Cover

Leseprobe

 

 

 

 

ADRIAN DOYLE

&

TIMOTHY STAHL

 

 

BLUTVOLK, Band 9:

Die Verlorenen

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Die Autoren 

 

Was bisher geschah... 

 

DIE VERLORENEN 

 

Vorschau auf BLUTVOLK, Band 10: TOTEM DES BÖSEN 

von Adrian Doyle & Timothy Stahl 

 

Glossar 

 

Das Buch

Um das Jahr 1860 hielt der Tod in Amerika reiche Beute. Nord- und Südstaatler vernichteten einander im Brudermord. So war der Tisch reich gedeckt für die Vampire; wie in jedem Krieg, wenn niemand fragte, welche Sense Gevatter Tod führte.

In den Sümpfen von Louisiana versanken Hunderte von Soldaten und Zivilisten in morastiger Tiefe. Nicht alle waren durch eine Kugel oder eine scharfe Klinge zu Tode gekommen.

Schließlich kehrte Frieden ein. Über hundert Jahre zogen ins Land. Die Toten ruhten – bis man begann, Teile der Sümpfe trockenzulegen, um sie urbar zu machen.

Aber dort unten lauerten Schrecken, die die Zeiten überdauert hatten...

 

BLUTVOLK – die Vampir-Horror-Serie von Adrian Doyle und Timothy Stahl: jetzt exklusiv als E-Books im Apex-Verlag.

Die Autoren

 

Manfred Weinland, Jahrgang 1960.

Adrian Doyle ist das Pseudonym des deutschen Schriftstellers, Übersetzers und Lektors Manfred Weinland.

Weinland veröffentlichte seit 1977 rund 300 Titel in den Genres Horror, Science Fiction, Fantasy, Krimi und anderen. Seine diesbezügliche Laufbahn begann er bereits im Alter von 14 Jahren mit Veröffentlichungen in diversen Fanzines. Seine erste semi-professionelle Veröffentlichung war eine SF-Story in der von Perry-Rhodan-Autor William Voltz herausgegebenen Anthologie Das zweite Ich.

Über die Roman-Agentur Grasmück fing er Ende der 1970er Jahre an, bei verschiedenen Heftroman-Reihen und -Serien der Verlage Zauberkreis, Bastei und Pabel-Moewig mitzuwirken. Neben Romanen für Perry-Rhodan-Taschenbuch und Jerry Cotton schrieb er u. a. für Gespenster-Krimi, Damona King, Vampir-Horror-Roman, Dämonen-Land, Dino-Land, Mitternachts-Roman, Irrlicht, Professor Zamorra, Maddrax, Mission Mars und 2012.

Für den Bastei-Verlag hat er außerdem zwei umfangreiche Serien entwickelt, diese als Exposé-Autor betreut und über weite Strecken auch allein verfasst: Bad Earth und Vampira.

Weinland arbeitet außerdem als Übersetzer und Lektor, u. a. für diverse deutschsprachige Romane zu Star Wars sowie für Roman-Adaptionen von Computerspielen.

Aktuell schreibt er – neben Maddrax – auch an der bei Bastei-Lübbe erscheinenden Serie Professor Zamorra mit.

 

 

Timothy Stahl, Jahrgang 1964.

Timothy Stahl ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Übersetzer. Geboren in den USA, wuchs er in Deutschland auf, wo er hauptberuflich als Redakteur für Tageszeitungen sowie als Chefredakteur eines Wochenmagazins und einer Szene-Zeitschrift für junge Leser tätig war.

In den 1980ern erfolgten seine ersten Veröffentlichungen im semi-professionellen Bereich, thematisch alle im fantastischen Genre angesiedelt, das es ihm bis heute sehr angetan hat. 1990 erschien seine erste professionelle – sprich: bezahlte - Arbeit in der Reihe Gaslicht. Es folgten in den weiteren Jahren viele Romane für Heftserien und -reihen, darunter Jerry Cotton, Trucker-King, Mitternachts-Roman, Perry Rhodan, Maddrax, Horror-Factory, Jack Slade, Cotton Reloaded, Professor Zamorra, John Sinclair u. a.

Besonders gern blickt er zurück auf die Mitarbeit an der legendären Serie Vampira, die später im Hardcover-Format unter dem Titel Das Volk der Nacht fortgesetzt wurde, und seine eigene sechsbändige Mystery-Serie Wölfe, mit der er 2003 zu den Gewinnern im crossmedialen Autorenwettbewerb des Bastei-Verlags gehörte.

