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Leseprobe

 

 

 

 

 

ANDREAS WEILER/

KARL-ULRICH BURGDORF

 

Computer-Parasiten

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

 

 

*) Auf Wunsch der Autoren veröffentlicht der Apex-Verlag 

diesen Roman in der alten Rechtschreibung.

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

COMPUTER-PARASITEN 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

 

Zu diesem Roman 

 

Das Buch

 

Der Nebelreiter ließ sich von Kristallen und Steinsplittern umtanzen, gab willig dem Zerren des Sturms nach, wurde von den Aufwinden hinaufgetragen und schaute in das Auge des Zyklons. Getrieben von den ihn umtobenden Kräften kroch er durch Ritzen, Löcher und Risse, ließ seine Außen-Moleküle über rauen Fels gleiten.

Er lebte nicht – und doch existierte er.

Er hatte keine Gestalt – und doch war er.

Kein menschliches Auge – fast kein menschliches Auge – hatte einen von seiner Art jemals gesehen. Selbst die Terraforming-Mannschaften von Boden und Luft hatten sich damals, als sie diesen Planeten erschlossen, nicht so hoch und so weit in das Mascara-Gebirge vorgewagt. Hier oben – das war eine andere Welt, die nicht mehr Teil von Thekla zu sein schien...

 

Computer-Parasiten von Andreas Weiler und Karl-Ulrich Burgdorf erschien erstmals im Jahr 1980 als Band 227 der Reihe Zauberkreis-SF (unter den Pseudonymen T. Lockwood und A. Duncan).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine von Karl-Ulrich Burgdorf überarbeitete neue Version des Romans.

COMPUTER-PARASITEN

 

 

 

 

  1.

 

 

Im Westen, über den zerklüfteten Gipfeln der Mascara-Kette, ballten sich schwere Wolken zusammen. Das sich rasch auftürmende Wolkengebirge verschattete die eisüberkrusteten Flanken des Massivs, und die Gletscherfelder, die noch vor wenigen Minuten fahl im Licht des Dämonenmondes geschimmert hatten, wirkten nun schmutzig und stumpf. Von ihrem derzeitigen Standort auf der Hügelkuppe oberhalb des Lagers konnte Maya Descantes das heraufziehende Unwetter genau beobachten. Sie wußte, daß die Wolkentürme eines jener heftigen Gewitter ankündigten, die für den Spätsommer des Planeten Thekla so typisch waren. »Da braut sich was zusammen«, sagte sie und seufzte. »Glücklicherweise beschränken sich diese Unwetter meistens auf den Westkontinent. Ich bin nur froh, daß wir keine weiteren Geo-Stationen mehr kontrollieren müssen.«

Ihr Begleiter antwortete nicht. Der mittelgroße, hagere Charles Conried starrte gebannt auf die riesige Scheibe des Dämonenmondes. Er hob die handliche Videokamera und blickte durch den Sucher. Bald würde der Mond von der Wolkenfront bedeckt sein, und dann war es zu spät für Aufnahmen.

Unwillkürlich hielt er den Atem an. Der Mond dieser jungen Kolonie hatte noch nicht mal einen offiziellen Namen, und dennoch gab es bereits genügend Bezeichnungen für ihn. >Teufelsauge< wurde er genannt, >Antlitz des Satans< oder schlicht >Dämonenmond<. Und jeder dieser schaurigen Namen wurde dem Eindruck gerecht, der sich Charles Conried in diesen Minuten aufdrängte. Er benötigte nicht viel Phantasie dazu, um im Muster der Gebirgsketten und Mare des öden Trabanten tatsächlich ein dämonisches Gesicht zu erkennen – eine maskenhafte Satansfratze, die bei jedem Betrachter ein leichtes Unbehagen hervorrief. Von Maya Descantes wußte Conried, daß sich selbst die alten Hasen unter den Kolonisten diesem Eindruck nicht entziehen konnten.

Wenn hier auf Thekla eine intelligente Spezies entstanden wäre, dachte Conried, dann hätte der Dämonenmond ihr Leben geprägt – ihr Leben und ihre Religion... 

