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Leseprobe

 

 

 

JACK WOMACK

 

 

HEIDERN

DRYCO-ZYKLUS 3

 

 

Ein Cyberpunk-Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

HEIDERN 

Eins 

Zwei 

Drei 

Vier 

Fünf 

Sechs 

Sieben 

Acht 

Neun 

Zehn 

Elf 

Zwölf 

 

Nachbemerkung des Autors 

Das Buch

Der Aufstieg und der Fall eines neuen Messias in der trostlosen Welt New Yorks zu Beginn des 21. Jahrhunderts, der die dekadente Abgestumpftheit seiner Mitmenschen zu durchbrechen versucht...

 

Ein Buch von höchstem sprachlichem Feingefühl, von knallharter Action und voll von schwarzem Humor.

 

»Der Durchbruch eines jungen Autors, der die Sensibilität eines William Gibson über den Cyberpunk hinaus und die Gewalt von CLOCKWORK ORANGE ins Transzendente gesteigert hat.« 

 - NEW YORK REVIEW OF SCIENCE FICTION

 

Der Apex-Verlag veröffentlicht sämtliche Romane des DRYCO-Zyklus als z.T. neu übersetzte Neu-Ausgaben sowie den abschließenden Band GOING GOING GONE als deutsche Erstausgabe.

 

Der Autor

 

Jack Womack, Jahrgang 1956. 

Jack Womack ist ein  US-amerikanischer Schriftsteller, dessen literarisches Hauptwerk - die aus sechs Romanen bestehende Ambient- resp. Dryco-Serie - dem Cyberpunk zugeordnet wird. 

Zu den populärsten Romanen dieser Reihe zählen Ambient (1987; dt. Ambient, 1990), Terraplane (1988; dt. Terraplane, 1991) und Heathern (1990; dt. Heidern, 1993). 

Darüber hinaus veröffentlichte er den Roman Let's Put The Future Behind Us (1996) sowie in erster Linie Kurzgeschichten und Erzählung wie z.B. Out Of Sight, Out Of Mind (1990), Lifeblood (1991), Audience (1997) und The Man Who Saved The 20th Century (2012). 

Jack Womack lebt und arbeitet in New York City.

HEIDERN

 

 

 

 

»In der Nähe von Gardelegen entdeckten wir eine so scheußliche Gräueltat, dass sie ohne weiteres in einem anderen Zeitalter oder wahrhaftig auf einem anderen Planeten hätte verübt worden sein können.«

 

Aus einem Bericht des Zweiten Bataillons der 405. Infanterie-Division der US-Armee vom April 1945.

 

 

 

 

 

 

  Eins

 

 

 

Eines Morgens, während ich zur Arbeit ging, hätte mich ein Säugling fast erschlagen. Weil ich im gefährlichsten Augenblick unters Dach eines Bushaltestellenhäuschens trat, kam ich noch einmal mit dem Leben davon und kann das weitere erzählen. Umringt von Fremden, besah ich mir die Überreste. Gelächter vom Himmel lenkte unsere Blicke in die Höhe. Die Mutter des Säuglings senkte die Arme und lehnte sich aus dem Fenster. Ohne zu applaudieren, zerstreute sich ihr Publikum, um in dieser Stadt Gottes Krumen aus den Gossen zu klauben. An der übriggebliebenen Glasscheibe des Häuschens klebten fotokopierte Zettel, und auf dem größten stand:

 

Möchte gekreuzigt werden. Nägel vorhanden.

Bitte Nachricht auf Anrufbeantworter.

 

Die Streifen mit der Telefonnummer am unteren Rand des Blatts fehlten alle. Unter meinen Schuhen knirschte Glas; der Rock klebte an meinen Beinen, während ich die Straße entlangstrebte. In der 18°-Feuchtigkeit des Novembermorgens verlor mein Haar die Fasson. Droben die Mutter wirkte, als stünde sie davor, eine eigene Darbietung nachzuschieben; wie die anderen Passanten suchte auch ich allein das Weite.