In die Vereinigten Staaten kehrte er 1999 zurück, seitdem ist das Schreiben von Spannungsromanen sein Hauptberuf; außerdem ist er in vielen Bereichen ein gefragter Übersetzer. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt er in Las Vegas, Nevada.

  Was bisher geschah...

 

 

Alle Vampiroberhäupter rund um den Globus werden von einer schrecklichen Seuche befallen, die sie auf ihre Sippen übertragen. Die infizierten Vampire – bis auf die Anführer selbst – können ihren Durst nach Blut nicht mehr stillen und altern rapide. Gleichzeitig wird in einem Kloster in Maine, USA, ein Knabe geboren, der sich der Kraft und Erfahrung der todgeweihten Vampire bedient, um schnell heranzuwachsen.

Sowohl die Vampirseuche als auch die Geburt des Kindes erschüttern das Weltgefüge auf einer spirituellen Ebene. Rund um den Erdball reagieren para-sensible Menschen, träumen von unerklärlichen Dingen und möglichen Zukünften. Die »Illuminati«, ein Geheimbund in Diensten des Vatikans, rekrutiert diese Träumer. In vielen Visionen spielt ein widderköpfiger Tiermensch eine tragende Rolle – die Traumgestalt des Kindes, das auf der Suche nach starker Lebensenergie ist.

Inzwischen trifft Lilith auf einen Vampir in der Kutte eines Mönchs. Er gehörte vor gut 500 Jahren dem Illuminati-Orden an, der nahe Rom in einem unzugänglichen Kloster ein Tor bewachte (und es noch heute tut). Eines Tages wurde er von jenseits des Tores versucht und besessen. Zwar konnte er die Pforte nicht öffnen, lebte fortan aber als Vampir weiter. Lilith stellt sich ihm. Dabei hört sie erstmals von dem geheimnisvollen Tor.

DIE VERLORENEN

 

 

 

  Der Vollmond starrte auf das Sumpfland herab wie das aufgedunsene Gesicht eines fetten Weißen. Eines toten fetten Weißen... 

Der schwarze Junge lächelte leise bei dem Gedanken, der so oder ähnlich auch seinen Vorvätern schon in den Sinn gekommen sein mochte. Auch wenn er in deren Köpfen mit tieferen Empfindungen wie Hass, Zorn und Schmerz einhergegangen war. Die leidvolle Historie der Schwarzen war mit Blut und Tränen geschrieben worden. Dennoch konnte Levar nicht genug davon hören. Weil die Geschichten nicht allein von Knechtschaft kündeten, sondern auch von der Kraft und dem Stolz seines Volkes...

Immer tiefer drang der Knabe ins Herz der Sümpfe vor. Dorthin, wo die Hütte des alten Zefrem stand. Sie war Levars Ziel. Denn Zefrem wusste die alten Geschichten zu erzählen, als wäre er selbst dabei gewesen.

 

  Der Mond verwandelte das Sumpfland in eine Welt aus bizarren Formen in Silber und Schwarz, ohne jede Zwischenschattierung. Was von seinem Licht berührt wurde, glitzerte wie aus purem Metall, die Schatten indes waren so finster, dass Levar glaubte, hineingreifen zu können wie in tiefe Löcher und Schlünde, die die Wirklichkeit zerklüfteten – und in denen Dinge lauerten, die nur darauf warteten, dass sich ihnen jemand unbedacht näherte.

Ein paar dieser Dinge schienen die lichtlosen Abgründe bereits verlassen zu haben. Levar glaubte aus den Augenwinkeln zu bemerken, wie sie umherhuschten und immer dann zurück in die Schwärze schlüpften, wenn er den Blick wandte und direkt dorthin sah, wo er ihre Bewegung eben noch wahrgenommen hatte.

Aber er musste sie im Grunde nicht einmal wirklich sehen, um zu wissen, worum es sich bei den fliehenden Schatten handelte. Er kannte sie längst. Zefrems Geschichten waren voll davon.

Und die Sümpfe waren voll davon...

Manchmal glaubte Levar sogar, ihre Stimmen zu hören. Wenn Gasblasen aus den Tiefen des Morastes emporstiegen und an der dunklen Oberfläche zerplatzten, dann entließen sie – manche jedenfalls – nicht nur fauligen Gestank, sondern auch verwehende Schreie. Irgendwann hatte der Sumpf sie in fast schon toten Kehlen erstickt und ihre Echos über die lange Zeit hinweg konserviert, um sie nach und nach zu entlassen, im Laufe von Jahren, die einem kaum elfjährigen Jungen als unzählig vorkommen mussten.

