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Leseprobe

 

 

 

 

 

L. SPRAGUE DE CAMP

 

Conan und

der Spinnengott

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

CONAN UND DER SPINNENGOTT 

 

Einleitung 

 

1. Lust und Tod 

2. Die Sumpfkatze 

3. Der blinde Seher 

4. Der Goldene Drache 

5. Die Stadt auf dem Felsen 

6. Der Tempel der Spinne 

7. Wein aus Kyros 

8. Die acht Augen Zaths 

9. Das Pulver des Vergessens 

10. Des Tigers Zahn 

11. Aasgestank 

12. Die Kinder Zaths 

 

Das Buch

 

 

Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.

Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.

Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.

Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...

 

Nur eine Flucht bei Nacht und Nebel rettet den königlich turanischen Hauptmann Conan vor dem tödlichen Verrat einer schönen Frau. In der sagenumwobenen Felsenstadt Yezud verdingt er sich als Tempelschmied. Eine grausige Entdeckung führt ihn auf die Schliche des schurkischen Hohenpriesters...

CONAN UND DER SPINNENGOTT

 

 

 

 

  Einleitung

 

 

Conan, der große Barbar und Abenteurer, erwuchs der Phantasie Robert Ervin Howards, des texanischen Groschenheft-Autors. Wie Howard selbst es formulierte: »Er beherrschte plötzlich meine Gedanken..., als ich auf einer Fahrt in einem Grenzstädtchen am unteren Rio Grande eine Rast einlegte... Er schritt in voller Größe aus dem Nichts und veranlasste mich, die Saga seiner Abenteuer aufzuzeichnen... Mein Unterbewusstsein nahm die hervorstechendsten Charakteristika verschiedener Boxer, Revolverhelden, Alkoholschmuggler, Vorarbeiter auf den Ölfeldern, Glücksspieler und hart arbeitender Männer, mit denen ich bekannt war, warf sie in einen Topf, vermischte sie gut, und das Ergebnis war der Held, den ich Conan von Cimmerien nenne.«

Das stimmt zweifellos, trotzdem ist Conan gleichzeitig die idealisierte Vorstellung Howards von sich selbst - ein Howard, wie er gern gewesen wäre: ein tollkühner Haudegen und Abenteurer, bei dem sich alles um Wein, Weib und Kampf drehte. Trotz seines kräftigen Körperbaus - er war einsfünfundneunzig groß und wog gut neunzig muskelschwere Kilo - waren Robert E. Howard und der große Cimmerier so verschieden wie Tag und Nacht.

Zwar waren sowohl Howard als auch sein Held von hitzigem Temperament und Frauen gegenüber galant, doch Conan ist als ausgesprochen extrovertiert gezeichnet, als unbekümmertes Raubein mit nur wenig Hemmungen und sehr weitem Gewissen. Sein Schöpfer dagegen war von untadeliger Moral, achtete peinlichst die Gesetze, war höflich und weichherzig, schüchtern, belesen, introvertiert und - obgleich er es bestritt - ein echter Intellektueller. In seiner Unausgeglichenheit schwankte er zwischen mitreißender, gesprächiger Fröhlichkeit und Depressionen und Verzweiflungsanfällen. Mit dreißig, als eine vielversprechende literarische Karriere vor ihm lag, nahm er sich nach dem Tod seiner Mutter das Leben.

Howard wurde 1906 in Peaster, Texas geboren und verbrachte den größten Teil seines Lebens in dem Städtchen Cross Plains im Herzen Texas. Das scheue Einzelkind entwickelte sich zu einer Leseratte und einem Bodybuilder, der seine von Natur aus kräftige Statur durch Boxen, Gewichtheben und Reiten trainierte. Zu seinen Lieblingsautoren gehörten Edgar Rice Burroughs, Rudyard Kipling, Harold Lamb, Jack London und Talbot Mundy. Bei diesen Interessen ist es nicht verwunderlich, dass er Boxer- und Wildwestgeschichten, orientalische Abenteuergeschichten und sehr viele bemerkenswerte Gedichte schrieb.

Hervorragend, sowohl was ihre Zahl als auch ihre Beliebtheit anbelangt, waren seine Fantasy-Stories. Howards Pech war, dass ausgerechnet während seiner kurzen, nur eine Dekade dauernden literarischen Produktivität von Fantasy nicht viel gehalten wurde. Seine Werke kamen erst nach seinem Tod in Buchform heraus. Die meisten seiner Fantasy-Sachen erschienen in WEIRD TALES, einem Magazin, das sich recht und schlecht von 1923 bis 1954 über dem Wasser hielt. Die Honorare waren zwar niedrig, und die Bezahlung ließ des Öfteren auf sich warten, aber es war Howards zuverlässigster Abnehmer.

 

Gegen Ende der zwanziger Jahre schrieb Howard eine Reihe von Fantasy-Geschichten über König Kull vom versunkenen Atlantis, der zum Herrscher eines Festlandkönigreichs wurde. Diese Reihe hatte keinen großen Erfolg, von zehn Kull-Stories verkaufte Howard nur drei.