»Joanna«, sagte Thatcher, zerriss damit die Knäuel meiner Erinnerungen, erleichterte mir die Rückkehr in die Gegenwart. »Willst du vielleicht so ein Gesicht kriegen, wie du's jetzt schneidest?« Thatcher Dry den, gemeinsam mit seiner Frau Susie Inhaber der Dryden Corporation - kurz Dryco genannt -, war mein Chef; im konzeptualistischen Sinne mein Herr. Als mit der Leitung der Abteilung Neue Projekte beauftragte Subdirektorin hörte ich bei den morgendlichen Besprechungen kaum zu; im Laufe der drei Monate seit meiner Beförderung hatte ich noch kein neues Projekt bearbeiten müssen. »Ich möchte, dass du dir morgen mal was vornimmst. Mal überprüfen, was da dran ist.«

»Wo dran?«, fragte ich. Thatchers Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an, als ob er sich mich in einem der spezialdesignerten Kostüme vorstellte, die ihm gefielen, die ich mich jedoch zu tragen weigerte.

»Mir liegen ein paar Berichte über einen Burschen in der Unteren Oststadt vor...«

»Unteraffenkaff«, sagte Bernard. »Aus Rücksicht aufs Image sollten wir so tun, als ob wir uns mit den Bezeichnungen auskennen.« Als Direktor der Abteilung Außendienst sorgte Bernard dafür, dass seine Bossfamilie, wenn sie abends ein Los auf den Nachttisch legte, am Morgen einen Hauptgewinn vorfand. Außerdem betätigte auch er sich in der Abteilung Neue Projekte. Ehe ich zur Dryco ging, hatte ich für Bernard gearbeitet, dank seiner Nachhilfe die Fähigkeiten gelernt, die ich nicht länger brauchte.

»Ist mir schietegal, wie man's diese Woche grad wieder nennt«, meinte Thatcher. »Schildern Sie ihr die Hintergründe, soweit wir sie kennen, Bernard.«

Bernard war fünfundvierzig, drei Jahre älter als ich; er hielt seinen Computerausdruck so, dass er ihn über den Rand der Bifokalbrille hinweg sehen konnte, und las laut ab, übertrug den Jargon, in dem man zu Verschleierungszwecken sämtlichen Papierkram verfasste, in verständliche Worte. »Ein gewisser Lester Hill Macaffrey aus Kentucky, Alter neunundzwanzig, gegenwärtige Anschrift unbekannt...«

»Bestimmt auf Trebe«, meinte Thatcher. »Wir holen ihn uns wie 'ne Ratte aus 'm Loch, wenn's sein muss. Ein Südstaatler, wie Sie sicher gemerkt haben.« Er machte immer gern auf seinen heimatlichen Menschenschlag aufmerksam.

»Ratten findet man in jedem Loch«, sagte Susie Dryden leise, die wie stets am anderen Ende des Tischs saß und die Daily News las; ihre Augen huschten über die Seiten, suchten Aufschlussreiches, forschten in banalen Meldungen nach auswertbaren Zusammenhängen der Art, die Vorgänge, die scheinbar nichts verbindet, miteinander verknüpfen. Sie erinnerte mich an einen Falken, der eine Wiese nach Mäusen abspäht. Die Schlagzeile der Zeitung lautete: IHR PROBLEM? - ICH BIN KANNIBALE, SAGTE ER. Die Hand ließ er in der Tasche.

»Er unterrichtet Philosophie und Theologie in einer von Eltern unterhaltenen Einrichtung auf der Neunten Straße«, erklärte Bernard. »Die Mehrzahl seiner Schüler sind Versetzte von Long Island, darunter auch Testgruppenkinder...« Susie verzog das Gesicht.

»Macaffrey lehrt Grundschüler Philosophie?«, vergewisserte ich mich.

