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Leseprobe

 

 

 

 

ROBERT QUINT

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 12:

Der Triumph des Lordoberst

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER TRIUMPH DES LORDOBERST von Robert Quint 

 

Zeitlicher Überblick über den Terranauten-Kosmos 

Das Terranauten-Glossar 

 

Das Buch

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

Nachdem das angedrohte Ultimatum verstrichen ist, läßt Valdec Zoe von seiner im Orbit stationierten Flotte mit Lasern und Nuklearraketen angreifen. Der aus Hunderten von Treibern gebildeten Superloge in den Höhlen von B´ai Ching gelingt es jedoch, mit dem aus psionischen Kräften aufgebauten Schutzschirm dem Bombardement aus dem Orbit standzuhalten. Valdec stoppt den Angriff daraufhin vorübergehend und zieht die Flotte zunächst in den Raum zurück...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DER TRIUMPH DES LORDOBERST von Robert Quint

 

 

 

Der große Platz vor der Halle des Rates ähnelte einem Hexenkessel. Unzählige Menschen drängten sich um die riesige, rote Kuppel, riefen nach Asen-Ger, ballten die Fäuste gegen den Himmel, gegen die Flotte der Garden, die unsichtbar Zoe umkreiste.

Ab und zu fegte ein glühender Punkt über das Firmament, zerplatzte über dem Wüstengebiet und ging als langsam ersterbender Funkenregen nieder. Trümmerstücke der von den Grauen zerstörten Treiberschiffe, die den Orbit verlassen hatten und von dem planetaren Gravitationsfeld angezogen wurden.

David terGorden wandte sich von dem Fenster ab und überblickte den riesigen Saal, der mit seinen ansteigenden Sitzreihen an ein Amphitheater erinnerte. Die Summacums und Logenmeister im Innern des Saales debattierten erregt, sannen in hilflosem Zorn auf einen Ausweg, aber terGorden wusste, dass es für sie keinen Ausweg gab.

Die Blockadeflotte der Garden konnte ganz Zoe mit ihren Laserkanonen und Atomraketen bestreichen.

»Wir sollten sie mit unseren psionischen Kräften angreifen«, flüsterte Narda, die dicht an seiner Seite stand. »Auf Zoe gibt es genug Treiber, um eine Superloge zu bilden.«

David zuckte die Schultern »Das Konzil besitzt mehr Schiffe als die Handvoll im Orbit«, erwiderte er resigniert. »Ehe wir die gesamte Flotte der Garden zerstört haben, ist Zoe ein Schlackenhaufen. Nein, ein Angriff mit Psi ist nur die letzte Möglichkeit.«

Die kleine Treiberin lachte hellauf. Spott blitzte in ihrem Gesicht. »Und was ist die erste Möglichkeit?«

Der Treiber gestand sich ein, dass er es nicht wusste. »Vielleicht weiß Asen-Ger einen Rat«, murmelte er ohne Überzeugung.

Der Logenmeister hob sich durch sein weißblondes Haar deutlich von den Summacums ab. Er stand in der Mitte des Saales mit einer Gruppe Männer und Frauen zusammen und redete hastig auf sie ein. Neben ihm konnte David Jose Javage erkennen. Er runzelte die Stirn. Wo steckt Ashmit? Seit dem Aufbruch von ihrem geheimen Treffen hatte er den Summacum nicht mehr gesehen. Warum befand sich Ashmit in dieser prekären Situation nicht in der Ratshalle?

David schüttelte unwillig den Kopf, überrascht von seinem plötzlichen Argwohn gegen den kleinen Mann. Die Rufe der aufgebrachten und furchterfüllten Menschen draußen auf dem Platz wurden lauter. Es waren größtenteils Treiber, die nur durch Zufall den Verfolgungen durch die Garden und vom Konzil abhängige Kolonieregierungen entkommen waren. Sie wussten, was das Auftauchen der Kampfflotte für sie bedeuten konnte – Verschleppung und Tod.

Der Treiber zuckte plötzlich zusammen, als ein glühender Pfeil in sein Bewusstsein stach. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass Narda ebenfalls den telepathischen Ruf empfing.