Später schrieb er eine der Kull-Geschichten um, auf denen er sitzengeblieben war. Aus By this Axe I Rule wurde The Phoenix on the Sword (Im Zeichen des Phönix). Er versetzte die Handlung in eine spätere imaginäre Zeit, zwischen dem Untergang von Atlantis und dem Beginn der Geschichtsschreibung, die Howard »das hyborische Zeitalter« nannte. Er gab seinem neuen Helden den alten keltischen Namen Conan, da Howard irischer Abstammung war und sich ungemein für die Kelten interessierte und sie bewunderte.

The Phoenix on the Sword schlug bei den Lesern von WEIRD TALES ein. Deshalb verfasste Howard von 1932 bis 1936 hauptsächlich Conan-Stories. Allerdings erwähnte er kurz vor seinem Tod, dass er die Fantasy aufgeben würde, um sich auf Wildwestgeschichten zu konzentrieren.

Von Howards verschiedenen Helden erwies Conan sich als der beliebteste. Howard erlebte die Veröffentlichung von achtzehn seiner Geschichten über den riesenhaften Barbaren, der durch Bäche von Blut watete, um sowohl natürliche als auch übernatürliche Feinde zu schlagen, und der schließlich Herrscher des mächtigsten hyborischen Königreichs wurde.

Durch Glenn Lords und meine eigenen Bemühungen kamen seit Howards Tod noch mehrere unveröffentlichte Conan-Geschichten ans Licht, und zwar von kompletten Manuskripten bis zu nicht mehr als Fragmenten und Synopsen. Mein Kollege Lin Carter und ich vollendeten diese nicht fertiggestellten Stories, und Carter und Björn Nyberg arbeiteten mit mir an neuen Conan-Geschichten, um Lücken in der Saga zu schließen.

Außerdem versuchten einige andere Kollegen - Karl Edward Wagner, Andrew Offutt und Poul Anderson - ebenfalls ihr Glück mit Conan-Pastiches: eine anerkennenswerte Form von Literatur, in der ein Autor sich bemüht, sowohl den Geist als auch den Stil eines Vorgängers wiederzugeben - so wie Vergil mit seiner ÄNEIS versuchte, Homer nachzuahmen. Conan und der Spinnengott ist ein solcher Pastiche. Inwieweit einer von uns imstande ist, die Anschaulichkeit und Buntheit von Howards Erzählungen und seinen großartigen Stil zu treffen, soll der Leser selbst beurteilen.

 

Die Conan-Geschichten sind eine Untergattung der sogenannten heroischen Fantasy oder Schwert-und-Magie- Stories. William Morris, der britische Kunstmaler, Dichter, Dekorateur, Hersteller und Reformer bediente sich ihrer als erster - als moderne Imitation der mittelalterlichen Romanze, die in ihren letzten Zügen lag, seit Cervantes sich mit seinem DON QUIJOTE über die Ritterromane seiner Zeit lustig machte. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts traten in England Lord Dunsany und Eric Rucker Eddison in seine Fußstapfen, und in den Vereinigten Staaten Robert E. Howard, Clark Ashton Smith und viele andere.

Heroic Fantasy-Stories handeln in einer imaginären Welt ferner Vergangenheit oder Zukunft, aber auch auf einem anderen Planeten, wo Magie nicht nur ein Wort ist, wo übernatürliche Wesen herumstreifen und es keine Maschinen gibt. Märchen dieser Art für Erwachsene sind reine Fluchtliteratur. In einer solchen Welt strecken prächtige Städte ihre Silbertürme den Sternen entgegen; Hexer wirken in unterirdischen Gewölben mit ihren unheilvollen Zaubern; bösartige Geister treiben in zerfallenden Ruinen ihr Unwesen; Urweltungeheuer brechen sich ihren Weg durch Dschungeldickicht; und das Schicksal von Königreichen liegt in den Schwertern von Helden mit ungeheuerlicher Kraft und unbeschreiblichem Mut. Die Männer sind mächtig, die Frauen schön, die Probleme unkompliziert, das Leben ist abenteuerlich, und niemand hat je von Inflation, Energiekrise und Luftverschmutzung gehört.

Mit anderen Worten, heroische Fantasy verherrlicht eine Welt, die es nicht gibt, die es jedoch geben sollte. Sie will unterhalten, nicht die Klugheit des Autors zur Schau stellen, den Leser in höhere Sphären heben oder die Unzulänglichkeiten unserer Welt aufdecken. Über das Thema des reinen Eskapismus schrieb J. R. R. Tolkien: »Warum sollte man einen Menschen auslachen, der hinter Gittern anderen Gedanken nachhängt und sich über anderes unterhält als über Wärter und Gefängnismauern?«

Während des Zweiten Weltkriegs sah es ganz so aus, als hätte das Maschinenzeitalter Schluss mit der Fantasy gemacht. Doch nach dem Erscheinen 1950 von Tolkiens dreibändigem Werk THE LORD OF THE RINGS (Der Herr der Ringe) und der späteren Taschenbuchausgabe als überwältigender Bestseller war die Zukunft der modernen Fantasy wieder gesichert.

