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Leseprobe

 

 

 

 

 

ANDREW J. OFFUTT

 

Cormac MacArt

Band 5: Der unsterbliche Hexer

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

DER UNSTERBLICHE HEXER 

Prolog 

1. Achtsundzwanzig Pikten 

2. Krieger und Priester 

3. Flut des Todes 

4. Die Burg von Atlantis 

5. Die lebenden Toten 

6. Der Thron König Kulls 

7. Erinnerungen 

8. Spuren 

9. Beute 

10. Das Dach der Welt 

11. Wenn aus Freund Feind wird 

12. Wenn aus Kameradschaft Liebe wird 

13. Zweimal zu sterben... 

14. Der unsterbliche Zauberer 

15. Des Zauberers Herausforderung 

16. Die Macht des Zauberers 

17. Der Zauberer schlägt zu 

18. Stahl gegen Zauberei 

19. Doomheim 

 

Das Buch

 

Wild und voller Gefahren ist das Leben auf den britischen Inseln zur Zeit König Arthurs. Cormac Mac Art, ein Abenteurer königlichen Geblüts von der grünen Insel Irland, muss seine Heimat verlassen, weil Neider ihm nach dem Leben trachten. Gerüstet mit ungewöhnlicher Körperkraft und mit der Fähigkeit, Vergangenheit und Zukunft zu sehen, durchstreift er das wilde Europa des fünften Jahrhunderts und die gefahrvolle See auf der Suche nach Abenteuern.

 

Durch ein Versehen hat Cormac MacArt den Geist eines mächtigen Hexenmeisters geweckt, der seit 18.000 Jahren unter einem Bann schlummerte. Der Hexer kann jede beliebige Gestalt annehmen und schickt Heere von Untoten in den Kampf, gegen die mit Waffen nichts auszurichten ist. In einer finsteren, blutbesudelten Burg im Reich Atlantis treten Cormac und seine Getreuen an zur letzten Schlacht...

 

Andrew J. Offutt - Autor von Valeron, Der Barbar - setzt Robert E. Howards Erzählungen um Cormac MacArt (zusammengefasst in dem Band Krieger des Nordens, ebenfalls im Apex-Verlag erschienen) mit sechs spannenden Romanen fort, in denen Elemente der Artus-Saga mit Wikinger-Mythen und dem Cthulhu-Mythos verknüpft werden.

Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Romane als durchgesehene Neuausgaben - illustriert vom Wiener Künstler Johann Peterka.

  Der Autor

Andrew J. Offutt (* 16. August 1934, † 30. April 2013)

 

Andrew Jefferson Offutt war ein US-amerikanischer Autor von Fantasy- und Science-Fiction-Literatur. Er veröffentlichte seine Werke teilweise unter Variationen seines bürgerlichen Namens, vornehmlich als Andrew J. Offutt, teilweise unter den Pseudonymen John Cleve, Jeff Douglas oder J. X. Williams. Gelegentlich ist sein Name auch vollständig in Kleinbuchstaben als andrew j. offutt geschrieben. 

Offutt wuchs in einer Blockhütte in der Kleinstadt Taylorsville im Spencer County auf. Später siedelte er nach Louisville um und studierte mittels eines Stipendiums der Ford Foundation an der dortigen Universität. 1955 wurde ihm der Bachelor of Arts im Fach Englisch verliehen.

Während seiner Arbeit in Lexington lernte er Jodie McCabe kennen, die er 1957 heiratete. Das Ehepaar Offutt war über fünfzig Jahre verheiratet und lebte im Rowan County im US-Bundesstaat Kentucky. Sie hatten vier Kinder, der älteste Sohn, Chris Offutt, ist heute ebenfalls als Schriftsteller und Drehbuch-Autor (True Blood, Weeds) bekannt. 

Andrew J. Offutts erste Publikation war die Kurzgeschichte And Gone Tomorrow, die 1954 in der US-amerikanischen Science-Fiction-Zeitschrift If veröffentlicht wurde. Nach dem Verkauf der Kurzgeschichte Blacksword (1959) an das Magazin Galaxy konzentrierte er sich zunehmend auf die Schriftstellerei. Mit Evil Is Live Spelled Backwards erschien 1970 sein erster Roman. 

Für den Romanzyklus Thieve's World (deutscher Titel: Diebeswelt) von Robert Lynn Asprin und Lynn Abbey schuf er die Figur Hanse und beschrieb sie zwischen 1987 und 1993 in drei Romanen: Shadowspawn (1987), Deathknight (1990) und The Shadow Of Sorcery (1993). 

Überdies verfasste er drei Romane über Conan sowie sechs Romane über Cormac MacArt, beides Figuren des Schriftstellers Robert E. Howard.

Zwischen 1976 und 1978 war Offutt Präsident der Science Fiction and Fantasy Writers of America. Ende der 1970er Jahre gab er unter dem Titel Swords Against Darkness fünf Anthologien mit Kurzgeschichten weniger bekannter Autoren heraus. 

Unter bis zu zwölf verschiedenen Pseudonymen schrieb Offutt eine Vielzahl erotischer Romane, darunter die von 1982 bis 1984 entstandene Spaceways-Reihe, die unter dem Autorenpseudonym John Cleve publiziert wurde. 

DER UNSTERBLICHE HEXER

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Das Reptil lag in einem unterirdischen Gang. Ein gespenstisches Licht ließ seine gewaltige Form erkennen. Es kam aus keiner natürlichen Quelle, war sicherlich magischen Ursprungs. Wände und Decke glühten. Die seltsame Helligkeit war schwach, milchig, ganz anders als die einer Lampe oder Fackel, oder gar der Sonne. Denn die Sonne fand hier durch Erde und Felsmassen und das von Menschenhand errichtete Mauerwerk keinen Einlass. Das fahle Licht kam aus den Mauern des uralten Ganges selbst.