David! Rollo spricht! flüsterte die lautlose Stimme drängend in seinen Gedanken. Es ist etwas Furchtbares passiert! Jemand hat auf dem Raumhafen einen Mann erschossen, ein Zubringerboot gestohlen und ist damit gestartet! Die Besatzung des Towers behauptet, dass das Boot von dem Flaggschiff der Blockadeflotte eingeschleust wurde!  

Ein Stöhnen entrang sich Davids Mund. Wer? stieß er seine telepathische Frage hervor.

Rollo zögerte einen Moment.

Wer? wiederholte der Treiber.

Gram Ashmit!

Ein Gefühl der Kälte breitete sich in David aus. In Sekundenschnelle wurden ihm die Konsequenzen bewusst. Wenn Ashmit tatsächlich Agent des Konzils war – und sein Verhalten ließ keine andere Deutung zu dann war Cosmoral Jaschini bereits darüber informiert, dass er noch lebte und dass er sich im Besitz von Yggdrasils Samen befand.

Narda zerrte an seinem Arm. Furcht lag in den Augen des Psi-Mädchens, Furcht um Davids Leben. »Du musst verschwinden!« stieß Narda hervor. »Die Grauen werden dich jagen, und wenn sie dich bekommen, dann...«

Benommen presste David eine Hand an die Stirn. Rollo! dachte er konzentriert. Du musst Asen-Ger über Ashmits Verrat informieren! Die Grauen werden jetzt nicht mehr zögern, Zoe zu besetzen. Asen-Ger muss etwas dagegen unternehmen, verstehst du mich?  

Rollo antwortete sofort. Natürlich! Wird erledigt, David. Aber was ist mit dir?  

»Die Barriere!« sagte Narda plötzlich. »Das Zwielichtland hinter der Barriere. Dort gibt es genug Verstecke. David, das ist deine einzige Chance! Vielleicht können wir die Grauen nicht abwehren. Du darfst ihnen nicht in die Hände fallen! Yggdrasils Samen... Du bist der einzige, der den Weg nach Rorqual finden kann.«

Wortlos ergriff David Nardas Hand, zerrte sie durch die Menge und steuerte auf den Ausgang zu.

Also im Zwielichtland... flüsterten Rollos Gedanken in seinem Bewusstsein, und verstummten dann.

Kurz bevor sie den Ausgang erreicht hatten, ließ ein scharfes, lautes Räuspern David verharren. Er fuhr herum. Asen-Ger hatte sich vor den Mikrofonen des Rednerpultes aufgebaut und die Arme erhoben.

»Summacums!« dröhnte seine verstärkte Stimme aus den Lautsprechern und erfüllte den riesigen Saal. »Summacums, Logenmeister und Treiber von Zoe! Ich erhielt soeben die Nachricht vom Raumhafen-Tower. Die Flotte der Garden hat eine unbekannte Anzahl Landungsboote ausgeschleust, die Kurs auf Zoe nehmen. Mit einer Invasion ist jede Minute zu rechnen! Bevor ich die Verteidigungsvorbereitungen einleite, rufe ich David terGorden. David terGorden, wir brauchen deine Hilfe. Es gibt nur einen Weg, Valdec und die Garden jetzt noch zu stoppen. Du kennst ihn. David, ich bitte...«

Brüsk wandte sich der Treiber ab, und schnell waren er und das Psi-Mädchen in der Menge verschwunden.

 

*

 

Selbst durch die dicke Panzerung des Landungsbootes war das Tosen der verdrängten Luftmassen zu hören. Steil fiel die Arda IV in die Tiefe, stürzte mit dröhnenden Triebwerken der Oberfläche Zoes entgegen.

Crieger alias Ashmit musterte durch die Sichtscheibe seines Helmes Evita Jaschini, die gelassen vor dem Funkgerät saß und die Invasion Porto Novos leitete. Die erste Legion hatte die Stadt nahe der künstlichen, planetenumspannenden Mauer bereits erreicht und drang rasch zu der roten Kuppel der Ratshalle vor.

»Kein Widerstand«, meldete Queen Bell Tyer die die Legion der Pulsar in den Kampf führte. »Allerdings befinden sich auf den Zufahrtsstraßen Barrikaden, Gleiter, Bodenfahrzeuge, Einrichtungsgegenstände aus den umliegenden Gebäuden...«

»Zerstören«, befahl Jaschini trocken.

