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Leseprobe

 

 

 

 

 

INKA MAREILA

 

BROKEN AMERICA

III. Spiegelwelt

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Die Autorin 

 

BROKEN AMERICA 3: SPIEGELWELT 

 

THE CLOU von Tom Madox Ward 

Frau am Grab 

Cole 

Rick Sheffield 

THE CLOU – Abschnitt 6 

Ella 

THE CLOU – Abschnitt 6 (Fortsetzung...)  

Ella 

THE CLOU – Abschnitt 7 von Ella Brewster 

Henry 

Cole 

Julika 

THE CLOU von Tom Madox Ward 

Cole 

Julika 

THE CLOU – Abschnitt 8: »Die Unendlichkeit eines Spiegelbilds« 

Ted 

 

10 Jahre später: THE CLOU Abschnitt 9 von Ted Brewster 

 

Das Buch

 

Was wird aus den Plänen, wenn die größte Katastrophe unserer Zeit sämtliche Vorhaben vereitelt? Die Zukunft ist nicht planbar. Neuste Geschehnisse reißen Menschen aus ihrem Leben, durchdringen Gedanken und Hoffnungen, und plötzlich, vollkommen unerwartet, beginnt Horizon Zero - das Weltprojekt eines Wahnsinnigen, die letzte Möglichkeit der Menschen, es künftig besser zu machen. Doch um das Projekt zu starten, muss die Chance auf eine lebenswerte Zukunft erst einmal gefunden werden. Tom Madox Ward bezeichnet es als das größte Geheimnis der Menschheit...

 

Mit Spiegelwelt, dem dritten Band ihrer Broken-America-Trilogie, knüpft Erfolgs-Autorin Inka Mareila direkt an die in Zwischen den Fronten und Gesplittertes Leben geschilderten Ereignisse an – und führt diese Ereignisse (in einem nur vermeintlich fiktiven Amerika) zu einem erzählerisch herausragenden, dystopisch-philosophischen Finale...

Die Autorin

Inka Mareila, Jahrgang 1981.

 

Inka Mareila ist eine deutsche Schriftstellerin, die ihre Karriere im Jahr 2013 mit Science-Fiction- und Horror-Romanen begann.

Ihr Debüt – neben fünf Bänden für die Zombie-Serie Violent Earth - war die dystopische SF-Trilogie Fynomenon.

Mehrfach wurde sie in den Folgejahren für den Vincent Preis nominiert: 2013 für die Kurzgeschichte Gramla, 2014 für Mordsucht GmbH und Co. KG (vier Horror-Märchen) und schließlich 2015 für den Mystery-Thriller Fleischfang – Parademonium.

2015 folgten die Romane Gladium - Schattenlicht und Gladium - Die Cyborg-Dämonin sowie das Drama Lila Floh in Lavendel - Das Rätsel des stummen Kindes. Für Phillip Schmidts SF-Serie Schattengewächse schrieb sie 2016 den Roman Tod und Spiele.

Außergewöhnliche Wege beschritt sie anschließend mit dem Kinderbuch/Spendenprojekt Die Superalma gibt es wirklich - ein Buch, gemeinsam verfasst mit neun Kindern und deren alleinerziehenden Müttern.

Nach der Veröffentlichung des modernen Märchens Milans bunte Flügel (2016) entschied sie sich für eine neue thematische Richtung; insbesondere mit ihren frühen Horror-Geschichten konnte sie sich nicht länger identifizieren. Sie trennte sich von ihrem bisherigen Verlag, um schriftstellerisch mehr Freiheiten zu haben und wagte einen Neustart.

Seither widmet sie sich vorrangig gesellschaftskritischen Texten, verfasst unerschrocken Texte zu Tabu-Themen - beispielhaft umgesetzt in ihrem aktuellen Thriller Der Feind, der im Apex-Verlag erscheint.