In dieser unheimlichen Beleuchtung aus einer unsichtbaren Quelle lag das große Reptil, als hätte sich eine mächtige grüne Ranke über felsigen Grund gewunden.

Das Wesen war lang, mehrfach die Größe eines Mannes genommen, und von fast dessen Leibesumfang. Es lag reglos in einer großen rotbraunen Lache geronnenen Blutes. Die verkrustete Oberfläche sah im Widerschein des Lichtes der Wände aus, als ob sie glühte. Die Augen der erstarrten Schlange, flachsfarben und von der Größe menschlicher Augen, waren gebrochen.

Dennoch war da kein Gestank, keine Blähung des Leibes, kein Zeichen von Verwesung. Aber es gab keinen Zweifel, dass das Ungeheuer tot war. Zahllose Wunden bedeckten den verschlungenen Körper: er war durchbohrt und aufgerissen, zerfetzt und verstümmelt, entleert von allen Säften während der Urgewalten seines Todeskampfes.

Selbst im Tod war es noch furchteinflößend. Kein gewöhnlicher Sterblicher konnte das Leben dieses Bewohners der unterirdischen Gänge so blutig beendet haben.

In einem düsteren Gewölbe tief in der Erde, unter den Türmen einer unvorstellbar alten Burg war dieser Urahn aller Schlangen verendet.

Und doch - bewegte es sich.

Ein kaum wahrnehmbares Zittern war es - vielleicht nur ein Flackern, das den gespenstischen Eindruck von Bewegung erzeugte.

Doch etwas rührte sich in dem Kadaver. Etwas - versuchte sich aus dem Gefängnis des Todes zu befreien.

In der beklemmenden Stille des unterirdischen Grabes regte sich die Luft um den großen Rachen. Langsam formte sich über der sterblichen Hülle des Reptils Nebel. Er breitete sich aus, dehnte sich, wogte leicht und begann aufzusteigen. Dünne, sich windende Raucharme griffen in die klamme Luft des unterirdischen Ganges. Durch die feinen, schwebenden Schleier blieben die leuchtenden Wände deutlich sichtbar. Das rauchige, sich ständig verändernde Gebilde war blaugrau - wie der Mensch im Tode.

Aber es war nichts Menschliches daran.

Einen flüchtigen Augenblick lang schien es, als wolle sich der geisterhafte Nebel zusammenballen und Gestalt annehmen: oben einer Kugel gleich, mit zwei runden Öffnungen in der oberen Hälfte, schmal und wie Gitterwerk im unteren Teil - ein Totenkopf.

Vor seiner Vollendung löste er sich wieder auf. Es gab keine lebenden Augen im Raum, die ihn hätten sehen können.

Der Nebel schwebte hoch, losgelöst von der Schlangengestalt, die ihn geboren hatte. Er begann den Korridor entlangzugleiten mit einer fließenden, zielstrebigen Bewegung.

Der Gang wand sich in Biegung um Biegung, als hätten Generationen von Schlangen ihn geformt - oder längst zu Staub gewordene Krieger, die auf diese Weise mögliche Verfolger zu verwirren und ihren Vormarsch zu verlangsamen trachteten. Er mündete schließlich in die Gewölbe der uralten Burg. Das Nebelgebilde bewegte sich jedoch in die entgegengesetzte Richtung.

Tiefer und tiefer glitt es den gewundenen Gang abwärts und berührte weder die Wände noch den Boden aus gestampfter Erde. In gespenstischer Lautlosigkeit schwebte dieses aus dem Tod erstandene Leben durch die unterirdische Stille.

Dann hielt es inne, verhielt bebend über - einem Leichnam.

Es war der Körper eines Mannes. Er war alt, bejahrt genug, um eines natürlichen Todes gestorben zu sein. Doch der Anblick gab Zeugnis von einem gewaltsamen Tod. Der Mann war groß und ungewöhnlich dürr. Er trug ein Gewand mit Kapuze so schwarz wie die Nacht. Es bedeckte seinen mageren Körper vom Kopf bis zu den Füßen. Er lag auf dem Bauch. Auf seinem Rücken breitete sich ein dunkler Fleck auf dem Gewand aus. Getrocknete Rinnsale verliefen über den Stoff zum staubbedeckten Erdboden. Sie und der Fleck waren von rötlichem Braun, wie alter Rost. Der kapuzenverhüllte Mann war von hinten mit einem Dolch ermordet worden.

Grau und weiß, wie Silber, waren sein Bart und sein Haar, dessen Strähnen ihm ins Gesicht hingen. Auch seine Augen waren grau, fast weiß im fahlen Licht. Obwohl sie weit offen standen, nahmen sie nichts wahr. Die knöchernen Hände mit den klauenartigen Fingern hatten sich nicht in den Boden gekrallt. Der Mann hatte im Fallen bereits sein Leben ausgehaucht. Auch sein Mund war offen, erstarrt im Schrei oder im Ringen nach Luft.

Der schwebende Nebel glitt tiefer. Geisterhafte, durchsichtige, blaugraue Finger berührten den Toten.

Einer drang in den offenen Mund des Leichnams.

Wie Rauch, der eingesogen wird, verschwand das Nebelgebilde rasch im Körper.

Dann Reglosigkeit und Stille. Zeit verstrich. Niemand hätte zu sagen vermocht, wieviel. Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder Monate - sie waren ohne Bedeutung für den Toten - oder für das Nebelwesen.

Die seegrüne Schlange lag in ihrer Lache aus geronnenem Blut. Langsam setzte die Verwesung ein. In einem anderen Teil des gewundenen Ganges tief in der Erde lag der Leichnam des Mannes. Der Nebel war verschwunden, so lautlos und gespenstisch, wie er entstanden war - aus einem Leichnam in einen anderen.

Der tote Körper des Mannes blieb von Fäulnis und Verwesung unberührt.

Doch plötzlich: Bewegung in der Stille und Erstarrung des Todes.

Finger zuckten - die Finger der rechten Eland des Toten.