»Nichts Eschatologischeres als Nietzsche, soviel mir zugetragen worden ist«, antwortete Bernard. »Unsere Freunde bei den einschlägigen Behörden haben die Gefahrenmöglichkeit potentieller politischer Unruhestiftung geprüft und sind der Ansicht, wir beschäftigten uns, ich zitiere, mit Hirngespinsten.«

»Habe ich doch vorhergesagt, dass sie dieser Auffassung sind«, trumpfte Thatcher auf, legte einen Finger an die Lippen, als wären wir seine Schulklasse und müssten zur Ruhe ermahnt werden. »Erst mal zuhören. Mehr verlange ich nicht.«

»In der dortigen Nachbarschaft kursieren um Macaffrey allerhand Gerüchte«, trug Bernard weiter vor, »die meisten sind im Verlauf des vergangenen Jahrs aufgekommen, meistens behaupten sie, er hätte irgendwelche übernatürlichen Kräfte oder wäre von welchen besessen. Viele Leute beschwören, dass er seine Schützlinge und ihre Familien mit Medikamenten...«

»Medikamenten? Was für Medikamente?«

Bernard zwinkerte mir zu. »...Lebensmitteln und Kleidung unbekannter Herkunft beliefert und ihnen Wohnraum verschafft. Die herkömmliche Grundversorgung, wie sie das Volk bei Laune hält. Weil heutzutage so viele Leute nach der Apokalypse lechzen, egal wie willkürlich der Weltuntergangstermin festgesetzt wird, hat's damit angefangen, dass auch absonderlichere Geschichten umlaufen, ein Quatsch, der sogar nach den Maßstäben der Schlimmen Neunziger blödsinnig klingt, es übertrifft so gut wie alle Fin-de-siècle-Spinnereien der letzten Zeit...«

»Sprechen Sie englisch, Bernard«, bat Thatcher.

»Unseren Informationen zufolge soll er die Zukunft sehen und Voraussagen können.« Bernard lächelte. »Muss ja 'n Freudenquell für seine Nachbarn sein. Angeblich gibt er Blinden das Augenlicht zurück. Wie sich bei derartigen Subkulturen leicht erraten lässt, hält sich auch hartnäckig der Glaube, er sei dazu imstande, nach Belieben das Wetter zu ändern und nach Gutdünken Strafen aufzuerlegen. Ich bezweifle, dass solche Anekdötchen seinem Publikum noch viel länger die Sensationen bescherten, die es braucht. Wahrscheinlich wird's nun jeden Tag soweit sein, dass wir erzählen hören, er hätte Millionen von Krebs geheilt, Wasser in Coca Cola verwandelt und die Fluten des East River geteilt, um den Waffentransport nach Brooklyn zu vereinfachen.«

»Verdammt gute Recherche«, lobte Thatcher. »Guter Vortrag. Danke, Bernard.«

Mir fiel ein, wie oft Bernard mir gegenüber erwähnt hatte, Thatcher verkörperte nichts anderes als die Rache des Kapitalismus für Karl Marx. »Das klingt sehr nach Charisma«, sagte ich. »Nach einem Kult.«

»Er hat was von einem Schlangenbeschwörer an sich«, bekräftigte Bernard. »In so erregt-überschwänglichen wie unseren Zeiten kommen diese Typen zum Vorschein wie Abschaum auf'm Kochwasser. Dann ist es vorteilhaft, jemand mit tüchtiger Hand ist zur Stelle, der ab und zu den Deckel hebt und nachschaut, was da hochköchelt.«

»Ich habe einen Verdacht, was ihn betrifft«, sagte Thatcher, malte mit dem Stift eine Reihe winziger X-Zeichen auf seinen Notizblock.

»So was wie deinen Verdacht in Bezug auf diesen Blödian im letzten Mai?«, fragte Susie.