BROKEN AMERICA 3:

SPIEGELWELT

 

  

 

 

  THE CLOU von Tom Madox Ward

 

 

(WEGGEWORFENER MANUSKRIPTTEIL/Bezeichnung »PROLOG?«, gespickt mit Einschüben und Anmerkungen/Abschnitt-Nummer unbekannt – gefunden von Henrys Grandma, der Putzfrau Bernadette McCollister) 

 

 

 

 

 

  Frau am Grab

 

 

Es war vor vielen Jahren gewesen, als ich auf dem Mount Carmel Cemetery stand, das Licht der untergehenden Sonne genoss, mein Gesicht davon berühren ließ, während sanfte Strahlen durch die Grabreihen fielen und die Gedanken an meinen Bruder erträglich machten. Ein wenig Licht in dieser Schattenwelt, wie die Hoffnung, welche die Realität vergoldete. Manchmal muss man träumen, um das Leben spüren zu können. Wenigstens können wir darin alles sein und jeden verlorenen Menschen wieder an unserer Seite haben. 

Damian...  

Er lag dort bereits seit drei Jahren begraben, und ich dachte über unsere Kindheit nach. Sie war weiß Gott nicht leicht gewesen und dennoch so weit weg, zu weit, als dass sie unnötig viel Einfluss auf mein Leben nehmen konnte. Oft stellte ich mir die Frage, wie es sein konnte, dass zwei Menschen, welche dieselben Eltern gehabt hatten, derart unterschiedlich mit den Kindheitserinnerungen umgehen konnten. Das machte mir deutlich, dass wir alle die Möglichkeit hatten, eigenständig und wirklich wir selbst zu sein. Wenn die Genetik, mag sie auch noch so mächtig sein, eben auch gleichermaßen derart viele Freiheiten zulässt, um wie viel freier sollten wir uns fühlen, alles erreichen zu können, was wir uns wünschen?  

Ich empfand die Willensfreiheit tatsächlich als solche, ungeachtet der unzähligen philosophischen Konstrukte, wonach schon allein die rein physikalischen Gesetze eine Willensfreiheit beschränken würden. Doch was würde es uns nützen, wenn wir fliegen könnten? Genügen uns nicht unsere Träume, in denen es wahrhaftig keine Grenzen gibt? Vielleicht wäre Zufriedenheit der Schlüssel, um unsere Freiheiten auch endlich erkennen und genießen zu können? 

Wie oft hatte ich mit meiner Mutter über solcherlei gesprochen. Sie hatte nichts verstanden. Was sie getan hatte, widersprach stets ihren Aussagen, und irgendwann erkannte ich, dass man manchen Menschen nicht helfen kann, selbst wenn man noch so viel Liebe und Ernsthaftigkeit – ich möchte sogar sagen Dringlichkeit – investierte. Ein gewisser Anteil der Freiheit liegt also auch darin, sich nicht länger für andere verantwortlich zu fühlen. Wenn wir wirklich bei uns selbst sind, sind wir am ehesten gerecht. Nicht ferngesteuert, einfach bei uns selbst; hoffentlich mit allem, was einen Menschen ausmacht.

 

In der Mitte von Damians Grabstein war ein Knopf eingelassen worden. Ich säuberte das Uhrglas darüber mit meinem Jackenärmel. Darunter befand sich jener schwarze, schlichte Holzknopf. Er war das letzte Geschenk gewesen, was ich von meinem Bruder bekommen hatte. Eine Aufmerksamkeit, welche innerhalb seiner Psychose für all das gestanden hatte, was ihm wirklich wichtig gewesen war, was er all die Jahre im Herzen mit sich getragen hatte und worüber er erst reden konnte, als ihm seine Vernunft abhandengekommen war: Die Welt verbessern, plötzliche Gottergebenheit, und dazu kamen seine Traurigkeit und die Verletzlichkeit, welche er all die Jahre verdrängt hatte, während er auf der Überholspur dem Erfolg hinterhergejagt war. Das ging nur mithilfe der Drogen. Bloß ein wenig Shit und ein paar Pillen, welche die Konzentration optimierten. Mehr nicht, und dennoch war es zu viel gewesen...

Auch er hatte sich stets heimlich die Frage gestellt, wie es sein konnte, dass eine Mutter ihre Kinder an einen Perversen auslieferte – immer wieder, und das über Jahre. Als er mir seine Gedanken offenbarte, war es bereits zu spät gewesen. Bevor er ging, legte er mir den Knopf in die Hand, als Symbol, dass wir alles erreichen und überstehen konnten. Drei Wochen später war er tot.

Und die Fragen, welche ich so lange verdrängt, die er mir aber wieder gestellt hatte, waren plötzlich zurück. Waren bei mir in der Gegenwart und wollten endlich beantwortet werden. Sie machten mir das Nicht-verstehen-können bewusst.