Sie krümmten sich, wie um zu greifen, und hinterließen Spuren im Staub des alten Gewölbes. Sie öffneten sich, krümmten sich erneut, weiß und knöchern.

Das nachtschwarze Gewand verriet zuckende Bewegung darunter, wie sich die Glieder bei einsetzender Totenstarre bewegen mochten. Doch dieser Mann war dafür bereits zu lange tot.

Bewegung kam in beide Arme. Die beiden knöchernen Hände glitten über den Boden an den Körper heran. In Schulterhöhe pressten sich die Handflächen auf die harte Erde. Der Kopf ruckte hoch. Die silbernen Strähnen glitten über das Gesicht. Die Arme streckten sich. Schuhwerk scharrte über den Boden.

Der Leichnam stemmte sich aus dem Staub hoch.

Der Tote, der doch nicht tot war, richtete sich auf und schwankte auf den Beinen, die lange nicht mehr geschritten waren. Eine Hand streckte sich hastig zur Wand, um Halt zu finden für den Körper, der lange nicht mehr aufrecht gestanden hatte. Ein langgezogener, klagender Laut drang aus dem dünnlippigen Mund. Der ganze Körper erbebte. Dann war es, als kämen Erinnerungen zurück, und der Mund schloss sich.

Der Kopf drehte sich auf dem dünnen Hals, der unter den schulterlangen Silbersträhnen sichtbar wurde. Der Mann hob sich die rechte Hand vors Gesicht, drehte sie und betrachtete sie eingehend. Dabei glitt der weite Ärmel des Gewandes nach unten und enthüllte ein Handgelenk, das so dünn war wie alles an ihm, nur Haut, die sich über die Knochen spannte wie Tierhäute, die zum Trocknen aufgespannt sind.

Die Haut war fast weiß, wie frisches Linnen.

Die Hand betastete die Brust, strich über das Gesicht. Sie betastete die hohe Stirn, die tiefen knöchernen Höhlen der fahlbleichen Augen, die schmale Nase mit ihren fast durchsichtigen Flügeln, die eingefallenen Wangen, den Mund, der kaum mehr als ein waagrechter Schlitz zwischen Schnurrbart und aschgrauem Kinnbart war.

Und der Leichnam, der in dieser düsteren Einsamkeit unter der Erde zum Leben erweckt war, - sprach:

»Dürr, oh, Große Schlange, ist dieser Körper - nur Haut, die sich über Knochen spannt wie das feine Pergament Vanaras, wenn es zum Trocknen auf den Steinen liegt!« Die Stimme des auferstandenen Leichnams war leise, fast flüsternd. »Ein hagerer Körper in hohen Jahren. Ein Priester, ein Seher, ein Magier - ein Druide, wie man seinesgleichen nennt. Aus einem Land mit Namen Norwegen, wo der Winter lange bleibt, Eis und Schnee immer auf den schroffen Gipfeln liegen und der Wind beißend kalt und heulend in die Täler einfällt wie ein Rudel Wölfe.«

Er hob die Arme, streckte die geballten Fäuste hoch.

»AM LEBEN! Endlich wieder am Leben und in menschlicher Gestalt, mit Händen, ja, und mit Füßen, um aufrecht zu gehen! Cutha Atheldane. So nannte sich die Lebenskraft, die diesem Körper innewohnte, bevor meine ihn wiederbelebte.«

Der Untote lachte laut und wirbelte triumphierend herum.

»WIEDER AM LEBEN! Voll des Dankes dafür, dieser ewigen Verdammnis in jener anderen Dimension entrissen worden zu sein, die menschlichem Sterben durch das todbringende Schwert gleich gekommen wäre. Aber - die Ewigkeit des Wartens in einem Körper ohne Hände, ohne Stimme, dem Körper eines Sohnes der Großen Schlange - achtzehntausend Jahre lang! Ah!«

Cutha Atheldane, der norwegische Druide, war jetzt ein anderer - etwas anderes. Seine Bewegungen wurden immer gezielter und sicherer, gelenkt von einer der stärksten Lebenskräfte, die je existiert hatten, einer, die auf der Erde gewandelt war, noch bevor Atlantis aus den Tiefen emportauchte. »Cutha Atheldane bin ich jetzt. Gut!« Er lachte. Begeisterung erfüllte den neuen Cutha Atheldane. Er tanzte. Er jubelte.

Aber er atmete nicht.

»Einhundertundachtzig Jahrhunderte! Ah, beim Chaos, das einst war und wieder sein wird, einhundertachtzig mal hundert Jahre! Nur ein Atemzug in der Ewigkeit - aber welch eine Ewigkeit in diesem Gefängnis aus Stein und Magie. Und in einem Körper ohne Stimme und ohne Hände! Und befreit zu werden von...«

Cutha Atheldane, der nicht mehr Cutha Atheldane war, brach mit einem Lachen ab, das einem Hund die Haare aufgestellt und Vogelschwärme aufgeschreckt hätte.

»Ah, er war es. Ich erkannte ihn, noch ehe er in mein Gefängnis gestürmt kam Und mich befreite - indem er die Schlange erschlug, in der ich gefangen war. Ich kenne dich als der, der du warst, nicht der, der du jetzt bist! In jeder Inkarnation würde ich dich wiedererkennen, mein Feind aus alten Tagen, barbarischer König auf einem Edelsteinthron - einem Thron, den du an dich gerissen hast und dessen edlen König du erschlagen hast!«

Die Stimme verlor sich wie Flüstern im Wind. Als sie schließlich fortfuhr, klang sie beherrschter, ruhiger, aber drohend und voll kalter Entschlossenheit.