Conried betätigte den Zoom. Im Sucher wuchs der Dämonenmond zu einem Giganten heran. Erst in dieser Vergrößerung lösten sich die Augen, der Mund und die Nase der dämonischen Maske in das auf, was sie wirklich waren: schroffe, zerklüftete Gebirge und weite, von Kratern pockennarbig zerfressene Tiefebenen. Wie beim Erdmond wurden diese Ebenen Mare genannt – Meere also. Aus seinen Studien der terranischen Frühgeschichte wußte Conried, daß die ersten Astronomen der Erde tatsächlich geglaubt hatten, der Erdmond sei ein Zwillingsbruder der Erde, ein bewohnbares Gestirn. Heute lebten wirklich Millionen Menschen auf Luna. Vielleicht würde auch der Dämonenmond in einigen Jahrhunderten von Menschen besiedelt werden, dann, wenn die Kolonisierung Theklas vollständig abgeschlossen war.

Conried spürte, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufrichteten. Selbst hier, fast fünfzig Kilometer von der heraufziehenden Gewitterfront entfernt, lud sich die Luft schon mit Elektrizität auf. Conried dachte an Lynda Gray und Arne Thorsson, die beiden Wartungstechniker, die unten in der Wohnkuppel schliefen. Da die Kuppel wie ein Faraday'scher Käfig wirkte und sich deshalb elektrische Ladungen nur auf der Außenwandung der Kuppel sammelten, würden die beiden den Wetterumschwung nicht spüren.

Charles Conried ließ die Kamera sinken und blickte Maya an.

»Sollten wir Lynda und Arne nicht wecken und vorzeitig aufbrechen? Wenn das Gewitter losbricht, dürften wir Schwierigkeiten haben, die Gleiter durch das Unwetter zu steuern.«

Maya warf ihr langes dunkles Haar zurück und schüttelte den Kopf.

»Die Kuppel hat ein vollautomatisches Sensorensystem«, erklärte sie und lächelte ihn an. Charles fand, daß sie einfach bezaubernd aussah. »Sobald die elektrische Aufladung der Atmosphäre weiter steigt, löst der Stationscomputer Gewitteralarm aus. Dann haben wir immer noch reichlich Zeit, uns von hier abzusetzen.«

Conried wußte, daß die junge Frau nicht nur die gewählte Administratorin der Thekla-Kolonie, sondern auch ausgebildete Kybernetikerin war. Sie mußte also in der Lage sein, die Gefahr, die ihnen von dem Unwetter drohte, und den Schutz, den ihnen die Sensorensysteme gewährten, richtig einzuschätzen. Maya Descantes und Conried kannten sich schon seit Jahren, wenn sie sich auch in letzter Zeit, als sich Maya entschieden hatte, hier auf Thekla zu leben, ein wenig aus den Augen verloren hatten. Zwischen ihnen hatte immer eine starke Zuneigung bestanden, und auch die lange Zeit der Trennung hatte dieses unsichtbare Band nicht abreißen lassen. Charles Conried hatte den Auftrag, den Thekla-Kolonisten bei geologischen Forschungen zu helfen, gern angenommen. Und Maya Descantes war einer der Hauptgründe für diese Entscheidung gewesen. Er wußte bis heute nicht, ob es Liebe war, was sie beide verband. Vielleicht konnte das Wiedersehen endlich eine Antwort auf diese Frage bringen.

Er hängte die Kamera an seinem Gürtel und richtete dann seinen Blick auf die Mascara-Kette. Dumpfes, weit entferntes Grollen drang an ihre Ohren.

Plötzlich überkam ihn ein schwaches Unbehagen – eine merkwürdige Empfindung, die sich nicht allein auf das Ansteigen des elektrischen Potentials in der Luft zurückführen ließ. Unwillkürlich zog er die Schultern hoch.

»Was ist los?« fragte Maya irritiert.