Andere Stimmen antworteten den geisterhaften Rufen aus der Tiefe. Die Laute jener, deren Heimstatt die Sümpfe seit Anbeginn waren, vermengten sich zu einem auf eigenartige Weise wohltönenden Chor, dessen Harmonie immer dann gestört wurde, wenn eine Blase sich mit feuchtem Blob! auflöste und Levar noch etwas anderes zu hören meinte.

Dennoch kannte der Junge keine Angst. Ohne zu zögern oder gar innezuhalten lief er durch das Sumpfland, setzte seinen Fuß sicher auf jene schmalen Streifen aus halbwegs festem Erdreich, die wie natürliche Stege zwischen morastigen Löchern und Tümpeln verliefen. Ebenso wenig wie er die Jahre zählen konnte, die seit jener Zeit vergangen waren, von der Zefrem erzählte, wusste Levar, wie oft er den Alten schon aufgesucht hatte. Oft genug in jedem Fall, um jeden Fußbreit Boden im weiten Umkreis von Kraemer zu kennen. Und oft genug auch, um sich gewiss zu sein, dass nichts von dem, was hier lauern mochte, ihm wirklich gefährlich werden konnte.

Nicht mehr, seit er sich diesen »Dingen«, den Schatten mehr verbunden fühlte als der Welt, aus der er kam – aus der er hierher manches Mal beinahe flüchtete. Weil er sich hier mehr daheim fühlte als in dem schäbigen Häuschen, das er in Kraemer mit seinen Geschwistern teilte.

Manchmal meinte Levar sogar, gerufen zu werden – von etwas oder jemandem. Es war ein Ruf, dem er sich weder widersetzen konnte noch mochte. Und wenn er es recht bedachte – war es weit mehr als nur ein Ruf...

Ohne sein bewusstes Zutun, als folgten seine Bewegungen einer geheimnisvollen Programmierung, beschleunigte Levar seine Schritte, rannte dann fast und schaffte es mit einem scheinbar mühelosen Sprung über ein Sumpfloch hinwegzusetzen, das im silbrigen Gewirr des kniehoch bewachsenen Bodens wie ein lichtschluckender Schlund gähnte. Der Junge hatte den jenseitigen Rand noch nicht erreicht, als er das nasse, dumpfe Platzen einer weiteren Blase hörte – und das fast lautlose Hilfe!, das mit dem Gestank zu ihm herüberwehte...

Als er sich umwandte, glaubte er gerade noch zu sehen, wie sich etwas rasch und mit feuchtem Schmatzen in die Finsternis des Loches zurückzog; etwas Totenbleiches, das vor Schwärze troff – und das sich eben noch, zur Klaue gekrümmt, nach ihm gestreckt hatte...

Levar schenkte der Erscheinung nicht mehr Aufmerksamkeit als einen schnellen Blick, und schon währenddessen lief er weiter, durchquerte ein in Silber und Schwärze erstarrtes Zypressenwäldchen, dessen Geäst sich wie die Gliedmaßen monströser Spinnen nach dem Nachthimmel reckte.

Jenseits des Waldes klaffte dann das dunkelste Loch in der Wirklichkeit.

So sah es zumindest aus der Ferne aus.

Auf einer Fläche, die aus dieser Entfernung gerade einmal von der Größe einer Streichholzschachtel war, ballte sich Finsternis in einem Maße, dass man glauben konnte, sie berühren zu können. Darüber sammelte sich das Mondlicht auf einer Schräge, flirrend und sich bewegend wie geschmolzenes Silber, das jeden Moment herabfließen musste. Doch es floss nicht, und auch der Eindruck kompakter Schwärze verlor sich, je näher Levar der Hütte mit dem von Moos und Flechten überwachsenen Dach kam.

Er erinnerte sich noch daran, wie er die Kate auf einer seiner kindlichen Expeditionen durch die Sümpfe rund um Kraemer entdeckt hatte. Mehr als ein Jahr lag diese »Entdeckung« nun schon zurück, doch ihr Anblick hatte für Levar in all der Zeit nichts von seiner Faszination verloren. Im Gegenteil; die fast magische Anziehungskraft hatte an Stärke gewonnen, nachdem der Junge erst einmal erfahren hatte, was die Schwärze dort drüben an Faszinierendem barg.