»Es gibt niemanden, der auch nur erahnen könnte, wie lange ich gelebt habe, wie lange ich gewartet habe, während ungezählte Millionen bedeutungsloser Sterblicher die Erde bevölkert haben, sich vermehrten wie das niedere Getier, von dem sie sich nicht unterscheiden, und Blut vergossen und wieder Blut vergossen. Soviel des Alten Wissens ist verloren! Was überdauert hat in den Köpfen dieser Druiden, ist nur der Schatten eines Schattens dessen, was ich weiß! Aber ich habe ÜBERLEBT! Ich habe auf dieser Erde, in dieser Dimension ausgeharrt, während andere starben und wiederkehrten, viele Male. Und jetzt - endlich ist die Zeit meiner Rache gekommen, nach einhundertundachtzig Jahrhunderten.«

Der auf erstandene Tote starrte grübelnd um sich. »Zuerst bedarf es einer Aufforderung, um diese Insel zu verlassen, denn noch hält mich der alte Zauber hier fest. Aber ich werde zu dir kommen, zu dir, den sie Cormac MacArt von Connacht in Eirrin nennen! Und - ich - werde - mich - RÄCHEN!«

Und als die große, totenbleiche Gestalt im nachtschwarzen Gewand beide Arme mit flatternden Ärmeln hochwarf, schienen Augen und Lippen des Gesichts zu verschwimmen und sich aufzulösen. An ihrer Stelle wurde einen Augenblick lang ein grauenvoller, grinsender, kreideweißer Totenschädel sichtbar!

Der mächtigste und schrecklichste Zauberer seit Anbeginn der Zeit wandelte wieder über die Welt.

 

 

 

 

  1. Achtsundzwanzig Pikten

 

 

Die Kraft starker Arme auf seinen zehn Ruderbänken ließ das fellüberzogene Boot - ein Langschiff - über das Wasser gleiten wie von gutem Wind getrieben. Doch das blaue Segel war eingerollt, denn kein Windhauch bewegte die sonnengleißende See zwischen Britannien und Eirrin. Nur wo das Schiff seine Bahn zog, war das blaugrüne Wasser aufgewühlt und schäumte weiß an seinen Bordwänden und ein kurzes Stück in seiner Spur.

Die Männer an den Rudern hatten ihre gehörnten oder mit Federn - bei einem auch mit Pferdehaar nach römischer Art - geschmückten Helme abgelegt. Das Haar dieser Männer war lang, geflochten oder mit einer Lederschnur nach hinten gebunden. Es gab nur einen in der Mannschaft, dessen Mähne dunkler als frisch gehämmertes Kupfer war. Einige der Ruderer waren im Gesicht und an den Armen mit blauer Farbe beschmiert. Das Gesicht eines muskelbepackten Kerls war von einer solch auffälligen Narbe gezeichnet, dass man sie für eine bereits leicht verblasste rote Bemalung hätte halten können.

Drei der Männer an Bord ruderten nicht.

Einer stand ganz vom. Ein anderer hielt das Steuerruder. Muskulös waren sie beide, und zum Kampf gegürtet.

Der eine am Bug trug keinen Helm, stattdessen bedeckte eine Katzenfellkappe sein dunkelblondes Haar, und diese gestreifte Kopfbedeckung zierte ein Büschel von sieben Adlerfedern. Er hatte bronzene Armschienen, eine von einem Schwerthieb gekerbt - ein Andenken an einen Kampf, der ihn ohne diesen Schutz den Schildarm gekostet hätte. Seine Tunika war blau. Darüber trug er ein vortreffliches ledernes Wams, das von den Schultern bis zu den Schenkeln gerade unterhalb des Geschlechtes reichte. Am Korduan-Gürtel an seinen Hüften hing ein Dolch an jeder Seite. Er hatte kein Schwert. Die Waffe dieses Mannes war eine Axt mit einer breiten Lederschlaufe am Stiel. Ihr Blatt war zum Schutz vor dem salzigen Gischt mit eingefettetem Rindleder umhüllt.

Die Füße des Axtkriegers waren in Caligae, die kurzen Stiefel der römischen Legionäre, geschnürt - das Schuhwerk derer, die so lange über dieses Land geherrscht hatten und es vor den zahlreichen Feinden beschützten, die nun über das Meer kamen, um sich die Beute zu teilen: Sachsen und Angeln, Juten und Friesen, Iren und Dänen; und aus dem Norden über den alten Wall Pikten und die Skoten des Königreiches Alba, das die Römer Kaledonien genannt hatten.

Der Axtkrieger am Bug starrte auf die See.

Der Mann am Heck trug ein langes Schwert am Gürtel. Sein helles, rotbraunes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten. Die Klinge an seiner linken Hüfte war nicht die eines Seefahrers, sondern die eines Kriegers; er war von dunklerem Äußeren und offenbar mehr auf einem Pferderücken zu Hause. Das Schwert des römischen Reiters war eine Spatha. Sein Helm, bestehend aus vier einfachen Metallplatten über einem weichen ledernen Netzwerk, war ohne Zier. Auch er trug ein ledernes Wams über einer grauen Wolltunika. Die zwanzig oder mehr Metallringe der einfachen Lorica dienten sowohl der Zier als auch zusätzlichem Schutz. Der volle, abwärtsragende Schnurrbart des Mannes besaß einen noch rötlicheren Ton als sein Haupthaar.

Ruder knarrten. Männer keuchten. Wasser gurgelte und rauschte, und das Langschiff schien über dem Wasser dahinzufliegen. Sein Kurs war südwärts.

Der Blick des Mannes am Bug flog dem Schiff voraus zum Horizont, wanderte nach Südwesten und Steuerbord. Dorthin waren auch die Blicke des Mannes am Ruder gerichtet, und die des dritten, der nicht ruderte.

Der blonde Axtkrieger am Bug streckte den linken Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger in eine Richtung. Mit einem Nicken änderte der Mann am Heck den Druck seiner sonnengebräunten Hände am Steuerruder. Das gut siebzehn Meter lange Schiff schwenkte nach backbord - ostwärts auf seinem Südkurs.

Der Blonde am Bug wandte sich um.