Conried antwortete nicht. Das Gefühl einer herannahenden Gefahr wurde immer stärker, aber er vermochte nicht zu sagen, welcher Art die Bedrohung war. Im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit als freier Geologe und Prospektor auf den verschiedensten Welten hatte Conried einen besonderen Instinkt für Gefahren entwickelt, eine Art sechsten Sinn, der sich rational nicht erklären ließ.

Conried spähte hinunter zu den beiden silbernen Kuppeln des Geo-Lagers. Noch zauberte das Mondlicht verwirrende Reflexe auf die dünnen Metallfolien der Kuppelwandungen, aber bald würde das düstere Wolkengebirge den Dämonenmond vor ihren Blicken verbergen.

Die Geo-Lager auf dem Westkontinent waren errichtet worden, um Daten über die seismischen Aktivitäten der Kruste von Thekla zu gewinnen. Nach kosmischen Maßstäben war Thekla noch eine recht junge Welt. In unvorhersehbaren Abständen erschütterten Erdbeben von beachtlicher Heftigkeit die Planetenkruste, und die Kontinentaldrift war so stark, daß sie sich schon mit vergleichsweise einfachen Meßgeräten feststellen ließ. Die weitere Besiedlung Theklas hing unter anderem auch davon ab, ob sich die gefährlichen Erdbeben sicher prognostizieren ließen. Ohne langfristige seismische Prognosen würden die Kolonisten diesen Naturkatastrophen fast völlig hilflos gegenüberstehen.

Unter der größeren der beiden Kuppeln eines jeden Geo-Lagers befanden sich deshalb computergesteuerte energetische Tastsonden. Sie waren in der Lage, bis zum Magmakern Theklas vorzudringen und lieferten durch ein kompliziertes technisches Verfahren einen ununterbrochenen Datenstrom, der zunächst gespeichert und dann zum Zentralcomputer von Thekla One zur Auswertung weitergeleitet wurde.

Die Sonden mußten natürlich regelmäßig gewartet werden. Zu diesem Zweck bereisten ständig Technikerteams den westlichen Kontinent. Einem dieser Zwei-Personen-Teams hatten sich Conried und Maya Descantes angeschlossen. Conried wollte sich direkt vor Ort ein Bild von der Funktionsweise dieser neuentwickelten Sonden machen.

Sein Blick schweifte weiter über das in völliger Lautlosigkeit daliegende Lager.

Hinter den Kuppeln standen schwarz und kompakt die beiden Gleiter der Expedition im Schatten einer der Thekla-Eichen, die hier im Hügelland am Fuße des Mascara-Massivs in großer Zahl wuchsen. Das weit ausladende Astwerk ließ den riesigen Baum wie einen natürlichen Hangar erscheinen. Und dort, bei den Gleitern, meinte Conried eine fast unmerkliche Bewegung wahrzunehmen. Es war nicht viel mehr als ein kurzes Aufblitzen, und als der Geologe genauer hinschaute, begann er für einen Augenblick zu zweifeln, ob er wirklich etwas gesehen hatte. Jetzt jedenfalls regte sich dort unten nichts mehr. Das Lager wirkte wie ausgestorben.

Vielleicht fange ich ja schon an, Gespenster zu sehen, dachte Conried. Genau wie der alte Efraim Lloyd, über den die halbe Kolonie lacht – nur, daß dessen Gespenster angeblich droben im Mascara-Massiv herumspuken und nicht hier unten im Hügelland. 

Andererseits...

»Gibt es hier Nachttiere, die sich sehr schnell bewegen?« fragte Conried mit gedämpfter Stimme. »Nachttiere, die vielleicht eine Art Panzer haben, der das Mondlicht reflektiert?«

Maya schüttelte verwundert den Kopf. »Nicht daß ich wüßte...«

Eine weitere Bewegung am Rande seines Gesichtsfeldes... und diesmal war bestimmt kein Irrtum möglich. In einer fließenden Bewegung hob Conried seine Videokamera ans Auge, reaktivierte sie und schaltete zugleich den Zoom auf maximale Vergrößerung.

Zwischen den beiden Kuppeln huschte ein winziges glänzendes Etwas durch das niedrige Blaugras. Kaum zwei Sekunden, nachdem Conried es zuerst ausgemacht hatte, verschwand das Ding hinter der Kuppel, in der die Energiesonde arbeitete.