»Botschaften aus dem Jenseits könnten, abhängig von der Beschaffenheit des Jenseits, nützlich sein, selbst wenn sie wahr sind«, hielt Bernard ihr entgegen. »Swami Lester behauptet wenigstens nicht, früher mal in Atlantis gelebt zu haben. Inzwischen sind's dermaßen viele, die damit renommieren, dass man unwillkürlich die Idee hat, vielleicht ist es durchs schiere Gewicht der Bevölkerung abgesoffen.«

»Das macht ihn doch umso glaubwürdiger, oder nicht?« entgegnete Thatcher. »Wir müssen diesen Angelegenheiten nachgehen.« Das Orakel dieses Frühjahrs hatte beteuert, es könnte die Schleier um Elvis lüften. Nachdem es nicht gelang, einen höherrangigen Inkubus als einen zu beschwören, der von sich behauptete, Heinrich Lübkes Portokassenverwalter gewesen zu sein, hatte Thatcher eher zu der Ansicht geneigt, Elvis lebe noch, oder er säße wenigstens in der VIP-Lounge der Himmlischen Lufthansa und wartete auf die Ansage seines Heimflugs zur Erde. »Der Junge rennt uns ja nicht die Türen ein, bis jetzt ist es für uns alles noch kostenfrei. Sollte was vorliegen, das einen Nutzen hat, ist's eine ganz schön schlaue Investition, sich um ihn zu kümmern, und dann wird's besser sein, wir haben's von Anfang an getan.«

»Schick 'n Magier mit«, empfahl Susie. »Einen Bühnenzauberer. Jemanden der Tricks und Vorspiegelei durchschaut und weiß, wie man so was ablacht.«

Bernard hob mit ausdrucksloser Miene die Hand. Thatcher lächelte, begaffte mich das zehnte Mal an diesem Morgen, benahm sich, als wäre durch ihn Mitschülern ein Geheimnis ausgeplaudert worden, das zu verschweigen ich ihn gebeten hätte. »Fahr doch morgen mal dort hinunter, Schatzi. Guck mal nach, ob an seinem Ruf was dran ist. Berichte mir sofort, sobald du zurück bist.«

»Können wir weitermachen?«, fragte Susie. »Es gibt dringendere Belange, die unsere Aufmerksamkeit erfordern.« Sie wandte sich an Gus, der noch kein Wort gesprochen hatte. Gus hatte die Verantwortung für die Sicherheit und redete folglich immer nur über Dinge, die wir eigentlich gar nicht hören mochten. Er zählte über sechzig Jahre und hatte schon auf vielerlei Weise diversen Leute Dienste geleistet, bevor er bei der Dryco anfing. »Informieren Sie mich über die Fakten im Fall Jensen, Gus.«

»Mr. Jensen, der sich mit Geschäften in Lateinamerika befasst hat...«

»Den Letzten beißen die Hunde«, nuschelte Thatcher.

»...flog vorletzte Nacht aus Chicago ab und traf mit unserem Firmenjet 12 AR6 auf dem Newarker Flughafen ein. Jake und ich haben ihn dort abgeholt, um ihn in die Stadt zu begleiten.« Jake war Gus' Intimus-Rekrut und Schützling. »Es hat mich gleich erschreckt, wie blass Jensen aussah, aber er meinte, es ginge ihm gut. Ich saß mit ihm im Auto hinten, Jake vorn neben dem Fahrer. Auf halber Länge des Holland-Tunnels griff er sich plötzlich an die Brust und sackte in sich zusammen. Ein Herzanfall, dachte ich, zog ihn zu mir herüber. Als ich ihm die Sauerstoffmaske auf den Mund setzen wollte, stieß er sie zurück. Sein Gesicht war grau und blau. Er fühlte sich ganz kalt an. Er hat noch etwas von sich gegeben.«

»Was denn?«

»Können Sie ein Geheimnis hüten?«, hat er gefragt. »Ja doch, mein Freund«, habe ich geantwortet. Allerdings konnte er es auch und hat nichts mehr gesagt. Eine Lähmung befiel ihn, er geriet fast ins Koma. Aber an seinen Augen ließ sich erkennen, dass er angestrengt nachdachte.« Gus seufzte.

»Und wie lautet die Moral der Geschichte?«, fragte Susie.