Seine Nase war gebrochen und schief. Er schloss seinen Mund nie ganz.

»Iren«, knurrte er, laut genug, dass die dreiundzwanzig ihn hören konnten.

»Plünderer?«, fragte ein Backbordruderer.

»Ich glaube nicht. Was meinst du, Cynwas?«

»Ich glaube nicht«, erwiderte der Steuermann ruhig. »Die würden kämpfen, Bedwyr, statt sich an die Ruder zu klammern.«

»Von Wölfen gejagt«, stellte Bedwyr, der blonde Axtkrieger, mit der Spur eines Lächelns fest. »Sie werden den Sonnenuntergang nicht mehr erleben, aber rot wird ihnen dennoch bald vor Augen werden!«

»Wölfe?«, fragte ein anderer Ruderer, ein Mann mit einer Lücke im Bart von einer alten Schwert- oder Dolch wunde. Eine Axt hätte wohl sein Kinn zerschmettert.

»Ja«, erwiderte Bedwyr.

»Pikten«, sagte Cynwas.

»So weit im Süden? Was hätten Pikten so weit südlich von ihrer verdammten Heide zu suchen?«

»Oder so weit östlich«, ergänzte Bedwyr. »Es sei denn, sie kommen von der anderen Seite Hibernias.«

Der dritte Mann, der nicht ruderte, war fast nackt. Er hatte bisher geschwiegen. Nun sprach er:

»Eirrin, du gelbhaariges Schandmaul. Eirrin! Du redest wie ein Römer. Hast du solche Sehnsucht nach deinen Oberherrn, du britischer Schafskopf?«

Der Blonde am Bug drehte sich um und musterte den Sprecher, einen rotmähnigen, vollbärtigen Riesen von einem Mann.

»Deine Zunge sitzt unbedacht locker für einen, der in Banden am Mast eines Schiffes steht, Däne! Bist du so erpicht darauf, deine Eingeweide in der Sonne braten zu sehen?«

Der Gefesselte grinste. Er war nur mit einer schmutzigen Tunika bekleidet, deren rote Farbe Sonne, Salzwasser und Schweiß ausgebleicht hatten. Wenn sie nicht so schmutzig gewesen wäre, wäre sie heller gewesen als der volle Bart des Mannes.

»Es wäre weniger qualvoll, als deinem hirnlosen Geschwätz zuhören zu müssen, Brite.«

Bedwyr von Britannien enttäuschte seinen Gefangenen, der auf eine Weise an den Mast gebunden war, dass er aufrecht stehen und nach vorn blicken musste. Der blonde Brite grinste nur und wandte sich ab.

»Rudert. Sie sind viel zu beschäftigt, um sich um uns zu kümmern, auch wenn sie uns bemerken. Und sie werden bald noch beschäftigter sein.«

Unter den Ruderschlägen der Männer glitt das Schiff der Briten - und des gefangenen Dänen - ein gutes Stück weiter östlich als das Boot von Eirrin in Richtung Südosten.

An Bord dieses Bootes aus Eirrin, das in derselben Flaute seinen Verfolgern zu entrinnen suchte, beobachtete ein Mann das britische Schiff. Er war hochgewachsen und schlank, muskulös und strahlte Stärke aus. Seine tiefsitzenden Augen, grau wie Stahl oder Eis, waren zusammengekniffen. Die Entfernung war zu groß, um Gesichter erkennen zu können, selbst vertraute. Das Haar des Axtkriegers am Bug war im grellen Glanz der Sonne kaum auszumachen.

»Sie fahren weiter.«

Die Feststellung kam von einem Krieger an der Seite der hochgewachsenen, schlanken Gestalt. Er war klein und schmächtig und trug eine bronzebeschlagene Lederkappe, die Stirn und Wangen, Ohren und Nacken bedeckte.

»Ja. Weshalb sollten sie sich auch einmischen? Das Meer ist weit und hat viele Küsten. Sind wohl keine Gallier und keine Pikten. Und wenn es Kelten sind - unwahrscheinlich, aber möglich - dann kommen sie nicht aus Eirrin, sondern aus Britannien.«

»Britannien!«, rief einer der Männer an den Rudern. »Die Briten sind keine Seefahrer!«

»Es gibt Ausnahmen.«

Der kleine, bartlose Krieger sagte beunruhigt: »Könnte es sein - könnte unser Ziel auch ihres sein?«

»Nein, nein, Mädchen«, erwiderte der große Mann. Auch er war bartlos. Seine schmalen, zusammengekniffenen Augen verliehen ihm ein eigentümlich finsteres Aussehen. Obgleich er ein Sohn Eirrins war, war sein gerade geschnittenes Haar so schwarz wie die Schöpfe der Männer in den Fellbooten ringsum. Er trug weder Edelstein noch andere Zier.

»Woher sollten sie es kennen? Samaireheim kennt keiner in ihrem Land - und nirgendwo sonst, außer an dem Ort, wo sich Wulfher aufhält, wo immer das sein mag. Nein, sie sind Plünderer, wie ich einer war, und Crom und Manannàn allein wissen, was sie so weit in den Süden treibt - HA!«

Sein Ruf galt einem Pfeil von einem der kleinen Fellboote, die sein Schiff beinah umringten. Der Schuss war zu kurz.

»HA!«, rief der hochgewachsene Mann erneut. »Nur zu, Pikten - kommt nah genug heran, und ich blase eure Nussschalen auf den Grund des Meeres!«

Ein Wutschrei war die Antwort des Schützen. Humor war den gebräunten, gedrungenen Kriegern des Pikten- reiches fremd.

Auf dem irischen Schiff rief einer der Männer: »Gut gebrüllt, Cormac. Aber - was können wir tun? Das sind vierzehn solcher Nussschalen, wie du sie nennst, und wir in ihrer Mitte wie Behlfeuerläufer!«

Cormac sah um sich.