Conried runzelte die Stirn. Das unbekannte Objekt hatte sich mit überraschend hoher Geschwindigkeit bewegt – und mit beachtlicher Zielstrebigkeit.

Maya stieß ihn ungeduldig an. »Willst du mir nicht endlich erklären, was eigentlich los ist? Ich finde, du verhältst dich ziemlich merkwürdig.«

»Hier stimmt was nicht«, sagte Conried entschieden. »Ich habe unten zwischen den Kuppeln eine Bewegung...«

Er unterbrach sich mitten im Satz. Ein dumpfes Grollen drang übergangslos an seine Ohren.

Im ersten Augenblick glaubte er, daß sich drüben in den Mascara-Bergen nun jenes Gewitter entlud, dessen Entstehung sie hatten beobachten können. Aber dann begriff er, daß das Grollen keineswegs aus dem Gebirge kam, sondern seinen Ursprung ganz in der Nähe hatte.

Und zwar unten im Tal!

Conried wollte Maya noch eine Warnung zurufen, doch dazu blieb ihm keine Zeit mehr.

Sekundenbruchteile nach dem Ertönen des unheilverkündenden Grollens blühte im Tal eine Feuerblume auf.

  2.

 

 

Ungläubig beobachtete Conried, wie sich die Kuppel, die die energetischen Sonden vor Witterungseinflüssen schützen sollte, in einer rotgoldenen Explosion aufblähte. Die hauchdünne Metallfolie riß und schrumpfte in der Gluthitze der Explosion zu einem schwarzen Nichts zusammen. Die Verstrebungen der Kuppel zerbarsten unter dem Ansturm der entfesselten Gewalten wie Streichhölzer, und glühende Metallbrocken wurden vom Druck der Detonation in alle Richtungen geschleudert. Eines dieser Bruchstücke traf die Wohnkuppel und durchschlug sie mit der Wucht eines Meteors. Ein anderer, kleinerer Brocken prallte gegen einen der Gleiter.

Im nächsten Augenblick toste die Druckwelle die sanft ansteigende Hügelflanke hinauf und riß Charles Conried und Maya von den Beinen.

Conried hatte das Gefühl, von einer Titanenhand vom Boden gehoben und durch die Luft geschleudert zu werden. Er wollte schreien, aber der plötzlich einsetzende Druck preßte die Luft in seinen Lungen zusammen und erstickte den Laut. Er glaubte, sein Brustkorb müsse zerreißen, so stark war der Schmerz.

Erst die Zweige eines Dornbusches bremsten Conrieds unfreiwilligen Flug. Mit dem Hinterkopf prallte er hart gegen den knorrigen Stamm, aber seltsamerweise spürte er keinen Schmerz, sondern nahm den Aufprall nur als heftige Erschütterung wahr. Einige Augenblicke blieb er benommen hegen, während auf seinen Netzhäuten das feurige Abbild des Infernos tanzte und in seinem Kopf ein riesiger Gong zu dröhnen begann.

Er wußte nicht, wie lange es dauerte, bis er wieder in der Lage war, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen. Er spürte nur, wie sein Körper Kraftreserven mobilisierte. Taumelnd rappelte er sich hoch. Er fühlte sich wie zerschlagen, aber darauf achtete er nicht.

Maya!

Sie lag wenige Meter von ihm entfernt mit dem Gesicht auf dem Boden und rührte sich nicht.

Eine eisige Hand schien sein Herz zu umklammern. Er schwankte zu ihr hinüber, obwohl seine Beine ihm kaum gehorchen wollten, und kniete neben ihr nieder. Behutsam drehte er die junge Frau auf den Rücken.

Mit grenzenloser Erleichterung registrierte er, daß sie nicht tot, sondern nur bewußtlos war. Sie atmete hastig und flach, was auf einen schweren Schock hindeutete.