Der Schatten entspannte sich, behielt den Panoramamonitor im Auge. Die enorme Vergrößerung ließ die Konturen der Protopbauten ein wenig verzerrt erscheinen, und die Menschenmassen in den Straßen, die vor den heranrückenden Grauen flüchteten, wirkten wie der amorphe, endlose Leib eines Riesenwurmes.

»Zweite Legion«, knarrte die Stimme einer anderen Queen aus den Lautsprechern und übertönte das allmählich abflauende Heulen der erhitzten Atmosphäre. »Distanz zum Zielpunkt zehn Minuten. Wir gehen wie befohlen vor.«

»Sämtliche Summacums in der Ratshalle sind zu verhaften«, ordnete Cosmoral Jaschini an. »Ich...«

»Cosmoral!« Der Gardist an den Ortungskontrollen wirbelte plötzlich herum. »Ein Gleiter! Er bewegt sich rasch auf die Barriere zwischen Tag- und Nachtseite zu...«

Der Schatten fühlte Erregung in sich hochsteigen. Vielleicht...

»Queen Bell Tyer«, zischte Jaschini in das Mikrofon des Funkgerätes. »Übernehmen Sie das Kommando! Ich folge mit der Arda IV einem flüchtenden Gleiter. Kurs Nachtseite von Zoe. Sobald Valdec eintrifft oder Asen-Ger verhaftet ist, informieren Sie mich!«

»Verstanden, Cosmoral«, erwiderte die Queen, die sich mit ihrer Legion irgendwo dort unten in den Straßen der Stadt aufhielt. »Ich höre und gehorche.«

Der Cosmoral wandte sich an den Piloten. »Verfolgung aufnehmen! Schnell!«

Ein Ruck ging durch die Arda IV als die Korrekturdüsen den Kurs unvermittelt veränderten. Hart wurde das Landungsboot aus der Bahn gerissen, schlingerte einige kurze, gefährliche Momente, doch dann stabilisierte sich der Flug und mit wachsender Geschwindigkeit huschte die Arda IV auf die himmelshohe Gebirgskette zu. Drohend und schwarz ragten die Felsen empor. Auf den vereisten Bergspitzen spiegelte sich Spilters rotes Licht.

Crieger beugte sich schweratmend nach vorn, als der Gleiter die Barriere erreichte, an Höhe gewann und schnell den Kamm der Barriere überwand. »Sehen Sie...«, stieß der falsche Ashmit verblüfft hervor. Ein schwarzer, winzig wirkender Punkt löste sich von dem Gleiter. Ein Feuerstrahl gleißte auf – vermutlich das Triebwerk einer Flugscheibe. Kurz war der flammende Schweif noch zu erkennen und versank dann hinter den Spitzen der künstlichen Berge. Der Gleiter beschrieb eine enge Kurve und jagte dann in östlicher Richtung davon.

Evita Jaschini erteilte sofort einem anderen Gleiter der Invasionsstreitmacht den Befehl, die Verfolgung des Gleiters aufzunehmen. »Gardist«, sagte sie mit gepresst klingender Stimme zu dem Grauen vor dem Steuerpult. »Über die Barriere! Beeilen Sie sich. Er darf nicht entkommen!«

Der Gardist reagierte mit der Schnelligkeit eines Automaten.

Mit einem Satz sprang die Arda IV dem rötlich glosenden Himmel entgegen und überwand die Mauer aus Stein.

Crieger musterte beeindruckt das Millionen Jahre alte Bauwerk, dessen Größe jenseits der menschlichen Vorstellungskraft lag und dessen Zweck unbekannt war. Auch Jaschini schien von den Ausmaßen der Barriere beeindruckt, denn sie war klug genug, um zu wissen, dass selbst die fortgeschrittene Technologie des Konzils nicht in der Lage war, etwas ähnlich Dauerhaftes und Gigantisches zu errichten.

Unter ihnen gähnten tiefe Schluchten. Spitze Klippen reckten sich ihnen drohend entgegen. Jetzt konnte man deutlich die Umrisse der gewaltigen Quader erkennen, aus denen die Barriere bestand.