Zwei piktische Boote folgen direkt hinter seinem kleinen Schiff. Sechs begleiteten es an jeder Seite. Man hätte sie für eine Eskorte halten können, doch ein Pikte lebte nur mit einem Pikten in Frieden, mit niemandem sonst. Cormac wusste, dass einer seiner Vorfahren einst Freund und Kampfgefährte des letzten großen Piktenkönig Bran Mak Morn gewesen war. Das war nun nicht mehr von Bedeutung, weder für die dunkel gebräunten Männer in den Booten noch für den gegenwärtigen Träger des Namens Cormac MacArt von Connacht in Eirrin.

Die Häute der kleinen piktischen Boote waren mit Fett eingerieben, dass sie wie Glas in der Sonne funkelten. Zwei Männer saßen in jedem, bewaffnet mit Speeren und Messern - und Rudern. Einige hatten Bogen und Pfeile. Die Zweimannboote waren leicht und schnell. Gut eine Handbreite hatte die Sonne am Firmament zurückgelegt, seit die kleine Flottille Kurs auf das Schiff genommen hatte, doch die muskulösen Ruderer zeigten keine Anzeichen von Erschöpfung und hatten offenbar nicht die Absicht, ihre seltsame Jagd neben dem Schiff her abzubrechen.

»Ah, Wind«, sagte Cormac grimmig und flehentlich zugleich. »Nur ein wenig Wind, und wir lassen dieses affengleiche Geschmeiß aus dem Anfang der Zeit, das uns an den Kragen will, hinter uns zurück!«

Er starrte mit wildem Grimm auf den Ring der Fellboote, de curucis, oder curraghs: Coracles. Alle blieben außerhalb der Reichweite für einen erfolgversprechenden Speerwurf. Ein paar wenige versuchten es mit dem Bogen, der besser für die Jagd als für den Kampf taugte.

»Backbord!«, schnappte Cormac.

Der Steuermann reagierte sofort. Rasch gewann das Schiff Abstand von den Booten zur Rechten. Ebenso schnell wichen die Boote auch auf der Backbordseite aus.

Wütend über die Geschicklichkeit der piktischen Ruderer griff er nach Pfeil und Eibenholzbogen und schoss auf das vorderste Boot. Höhnisches Geheul antwortete ihm. Cormac MacArt war nur ein mittelmäßiger Bogenschütze.

»Was können wir tun?«

Cormac blickte auf den Krieger von schmächtiger Statur an seiner Seite. »Rudern«, erwiderte er heftig. »In Fahrt bleiben und auf Wind hoffen!« Sein Blick richtete sich auf den Druiden in der Mitte des Schiffes.

Den Mann in der laubgrünen Robe ließ der anklagende Blick unberührt. Als er sprach, starrte er ins Leere, so dass es schien, als redete er zu sich selbst.

»Behl und Crom verleihen die Macht auf dem Meer Manannàn MacLyr und der Morrigu der Wellen. Und Manannàn ist, wie alle Seefahrer wissen, taub vom Donnern der Brandung.«

Cormac blinzelte. »Ich habe viele Jahre auf See verbracht«, murmelte er. »Aber das habe ich noch nicht gehört.«

Der Krieger neben ihm lächelte, war jedoch klug genug, zu schweigen.

»CORMAC!«

Der warnende Ruf ließ den Gälen herumfahren. Sein Blick folgte dem heftig nach steuerbord zeigenden Finger. Dort steuerten alle sechs piktischen Boote das Schiff an. Jedermann mit mehr Gleichmut und weniger Erfahrung und Kampfbegeisterung wäre erstaunt über die Reaktion dieses Gälen unter Kelten gewesen: Cormac grinste.

»Lugh!«, schnappte er. »Ferdiad!«

Nickend zogen die beiden ihre Ruder ein, Ferdiad das erste steuerbord, Lugh das letzte. Cormac hatte sie mit Bedacht eingesetzt und sorgfältig unterwiesen. Diese beiden waren bessere Bogenschützen als ihre Gefährten auf dieser Seite des Schiffes, und sie wussten, was zu tun war. Beide griffen nach ihren Bogen und setzten den Helm auf. Beide trugen Harnische aus hartem Leder und langen Armschienen.

Lugh und Ferdiad bezogen rasch ihre Kampfstellungen im Schutz der Bordwand. Sie fassten das Ziel ins Auge, duckten sich, legten den Pfeil an die Sehne, spannten, richteten sich auf, schossen, duckten sich erneut. Die Schüsse mochten den Gegner zur Vorsicht mahnen, blieben aber sonst wirkungslos.

Cormacs Grinsen verlor sich nicht. Er hatte die beiden Jäger gut unterwiesen. Kaum hatten sie ihre Köpfe wieder in Deckung, zischten vier Pfeile über das Schiff hinweg, nah genug, dass einer der Backbordruderer hastig seinen Helm aufsetzte.

»HART BACKBORD!«, brüllte Cormac.

Dann sprang er einem Panther gleich an Ferdiads Ruder, stieß sie ins Wasser und zog mit einem mächtigen Ruck, so dass die Männer hinter ihm die erstaunliche Kraft ihres Anführers an ihren eigenen Rudern spürten. Der Steuermann hatte sofort reagiert, und Cormacs Anstrengung am Ruder verstärkte das Manöver. Ferdiad wurde zu Boden gerissen. Lugh richtete sich auf und schoss einen Pfeil ab, der wie die anderen davor kein lebendes Ziel traf.

Das Heck des Schiffes war umso wirkungsvoller. Es zerschmetterte ein Boot. Einer der fast nackten Krieger wurde in hohem Bogen in die Fluten geschleudert. Mehr Glück als Verstand ließ den zweiten Pikten instinktiv nach dem Steuerruder greifen statt nach Speer, Ruder oder Bogen, die die Wogen fortrissen.