Rasch entnahm Conried aus einem Fach seines Vielzweckgürtels eine Hochdruckspritze mit einem kreislaufstärkenden Mittel und injizierte zuerst Maya und dann sich selbst eine gehörige Dosis des Medikaments. Sekunden danach fühlte er sich frischer. Bei Maya hingegen zeigte das Mittel zunächst keine Wirkung. Sanft ließ er den Kopf der jungen Frau wieder zu Boden gleiten und stand auf, um die Situation im Lager in Augenschein zu nehmen.

Als er zum Rand der Hügelkuppe stolperte, stieß er mit dem Fuß an einen metallenen Gegenstand.

Es war die Videokamera, offenbar unbeschädigt. Conried steckte das Gerät in den Gürtel zurück. Die Aufzeichnungen, die er mit der Kamera gemacht hatte, konnten bei einer späteren Auswertung möglicherweise wertvolle Hinweise auf die Ursache der Katastrophe liefern.

Er blickte zurück. Maya regte sich noch immer nicht, aber Charles war sicher, daß sie nicht ernsthaft verletzt war. Plötzlich erinnerte er sich an den glühenden Metallbrocken, der die Wohnkuppel durchschlagen hatte. Lynda Gray und Arne Thorsson mußten im Schlaf von der Katastrophe überrascht worden sein, und Conried befürchtete das Schlimmste. Wenn sie noch lebten, dann waren sie zweifellos verletzt und benötigten Hilfe.

Conried blickte ins Tal hinunter.

Rund um den Krater, der dort entstanden war, wo sich noch kurz zuvor die Kuppel mit der Sonde befunden hatte, stand das Blaugras in Flammen. Das Feuer breitete sich mit großer Geschwindigkeit aus, die ersten Ausläufer der Brände erreichten bereits die Wohnkuppel, die zwar noch stand, aber schwer beschädigt war. In der Kuppel selbst gähnte zwar ein riesiges Loch, aber im Innern schien noch kein Feuer ausgebrochen zu sein. Das erhöhte die Überlebenschance der Techniker beträchtlich.

Conried beschloß, die immer noch bewußtlose Maya zunächst auf dem Hügel zurückzulassen, wo sie für einige Zeit in Sicherheit war. Mit weit ausholenden Schritten sprintete er den Hang hinunter. Er machte sich nicht die Mühe, zeitraubende Umwege zu wählen, sondern sprang stattdessen einfach über die nun auch schon hier züngelnden Flammen hinweg. Als er auf die Wohnkuppel zustürzte, stellte er aus den Augenwinkeln fest, daß auch an der Thekla-Eiche, unter der die Gleiter standen, eine Flammenzunge emporleckte.

Conried fluchte lautlos. Das sich ständig weiter ausbreitende Feuer würde bald die beiden Gleiter erreicht haben, und dann bestand nicht die geringste Aussicht mehr, zu den Fahrzeugen vorzudringen. Und ohne die Gleiter saßen sie hier fest, waren dem heranziehenden Unwetter schutzlos ausgeliefert. Noch prekärer wurde die Situation dadurch, daß sich in der Wohnkuppel möglicherweise zwei Schwerverletzte befanden, die dringend ärztlicher Hilfe bedurften. Bis nach dem Ausbleiben der morgendlichen Routinemeldung Hilfe eintraf, konnte es für Lynda und Arne längst zu spät sein!

Blitzschnell disponierte Conried um. Die beiden Techniker mußten noch einen Moment auf Hilfe warten. Auch für sie war es langfristig gesehen wichtiger, daß Conried wenigstens eines der Fahrzeuge aus der Flammenhölle barg.

Der Geologe rannte an der Wohnkuppel vorbei auf das Feuermeer zu.

Augenblicklich erkannte er, daß der Gleiter, mit dem Maya und er gekommen waren, nicht mehr zu retten war. Aus der nun völlig in Flammen gehüllten Thekla-Eiche prasselten pausenlos brennende Äste auf das Verdeck des Gleiters herunter, und das von der Sommerhitze ausgetrocknete Blaugras rund um das Fahrzeug brannte wie Zunder. Conried spürte, wie die von dem Inferno ausstrahlende Hitze bereits auf diese Entfernung seine Haare ansengte. Ohne darauf zu achten, stürmte er weiter. Wieviel Zeit blieb ihm noch, um den Gleiter der Techniker zu erreichen, bis auch dieser hinter der Flammenmauer verschwand?