Ich war inzwischen glücklicherweise weit von dem Anspruch entfernt, sie verstehen können zu müssen, hatte mich damit abgefunden, dass es Dinge gab, die immer zu einem gewissen Teil ungeklärt bleiben würden, und baute mir einen imaginären Tresor im Kopf. Dort sperrte ich die Fragen ein und stellte mir vor, wie in dieser beengten Dunkelheit alles Unangenehme gegeneinander kämpfte und sich selbst vernichtete. So sollte es doch sein, oder? Einfach alles Schlechte in einen Keller sperren und sich selbst ausrotten lassen... 

Jedenfalls hasste ich Fragen dieser Art, konnte jedoch nichts daran ändern, dass sie existierten.

»Die Kindheit ist bei vielen ein Glas ohne Deckel. Und an seinem Boden kriecht ein stinkendes Tier. Es verhält sich leise, doch manchmal spricht es...«, hatte mein Bruder mir an unserem letzten Nachmittag gesagt. Ich hatte genickt, da kamen uns die Tränen.

Mein Bruder, meine Mum und ich waren zweimal zu diesem Monster, unserem Stiefvater, hin- und wieder weggezogen. Ein Hin und Her, und jedes Mal zerbrachen wir ein Stück mehr. Die Wut, die in mir wuchs, weil meine Mutter trotz allem das Funktionieren in der Schule sowie in sämtlichen anderen Bereichen von uns verlangt hatte, entlud sich peu à peu, nützte aber nichts.

Das Schreien um Hilfe und Schutz sowie das Erbetteln, Mum möge doch bitte erkennen, was mit uns geschieht, blieb ungehört, dabei erhielt sie stets auch eine »gute Welt«, in der sie uns ihre Liebe beteuerte und sich für uns abschuftete, damit wenigstens ein Teil unseres Lebens in geordneten Bahnen verlief.

Unsere Kleidung roch gut, wir trugen teure Schuhe und freuten uns über ordentliche Frisuren. Damian und ich hatten dieses Leben nie verstanden, und dass er nie darüber sprechen wollte, wertete ich lange als ein Zeichen von Stärke. Er konnte den Gestank dieser Kindheitsleichen ignorieren, ich nicht. Und doch war er über Jahre, ganz heimlich, daran zugrunde gegangen, während ich weiterleben durfte.

 

Jeremy, mein kleiner Sohn, war mein Grund gewesen, die Verbindung zu meiner Mutter endgültig abzubrechen, denn er machte mir bewusst, dass mich meine Mutter nie geliebt hatte, nicht so, wie jedes Kind es verdiente und brauchte. Hätte sie diese gesunde Liebe spüren können, wären mein Bruder und ich von ihr beschützt worden, doch sie war dazu keineswegs in der Lage gewesen. Ihre Liebe beschränkte sich auf die Unwichtigkeiten des Lebens – unwichtig im Vergleich zu dem, was wirklich zählte: Die Geborgenheit, den Schutzraum, das Bewahren der zerbrechlichen Kinderseelen. Sie schützte lediglich das, was auch die Öffentlichkeit wahrnahm: die Güter, die Kleider, Talente, wie das Klavierspiel fördern, außerdem das gepflegte Haus und die schulischen Leistungen. Nichts dessen erachtet ein Kind wirklich für wichtig. Menschen, die sich jedoch die Ansprüche der Ferngesteuerten überstülpen, schon.

So lief unser Leben in eine vernichtende Richtung, und dergleichen Lebenskonstellationen existierten viele in unvorstellbar mannigfaltigen Auswüchsen. Bewusst war mir stets: Ich war nur eine von vielen.

Überall, wohin ich in meinem direkten Umfeld schaute, sah ich die Geschichten hinter den Fassaden, wusste um die Zustände meiner ach so gutbürgerlichen Nachbarschaft. Und das Wissen darum, dass nach außen nahezu überall ein falsches, aber immerhin vermeintlich beruhigendes Bild dargestellt wurde, ließ mich die Welt zunehmend skeptischer betrachten.

Ich verstand nicht, was so schlimm daran war, echt zu sein.