Wie die meisten seiner Rasse war er gedrungen, muskulös, mit mächtigen breiten Schultern und langen Armen. Er klammerte sich mit aller Kraft an das Steuerruder.  Das Schiff schlingerte. Der Steuermann fluchte. Cormacs wortreiche Flüche waren zu hören, erst in zwei, dann in drei Sprachen.

»Der räudige Hund hängt am Ruder!«, brüllte der Steuermann.

»Schüttle ihn ab!« Cormac kämpfte mit seinem Ruder. »Hoch die Ruder und ausholen: Eins... zwei... Ferdiad! Nein!«

»Ich werde nachhelfen!« hatte der Jäger gemurmelt. Er richtete sich auf, um ans Heck zu eilen und den Halt des Pikten mit einem Pfeil zu lösen.

Noch während Cormacs Ruf wurde Ferdiads Kopf von einem Pfeil durchschlagen. Er fiel mit einem gurgelnden Laut auf den dritten Steuerbordruderer, der vor Überraschung und Entsetzen fluchte. Auch Cormac fluchte. Das Chaos war bereits greifbar, hing wie ein drohendes Gespenst über dem Schiff.

Stimmen brüllten sowohl auf dem irischen Schiff als auch zu beiden Seiten. Es schwankte wild, seine Ruder peitschten meterhoch über das Wasser.

Hätte ein Gott aus seiner himmlischen Höhe herabgeblickt, in seiner Erhabenheit der Unsterblichen hätte er das Geschehen möglicherweise amüsant gefunden.

Das irische Schiff glich einem gewaltigen Pferd, das sich unter dem Angriff einer Schar tollwütiger Raubkatzen aufbäumte. Erste Wunden waren bereits geschlagen - auf beiden Seiten. Die Angreifer auf der Backbordseite setzten gleich nach ihren Gefährten auf der anderen Seite zum Sprung an, doch ihr Opfer war plötzlich herumgeschnellt wie ein Hengst in Panik, um sie auseinanderzusprengen oder unter seine Hufe zu kriegen. Im nächsten Augenblick glich das Schiff einem Fohlen, das unter seinem ersten Reiter bockte, und die Ruder flogen über das Wasser wie mörderische Hufe, während ein Angreifer sich hartnäckig an den einen Huf klammerte, der das Steuerruder war.

Doch nun verlor das Schiff an Fahrt. Die Pikten zu beiden Seiten heulten triumphierend, nicht mehr wie Katzen, sondern wie Wölfe.

»Narrheit«, murmelte Cormac zu sich selbst. »Wären diese Männer erfahrene Veteranen, und wäre Samaire nicht an Bord, hätte ich längst befohlen, die Ruder einzuziehen, und mich zum Kampf gestellt!«

Nun blieb keine Wahl mehr, und er war nicht unglücklich darüber.

Er schwang sein Ruder ins Schiff und befahl den anderen, es ihm gleichzutun. Dann war der geharnischte Gäle auf den Füßen und rüstete sich mit Speer und Schild. Das Schwert an seiner Seite war eine ausgezeichnete Waffe, wenn der Gegner sich mit dem Speer nicht mehr auf Abstand halten ließ.

»Die tollwütigen Hunde wollen entern!«, brüllte er. »Sie werden es bereuen... EIR-R-R-R-RIN-N-N-N-NNNN!«

Es war der erstbeste anfeuernde Ruf, der ihm in den Sinn kam. Als Krieger und Plünderer der Meere, der Cormac den größten Teil seines Lebens gewesen war, wusste er, wie sehr ein Schlachtruf Männer und Kampf beeinflusste - jeder Schlachtruf. Er war ein weiteres Mittel, das Blut in Wallung zu bringen.

Und der Ruf erschallte sogleich aus den Kehlen rings um ihn, auch aus der des schmächtigen Kriegers in der metallbeschlagenen Kappe und den seltsamen hohen Stiefeln, der neben ihm stand - mit Namen Samaire. Samaire aus Leinster in Eirrin.

Enterseile flogen. Einige hatten Haken, andere nur Steine an den Enden, von denen einer einen Sohn Eirrins mit blutendem Arm niedersinken ließ. Cormac war an seiner Seite. Grimm verzerrte sein Gesicht. Ohne Speer oder Schild loszulassen, fasste er den scharfkantigen Stein, stemmte ihn mit dem bronzebeschlagenen Schild hoch und schleuderte ihn über Bord.

Aber zehn neue kamen auf jeder Seite über die Bordwand.

Ohne Unterlass griffen sie wie die Wölfe heulend an. Dies war ihr Schlachtruf, sowohl um die eigene Blutlust zu schüren, als auch, um den Feind vor Entsetzen zu lähmen. Die gedrungenen Gestalten standen in ihren schwankenden Fellbooten und zogen sich an den Enterseilen an das Schiff heran. Sie waren Krieger vom Anfang der Zeit, fleischgewordene Legenden - und sie wussten es.

Deagad MacDamain, der vor dieser Fahrt von seiner drallen Dairine Abschied genommen und geschworen hatte, bei der Rückkehr den Vater um ihre Hand zu bitten, ein junger Held, stach mit seinem Speer nach einem schwarzmähnigen Gegner ins Boot hinab. Der fast nackte Pikte stieß den Speer mit einer leichten Bewegung seines Schildes zur Seite, und der Stoß ging scharrend und mit einem schrillen Klirren ins Leere. Der Pikte schien auf wundersame Weise mit dem schwankenden Coracla verwachsen zu sein, denn noch während der abwehrenden Bewegung stieß er seinen eigenen Speer hoch, und die gezackte Steinspitze von der Länge einer Hand fuhr durch das Auge in den Schädel des jungen Deagad. Der Ire fiel mit einem ächzenden Laut. Der Pikte riss seinen Speer zurück, holte aus und warf ihn auf einen Mann, der sich fünfzehn Fuß entfernt über die Schiffsdeckung lehnte, um mit dem Speer einen anderen Angreifer abzuwehren.

