee hätte natürlich auch ihnen die Suche nach den Cyborgspuren erschwert, Spuren, die sie seit gestern Nachmittag noch nicht wiedergefunden hatten.
Deshalb ließ er Ondi und Ang Dawa rechts und links von sich den Hang hinabfahren. So konnten sie einen Streifen von hundert Metern absuchen. Schließlich hatte Ang Dawa Erfolg. Freudig machte er den beiden anderen ein Zeichen, und Sekunden später waren Eagle und Ondi bei ihm. Wie schon an den Tagen zuvor, sahen sie ein Dutzend Cyborgabdrücke und die Spuren zweier Menschen. Von hier aus hatten sie sich nach Süden gewandt, um ein Feld von riesigen Eisblöcken zu umgehen.
Eagle war sicher, dass sich der Führer der Cyborgs in diesem Gelände nicht auskannte. Denn er selbst hatte sofort einen kürzeren Weg um das Hindernis entdeckt. Das würde ihnen eine Stunde Marsch ersparen.
Eagle war versucht, die Abkürzung zu nehmen und auf der anderen Seite des Eisfeldes die Cyborgspuren weiterzuverfolgen. Aber das klappte nur unter der Voraussetzung, dass die Gruppe auch weiterhin ihre ursprüngliche Nord-Nordwest-Richtung beibehalten hatte. Wenn aber nicht, dann bekamen er und die beiden Sherpas Stunden damit zu tun, die Spuren wieder zu suchen. Eagle überlegte, ob er die beiden durch das Eisfeld schicken und selbst die Abkürzung nehmen sollte. Aber dann dachte er an die Chinesen. Wenn die aufschlossen, mussten sie merken, dass er die Cyborgs verfolgte, dass die andere Spur nur zur Ablenkung diente. Über Funk konnten sie dann rasch die Yeti-Gruppe verständigen, die ihn aus dem Hinterhalt empfangen würde. Andererseits: Wenn der Kommandeur der Grenztruppen merkte, dass sie alle drei den Cyborgs folgten, würde er sich wahrscheinlich seine bessere Terrainkenntnis zunutze machen, Abkürzungen finden und so vor Eagle und seine Männer geraten. Wie auch immer, Eagle wusste mit Sicherheit, dass sie bald in ein Feuergefecht mit den Chinesen geraten würden.
Nein, er musste sich selbst einen Hinterhalt ausdenken. Aber wie wirkungsvoll waren schon drei Mann gegen einige Dutzend? Ondi, Ang Dawa und er konnten zwar ein paar Chinesen töten, aber letzten Endes mussten sie gegen eine gutgedrillte Truppe unterliegen.
Zwei Stunden nach Sonnenaufgang sahen sie eine neue Überraschung. Auf der Fährte der Cyborgs liefen sie gerade durch ein enges Tal als sie Motorengeräusch hörten. Ein Flugzeug stieß über die Hügel auf sie herab - höchstens sieben Meter über ihren Köpfen raste die einmotorige Maschine davon. Sie erkannten das Zeichen der rotchinesischen Luftwaffe, sahen den Piloten auf sie herabschauen.
»Das ist es«, sagte Eagle. »Er steht in Funkverbindung mit unseren Verfolgern. Sie müssen dicht hinter uns sein. Jetzt müssen wir uns nach einem Hinterhalt umsehen.«
Die Yeti-Spur führte aus dem Tal auf einen weiten Abhang. Hier gab es weit und breit keine Deckung. Sie waren kaum zehn Minuten auf dem freien Gelände, als Ang Dawa Alarm schlug. Er deutete aufgeregt nach links.
Eagle blickte hinüber und sah den Aufklärer wieder. Er stieg höher und höher, als suche er von dort oben einen besseren Überblick über das ganze Gebiet. Einen Augenblick später erschienen Menschen am Ausgang des Tales. Sie fuhren auf Skiern und in Paaren, immer mehr kamen in Sicht.
