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Leseprobe

 

 

 

 

CARL PRIEST

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 8:

Stadt des Wahnsinns

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

STADT DES WAHNSINNS von Carl Priest 

 

Das Buch

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

David und seine Freunde können von Grönland, das immer noch unter dem Beschuss der Grauen Garden liegt, entkommen und versuchen sich nach Südamerika abzusetzen. Ihre Flucht scheitert allerdings und führt sie nach einigen Umwegen durch die Wildnis Kanadas nach Berlin. Dort führt Valdec gerade seine ersten Experimente mit dem neuen Kaiserkraftgenerator durch und ahnt nicht, das die freigesetzten fremdartigen Energien in weitem Umkreis um die Stadt viele Menschen dem Wahnsinn nahe bringen.

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  STADT DES WAHNSINNS von Carl Priest

 

 

 

Llewellyn stand am Eingang zu Merlins Höhle und blickte zu Yggdrasils Insel hinüber. Auf dem kleinen Stückchen wurzelüberwucherten Boden traten sich die Treiber in ihrem Eifer beinahe gegenseitig auf die Füße.

Auch am anderen Ufer des Sees schwärmten Treiber unter der Führung von Kaiser-Biologen herum und beschnitten die Wurzeln des uralten Baumes, die sich in ganz Ödrödir ausgebreitet hatten.

Für einen kurzen Augenblick tauchte Shakrams schwarzbehaarter Kopf auf. Der Noman klebte an den Fersen Shawns wie ein Schatten.

Halbwegs beruhigt wandte Llewellyn sich ab. In Nachdenken versunken schritt er durch den Gang, der zu Merlins Höhle führte, die nach dem Verschwinden Lithes und dem Tod des alten Mannes düster und verlassen vor ihm lag.

Die goldenen Riemen am Körper Llewellyns prickelten unbehaglich, doch achtete er nicht darauf. Er brütete darüber nach, ob seine Entscheidung, beim Konzil in Berlin Hilfe anzufordern, richtig gewesen war oder nicht. Hatte es eine andere Möglichkeit gegeben, die er nur übersehen hatte? Meinte Valdec es ehrlich? Oder hatte er einen ungeheuerlichen Fehler begangen, der dem Kaisermanag eine neue Waffe in die Hand gab?

Nachdem der Riemenmann einige Male in der Höhle herumgewandert war, lehnte er sich an den riesigen Steintisch, auf dem Merlins Leichnam gelegen hatte.

Die goldenen Riemen, die den Körper des großen Mannes umschlangen, schimmerten matt. Llewellyn kreuzte die Arme vor der Brust und blickte zu Boden. Shakram ließ die Wissenschaftler nicht aus den Augen und dieser Noman war ein aufmerksamer und misstrauischer Beobachter. David war benachrichtigt. Es blieb nur zu hoffen, dass er bald eintraf.

Der Riemenmann blickte auf, als er sich bewusst wurde, dass eine eisige Kälte seine Glieder lähmte.

Forschend blickte er sich um und schenkte erst jetzt dem unangenehmen Gefühl Beachtung, das sich von seinem Rücken bis zum Kopf hinaufzog. Es war nicht eigentlich Angst, aber sehr nahe damit verwandt.

Es kam ihm vor, als sei es in der Höhle heller geworden, obwohl er keine Lichtquelle entdecken konnte. Hatte die Wolkendecke über Grönland sich vielleicht aufgelöst und draußen schien die Sonne?

Er tat einige Schritte in Richtung auf den Höhleneingang, aber von dort kam kein Licht, eher schien es in dem Gang noch dunkler geworden zu sein.

Llewellyn rief sich zur Ordnung und unterdrückte den Impuls, die leere Halle möglichst schnell zu verlassen. Was auch immer hier vorging, es konnte nicht feindlicher Natur sein. Merlin, der hier gewohnt hatte, war ein Freund der Treiber und selbst ein Terranaut gewesen. Gleichzeitig aber erinnerte er sich mit Unbehagen Lithes letzter Worte, mit denen sie die Höhle für alle Treiber zum verbotenen Gebiet erklärt hatte.

Aber Lithe war spurlos verschwunden, wie sie wenige Tage später festgestellt hatten. Llewellyn wandte sich vom Eingang ab und blickte in die Höhle zurück. Es wurde immer heller. Schon konnte er die Felskonturen am entferntesten Ende der gewölbten Halle erkennen. Er hob den Kopf zur Decke und zuckte unwillkürlich zusammen. Dort hing ein faustgroßer, strahlender Ball, der sich rasch vergrößerte.

Llewellyn wich einige Schritte zurück. Von draußen drangen gedämpft die Stimmen der im Tal beschäftigten Treiber herein.