Die abwegigsten und unheimlichsten Gedanken hatten ihn seinerzeit angesprungen, waren wilden Tieren gleich über sein Denken hergefallen, als er die Hütte vor mehr als Jahresfrist gefunden hatte. Seine Phantasie, angestachelt von der ohnehin schon gespenstischen Umgebung, hatten die grausigsten Gestalten geboren, die ein kleiner Junge nur zu ersinnen vermochte. Eine hässliche Hexe und ein riesenhafter Voodoo-Priester hatten noch zu den harmloseren möglichen Bewohnern gezählt, auf die Levar damals zu treffen befürchtet hatte.

Die Wahrheit war anders gewesen – im Grunde nicht einmal weniger schrecklich, nur anders...

Zunächst hatte er die Hütte für verlassen gehalten. Nicht einmal Levar, der Luxus allenfalls vom Hörensagen kannte, hatte sich vorstellen können, dass irgendein Mensch bereit sein konnte, in einer solchermaßen spartanischen Behausung zu leben. Dazu war der Gestank nach Fäulnis und allen möglichen anderen Dingen gekommen, so übel, dass jeder Atemzug Überwindung kostete.

Seine nächste Entdeckung hatte Levar annehmen lassen, dass der Bewohner der Hütte gestorben war. Vor einiger Zeit bereits, sodass sein Leichnam zu dem Gestank in der Kate beitrug.

Reglos hatte der Alte in einem Schaukelstuhl gesessen, in einem fast völlig finsteren Winkel der Hütte. Der Junge war nur deshalb auf ihn aufmerksam geworden, weil der Mann die Augen nicht geschlossen hatte und seine Augäpfel zwei kleinen Lichtern gleich in der Schwärze glänzten. Bis sie wie Lampen erloschen waren – weil der »Tote« die Lider geschlossen hatte. Dafür wurde ein gespenstisches Knarzen laut, als der Stuhl sacht zu schaukeln begann...

Diese Begegnung war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft zwischen einem alten Mann und einem kleinen Jungen geworden, die damals nicht mehr gemein hatten als die Farbe ihrer Haut.

Heute teilten sie auch andere Dinge.

Geschichten. Wissen. Geheimnisse.

Und mehr...

Wie immer, wenn Levar nur noch ein paar Schritte von der Hütte entfernt war, stieg ein Gedanke in ihm auf, der sein Herz vor Beunruhigung schneller schlagen ließ und ihm das Atmen schwermachte: Würde heute nun tatsächlich ein Toter im Schaukelstuhl sitzen...?

Zefrem war nicht einfach nur alt, er war uralt in einem Sinn, dass Levar sich die Zahl seiner Lebensjahre nicht einmal ansatzweise vorzustellen vermochte. Und es war nicht nur jeder Tag ein Wunder, den Zefrem noch erlebte, sondern fast schon jede Stunde.

Irgendwann, das wusste der Junge, würde er den Alten wirklich tot vorfinden bei seinem Besuch. Und dieser Tag – oder vielmehr diese Nacht – konnte nicht mehr in allzu weiter Ferne liegen. Nach menschlichem Ermessen...

Die Tür zu öffnen, bedeutete für Levar jedes Mal einen Kraftakt. Die feuchte Sumpfluft hatte die dunklen Bohlen aufgequollen und verzogen, sodass die Türkante schwer über den Boden schleifte. Der Junge schaffte es, sie gerade weit genug aufzustemmen, dass er durch den schmalen Spalt schlüpfen konnte. Dämmerlicht und Leere nahmen ihn auf.

Nichts regte sich, so weit die Blicke des Jungen reichten. Aber das musste nicht unbedingt etwas bedeuten, denn Finsternis füllte die Winkel der Hütte mehr als großzügig, und in ihrem weiten Mantel konnte sich alles Mögliche verbergen.

»Zefrem?«

Levars leiser Ruf tropfte in die Stille. Doch er blieb unbeantwortet. Sekunden reihten sich aneinander, fast zu einer Minute, dann hörte der Junge etwas. Keine Stimme jedoch, sondern einen Laut, von dem er sich nicht einmal ganz sicher war, ob er in der Hütte aufklang.

Etwas wie ein Quietschen. Das Fiepen eines Tieres, einer Sumpfratte vielleicht. Und unzweifelhaft war es der letzte Laut, den die Kreatur in ihrem Leben ausgestoßen hatte...