Eagle zählte ungefähr dreißig Soldaten. In ihm wurde der Indianer wach. Und der sagte ihm, dass die Verfolger durch ihre bessere Geländekenntnis und mit Unterstützung des Flugzeugs ihnen um ein Haar den Weg abgeschnitten hätten. Er und die Sherpas hätten den Chinesen wundervolle Ziele abgegeben, wenn sie aus dem Talausgang gekommen wären. Aber auch hier draußen auf der freien Fläche konnten sie sich nicht im offenen Kampf behaupten. Keine Deckung, keine Möglichkeit, mit den schweren Lasten zu entkommen. Zwar konnte er sich mit Hilfe seines Chamäleon-Elements unsichtbar machen - wenigstens auf einige Entfernung -, aber er hinterließ natürlich trotzdem Spuren. Außerdem hätte es bedeutet, Ondi und Ang Dawa den Soldaten auszuliefern.
Die beiden Sherpas entsicherten ihre Waffen. »Nicht schießen! Lasst sie nicht sehen, dass wir Gewehre haben. Hebt die Hände und tut so, als wollten wir uns ergeben!«, befahl Eagle.
Zweifelnd blickten ihn die beiden Sherpas an. Sie würden sich diesen Chinesen niemals ergeben, das wusste Eagle. »Tut, was ich sage«, herrschte er sie an. »Hände hoch! Das ist unsere einzige Chance!«
Eagle war aus den Skiern geschlüpft, hatte sein Gepäck auf den Boden geworfen und den Bogen mit den Pfeilen hervorgezogen. »Verdammt! Tut endlich, was ich sage. Je näher sie kommen, ohne auseinanderzuschwärmen, desto besser für uns!« schnauzte er die Sherpas an.
Langsam hoben Ang Dawa und Ondi die Hände. Eagle beobachtete die Chinesen. Sie waren noch gut tausend Meter entfernt und bewegten sich weiterhin in Zweierreihen voran. Eagle befestigte eine der grünen Granaten an einem Pfeil und machte sie scharf. Dann spannte er den Bogen und zielte in Richtung der Chinesen. Er wunderte sich, dass deren Anführer die Leute noch immer nicht hatte ausschwärmen lassen. Aber für ihn und die beiden Sherpas war es nur gut so.
Eagle schätzte noch einmal die Entfernung ab - es war noch zu weit. Er legte sich auf den Rücken und spannte den Bogen mit den Füßen - so konnte es vielleicht gelingen, konnte er weit genug schießen. Die Kolonne der Soldaten war nun nahe genug. Er stemmte sich in die Sehne, hielt den Bogen mit beiden Händen, spannte alle Kräfte an. Er wusste, dass ihm nur ein einziger Schuss blieb.
Da hob der Anführer der Chinesen die Hand und stoppte seine Leute. Kommandos tönten herüber. Die Soldaten formierten sich zu kleinen Gruppen und begannen, nach links und rechts auszuschwärmen. Zwei Männer schickte der Anführer vor.
Ein guter Soldat, dachte Eagle. Er lässt erst auskundschaften, ob wir uns tatsächlich ergeben wollen. Aber er rechnet auch mit einem Trick.
Eagle und die Sherpas blickten dem Pfeil mit seiner tödlichen Spitze nach. Lautlos schwirrte er in den Himmel. Dann tauchte er wieder herab, und Eagle wusste, dass er weit genug gekommen war. Mitten in den Soldaten landete das Geschoss. Es gab eine ohrenbetäubende Detonation. Schnee und weißuniformierte Körper flogen durch die Luft. Die Explosionswelle reichte bis zu Eagle und den beiden Sherpas.
Dann war alles vorüber. Der Apache war sicher, dass dort drüben niemand mehr lebte. Ondi und Ang Dawa starrten ihn nur sprachlos an. Plötzlich sprangen beide auf und schossen auf das Flugzeug, das wieder erschienen war. Aber es entkam unbeschädigt.
Eagle blickte der Maschine nach und sah, dass hoch in den Bergen Schnee fiel. Das war nicht gut, denn es konnte bedeuten, dass es bald Sturm geben würde. Und der würde dann die Cyborgspuren rasch verwehen.
Sechzehntes Kapitel
Der Sturm erhob sich gegen zwei Uhr nachmittags. Mit Sturmspitzen von dreißig bis fünfunddreißig Knoten trieb er den Schnee horizontal vor ihnen her und nahm jede Sicht. Eagle lag mit den Sherpas im Zelt und lauschte auf das Knattern der Leinwand, das sich wie Gewehrfeuer anhörte.
