STEVE ROBERTS
MAX HEADROOM -
20 Minuten jenseits der Zukunft
Roman
Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 16
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
MAX HEADROOM - 20 MINUTEN JENSEITS DER ZUKUNFT
Das Buch
Max Headroom.
Sein Markenzeichen: knallblaue Augen, safrangelbe Nassfrisur, gestylter Fiberglasanzug.
Sein Job: erster künstlicher Talkmaster der Welt.
Seine Arbeitsweise: cool, selbstironisch und unerbittlich.
Aber Max Headroom hat auch eine Vergangenheit: und die liegt zwanzig Minuten jenseits der Zukunft:
Das Fernsehen hat im Jahr 2005 endgültig die Macht übernommen, es gibt 4.000 Kanäle, und es tobt ein erbitterter Kampf um die Einschaltquoten. Der unbestechliche Fernsehreporter Edison Carter deckt die üblen Machenschaften seiner TV-Bosse auf – mit fatalen Folgen: Er wird in einen Unfall gehetzt, und das letzte, was er wahrnimmt, ist eine Schranke mit der Aufschrift: max. Headroom 2,3m – maximale Durchfahrtshöhe 2,3 Meter.
Max Headroom – 20 Minuten jenseits der Zukunft ist die Roman-Adaption des Pilotfilms zur Serie Max Headroom, die in den Jahren 1987 und 1988 das Fernsehen revolutionierte und rasch Kult-Status erreichte und die als erste vom Cyberpunk inspirierte TV-Serie gilt. Die Hauptrollen spielten Matt Frewer (als Edison Carter/Max Headroom), Amanda Pays (als Theora Jones), Chris Young (als Bryce Lynch) und Concetta Tomei (als Dominique).
MAX HEADROOM -
20 MINUTEN JENSEITS DER ZUKUNFT
Zwei Bilder beherrschten die morgendliche Stadtlandschaft. Das eine war ein kleiner, blitzender Helikopter, der wie ein silbernes Insekt an der dunklen Silhouette der Stadt vorbeischoss. Das andere war ein hoch aufragender Turm, auf dessen Spitze die riesige Neonzahl 23 pulsierte. Über beiden funkelten und glitzerten im ersten Licht die abertausend Satelliten, die den Morgenhimmel bedeckten.
In dem dahinrasenden Hubschrauber justierte Edison Carter, der preisgekrönte Reporter von Was-ich-wissen-will, der Nachrichtenshow des Senders 23, das Funkgerät seiner Videokamera. Es war der erste Auftrag seines Arbeitstags.
»Edison Carter an Sender 23.«
»Dreiundzwanzig an Edison Carter. Wir versuchen, die Verbindung zu stabilisieren. Wir haben periodisch auftretende Tonschwankungen«, knisterte es aus dem Empfänger, verzerrt von der starken morgendlichen Statik. Der Pilot ging im Sturzflug unter die Dächer der wuchtigen hohen Gebäude. »Dreiundzwanzig an Edison Carter. Wir können Sie jetzt klar und deutlich verstehen. Ihr Controller ist Gorrister.«
Im Innern des Turms, der Zentrale des Senders 23, in einem der vielen hundert Stockwerke saß Controller Gorrister. Heute war es sein Job, Edison Carter zu seinem Ziel zu führen. Mit Hilfe der Sky-Eye-Satelliten konnte er ihn an jeden Ort auf der Erde dirigieren. Er war Carters unsichtbare Augen und Ohren. Sein Führer und sein Beschützer.
»Hallo, Edison.« Gorrister überprüfte die Fernsehmonitoren vor sich, las die präzisen Ausdrucke ab, die ihm Sekunde für Sekunde Carters genauen Aufenthaltsort zeigten.
»Gut, Sie sind über dem Ziel. Gehen Sie tiefer, und ich werde Sie einweisen.«
Vielleicht lag es an dem Umstand, dass der heutige Auftrag so einfach wirkte, dass sich Gorrister so entspannt fühlte. Er zündete eine neue Zigarette an.
»Wie lange dauert es noch, bis wir auf Sendung sind?«, fragte Carter mit ungeduldig klingender Stimme.