»Das Baumaterial«, bemerkte der Schatten leise, »stammt nicht von Zoe. Die Summacums haben es analysiert. Der Fels besitzt chemische Verunreinigungen, die es auf diesem Planeten nicht gibt.«

Evita Jaschini zuckte die Schultern. »Die Wesen, die die Barriere errichtet haben, sind tot«, erwiderte sie gelassen. »Sie bilden keine Gefahr mehr. Kümmern wir uns also nicht um sie oder um ihre Hinterlassenschaften.«

»Vielleicht sollten wir uns doch damit beschäftigen«, wandte der Schatten ein. »Wir haben zu viele Trümmer, Ruinen und erhaltene Artefakten in der Galaxis gefunden, um sie einfach zu ignorieren. Vielleicht ist es von Vorteil für das Konzil, wenn wir wissen, was für den Untergang der Nichtmenschen verantwortlich war. Auf der Höhe ihrer Macht...»

In diesem Augenblick ließ die Arda IV die Barriere hinter sich. Spilter versank hinter den Bergspitzen, und nur noch ein schmaler Streifen der Riesensonne lugte herüber in die Zwielichtzone, die fern am Horizont allmählich in die ewige Finsternis der Nachtseite überging.

»Ortung, Cosmoral«, gellte eine Stimme auf. »Die Flugscheibe... Dort unten!«

Auf dem Panoramaschirm flimmerte es, dann stabilisierte sich das Bild wieder. Deutlich war das silberne Rund der Flugscheibe zu erkennen, die schief in der Geröllwüste am Fuß der Berge lag. Von terGorden – falls er der Flüchtling war – fehlte jede Spur.

Evita Jaschini straffte sich und glitt aus ihrem Sessel. Das dünne, aber widerstandsfähige Material ihres Kampfanzuges zeichnete die Konturen ihres Körpers nach, und der falsche Ashmit wandte hastig den Blick ab. Er fühlte, dass er diese Frau begehrte.

»Landen Sie«, befahl die Graue. »Die Flüchtigen müssen sich irgendwo dort unten verstecken. Wir folgen ihnen zu Fuß. So haben wir eine bessere Chance, ihn zu finden.«

Unwillkürlich tastete der falsche Ashmit nach der schweren Laserpistole an seiner Hüfte. Und plötzlich fragte er sich, ob es ihnen tatsächlich gelingen würde, den Erben der Macht zu überwältigen, falls es sich wirklich um ihn handelte. David terGorden hatte auf ihn nicht den Eindruck eines Mannes gemacht, der sich kampflos seinem Schicksal ergab. Der Treiber schien mehr Leben zu besitzen als die sprichwörtliche Katze.

Und dann verstummten die Triebwerke. Die Arda IV war gelandet.

 

*

 

Spilter warf fahles Licht über die Ebene des Zwielichtlandes.

David terGorden duckte sich hinter einen mehr als mannshohen Felsbrocken und blinzelte zurück zu dem riesigen roten Steinwall. Irgendwo hinter den aufgetürmten Felsen floh Narda mit dem Gleiter vor den Nachstellungen der Garden. Dann verdrängte er die Gedanken an Narda, an Asen-Ger und die anderen Summacums und Treiber, die in diesem Augenblick von den Landetruppen der Grauen Garden angegriffen wurden.

Er konzentrierte sich und wandte seine Aufmerksamkeit dem stählernen Diskus zu, der dicht neben seiner verlassenen Flugscheibe das Braun und Rot der Felsbrocken mit einem Tupfer Silber verzierte. Graue zwängten sich aus der Ausstiegsluke. Er zählte mit und kam auf zwanzig Gardisten.

Der Erbe der Macht presste die Lippen zusammen.

Zu viele für einen einzigen Mann. Die Grauen führten schwere Lasergewehre mit sich, und vermutlich verfügten sie auch über Infrarotdetektoren und andere technische Hilfsmittel, die ihn binnen Minuten aufspüren konnten.

Er durfte hier nicht bleiben!