Der leuchtende Ball unter der felsigen Decke hatte die Größe eines menschlichen Kopfes erreicht. In dem blendenden Gelb begannen sich undeutliche Konturen abzuzeichnen. Llewellyn schirmte seine Augen mit der Hand ab und versuchte zu erkennen, was sich in dem Ball formte. Es dauerte nur wenige Sekunden und er erkannte die Umrisse eines Gesichts, die sich rasch festigten, bis der Kopf einer jungen Frau zu ihm herunterblickte.

Der Riemenmann zog zischend den Atem zwischen die Zähne. Er kannte dieses Gesicht.

»La Strega!«, sagte er fassungslos. »Was ist mit dir?«

La Strega del Drago, die Hexe von Wega-Little, Treiberin in Asen-Gers Loge, die bei der Zerstörung des Kaiser-Transmitters während des Großen Festes umgekommen war. Wurde er von einer Illusion betrogen? Aber das Gesicht verzog sich zu einem wissenden, traurigen Lächeln.

»Lithe schickt mich«, sagte La Strega mit einer Stimme, die, wenn auch leise, doch wirklich genug war. »Ich soll euch warnen.«

»Warnen?« Llewellyn war sich immer noch nicht sicher, ob er wirklich mit La Strega sprach oder eine Halluzination hatte. »Wovor? Und warum tut sie es nicht selbst?«

»Sie ist zu weit weg. Aber stell jetzt keine Fragen mehr. Ich habe nur wenig Zeit, bis der andere Raum mich zurückholt. Die Männer des Kaiser-Konzerns betrügen euch. Sie sind verantwortlich für den schwarzen Befall auf Yggdrasil, und ihre Maßnahmen werden Yggdrasil vernichten. Ihr müsst sie aufhalten!«

Llewellyn warf einen raschen Blick durch den Gang. Hinter der jenseitigen Öffnung konnte er Yggdrasils verdorrte Krone erkennen.

»Woher hat Lithe das erfahren? Ist sie ganz sicher, dass...«

Als er wieder zu La Stregas Gesicht hinaufsah, bemerkte er, dass die Konturen sich bereits auflösten. Nur die Augen der Hexe von Wega-Little enthielten noch Leben.

»Sie hat mit Yggdrasils Bewusstsein gesprochen...« Die Stimme La Stregas wehte verklingend durch die Halle. Von einer Sekunde zur anderen herrschte wieder eine bedrückende, einsame Finsternis.

Wie ein Blinder tastete Llewellyn sich zum Ausgang. Immer noch verstört und unsicher blickte er hinunter ins Tal, wo sich abgeschlagenes Wurzelwerk häufte. Jemand kam die schmale Steintreppe hinauf. Llewellyn blickte dem Ankömmling mit zusammengekniffenen Augen entgegen. Es war Shakram. Er ging taumelnd und an seinen Zähnen klebte Blut, das auch von seiner zerbissenen Unterlippe tropfte. Mit seiner gesunden Hand hielt er sich die verbundene Schulter.

»Ich kann es nicht beweisen«, sagte er zu Llewellyn, »aber ich bin fest überzeugt – diese Hunde betrügen uns. Sie wollen Yggdrasil töten!«

Der Riemenmann nickte schwer. Er half Shakram, sich auf der obersten Stufe hinzusetzen und kauerte sich neben ihn.

»Auch ich bin davon überzeugt!«, murmelte er. »Lithe hat eine Nachricht gesandt!«

»Lithe?« Shakram betrachtete ihn fragend. »Ist das nicht die Tochter von diesem Merlin?«

»Sie verschwand nach dem Tode ihres Vaters.«

Llewellyn strich sich über die goldenen Riemen an seiner Stirn. »Sie hat bestätigt, was ich die ganze Zeit schon ahnte: Valdec hat einen Weg gefunden, um uns endgültig zu vernichten. Und ich habe ihm diesen Weg geöffnet!«

Trotz seiner Schmerzen lachte Shakram verhalten. »Du nimmst dich selbst zu wichtig!«, meinte er. »Auf die Idee mit Yggdrasil ist Valdec von ganz alleine gekommen. Erinnere dich an die unerklärlichen Geräusche, die wir nachts gehört haben. Das war Valdecs Werk. Er hat Yggdrasil mit irgendwelchen chemischen Substanzen behandeln lassen, um uns Angst zu machen.«

»Und das ist ihm gelungen!« Llewellyn machte die Augen zu, um nicht sehen zu müssen, was im Tal vorging. »Wenn ich...«

Shakram fuhr zornig mit der Hand durch die Luft. »Wenn... Aber...«, murrte er. »Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen unsere Freunde zu überzeugen versuchen! Sie glauben felsenfest, dass Valdec nur ihr Bestes will, die harmlosen Seelen. Heute Abend, wenn die Kaiser-Männer weg sind, können wir darüber sprechen.« Er stand mühsam auf. »Vorläufig wäre ich dir dankbar, wenn du mich zu den Schiffen bringen könntest. Ich muss ausruhen, sonst kann ich heute Abend nicht die Schleusen meiner Beredsamkeit öffnen!«

Er lachte in milder Selbstironie und tastete sich an Llewellyns Arm die Stufen herunter.