»Dreißig Sekunden. Nur die Ruhe... wird schon schiefgehen.«
Gorrister sah, wie Murray, der Produzent, auf der anderen Seite des langen, von Controllern besetzten Raums das Programmlogo einblendete. Gorrister drückte Carters Übertragungsknopf.
Edison richtete die Kamera auf sich.
»Hier ist Edison Carter, live und direkt, und stellt die Fragen, die Sie beantwortet haben wollen. Was ich in diesem Moment wissen will, ist: Was hat sich in den letzten sechzig Minuten im Apartment 42 abgespielt? Was ist es, das wir nicht erfahren sollen?«
Carters Einstiegsatz war berühmt: Was ich wissen will war zum Standardsatz jeder Recherche geworden.
»Folgen Sie mir jetzt«, fuhr er über das Rütteln und Dröhnen des sinkenden Hubschraubers fort, »holen wir uns die Antworten.«
Es war ein dramatischer, bewusst überdreht gehaltener Auftakt. Es musste so sein, denn Tag für Tag und Nacht für Nacht kämpften die Sender um die Gunst der Zuschauer.
»He, Edison«, knisterte Gorristers Stimme, »Sie haben Konkurrenz bekommen. Da unten ist einiges los.«
Gorrister sah auf seine Bildschirme. Seine Hand bewegte sich über den überladenen Schreibtisch, um auf dem Schaltpult die Taste »Nahaufnahme« zu drücken. Das Satellitenbild rückte näher und näher, die Umrisse des Kontinents machten der Stadt Platz, den Straßen und schließlich dem Eingang eines einzigen Gebäudes.
Erneut erklang Edison Carters funkverzerrte Stimme. Eine Spur Ungeduld schwang mit.
»Ist es nicht an der Zeit für einen Kameracheck, Kontrolle?«
Gorrister grunzte und schaltete das Bild ein.
»Bild gut. Abstimmung in Ordnung. Ihre Verbindung steht und ist klar.«
Carter hielt seine Kamera nach unten gerichtet in der Hand. Das Bild war scharf. Sie schien über den Boden zu fliegen, ihr Objektiv erfasste den Abfall und den Unrat auf den Straßen, glitt dann und wann an eiligen, verdächtigen Gestalten vorbei, Carter befand sich in der riesigen Ruinenlandschaft, die die Stadt war. In dieser gefährlichen Welt war Gorrister mehr als ein fähiger Techniker, der die beschädigte, aber komplexe Maschinerie des großen Satellitennetzes bediente. Er war auf Carters Seite - vor ihm, hinter ihm und über ihm. Alles, was Carters Kamera sah, wurde zu Gorrister übertragen. Dies war die Rückversicherung für Carter und für seine Reporterkollegen. Und es gab keine wichtige Karte, kein Diagramm, das über die Computer und Datenspeicher des Senders nicht zugänglich war.
Gorrister drehte sich um, als er seinen Produzenten hinter sich spürte.
»Gorrister, haben wir neue Informationen über Carters Story?«
»Wir wissen nur, dass es eine Explosion gegeben hat und das Viertel für alle bis auf die Bewohner gesperrt ist.«
Murray nickte langsam und betrachtete die Bildschirme. »Zum Teufel, warum will Carter diese Story?«, fragte er. »Ein Volontär könnte das erledigen.«
Die gleiche Frage hatte sich Gorrister auch gestellt. Er mochte Carter nicht. Natürlich, er war tüchtig; der beste Reporter von allen Sendern.
Aber er war kalt, unzugänglich, zumindest für Gorrister. Andere Controller mochten ihn, aber für Gorristers Geschmack war er zu clever. Er zündete eine neue Zigarette an und lehnte sich zurück.
Hinter ihm summte der Raum vor Hektik, während ernste, gespannte Gesichter auf ihre Bildschirme starrten und ihre Reporter zu den Einsatzorten dirigierten.
»Ted, bei Ihnen wird's gleich brenzlig. Ich registriere rechts von Ihnen Truppenbewegungen. Ich schicke Ihnen einen Kopter.«
Der Controller zeigte die Position des Reporters mit einem Cursor an. Er gab einem Piloten in 8.000 Meilen Entfernung rasch Anweisungen. Hinter ihm beugte sich ein anderer Controller über sein Pult.