Nachdenklich wanderten seine Blicke über die Ebene des Zwielichtlandes. Dieser Teil der Nahtstelle zwischen Tag und Nachtseite erhielt nur zwei, drei Stunden fahles Licht von Spilter, dann versank die Sonne wieder hinter den Bergen, um erst nach langer Zeit wieder zu erscheinen. Zoes Umlaufbahn um Spilter ›schlingerte‹ ein wenig. Erst diese Unregelmäßigkeit sorgte dafür dass die rote Riesensonne in kurzen Abständen für wenige Stunden das Zwielichtland hinter der Barriere und sogar Teile der vereisten Nachtseite erwärmte. Heftige Stürme waren die Folge, die sich an der weltumspannenden Bergkette brachen. Und in der Dunkelperiode konnte es so kalt werden, dass selbst im Zwielichtland Teile der Atmosphäre als Schnee zu Boden fielen.  

In der Ferne machten terGordens Augen ein feines Muster dunkler Punkte aus, die sich dem Horizont zu vermehrten und der Ebene das Aussehen eines gewaltigen Siebes verliehen. Von Narda hatte David erfahren, dass es in diesem Teil des Zwielichtlandes tierisches Leben gab. Vorherrschende Spezies war ein an irdische Termiten erinnerndes Insektenvolk, das für die Löcher im Boden verantwortlich sein sollte. Allerdings war nur wenig über diese Tiere bekannt; Was man von ihnen wusste, stammte aus der Zeit der ersten Kolonisierung Zoes, als die Siedler hier im Zwielichtland nach seltenen Kristallen geschürft hatten. Die Insektoiden galten als halbintelligente, dem Aussterben nahe Rasse, mit der keine Kommunikation möglich war.

Einen Moment verharrte der Treiber noch, aber plötzlich schwärmten die Grauen aus und begannen mit ihrer Suche. Drei der Gardisten näherten sich schnell seinem Standort.

David kroch vorsichtig zurück und erhob sich erst, als ihn ein Felsbrocken vor den Blicken der Verfolger schützte. Vor ihm erstreckte sich die Trümmerwüste, die schließlich in die Ebene überging. Hier und da blitzte es rot am Boden auf; offenliegende Kristalladern, für die man auf der Erde einst ein Vermögen bezahlt hatte. Aber nach der Übernahme Zoes durch die Logenmeister und der Entdeckung gleichwertiger Mineralien auf anderen Welten waren die Schürfarbeiten eingestellt worden.

David rannte mit großen Sätzen zwischen den manchmal häusergroßen Felsbrocken entlang, fort von den Grauen, der Ebene mit ihren geheimnisvollen Mustern entgegen.

Der kleine Laser in seiner Hand erschien ihm mit einem mal nutzlos. In Wirklichkeit hatte er keine Chance. Sobald er das freie Land erreichte, würden ihn die Grauen entdecken.

Aber er lief weiter, von der Gewissheit erfüllt, dass ihm keine andere Wahl blieb, wollte er dem sicheren Tod entgehen. Vielleicht konnten ihn auch diesmal seine Psi-Fähigkeiten retten. Er suchte ein sicheres Versteck, wo er sich ungestört konzentrieren konnte.

Er umrundete eine tiefe, zerklüftete Bodensenke, bog um eine verwitterte Felsnadel – und dann erstarrte er, glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Und doch wusste er, dass die Szene vor ihm Wirklichkeit war...  

 

*

 

Die Fugger überwand die Barriere zwischen Weltraum II und dem Normaluniversum und schoss mit halber Lichtgeschwindigkeit auf Zoe zu. Rot spiegelte sich Spilters Glanz auf der Hülle des riesigen Ringos wieder.

»Eine Verbindung mit Cosmoral Jaschini«, verlangte Max von Valdec laut.

Der Lordoberst saß entspannt und mit zufriedenem Gesicht in der Zentrale der Fugger und beobachtete die Bildschirme. Erleichtert erkannte er, dass Jaschinis Flotte Zoe umkreiste. Keines der Schiffe schien zerstört worden zu sein.

»Ich denke«, sagte Valdec leise zu Queen Mandorla neben ihm, »Jaschini hat ihren Fehler ausgeglichen. Die Blockade funktioniert...«

»Lordoberst!« Queen Fay Gray, die die Fugger befehligte, gestikulierte heftig. »Kein Kontakt mit dem Cosmoral. Von Zoe meldet sich Queen Bell Tyer. Sie...«

»Legen Sie das Gespräch zu mir.« Valdec wirkte irritiert.