In den sechziger Jahren gelang es mir, einen Taschenbuchherausgeber für die Gesamtausgabe der Conan-Stories zu interessieren, und so wurden Howards beachtenswerte Geschichten zum ersten Mal dem Massenpublikum zugänglich. Die zwölf Bände standen unter den Fantasy-Sachen nur hinter THE LORD OF THE RINGS zurück, was ihre Beliebtheit anbelangte, denn sie handeln von einem Helden, der sich nicht von kleinlichen Gesetzen und anderen Hindernissen aufhalten lässt und über Heimsuchungen und Bedrängnis triumphiert, und sie sind auf bildhafte, mitreißende Weise geschrieben, sind aus dem Stoff der Träume.

Inzwischen wurden zehn weitere Conan-Bände für die Millionen Fans des mächtigen Barbaren geschrieben. Ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich sage, dass Conan von Cimmerien noch viele Lesergenerationen begeistern wird.

 

In der Saga wurde Conan als Sohn eines Schmiedes im rauen barbarischen Nordland Cimmerien geboren. Eine Fehde zwingt ihn, seinen Stamm zu verlassen. Er zieht nordwärts ins subarktische Land Asgard, wo er sich den ^sir anschließt und mit ihnen gegen die Vanir von Vanaheim im Westen und die Hyperboreaner im Osten kämpft. Bei einem Streifzug wird er von den Hyperboreanern gefangen und versklavt. Es gelingt ihm, südwärts ins uralte Land Zamora zu fliehen. Conan, dem die Zivilisation neu ist und der nicht viel von Gesetzen hält, geht zwei Jahre lang, mehr tollkühn als geschickt, dem Diebeshandwerk in Zamora und den angrenzenden Ländern Corinthien und Nemedien nach.

Als er dieses Hungerlebens eines außerhalb der Gesetze Stehenden überdrüssig wird, schlägt er sich ostwärts durch und verdingt sich als Söldner in der Armee des mächtigen orientalischen Königreichs Turan, das zu dieser Zeit von dem gutmütigen, aber unfähigen König Yildiz regiert wurde. Dort bleibt er etwa zwei Jahre; er lernt Bogenschießen und Reiten und kommt sehr viel herum, einmal sogar weit ostwärts ins fabelhafte Land Khitai.

Bei Beginn dieses Romans hat Conan - er ist Anfang zwanzig - sich zum Hauptmannsrang emporgedient und wurde zur königlichen Garde in der Hauptstadt Aghrapur versetzt. Wie gewöhnlich gerät er in Schwierigkeiten und sieht sich bald gezwungen, sein Glück anderswo zu suchen.

 

- L. Sprague De Camp,

Villanova, Pennsylvania

  1. Lust und Tod

 

 

Ein großer, ungewöhnlich kräftiger Mann - ein Riese fast - stand in den Schatten des Innenhofs. Obgleich er die brennende Kerze am Fenster sah, die die Turanerin zum Zeichen dafür aufgestellt hatte, dass er ungehindert kommen konnte - und für einen Mann aus den Bergen war die kleine Kletterpartie ein Kinderspiel -, wartete er noch. Er hatte keine Lust, sich auf halber Höhe an der efeuüberwucherten Wand des alten Hauses erwischen zu lassen. Zwar würde die Stadtwache zögern, einen von König Yildiz' Offizieren zu verhaften, doch zweifellos würde Narkias Protektor von seiner Eskapade hören - und dieser Protektor war Oberhauptmann Orkhan, der Vorgesetzte des riesenhaften Mannes.

Wachsamen Auges blickte Conan von Cimmerien, Hauptmann der königlichen Garde, zum Himmel hoch. Der Vollmond versilberte mit seinem Schein die Kuppeln und Türme Aghrapurs. Eine Wolke schwamm auf die bleiche Scheibe zu, aber diese windgetragene Himmelsgaleone genügte dem Cimmerier nicht für seine Zwecke. Sie würde den Mond nur etwa halb so lange verdecken, wie er für die Erklimmung der Mauer brauchte. Doch zufrieden stellte er fest, dass eine weit größere Wolke der ersten folgte.

Als der Mond das Antlitz hinter dieser gewaltigen Wolke verbarg, rückte Conan seinen Waffengürtel so zurecht, dass der Säbel den Rücken hinunterhing. Er schlüpfte aus den Sandalen und schob sie in den Gürtel, dann kletterte er wie eine Katze den alten kräftigen Efeu hoch.

Eine gespenstische Stille drückte auf die dunklen Türme und Dächer herab, nur hier und da von Schritten unterbrochen, während die rotumsäumte Wolke langsam dahintrieb. Eine leichte Brise strich gegen die geradegeschnittene schwarze Mähne des Kletterers, und ein kalter Schauder jagte ihm den Rücken hinab. Er entsann sich der Worte des Sterndeuters, den er vor drei Tagen aufgesucht hatte.

»Hütet Euch beim nächsten Vollmond davor, Euch auf etwas einzulassen«, hatte der Graubärtige ihn gewarnt. »Der Stand der Sterne deutet darauf hin, dass Ihr dadurch Räder - Räder von Ursache und Wirkung - ins Rollen bringen würdet. Es käme zu einer Verkettung aller möglichen Umstände und so zu einer drastischen Veränderung.«

»Und wäre diese Veränderung gut oder schlecht?« hatte Conan sich erkundigt.