»Ihr Satellit wird in zwei-fünf Sekunden über dem Horizont sein«, meldete er, während ein anderer entsetzt die Arme hochriss und brüllte: »Annie, ich weiß, dass es ein wichtiges Interview ist, aber Sie können nicht einfach dieses Fenster einwerfen. Ich meine, heilige Scheiße, es ist der Vatikan.«
Gorrister drehte sich zur Seite und warf die Zigarette in seine Kaffeetasse. Er betrachtete seine Bildschirme und sprach dann in sein Mikrofon.
»Edison, ich lotse Sie über die Ostseite rein. Ich empfange Infrarot-Echos am Haupteingang. Ich schätze, es ist Polizei.«
»Okay, Kontrolle«, knisterte Edison Carters Stimme, »ich dringe wie angewiesen ein.«
Während Edison Carters Kamera Bilder vom Eingang und von der Betontreppe des Apartmentblocks 84B zeigte, blickte Gorrister auf den Monitor. Wie Carter hörte er das Lauter- und Leiserwerden der morgendlichen Fernsehshows, während die Türen vorbeiglitten...: »Mr. Beefies Bisonburger - schon bei der Herstellung mit allem Geschmack versehen... Hallo, Nyasaland, willkommen zum globalen Lied des Jahrhunderts...« Die Kamera glitt die Treppen des furchtbaren, trostlosen Ghettos hinauf. Ein riesiges, verzerrtes Gesicht füllte den Bildschirm aus, als eine Frau in die Kamera starrte, während sie sich bückte, um etwas vom Boden aufzuheben... »Der Premierminister von Asien, Kysoty, meldet volle Nahrungsbanken für das nächste Quartal... und von ZikZak, dem weltgrößten Konzern, kommt ganz neu Musquash, ein kombiniertes Insektenvertilgungsmittel und Deodorant...«
»Gorrister, haben wir neue Informationen?«
»Nicht direkt«, antwortete Gorrister. »Offenbar ist die Frau ins Krankenhaus eingeliefert worden. Murray versucht, ein Live-Interview zu bekommen. Wenden Sie sich am Ende der Treppe nach rechts, dann nach links, und das Apartment befindet sich... etwa... sieben Meter weiter auf der rechten Seite.«
»Okay, Kontrolle.«
Edison Carter war nervös. Das Geplänkel, das normalerweise zwischen Controller und Reporter stattfand, verlieh der elektronischen Nabelschnur, die einen Reporter mit seinem Sender verband, ein bisschen Wärme. Bei Gorrister war es anders.
Edison erinnerte sich an eine wenig schmeichelhafte Bemerkung und grinste. Es war so ein Grinsen, das von allein auf einem ernsten, intelligenten Gesicht auftaucht. Aber seine Gedanken waren seinem Körper einen kurzen Schritt voraus und hatten das Grinsen verschwinden lassen, bevor es sich über sein ganzes Gesicht ausbreiten konnte. Sein Instinkt hatte etwas bemerkt. Zum Teufel, wo war Gorrister? Was befand sich hinter der Ecke?
Hätte Gorrister nicht eine Zigarette geschnorrt, hätte er auf seinen Bildschirmen die drei Infrarot-Echos hinter der Ecke bemerkt. Er hätte außerdem durch Edisons Kamera den Wachtposten an der Tür und die beiden Reporter gesehen, die, die Kameras an der Schulter, Edison hilflos anlächelten.
»Der Kerl sagt, Zutritt für uns verboten«, äffte der eine nach.
»Hi, Patrick«, sagte Edison.
»Typisch, zum erstenmal sind wir bei einer Story schneller als du, und dann pfeift uns die Kontrolle zurück«, seufzte Patrick. Die beiden Männer entfernten sich hastig und sprachen dabei mit ihren Controllern, so dass ihre Stimmen durch den Korridor hallten.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Steve Roberts/Apex-Verlag. Published by arrangement with Chrysalis Visual Programmings Ltd.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Zasu Menil.
Übersetzung: Thomas Ziegler (OT: Max Headroom - 20 Minutes Into The Future).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2018
ISBN: 978-3-7438-8053-5
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