Diese verfälschten Selbstdarstellungen waren doch nicht der Nächstenliebe geschuldet, wonach man die anderen nicht vor den Kopf stoßen wollte, oder?

Was war Nächstenliebe wert, wenn sie nicht verstanden wurde?

Ein offener Umgang mit Problemen ist beruhigender und letztlich konstruktiver, oder irre ich mich?

Insbesondere bei Festlichkeiten stellte ich eine Art Konkurrenzkampf fest – dieses schaurige Sich-gegenseitig-übertrumpfen-wollen, wenn nötig auch mit haarsträubenden Lästereien. Jeder hatte in der Wohlstandsgesellschaft sein Plätzchen gefunden. Dazu gehörten sogar die Bettler in den Gassen, denn sie ließen einige wohlhabende Herrschaften noch hochnäsiger in die Luft schauen. Ich verabscheute diese Oberflächlichkeiten und hatte bereits als Kind mit meiner eigenen, kleinen Rebellion begonnen.

Ich lehnte mich immer wieder gegen meinen Stiefvater auf – auch wenn ich dazu meine Angst runterschlucken musste, die unverdaulich war. Diese innere Einstellung, wonach es mir das Wichtigste war, immer ich selbst zu sein und zu bleiben, behielt ich bis zuletzt.

Als Erwachsene hatte ich mich meinem Schmerz gestellt, hatte Wut und Hass zugelassen, ebenso wie die Phasen tiefer Traurigkeit und des Nichtstuns.

In Gegenwart meiner Mutter begründete ich mein Verhalten damit, dass ich diese Depressionslöcher brauchte, um dort alles abzulegen, was mich beschwerte, um dann irgendwann erleichtert herauszusteigen. Um das Gute zu sehen und es anzugehen. Dass sie als einzige Person ein Problem mit meinem Versagen und mit meinem Unglücklichsein hatte, wertete ich als weiteren Verrat. Niemand und nichts war ihr gut genug, auch ich nicht.

Wenn sie es gekonnt hätte, hätte sie sich einen neuen Körper gekauft und dazu einen reichen Mann, der es ihr ermöglichte, perfekt oberflächlich zu sein. Ihre Armut war für sie ihre größte Belastung. Sie hätte so gerne mit einem tollen Leben angegeben...

Meine Erkenntnis über die eigene Kindheit und die Fehlbarkeit der Eltern, welche ich sehr spät erfuhr, war gleichsam auch eine Erklärung für Gefühle, die wiederum das eigene Glück verhindern konnten.

Es ist gewisslich keine Sünde, die Vergangenheit verstehen zu wollen. Das ist keinesfalls mit einem Bad in Selbstmitleid gleichzusetzen. Selbstmitleid ist das Gegenteil dessen, was man erreicht, wenn man mit schlimmen Erfahrungen umzugehen lernt. Dann redet man auch von früher, aber man lebt voll und ganz im Heute. Wir Menschen haben ein Recht darauf, traurig zu sein.  

Hatte ich in gewisser Hinsicht Normalität erreicht? Auf jeden Fall! Dennoch blieb ich anders.

Meiner Vergangenheit war geschuldet, dass ich mich ausschließlich bei Menschen wohlfühlte, die selbst »Schattenkinder« waren. Bei ihnen fand ich das, was ich brauchte: Tiefgründigkeit. Wertvolles. Zumindest, was es in meinen Augen bedeutete. Wir haben nun mal auch ein Recht auf eigene Blickwinkel.  

Sich in den Schmerz knien, um gesund zu werden. Das kannte man doch auch von körperlichen Beschwerden, wobei jeder Arzt riet: ›Keine Schonhaltung!‹ Leg dich dort hinein, wo der Eiter, das Blut und der Scheißdreck ist. Bade darin, bis du dich nicht mehr ekelst. Dann kannst du rauskommen, dann hast du kapiert, dass die Scheiße zwar stinkt, man sie aber abwaschen kann. Wie alles, was im Grunde nichts mit dem eigenen Charakter zu tun hat. 

Genau so hatte es auch funktioniert. Für mich eine Erfahrung, die ich nicht mehr vergessen wollte, denn ebenso ging ich auch nahezu alle späteren Sorgen an: Sich Zeit für sich selbst nehmen, genau fühlen, was man braucht, und sich das zu krallen, was unerlässlich ist, um zu überleben – auch wenn andere die Nase rümpfen. Die Nasen der anderen sind mir egal. 