Der Astrologe hatte die knochigen Schultern unter dem Flickengewand gezuckt. »Das lässt sich nicht vorhersagen,

nur dass sie eben umwälzend wären.«

»Könnt Ihr mir denn nicht wenigstens sagen, ob ich bei dieser Umwälzung oben oder unten landen werde?«

»Nein, Hauptmann. Doch da die Sterne Euch gegenwärtig nicht sonderlich wohlgesinnt zu sein scheinen, würde ich meinen, unten.«

Über diese ihn so gar nicht zufriedenstellende Weissagung brummelnd, bezahlte Conan den Sterndeuter und verließ ihn. Er zweifelte nicht, dass es Magie, Zauberei und Spiritismus gab, aber er glaubte durchaus nicht alles, was Okkultisten behaupteten, weil er sie nicht für unfehlbar hielt. Unter ihnen, wie in jedem anderen Beruf ebenfalls, gab es Tüchtige und Stümper. Deshalb hatte er sich auch nicht von des Sterndeuters Warnung abhalten lassen, als Narkias Einladung kam, ihn während der Abwesenheit ihres Protektors zu besuchen.

Die Kerze verschwand, und knarrend öffnete sich das Fenster. Der Riese schlängelte sich durch das Laubwerk und richtete sich auf. Verlangend blickte er auf die vor ihm stehende Turanerin. Ihr schwarzes Haar fiel in weichen Wellen über die zierlichen Schultern. Der Schein der Kerze, die sie auf ein Tischchen gestellt hatte, offenbarte die aufregende Figur unter dem hauchdünnen Gewand aus amethystfarbener Seide.

»Hier bin ich«, brummte Conan.

Narkias Katzenaugen glitzerten amüsiert, als sie den Mann anblickte, der in seinem billigen, wollenen Hemd und der flickenbesetzten Pluderhose zu ihr herabschaute.

»Ich habe dich erwartet, Conan«, versicherte sie ihm und streckte die Arme nach ihm aus. »Obgleich ich, um ehrlich zu sein, nicht damit gerechnet hatte, dass du im Aufzug eines Stallburschen zu mir kommen würdest. Wo hast du denn deine prächtige beige-rote Uniform und die Stiefel mit den Silbersporen?«

»Ich hielt es nicht für angebracht, sie heute Abend zu tragen«, erwiderte er. Er streifte den Waffengürtel über den Kopf und legte sorglos den Säbel auf den Teppich. Unter der geradegeschnittenen schwarzen Mähne blitzten tiefliegende eisblaue Augen unter buschigen schwarzen Brauen in einem narbigen, sonnengebräunten Gesicht. Obgleich er Anfang zwanzig war, hatten die Wechselfälle eines wilden, harten Lebens ihm eine Reife über seine Jahre hinaus verliehen.

Mit der Geschmeidigkeit eines Tigers glitt Conan auf Narkia zu, nahm sie in die muskulösen Arme und drehte sie in Richtung des Bettes. Aber die Frau wehrte sich, presste die Hände gegen seine gewaltige Brust.

»So warte doch!« hauchte sie. »Ihr Barbaren seid zu stürmisch. Zuerst müssen wir doch richtig Bekanntschaft schließen. Setz dich auf den Stuhl und trink einen Schluck Wein.«

»Wenn es sein muss«, brummte Conan auf Hyrkanisch mit barbarischem Akzent. Widerwillig setzte er sich und leerte den Kelch mit dem goldfarbenen Getränk in drei Schlucken.

»Danke, Mädchen«, murmelte er und stellte das leere Trinkgefäß auf den Tisch.

Narkia lächelte. »Also wirklich, Hauptmann Conan, deine Manieren! Dieser edle Tropfen aus Iranistan sollte Schlückchen um Schlückchen voll genossen werden, du aber gießt den köstlichen Wein hinunter, als wäre er bitteres Bier. Wirst du denn nie zivilisiert werden?«

»Das bezweifle ich!«, knurrte Conan. »Was ich in den vergangenen Jahren von eurer sogenannten Zivilisation gesehen habe, hat sie mir alles andere als liebenswert gemacht.«

»Warum bleibst du dann in Turan? Du könntest doch in deine barbarische Heimat zurückkehren - wo immer sie ist.«

Mit trockenem Grinsen verschränkte Conan die Prankenhände im Nacken und lehnte den Kopf an die teppichbehangene Wand. »Warum ich bleibe?« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht, weil man hier auf die eine oder andere Weise zu mehr Gold kommen kann als dort, und auch, weil es hier mehr zu sehen und zu tun gibt. Das Leben in einem cimmerischen Dorf wird auf die Dauer langweilig. Ein Tag ist wie der andere, nur hin und wieder gibt es mal Streitigkeiten mit einem Nachbardorf und ab und zu eine Fehde mit einem anderen Clan. He - was ist das?«

Schwere Schritte schallten auf der Treppe, und einen Augenblick später schwang die Tür auf. In der dunklen Öffnung hob Oberhauptmann Orkhan sich ab. Sein Kinn hing erstaunt herab, die Augen unter dem spitzen Turbanhelm waren verblüfft aufgerissen. Orkhan war ein hochgewachsener Mann mit Geiergesicht, etwas weniger breit als Conan, aber kräftig und geschmeidig, obgleich seinen kurzgestutzten schwarzen Bart bereits das erste Grau durchzog.