Falls dieser Sturm lange anhielt, war die ganze Mission in Gefahr. Der unfreiwillige Aufenthalt kostete auch viel von den Vorräten. Schließlich hätten sie dann nur noch ihre Nahrungs- und Wasserpillen gehabt, aber auch die waren nicht unbegrenzt vorhanden. Jeder Tag, den sie hier untätig lagen, ging ihnen für die Suche nach den Cyborgs in Tibet verloren.
Natürlich war die Fährte längst vom Wind verweht. Zusammen mit Rogers, Da Zara und Schoendienst hatte Eagle auf der Karte den Punkt bestimmt, von wo aus Dr. Chen wahrscheinlich operierte. Aber nur ganz ungefähr. Die einzigen bekannten Stützpunkte waren zwei Lager der Volksarmee in der Nähe des Passes, den er und die beiden Sherpas hinter sich hatten. Eines - Liadna - lag etwa fünfunddreißig Kilometer entfernt, das andere - Danazra - etwa fünfzig Kilometer.
Aber mit ihren knappen Vorräten war es unmöglich, beide Lager zu überprüfen. Und da sie nun die Fährten verloren hatten, blieb nur die Chance, auf gut Glück das richtige Camp zu finden. Falls der Sturm noch ein paar Stunden dauerte, konnte Eagle nur per Zufall noch einmal die Spuren der Cyborgs finden. Aber diese Chance stand eins zu einer Million.
Der Sturm dauerte bis drei Uhr morgens.
Genau wie damals am Dhaulagiri war danach alles ganz still und ungemein friedlich. Nach einem hastigen Frühstück schmierten sich Eagle und seine Männer Gesichter und Hände gegen den Sonnenbrand mit einer Mischung aus gebranntem Kork und Kokosfett ein, dann schulterten sie ihre Lasten und schlüpften in die Skibindungen.
Sie stapften gerade auf den Gipfel eines der zahllosen Hügel, als sie plötzlich Gewehrfeuer hörten. Es kam aus östlicher Richtung. Als sie ganz oben waren, sahen sie eine Gruppe von Tibetanern in einem etwa tausend Meter entfernten Eisfeld.
»Warum schießen sie?«, fragte Ang Dawa. Man sah nicht, dass die Leute angegriffen wurden.
»Lasst uns ausschwärmen«, meinte Eagle. »Und greift nicht ein, bis ihr nicht genau wisst, was los ist.«
Während er noch sprach, sprangen fünf rötlich-braune Gestalten ins Blickfeld und genau auf die Tibetaner zu. Das Geknatter der primitiven Schwarzpulverbüchsen wurde stärker. Die Tibetaner nahmen den ersten Yeti unter Feuer. Andere der pelzvermummten Tibetaner hieben mit Schwertern und Messern auf die Angreifer ein. Aber das machte den gepanzerten Cyborgs gar nichts. Mit ihren Klauen schleuderten sie die Männer wie Puppen in den Schnee.
Eagle und die Sherpas rasten den Hügel hinab. Vier weitere Yetis tauchten jetzt auf und sprangen in wilden Sätzen auf die Tibetaner zu. Eagle sah, dass einer der Tibetaner etwa zehn Meter weit fortgeschleudert wurde.
Ondi, der ganz vorn war, verhielt, löste die Skier und riss sein Gewehr hoch. Er zielte und pumpte eine Salve in den ersten der Yetis. Aber er musste lange feuern, ehe der Cyborg zusammenbrach.
Ang Dawa lag flach auf dem Bauch und schoss. Ein zweiter Yeti fiel tödlich getroffen in den Schnee. Eagle schraubte die Verlängerung an den Lauf seiner Pistole und lud sie mit frischen Todesnadeln. Sorgfältig zielte er auf die Stirn eines Cyborgs, drückte ab und traf das Ungeheuer genau in die Stirn.
Nur noch zwei von den Tibetanern lebten. Sie standen Rücken an Rücken, ihre Schwerter in der Hand. Da erschienen zwei Männer in weißen Parkas auf einem Hügelkamm und winkten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Paul Edwards/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/123rf.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx/123rf.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Tilman Lichter, Sydney Towne, Ernst Heyda, Helmut Bittner und Christian Dörge.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 04.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1456-9
Alle Rechte vorbehalten