 

*  

 

Es war eine schwülheiße Nacht. Nach einem anstrengenden Tag hatten die Manags sich früh zurückgezogen.

David lag bäuchlings auf seinem Bett und brütete über dem Vertrag, der am Nachmittag ausgearbeitet worden war. Asen-Ger wanderte unruhig in dem weitläufigen Zimmer umher, und Narda saß still in einem Sessel. Mit weit geöffneten Augen starrte sie an die Wand, ohne sie zu sehen.

»Ich weiß nicht, ob es richtig war, noch hier zu bleiben, um den Vertrag zu Ende zu bringen!«, sagte David mehr zu sich selbst.

Er schob die eng beschriebenen Folien zur Seite und rollte sich auf den Rücken.

»Jetzt ist es zu spät, um sich Sorgen zu machen«, stellte Asen-Ger gleichmütig fest. »Was immer in Ödrödir geschehen ist – Llewellyn und Shakram müssen allein damit fertig werden. Wenn du mich fragst – ich traue es den beiden auch ohne Weiteres zu.«

»Trotzdem...«, setzte David an.

Asen-Ger hob in einer verzweifelten Geste die Hände. »Nicht schon wieder!«, stöhnte er in gespieltem Entsetzen und erstarrte in seiner Haltung, als er hinter sich Nardas Stimme hörte.

»Es ist gut!«, sagte die zwölfjährige Treiberin. »Wir kommen sofort.«

David sprang auf. Die Blätter des Vertrags flatterten unbeachtet zu Boden. Eine der dünnen Folien zerriss, als David versehentlich darauf trat.

Nardas Gesicht zeigte den Ausdruck höchster, nach innen gewandter Konzentration. Obwohl ihre Augen geschlossen blieben, schien sie sich in ihrer Umgebung ausgezeichnet zurechtzufinden. David und Asen-Ger hatten gerade noch Zeit, ihre Reisekleidung zu greifen, als die Kleine auch schon aus der Tür verschwand.

Die Räume in Pankaldis Palast wurden durch ein Netz von Gängen, Fluren und Korridoren miteinander verbunden, das noch komplexer war, als in der Zentrale des Biotroniks-Konzerns. Zu dieser späten Stunde aber waren alle Korridore mit roten Sperrstrahlen verriegelt, außer einem, der auf dem kürzesten Weg zum Ausgang führte.

Während Asen-Ger hinter Narda herlief, versuchte David eine der Sperren zu überwinden. Schließlich konnten sie nicht einfach so verschwinden, ohne Pankaldi zu benachrichtigen. Die Sperre schien aber von einem ganz bestimmten Codewort gesteuert zu werden, denn sie reagierte nicht.

Als David sich abwandte und den Gang entlangeilte, um seine beiden Freunde nicht aus den Augen zu verlieren, hatte er ein ungutes Gefühl. Er nahm sich vor, bei der nächstmöglichen Gelegenheit umgehend mit Pankaldi in Verbindung zu treten, um ihm den Grund ihrer überstürzten Abreise klarzumachen.

Der Graue, der neben dem Eingang des Palastes Wache hielt, beachtete sie nicht weiter. Narda bog zielstrebig auf die blaue Fließstraße ein, die zu den Landeplätzen führte. Als sie außer Sichtweite der Wache waren, drehte sie sich um und zwinkerte verschmitzt.

»Der graue Kerl dahinten brauchte ja nicht unbedingt mitzukriegen, was los ist!«, sagte sie altklug. »Und man kann ja nie wissen, ob diese Konzernmanags uns nicht nachspioniert haben. Deshalb erzähle ich euch jetzt erst, was ich gehört habe.«

David warf Asen-Ger einen vielsagenden Blick zu. Trotz ihrer zwölf Jahre war Narda ein gerissenes kleines Biest, das nicht zu unterschätzen war.

»Llewellyn hat mit mir gesprochen. Er war aber viel schwächer als beim ersten Mal, und deshalb konnte ich ihn kaum verstehen. Er hat gesagt, dass wir sofort zurückkommen müssten. Dieser Valdec will Yggdrasil umbringen. Seine Bio... Bilo... Biglo...«

»Biologen?«, schlug David vor. Narda nickte.

»Diese Leute also sind schon im Tal. Und Llewellyn sagt...« – sie überlegte kurz – »… dass diese Idioten von Treibern

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Karl H. Prieß/Apex-Verlag. Published by arrangement with Thomas R. P. Mielke and Rolf W. Liersch.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx. DIE TERRANAUTEN-Logo by Arndt Drechsler.
Lektorat: Zasu Menil.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2018
ISBN: 978-3-7438-7158-8

Alle Rechte vorbehalten

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