Kurz darauf erschien auf einem der Monitore das dunkle, scharfgeschnittene Gesicht Bell Tyers. »Also?« fragte Valdec kühl.

»Lordoberst, auf Befehl Cosmorals Jaschinis sind drei Legionen auf Zoe gelandet Porto Novo ist in unserer Hand. Wir haben rund zweihundert Summacums bereits verhaftet. Weitere...«

»Sind Sie verrückt geworden?« brüllte Valdec. »Ich hatte ausdrücklichen Befehl gegeben, vor meiner Ankunft nichts zu unternehmen! Wie kommen Sie dazu, eigenmächtig zu handeln? Und wo steckt der Cosmoral? Antworten Sie, Queen!«

Bell Tyer schluckte. Sie trat einen Schritt zurück und hinter ihr konnte Valdec die Konturen eines roten, kuppelförmigen Gebäudes erkennen – die Halle des Rates.

»Ich führte nur die Befehle des Cosmorals aus«, verteidigte sich die Queen. »Ihr wurde durch einen Schatten eine Information übermittelt, die sie zu einem sofortigen Eingreifen zwang. Cosmoral Jaschini verfolgt derzeit einen flüchtigen Treiber, der...«

»Einen Treiber?« unterbrach Valdec erneut. »Sein Name?«

Bell Tyer neigte den Kopf. »Das ist mir nicht bekannt, Lordoberst. Ich hatte Befehl, Porto Novo zu besetzen und die Mitglieder des Rates zu verhaften. Allerdings sind fast die Hälfte der Logenmeister – unter ihnen Asen-Ger – verschwunden. Die Suche nach ihnen hat bereits begonnen.«

Valdec schüttelte in hilflosem Zorn den Kopf. »Ich scheine nur von Narren umgeben zu sein!« zischte er. »Von Narren und Versagern!«

Queen Bell Tyer schwieg.

»Gut, Queen«, sagte Valdec schließlich. »Ich werde versuchen, Ihr Versagen wieder wettzumachen. Erwarten Sie mich in zwei Stunden in Porto Novo. Ist der Widerstand bereits zusammengebrochen?«

»Es... Es hat keinen nennenswerten Widerstand gegeben«, stieß die Queen hervor. »Allerdings scheinen die Berichte über die Zahl der Treiber auf Zoe falsch zu sein. Wir haben bisher knapp dreitausend gezählt und notdürftig inhaftiert. Ich...«

»Genug!« fauchte Valdec ungeduldig. »Ich bin offenbar gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Intensivieren Sie die Suche nach den verschwundenen Logenmeistern. Es kann gefährlich für uns werden, wenn wir sie nicht finden. Irgendetwas geht auf Zoe vor...«

Abrupt beendete der Lordoberst die Verbindung.

»Fay Gray!«

»Lordoberst?«

»Ich benötige eine Legion. Sie soll die Landungsboote fertig machen. Sobald wir Zoe erreicht haben, verlassen wir die Fugger. Sie bleiben im Orbit. Und halten Sie die Laserkanonen feuerbereit...«

»Natürlich, Lordoberst!« Die Queen wandte sich ab, um Valdecs Befehle auszuführen.

Mandorla schloss mit konzentrierten Bewegungen ihren Raumanzug.

Valdec rieb sich die Augen. »Sie begleiten mich, Mandorla«, murmelte er. »Während ich mich um den Transmitter kümmere, lösen Sie Queen Bell Tyer ab. Sehen Sie sich in Porto Novo um. Es gefällt mir nicht, dass sich die Treiber und Summacums so friedlich verhalten.«

»Und was ist mit der Jaschini?« Mandorla erwiderte ruhig Valdecs Blick.

»Um den Cosmoral brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen«, knurrte der Lordoberst unwirsch. »Sobald der Transmitter auf Zoe installiert ist, werde ich ihr folgen.«

Queen Mandorla deutete eine leichte Verbeugung an. Niemand sah das eigentümliche Glitzern ihrer Augen. »Ich höre und gehorche, Lordoberst.«

 

*

 

Je näher Cruben der Erhörte der Barriere kam, desto kleiner wurde Lichtauges runder Leib, bis er nur noch ein schmaler Strich über den Gipfeln darstelle.