Grimm löste seine Verwunderung ab, als er sich über die Szene vor ihm klar wurde und er Conan erkannte. »So!« knirschte er. »Wenn die Katze aus dem Haus ist...« Seine Finger legten sich um den Griff des Krummsäbels.

Beim Aufschwingen der Tür hatte Narkia sich auf das Bett geworfen und schrie nun, während Orkhan sprach: »Hilfe! Dieser Barbar ist eingebrochen. Er wollte mich vergewaltigen und drohte mich zu töten, wenn...«

Verwirrt starrte Conan von einem zum anderen, bis er sich fasste. Als Orkhan den Säbel aus der Scheide riss, sprang der Cimmerier auf die Füße, packte den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und schleuderte ihn dem Oberhauptmann entgegen. Das Geschoss traf den Bauch des Turaners, und er taumelte zurück. Schon bückte Conan sich nach seinem Säbel, den er in seiner Hülle auf den Boden gelegt hatte. Ehe Orkhan sich gefangen hatte, stand Conan bewaffnet wieder aufrecht.

»Erlik sei Dank, dass du rechtzeitig gekommen bist, mein Retter!«, keuchte Narkia und kauerte sich auf dem

Bett zusammen. »Er hätte mich...«

Während sie sprach, wehrte Conan einen wütenden Angriff Orkhans ab, der in schneller Reihenfolge ausholte, mit Vorhand und Rückhand schwang und den Säbel hochschlug. Grimmig parierte der Cimmerier jeden heftigen Hieb. Die Klingen klirrten und krachten und schlugen Funken. Zum Stoß kam es nicht, da die Krummsäbel der Turaner dafür nicht geeignet waren.

»Hör auf, Narr!«, donnerte Conan. »Die Frau lügt! Sie lud mich ein und ich kam Wir haben nichts getan...«

Narkia schrillte etwas, das Conan nicht verstand, denn als Orkhans Angriff noch wilder wurde, erwachte unbezähmbare Kampfeslust in dem Cimmerier. Er schlug heftiger und schneller zu, bis Orkhan, obwohl er ein ausgezeichneter Fechter war, heftig atmend zurückwich.

Da glitt Conans Klinge an Orkhans Schutzblatt vorbei und durch die Kettenglieder seines Harnischs in die Seite. Orkhan taumelte, ließ seinen Säbel fallen und drückte eine Hand auf die Wunde, aus der Blut quoll. Conan ließ dem ersten Treffer einen zweiten folgen, der den Turaner am Hals erwischte. Orkhan brach zuckend zusammen und blieb reglos liegen, während sein Blut den Teppich dunkel färbte.

»Du hast ihn umgebracht!«, kreischte Narkia. »Dafür wird Tughril deinen Kopf fordern! Weshalb hast du ihn nicht einfach mit der flachen Klinge betäubt?«

»Wenn man um sein Leben kämpft«, brummte Conan, während er seine Klinge abwischte und in die Scheide schob, »kann man seine Hiebe nicht so genau berechnen, wie ein Pillendreher die Zutaten seiner Salben. Es war deine Schuld nicht weniger als meine. Weshalb hast du mich der Vergewaltigung bezichtigt?«

Narkia zuckte die Schultern. Mit der Spur eines Lächelns sagte sie: »Ich wusste ja nicht, wer von euch siegen würde! Hätte ich dich nicht beschuldigt und du wärst von ihm getötet worden, hätte er mich auch noch umgebracht.«

»Das ist wieder mal ein Beispiel eurer Zivilisation!«, knurrte Conan. Ehe er den Waffengürtel über den Kopf streifte, wirbelte er herum und schlug Narkia den Säbel in der Scheide auf die Kehrseite, dass sie als Häufchen Elend auf den Boden sank. Mit angstvoll aufgerissenen Augen wich sie zurück.

»Wenn du keine Frau wärst, kämst du nicht so glimpflich davon. Ich warne dich, schrei ja nicht um Hilfe, und gib mir einen guten Vorsprung, ehe du Alarm schlägst. Wenn nicht...« Bedeutungsvoll strich er mit dem Finger über die Kehle und ging rückwärts zum Fenster. Einen Augenblick später kletterte er an dem Efeu hinunter, gefolgt von Narkias wilden, aber leisen Verwünschungen.

 

 

Lyco von Khorshemish, Leutnant der leichten Reiterei des Königs, blies eine wehmütige Weise auf seiner Flöte, als Conan in ihr gemeinsames Zimmer in der Maypurgasse stürmte. Nach einem kurzen Gruß schlüpfte Conan hastig aus seiner Zivilkleidung und zog seine Offiziersuniform an. Dann breitete er seine Wolldecke auf dem Boden aus und legte seine armselige Habe darauf. Er öffnete eine verschlossene Truhe und holte ein kleines Ledersäckel voll Münzen heraus.