Meine Mutter stellte sich als starke Frau dar, die es nicht nötig gehabt hatte, sich mit ihrer Schuld zu befassen, die glaubte, die Zeit heile alles von allein. Sie hatte sich stets damit gerechtfertigt, dass sie selbst seine schlimme Kindheit gehabt habe und nicht anders gekonnt hätte, dieser Missgeburt von Mann hörig zu sein.

Viel zu spät kappte sie ihre pervertierte Verbindung, doch da waren wir längst zerstört worden. Und mit jeder Rechtfertigung, dem gelegentlichen Ausbrechen in Tränen nebst gebetsmühlenartigem Herunterplappern von »Ich hab alles falsch gemacht, dann kann ich mich ja gleich erhängen« in schwachen Momenten, lud sie uns zusätzlich die Bürde auf, auch ihren Schmerz mittragen und sie vor der Wahrheit schützen zu müssen, anstatt uns endlich emotional erleichtern zu dürfen.

Keine Entschuldigung, kein »Ich verstehe, was ich falsch gemacht habe.« Kein verdammtes und von Herzen kommendes: »Es tut mir leid.« Nie. Und dennoch blieb ich ihr lange treu, war immer für sie da, konzentrierte mich krampfhaft auf jede noch so winzige ihrer guten Eigenschaften, war sie auch noch so unwesentlich.

 

Ich ließ mich von ihr instruieren, mir ihre abstrusen Konstrukte implizieren, und damit erstickte ich meine Persönlichkeit, meine Zukunft und meinen Erfolg, um ihr das zu geben, was ich mir als Kind gewünscht hatte. Geborgenheit, Vertrauen, bedingungslose Liebe und Unterstützung.

Was tief in mir gärte, ahnte sie lange nicht... auch ich nicht. Es war eine abstoßende Kälte ihr gegenüber in mir entstanden, die kontinuierlich größer wurde. Und dann spielte ich ein Spiel. Aus reiner Berechnung küsste ich ihr die Füße, wog das Aushalten ihrer Nähe mit dem auf, was sie mir nützte, bis ich auch das nicht mehr konnte...

Eines Tages las ich einen Artikel mit dem heftigen Titel: Wenn Kinder ihre Eltern hassen. Innerhalb der psychologisch fundierten Analysen und Erklärungen erkannte ich mich wieder und verstand, dass es manchmal eine Trennung benötigte, um glücklich zu werden. Ich las von Erwachsenen, die ohne ein Wort plötzlich den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hatten; all solche Dinge. Dahinter standen Lebensgeschichten, deren Unheil sich ausschließlich die Eltern vorwerfen mussten. Ist es nicht gemein, die Vergehen der eigenen Eltern ihnen noch dreißig Jahre später vorzuwerfen? 

Womöglich wird man sich erst dreißig Jahre später der elterlichen Vergehen in vollem Umfang bewusst?

 – Wie böse ist es, das Kind beispielsweise mit Gewalt in eine bestimmte Karriere zu zwingen? Das ist wahrhaftig grausam. Und wie sind Eltern zu bewerten, die ihre eigenen Kinder benutzen? Die sie verwenden wie Gegenstände, wie Sklaven, wie kleine minderwertige Geschöpfe...? Wie können Eltern den Wert der eigenen Interessen über die essentiellen Bedürfnisse der Kinder stellen?! Und werden es diese Eltern jemals begreifen, wie sie ein Kind zu lieben haben – sei es auch noch so ›alt‹? Es ist womöglich vielmehr eine Pflicht als ein ureigener Instinkt. 

Man darf die Eltern wie Fremde behandeln. Das ist besser, als sich von ihnen auch noch das Erwachsensein beschweren zu lassen. Irgendwann reicht es. –  

»Es reicht!« ist ein Gefühl. Solange es da ist, quält es einen mehr als die Angst davor, die Eltern nie wieder zu sehen. Ist nicht schlimm. Eltern sind auch bloß Menschen, und Freunde darf man sich aussuchen.

Manche Dinge

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Inka Mareila/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex Graphixx.
Lektorat: Christian Dörge.
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 23.04.2018
ISBN: 978-3-7438-6635-5

Alle Rechte vorbehalten

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