Trotz der Wärme, die sich inzwischen über das Platte Land gelegt hatte, fröstelte Cruben. Verstohlen blickte er zur Seite, musterte die Drohne, die ohne Zeichen der Erschöpfung vorwärts stapfte und zielbewusst auf das Gewirr der verwitterten Felsen zusteuerte. An einigen Stellen blitzte es rot auf.

Lichtauges Späne! Die Berge hatten sie aus Lichtauges Leib gehobelt und in die Trümmerwüste geworfen, die am Fuß der Barriere das Weiterkommen erschwerte.

Cruben würde sein Versprechen halten können! Das hieß, wenn die Steinernen...

Düster packte er den schweren Sack fester, der gegen seinen Rücken drückte und ihn nur gebeugt gehen ließ. Bisher hatten sie Glück gehabt, waren keinem der gefährlichen Räuber begegnet die hier zwischen den Felsen lauerten. Aber die Steinernen waren keine einfachen Raubtiere, sie konnte man nicht mit der Schleuder besiegen...

»Wo bleibst du?« rief ihm die Drohne über die Schulter zu. »Die Zeit drängt. Wir müssen bei Lichtauges Nachtruhe zurück sein!«

Cruben murmelte etwas Unverständliches und wickelte seine Fühler vorsichtshalber zusammen. Die lange, anstrengende Wanderung hatte ihn mürrisch gemacht, und er wollte die Drohne nicht durch eine unbeherrschte Bemerkung beleidigen.

Er schritt schneller aus und erreichte die Drohne, als sie gerade in den Spalt zwischen zwei riesigen, krummen Felsnadeln glitt.

Der Erhörte blieb plötzlich stehen und horchte nervös. Vielleicht irrte er sich, aber dieses Schaben, das er gehört hatte...

»Cruben!« rief die Drohne, wich mit einem mal zurück, hob abwehrend die Armpaare. Die Angst, die unvermittelt von O'olkoy ausging, lähmte den Erhörten. Zitternd bedeckte er die Fühler mit seinen Klauen, wandte mühsam den Kopf, folgte dem Blick der Drohne.

Nicht weit von ihnen entfernt, knappe zehn Schritte nur, reckte sich auf einem würfelförmigen Felsbrocken die schlanke, geschmeidige Gestalt eines Meruniers empor. Völlig schwarz war der dreigeteilte, an Hüfte, Brust und Hals zusammengeschnürte Körper. Die beiden Armpaare liefen in scharfen, kräftigen Klauen aus, die ohne Mühe die Chitinpanzerung eines Meruns zerschneiden konnte. Die Beißzacken des kugelrunden Schädels mahlten in unruhiger Gier, und kalt und starr waren die grünen Facettenaugen des Raubinsektes auf sie gerichtet.

Cruben taumelte unter dem Schock, den ihm der Anblick des mörderischen Verwandten versetzt hatte. Er ließ den Beutel mit seinen Werkzeugen fallen, nahm die Schleuder in die Hand und suchte vorsichtig in der Tasche an seiner Seite nach einem Stein.

Der Merunier bemerkte die Bewegung und zuckte nach vorn wie ein schwarzer Dämon des Todes.

»Bleib ruhig«,. raunte Cruben der Drohne zu. Langsam, lautlos hob er die Schleuder.

Die Beißzacken des Raubinsektes klafften auseinander und der Chitinkörper spannte sich.

Gleich! durchzuckte es den Erhörten voller Verzweiflung. Gleich wird er springen!

Und er wusste, er würde es nicht schaffen: Trotzdem riss er blitzschnell die Schleuder nach oben, spannte die Sehne – doch da schnellte sich der Merunier von dem Felsklotz ab und segelte mit mörderischer Eleganz auf die Drohne zu.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Robert Quint/Apex-Verlag. Published by arrangement with Thomas R. P. Mielke and Rolf W. Liersch.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx. DIE TERRANAUTEN-Logo by Arndt Drechsler.
Lektorat: Zasu Menil.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2018
ISBN: 978-3-7438-7745-0

Alle Rechte vorbehalten

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