Erst nach weiteren Sekunden geriet Bewegung in die Schwärze in einer der Ecken. Ein nur unwesentlich hellerer Schatten schälte sich heraus und schien erst mit dem Schritt, der ihn in das einfallende Streulicht des Mondes brachte, menschliche Kontur anzunehmen.

»Du kommst spät heute«, sagte Zefrem. Seine Worte raschelten und rochen wie schimmliges Brot in einer Papiertüte.

Levar zuckte entschuldigend die Schultern.

»Mein großer Bruder hat von meinen Ausflügen Wind bekommen. Er möchte nicht, dass ich mich nachts draußen herumtreibe. Ich musste warten, bis er eingeschlafen war.«

»Weiß er denn, dass du mich besuchst?«, fragte der Alte.

Levar schüttelte den Kopf.

»Nein«, erwiderte er grinsend. »Jake würde mich in Ketten legen, wenn er wüsste, dass ich nachts in die Sümpfe gehe.«

Er passt gut auf dich auf, dein Bruder, hm?«

»Nicht gut genug«, erklärte der Junge, »sonst wäre ich ja nicht hier.«

»Und das wäre ein Jammer«, sagte Zefrem mit einem Lächeln, das die Runzeln und Falten in seinem Gesicht bewegte wie der Wind die Oberfläche eines schwarzen Tümpels.

»Ja«, entgegnete Levar, wohl wissend, was der Alte meinte.

Zefrem schlurfte hinüber in jene Ecke, in deren Dunkelheit der Junge den Schaukelstuhl wusste, ohne ihn sehen zu können. Als der Alte sich hineinsinken ließ, geisterten knarzende Geräusche durch die Finsternis, und als er im Stuhl zu wippen begann, schien die Schwärze Wellen zu schlagen.

Unaufgefordert trat Levar zu ihm, zog sich eine alte Kiste heran und nahm darauf Platz. All das waren Teile des Rituals, mit dem sie ihr Zusammensein einleiteten. Und auch Zefrems immer gleiche Frage gehörte dazu: »Soll ich erst dir etwas erzählen, oder...?«

Levar schluckte trocken, wie immer, bevor er die stets gleiche Antwort gab: »Erzähl du zuerst.« Und dann fügte er lächelnd hinzu: »Erst die Arbeit...«

»... dann das Vergnügen«, ergänzte Zefrem rau. »Nun gut.«

»Ich habe dir heute auch etwas zu erzählen«, fügte Levar noch hinzu, als Zefrem schon zur Geschichte ansetzte.

»So?«

»Etwas, das ich auf der Straße gehört habe«, ergänzte Levar.

»Was denn?«

»Hinterher«, bestimmte der Junge. »Erst du.«

Der Alte nickte. »Meinetwegen. Also, hör gut zu. Es war...«

 

 

... im Jahre 1863, auf der Zuckerrohr-Plantage Resolute in Louisiana.

Um die Geschichte zu verstehen, musst du wissen, dass einige Monate zuvor Präsident Abraham Lincoln mit der Verkündung der Emanzipationsproklamation allen Sklaven die Freiheit zugesichert hatte. Für die Schwarzen im Süden war dieses Versprechen nicht mehr als ein schlechter Witz, so es ihnen überhaupt zu Gehör kam. Denn die Erklärung des Präsidenten ging unter im Geschützdonner des Bürgerkriegs, der bereits seit zwei Jahren zwischen den Nord- und Südstaaten der USA tobte – und der nicht zuletzt wegen Lincolns ablehnender Haltung zur Sklaverei ausgebrochen war.

Im Süden glaubte sich die überwiegend weiße, von der Landwirtschaft lebende Bevölkerung auf die Negersklaven angewiesen. Deswegen hatte sich der Staat South Carolina im Dezember 1860 von den USA losgesagt, als Lincoln, der im Süden als geradezu fanatischer Sklaverei-Gegner galt, zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Wenig später folgten weitere zehn südliche Staaten diesem Beispiel und schlossen sich zu den Konföderierten Staaten von Amerika zusammen.

Im April 1861 hatten Truppen der Konföderierten Fort Sumter beschossen, das zwar an der Küste South Carolinas lag, aber von Unionstruppen besetzt war. Damit war der Krieg losgebrochen, den der Norden nicht nur wegen der Frage der Sklaverei führte, sondern auch – und vielleicht vor allem –, um die gerade erst erblühenden United States of America in den Augen der Welt wiederherzustellen.

Die Yankees waren den Südstaatlern in

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Adrian Doyle/Timothy Stahl/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 08.08.2019
ISBN: 978-3-7487-1196-4

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