»Willst du fort?«, erkundigte sich Lyco, ein untersetzter Bursche in Conans Alter. »Man könnte meinen, du willst für immer weg. Ist vielleicht ein Teufel hinter dir her?«

»Beides stimmt«, brummte Conan.

»Was hast du denn angestellt? Bist du in des Königs Harem eingebrochen? Warum warst du nicht vorsichtiger, wo du jetzt endlich den angenehmen Posten bekommen hast, den du schon immer haben wolltest?«

Conan zögerte, dann sagte er: »Du sollst es ruhig wissen, nachdem ich nicht mehr hier sein werde, wenn du mich verraten könntest.«

Lyco wollte wild aufbegehren, aber der Cimmerier wehrte ab. »Ich habe nur Spaß gemacht, Lyco. Ich weiß, dass du mich nicht reinlegen würdest. Ich habe gerade Orkhan getötet.« Mit knappen Worten berichtete er, was geschehen war.

Lyco pfiff durch die Zähne. »Damit hast du Öl in die Flammen gegossen! Erliks Hohepriester ist sein Vater. Der alte Tughril wird nach deinem Herzblut trachten, selbst wenn der König dir vergeben sollte.«

»Das weiß ich!« knirschte Conan und band seine

Deckenrolle zusammen. »Deshalb beeile ich mich ja auch so.«

»Wenn du die Frau ebenfalls getötet hättest, würde es wie ein einfacher Raubmord aussehen, und niemand wüsste, wer dafür verantwortlich ist.«

»Das kann auch nur einem Kothier einfallen!«, knurrte Conan. »Nein, danke, ich bin noch nicht so zivilisiert, dass ich Frauen umbringe. Doch wenn ich lange genug in diesen Südlanden bleibe, lerne ich es vielleicht noch.«

»Und nur einem dickschädeligen Cimmerier kann es passieren, von einer Falle in die andere zu tappen! Ich habe dir doch gesagt, dass die Omen für heute Abend ungünstig sind, und dass mein Traum vergangene Nacht Schlimmes bedeutete.«

»Ja, du hast irgendeinen Unsinn geträumt, der nichts mit mir zu tun hatte - über einen Zauberer, der einen kostbaren Edelstein raubte. Du hättest Seher werden sollen, mein Junge, nicht Soldat.«

Lyco erhob sich. »Brauchst du noch ein paar Münzen?«

Conan schüttelte den Kopf. »Danke für dein Angebot, aber was ich habe, genügt mir, bis ich in ein anderes Königreich komme. Erlik sei Dank, dass ich ein wenig meines Soldes gespart habe. Wenn du es richtig anstellst, Lyco, bekommst du vielleicht meinen Posten.«

»Möglich, aber lieber würde ich mich weiter mit meinem alten Kameraden herumstreiten. Was soll ich denn sagen, wenn man mich nach dir fragt?«

Conan runzelte die Stirn. »Crom, so eine dumme Geschichte. Sag doch, ich hätte versucht dir weiszumachen, dass ich als Kurier des Königs nach - nach... Wie heißt denn das kleine Königreich südöstlich von Koth?«

»Khauran?«

»Richtig. Also, dass ich nach Khauran reiten müsste, um dem König eine Botschaft zu bringen.«

»Sie haben dort keinen König, sondern eine Königin.«

»Meinetwegen, der Königin dann eben. Leb wohl, und vergiss nicht, im Kampf an die richtige Deckung zu denken.«

Sie verabschiedeten sich auf raue kameradschaftliche Weise, schüttelten einander die Hände, schlugen sich auf den Rücken und boxten sich in die Seiten. Und dann verschwand Conan mit flatterndem gelbem Umhang.

 

Der rötliche Mond, der sich allmählich dem Westhorizont zuneigte, schien friedlich auf das Westtor von Aghrapur, als Conan auf seinem kräftigen Streitross, einem Rapphengst, den er Egil nannte, darauf zuritt. Die Decke mit seiner Habe hatte er sicher hinter dem Sattel verstaut.

»Öffnet das Tor!«, rief er. »Ich bin Hauptmann Conan von der königlichen Garde in königlicher Mission.«

»Was ist Euer Auftrag, Hauptmann Conan?«, erkundigte sich der Wachoffizier.

Conan hob eine Pergamentrolle. »Eine Botschaft Seiner Majestät an die Königin von Khauran. Sie ist eilig.«

Während Wachen stöhnend das schwere, bronzebeschlagene Eichentor öffneten, steckte Conan die Schriftrolle in den Lederbeutel an seinem Gürtel. Sie war in Wirklichkeit eine kurze Abhandlung über die Fechtkunst, an der Conan seine beschränkten Kenntnisse der hyrkanischen Schrift zu erweitern versucht hatte. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass der Wachoffizier nicht verlangen würde, einen Blick darauf zu werfen. Doch selbst wenn, wäre er möglicherweise gar nicht imstande gewesen sie zu lesen, und schon gar nicht in dem gedämpften Laternenlicht.