Der Pikte starrte verblüfft auf den dunkelhaarigen Sohn Eirrins, der mit fast übermenschlichem Geschick den Speer nur eine Handbreit vor dem Ziel zur Seite schlug.

»Hier ist MEIN Speer, Pikte!«, brüllte Cormac und schleuderte ihn mit solcher Kraft, dass Spitze und Schaft die Brust des Pikten durchbohrten und am Rücken wieder heraustraten. Pikte und Boot kippten. Neben dem Boot färbte sich das schäumende Wasser rot.

Cormacs Männer waren keine erfahrenen Seeleute, und außer einem hatte keiner je einen Pikten zu Gesicht bekommen. Während sie heulten wie die gefürchteten Wölfe der Wälder, die sie liebten, kämpften die gedrungenen, affenähnlichen Männer, die die Römer Pictii - die Uralten, die Ureinwohner - nannten, wie wilde Stiere. Sie stürmten auf den Gegner ein, ohne einen Gedanken an Abwehr zu verschwenden. Mütter pflegten in Eirrin ihre Kinder mit Geschichten über die grauenvollen Pikten zu erschrecken, mit ihren langen, fettigen schwarzen Strähnen und waidblau bemalten Gesichtern. Es hieß auch, dass ein Pikte ein noch zäheres Leben besaß als eine Katze.

Kampftrunkene und blutrünstige Wildheit und die pure Wucht ihres Ansturms schwemmte eine ganze Schar an Bord. Die, die sie aufhalten hätten müssen, waren nicht nur vom Anblick ihrer Gegner, sondern auch von den aufwallenden Erinnerungen an die alten, schrecklichen Geschichten vor Entsetzen gelähmt.

Cormac indes sandte drei mit tödlichen Wunden in die See zurück. Ein heranstürmender Krieger des Piktenreiches lief mit dem Schädel direkt in Samaires Speer. Die Waffe entglitt ihren Fäusten und versank mit dem Toten. Ihre Hand fuhr an ihre Seite unter das lose Panzerhemd und riss die Klinge heraus. Pikten waren an Bord, und Söhne Eirrins waren gefallen.

Hand in Hand mit dem grimmen Gott des Krieges sanken auch die roten Schleier des Chaos, des ältesten aller Götter, auf das schaukelnde Schiff herab.

Stahl funkelte in der Sonne wie Behlfeuer.

Männer - und eine Frau - brüllten und heulten, und das Klirren von Metall auf Metall war weithin zu hören. Speere zuckten in tödlichen Stößen, Messer, Schwerter und zwei Äxte stachen und hieben. Männer taumelten und stolperten auf dem schwankenden Boden. Blut färbte alles um sie herum rot.

Die Klinge eines erschlagenen Iren schlug Funken am Helm eines anderen Sohn Eirrins. Die Blutlust wilder Bestien funkelte in dunklen Augen, während Klingen auf Schilde einhieben, über metallene Panzerhemden scharrten und in Fleisch drangen. Obgleich die kurzstielige Axt, die auf seinen Schild niederschmetterte, fast seinen Arm brach, erinnerte sich Ros MacDairb aus dem fernen Dun Dalgan in diesem Augenblick an den Rat ihres Anführers, zu stoßen, statt zu hauen. Er stieß seine Klinge vorwärts und spürte überrascht, wie sie einsank. Ebenso überraschend war das Weiten der dunklen Augen vor ihm und der tiefe, stockende Atem des Mannes. Ros aus Dun Dalgan vergaß auch nicht, seine Klinge zurückzureißen und seinem Gegner den Todesstoß zu geben, auch wenn dieser bereits überflüssig war.

Ein blutiger Piktenschädel schnellte durch die Luft. Der Mann, der seinen Gegner mit diesem mächtigen Streich enthauptet hatte, verzog die Lippen zu einem triumphierenden Grinsen. Denn neben ihm stand der einstige Verbannte von Eirrins Küsten, der einstige Plünderer vieler Küsten, der ungeschlagene Champion Eirrins, Cormac MacArt an Cliuin - und Cormac sagte: »Ein meisterhafter Hieb, Connla!« Und Connlas Augen leuchteten, und er führte Schwert und Schild mit wildem Mut, und er starb nicht in diesem Kampf, nicht eine Wunde schlugen sie ihm, als hielte ein Gott die Hand schützend über ihn.

Zweikämpfe waren selten in diesem klirrenden, von Heulen und Schreien erfüllten Handgemenge. Einer, der den Hieb eines Gegners parierte, während er nach einem zweiten stieß oder schlug, fand oft den Tod durch einen dritten, oder durch eine Waffe, die einen anderen verfehlte. Blut war überall - auf Helmen und Rüstzeug, Wämsern, Waffen und nackter Haut, und auf den Planken, wo die Füße oft vergeblich Halt suchten zwischen den Toten.

»Ah, ich liebe den Kampf«, rief Brian von Killevy mit wilder Begeisterung und schmetterte einen Pikten nieder.

Viele starben an diesem Tag, andere lagen mit tiefen Wunden in ihrem Blut, von denen es keine Heilung mehr gab, andere gingen unter den Streichen des einen verwundet zu Boden und empfingen den Tod durch die Hand eines anderen.

Manche, die wankten und fielen, hatten blaue oder graue Augen; andere so schwarz wie die Armreifen aus geschliffener Pechkohle, die sie trugen.

Samaire, die Prinzessin aus Leinster in Eirrin, fing einen Schwertstreich mit ihrem Helm ab, worauf sie halb betäubt war und graue Nebel vor ihren Augen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Andrew J. Offutt/Apex-Verlag/Successor of Andrew J. Offutt.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx. Die Illustrationen im Text stammen von Johann Peterka.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Peter Sladek.
Übersetzung: Lore Strassl(OT: The Undying Wizard). Mit freundlicher Genehmigung der Edition Bärenklau/Literatur-Agentur J. M. Munsonius.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 25.11.2018
ISBN: 978-3-7438-8750-3

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