Instinktiv wich er einem herabstürzenden Ast aus, der wie eine Fackel loderte. Seine Reaktion kam um einen Sekundenbruchteil zu spät.

Der Ast streifte seinen Kopf, so daß Conried ins Stolpern geriet. Ein irrsinniger Schmerz durchzuckte ihn. Sein Haar hatte Feuer gefangen!

Conried riß die Hände hoch und versuchte verzweifelt, die Glut auf seinem Kopf zum Erlöschen zu bringen. Die Qual, die durch seinen Körper tobte, war so stark, daß er laut schrie, ohne sich jedoch selbst schreien zu hören. Büschelweise lösten sich die verkohlten Haare von seiner versengten Kopfhaut, bis es ihm endlich gelang, die Flammen zu ersticken. Als er die Hände wieder herunternahm, sah er, daß die Haut in Fetzen hing. Beide Hände schienen nur noch aus rohem Fleisch und riesigen aufgeplatzten Brandblasen zu bestehen.

Der Geologe war gar nicht mehr in der Lage, klar zu denken und die Gefahr zu begreifen, in der er schwebte. Er taumelte weiter. Schritt um Schritt kämpfte er sich vorwärts, halb erstickt von dem dicken, stinkenden Qualm, der vom brennenden Blaugras aufstieg. Er konnte nicht einmal sehen, ob er sich überhaupt noch in die richtige Richtung bewegte. Plötzlich prallte er gegen die heiße Außenhaut des Gleiters. Halb blind tastete er sich an den Flanken des Fahrzeugs entlang, bis er die Einstiegsluke gefunden hatte. In einer verzweifelten Anstrengung preßte er seine verletzte rechte Hand auf den Öffnungsmechanismus – und das Luk schwang zur Seite!

Conried kroch auf den Fahrersitz, drehte sich halb um und verschloß die Tür wieder. Im nächsten Moment wurde sein vom Qualm des brennenden Grases vergifteter Körper von einem Hustenanfall geschüttelt.

Später vermochte Conried nicht zu sagen, wie es ihm gelungen war, trotz der unsäglichen Schmerzen und der Rauchvergiftung nicht das Bewußtsein zu verlieren. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wie er es fertigbrachte, die Medobox aus ihrer Halterung zu zerren und sich Kopf und Hände mit einem Heilplasmafilm zu besprühen.

Das nächste, was er bewußt wahrnahm, war, daß die Schmerzen abrupt nachließen. Erstaunt blickte er auf seine rechte Hand. Die von dem transparenten Plasmafilm überzogenen Finger umklammerten eine Hochdruckspritze mit einem sofort wirksamen, schmerzstillenden Medikament. Um die Rauchgasvergiftung würden sich später die Ärzte von Thekla One kümmern müssen.

Conried atmete tief durch und wurde sich wieder bewußt, daß die Zeit immer knapper wurde. Draußen vor den Fenstern des Gleiters schlugen die Flammen schon mannshoch. Er mußte das Fahrzeug auf der Stelle von hier fortbringen, oder die Hitze würde irreparable Schäden verursachen.

Es ist wie ein Traum, dachte er, während seine Finger über die Sensoren des Kontrollbords glitten. Wie ein nicht enden wollender Alptraum. 

Mit einem leisen Summen aktivierte sich das Antigravitations-Aggregat. Ein leichter Ruck ging durch den Gleiter, als Conried die Start-Taste in die Fassung preßte. Langsam hob der Gleiter ab – und kippte sofort nach rechts weg.

Conried fluchte und hieb aus einem Reflex auf den Aktivator der Stabilisatoren. Das Fahrzeug richtete sich wieder ein wenig auf, aber immer noch nicht weit genug. Nach wie vor befand er

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Andreas Weiler/Karl-Ulrich Burgdorf/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 16.08.2019
ISBN: 978-3-7487-1300-5

Alle Rechte vorbehalten

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