Endlich öffnete das Tor sich knarrend. Conan grüßte dankend, trottete hindurch und setzte seinen Weg fort. Er folgte der breiten Straße, die manche hier »Straße der Könige« nannten. Sie war eine von mehreren Hauptstraßen mit diesem Namen und führte westwärts nach Zamora und zu den hyborischen Königreichen. Zügig ritt er durch die schwindende Nacht, vorbei an jungen Weizenfeldern, saftigen Weiden, wo Schäfer ihre Herden hüteten und Kuhhirten ihre Rinder.

Ehe die Straße Shadizar, die Hauptstadt von Zamora, erreichte, bog ein Weg in die Berge entlang Khaurans Grenze ab. Conan hatte jedoch nicht die Absicht, nach Khauran zu reiten. Kaum war er außer Sichtweite von Aghrapur, ritt er abseits der Straße, wo dichte Bäume einen Bach einsäumten. Hinter diesen Bäumen, vor den Blicken eventuell Vorüberkommender geschützt, zog er seine fesche Uniform wieder aus und schlüpfte in das schäbige Wollhemd und die flickenbesetzte Pluderhose, die er bei Narkia angehabt hatte.

Er ärgerte sich über sich selbst. Lyco hatte recht gehabt, er war viel zu dumm. Die Frau hatte ihm ein Briefchen zukommen lassen, in dem sie ihn zu sich einlud, während ihr Protektor in Shahpur war. Da Conan der Tavernendirnen müde war, hatte er sich nach einer Kurtisane von besserem Stand und feineren Formen gesehnt. Deshalb und auch aus jungenhaftem Übermut, seinem Vorgesetzten die Liebste unter der Nase verführen zu können, hatte er sich auf dieses Abenteuer eingelassen, das ihn nun seine vielversprechende Laufbahn gekostet hatte. Er hätte nie damit gerechnet, dass Orkhan früher als erwartet von Shahpur zurückkommen würde. Und das Schlimmste war, dass er ihn gemocht hatte. Er war ein strenger, aber gerechter Vorgesetzter gewesen...

In bitteren Gedanken versunken, wickelte Conan den Turban vom Spitzhelm und wand ihn sich auf die Art eines zuagirischen Kaffiyyas um den Kopf und steckte die Enden in sein Hemd. Dann rollte er seine Habseligkeiten wieder in die Decke, schwang sich in den Sattel und ritt weiter - doch nicht zurück auf die Straße der Könige, sondern nordwärts, durch Wiesen und Wälder, wo niemand seine Spuren verfolgen konnte.

Grimmig lächelte er, als er weit hinter sich einen Trupp Reiter auf der Hauptstraße westwärts galoppieren hörte. Wenn sie noch länger in diese Richtung ritten, würden sie ihn nicht mehr einholen können.

Eine Weile später, in der rosigen Morgendämmerung, lenkte Conan sein Pferd nordwärts auf einem schmalen Weg, der kaum mehr als ein Pfad durch ein Gebiet abgeholzten Waldes war, in dem nun dichtes Gebüsch wuchs. So sehr war der Cimmerier in seine Gedanken vertieft, dass er nicht sofort den nahenden Hufschlag und das Klingeln der Harnischglöckchen eines Reitertrupps hörte. Ehe er dazu kam, sein Pferd in schützendes Dickicht zu lenken, galoppierten die Reiter um eine Biegung und kamen geradewegs auf ihn zu. Es war eine Schwadron von König Yildiz' berittenen Bogenschützen auf erschöpften Pferden.

Seine Unachtsamkeit verwünschend lenkte Conan seinen Hengst vom Weg und war sich nicht schlüssig, ob er kämpfen oder fliehen sollte. Aber die Soldaten brausten an ihm vorbei, ohne ihn mehr als eines Blickes zu würdigen. Erst der letzte, ein Offizier, hielt lange genug an, um ihm zuzubrüllen: »He du, Bursche! Hast du eine Gruppe Reisende mit einer Frau gesehen?«

»Wie...« Conan wollte zu einer wütenden Antwort ansetzen, als er sich erinnerte, dass er ja nicht mehr Hauptmann der königlichen Garde war. »Nein, mein Herr«, erwiderte er stattdessen mit nicht sehr überzeugender Untertänigkeit.

Fluchend gab der Offizier seinem Tier die Sporen und ritt seiner Schwadron nach. Verwunderung folgte Conans Erleichterung, während er seinen Weg nordwärts fortsetzte. Etwas musste in Aghrapur passiert sein - etwas Dringlicheres als seine Auseinandersetzung mit Orkhan. Die Schwadron, die an ihm vorübergerast war, hatte sich überhaupt nicht dafür interessiert, wer er war. Konnte es sein, dass der andere Reitertrupp, der der Straße der Könige westwärts folgte, ebenfalls etwas anderes jagte als den fahnenflüchtigen Hauptmann Conan?

Vielleicht würde er in Sultanapur mehr erfahren.

 

 

 

 

 

 

 

  2. Die Sumpfkatze

 

 

Durch die Marschen von Mehar zu reiten, erwies sich als nicht weniger schwierig, denn ein Kamel durch eine kahle Wüste zu lenken oder ein Schiff auf dem endlosen Meer zu steuern. Schilfrohr, das höher als Conans Rapphengst war, erstreckte sich scheinbar endlos in alle Richtungen. Das saftlose Ried des vergangenen Jahres rasselte eintönig, wann immer ein Windstoß es beugte, während die grünen Schösslinge dieses Jahres dicht an dicht aus dem Boden sprossen und Egil nahrhaftes Futter boten.

Wer durch die Marsch reiten wollte, musste sich nach der Sonne und den Sternen richten, um die Richtung einhalten zu können. Für einen Wanderer wäre das unmöglich, denn das Schilfrohr wuchs hoch über ihn hinaus, und das einzige, was er sehen konnte, war das Stückchen Himmel unmittelbar über ihm.

Vom Rücken seines Streitrosses konnte Conan über die sich sanft wiegenden Riedspitzen sehen. Erreichte er hin und wieder eine der wenigen Bodenerhebungen, war in der Ferne das Blau der Vilayetsee zu erkennen. Zu seiner Linken erblickte er die Kuppen und Kämme der niedrigen Hügelkette, die die Marschen von Mehar von der turanischen Steppe trennten.

Conan war mit dem Pferd unterhalb von Akif über den Ilbar geschwommen und hatte sich weiter nordwärts gewandt, immer so, dass er die See im Auge behalten konnte. Wenn er von seinen Verfolgern nicht entdeckt werden wollte, folgerte er, musste er entweder in einer großen Stadt untertauchen oder die Einsamkeit der Wildnis suchen, wo er rechtzeitig darauf aufmerksam werden würde, wenn seine Verfolger ihm auf den Fersen waren.

Conan war zum ersten Mal in den Marschen von Mehar. Wenn es stimmte, was man von ihnen erzählte, waren sie eines der einsamsten Gebiete der ganzen Welt. Der nasse Schlammboden war für landwirtschaftlichen Anbau ungeeignet. An Holz gab es lediglich vereinzelte verkümmerte und verkrüppelte Bäume, gewöhnlich auf den niedrigen Buckeln. Beißende Insekten sollten dort in solchen Schwärmen auftreten, dass selbst Jäger, die ansonsten gewiss Wildschweine und anderes Beutetier in die Sümpfe verfolgt hätten, hier davor zurückschreckten.

Außerdem sollten die Marschen das Revier eines gefährlichen Raubtiers sein, das vage als »Sumpfkatze« bezeichnet wurde. Zwar kannte Conan niemanden, der behauptete, selbst einer solchen Kreatur begegnet zu sein, aber alle stimmten darin überein, dass sie so tödlich wie ein Tiger war.

Trotzdem übertraf die bedrückende Einsamkeit der Marschen Conans Erwartungen noch. Kein Laut brach hier die Stille, wenn man von Egils im Sumpf platschenden Hufen absah, dem Rascheln des Schilfrohrs und dem Schwirren und Summen der dichten Wolken von Insekten, die von dem von Egil bewegten Ried aufstiegen. Mit dem Turbantuch um Kopf und Gesicht gewunden und den Händen in seinen Uniformhandschuhen war Conan gut geschützt, aber sein bedauernswertes Streitross wurde arg gequält und schüttelte fast pausenlos Mähne und Schwanz, um sich von den lästigen Insekten zu befreien.

Endlose Tage, wie ihm schien, schleppte Conan sich durch das eintönige Ried. Einmal schreckte er eine Rotte Schweine einer großen, rostroten Art auf. Da er geradezu gierig nach frischem Schweinefleisch war, und auch um seinen schwindenden Vorrat an gepökeltem Fleisch zu ergänzen, griff er nach seinem Bogen, doch bis er die kurze, doppelgeschwungene hyrkanische Waffe aus ihrer Hülle gezogen hatte, war die Rotte schon im dichten Ried verschwunden.

 

Drei Tage kämpfte Conan sich durch das Schilfrohr, das sich immer noch bis zum Horizont erstreckte. Gegen Ende des dritten Tages, als eine Erhebung ihm einen Blick über das weite Land gewährte, stellte er fest, dass sowohl die See zu seiner Rechten, als auch die Berge am Westhorizont näher gerückt waren. Er nahm an, dass er sich dem Nordende der Marschen und damit der Stadt Sultanapur näherte, und trieb Egil zum Trott an.

In diesem Augenblick hörte er, durch die Ferne gedämpft, einen Schrei, zweifellos aus Menschenkehle, und er glaubte, mehrere Stimmen brüllen zu hören. Er blickte sich um und sah auf einer Erhebung zu seiner Linken blauen Rauch aufsteigen. Die Vorsicht mahnte Conan weiterzureiten, ohne sich darum zu kümmern, was auf diesem Buckel vorging. Je weniger ihn sahen, solange er noch in Turan war, desto besser standen seine Chancen, das Königreich unbehelligt verlassen zu können.

Aber Vorsicht war nie etwas gewesen, dem Conan sein Ohr geliehen hätte. Außerdem bedeutete ein Lager gebratenes Heisch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: L. Sprague De Camp/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Peter Sladek.
Übersetzung: Lore Strassl (OT: Conan And The Spider God). Mit freundlicher Genehmigung der Edition Bärenklau/Literatur-Agentur J. M. Munsonius.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 26.11.2018
ISBN: 978-3-7438-8772-5

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