»Dahinter sind wir bis jetzt noch nicht gekommen«, sagte Gus. »Nach Einlieferung in unsere Station in der Beekman-Klinik haben unsere Ärzte ihn sofort untersucht. Innerhalb einer Stunde ist er gestorben. Den Ärzten zufolge an Gift.«

»Durch welches Gift, und wie ist es ihm verabreicht worden?«

»Fugu«, erklärte Gus. »Gewonnen aus einer karibischen Abart des Kugelfischs...«

Thatcher nickte. »Wieviel hat Jensen gewusst? Wenn er unsere Flugzeuge benutzen durfte, ist er ja wohl kein Tellerwäscher gewesen.«

»Er hatte 'ne ziemlich hohe Stellung«, sagte Bernard. »Verschiedentlich habe ich ihn in diesen und jenen Absteigen gesehen, er wirkte immer wie ein Bibliothekar unter Weckamin. Trotzdem haben wir ihn als zuverlässig eingestuft, und anscheinend ist er ebenso kompetent wie jeder andere gewesen. Wahrscheinlich hat er einfach in irgendeinem Lebensabschnitt den falschen Weg gewählt.«

»Für mich ist die Sache klar«, sagte Thatcher. »Da lauern die Sushi-Fresser im Busch.«

Bernard runzelte die Stirn, und seine Antwort fiel so ernsthaft aus, wie ich sie erwartet hatte. »Wären diese kleinen Gelben nicht so klein, könnte man sie leichter erkennen.«

»Nach dem Krieg haben sich auf Guam welche noch dreißig Jahre lang versteckt gehalten«, argumentierte Thatcher.

»Wir nehmen an, das Gift befand sich an einem in die Rückseite seines Beins, hinters Knie, verschossenen Projektil, abgeschossen mittels eines getarnten Mikrobioinokulators«, erläuterte Gus. »Einer Luftpistole«, fügte er hinzu, als er merkte, dass außer Bernard niemand von uns verstand, was er meinte. »Lässt sich zum Beispiel leicht in einen Regenschirm einbauen. In einen Autoauspuff oder eine Kindertröte. Unschuld ist kein Hinderungsgrund für Mord.«

»Für mich hört sich das nach einem typisch russischen Schabernack an«, meinte Bernard, der seine Fingernägel betrachtete. Immer wenn er eine Diät machte, kaute er auf den Fingernägeln und fraß verbotene Kalorien. »Diese verrückten Krasnajas ziehen sich dauernd die Bond-Filme rein. Ich habe Ihnen oft nahegelegt, dass wir 'n wachsameres Auge auf die Trolle in Moskau haben sollten...«

»Sie sind viel zu stark auf die Wirtschaftsbeziehungen angewiesen«, sagte Thatcher. »Wir sind Geschäftspartner, Mann. Russland steht mit dem Land im Krieg, nicht mit uns.«

»Das gefundene Schrotkorn passt in Geräte kubanischer Herkunft«, konstatierte Gus, die gedämpfte Stimme von seinem kubanischen Akzent durchdrungen.

Thatcher schüttelte den Kopf. »Jetzt sind sie schon in der Scheißkaribik«, sagte er. »Endlich haben sie gemerkt, wo's langgeht.«

»Hör bloß auf mit deinen Festlegungen«, sagte Susie.

»Es besteht keinerlei Anlass zu so einem Verdacht«, mischte ich mich ein. »Man braucht nur Tokio auszusprechen, und sofort verhältst du dich, als ob Samurai durch die Fünfte Avenue stürmten.«

»Kümmere du dich um die Aufgaben, die dir zugewiesen werden, Schatzi«, erwiderte mir Thatcher. »Verstehst du vielleicht mehr als wir von Konspiration?«

»Um bei dieser Konspiration zu bleiben, für die uns keine Beweise vorliegen«, sagte Bernard, »möchte ich dazu anmerken, dass Jensen, falls er sich als Freischaffender betätigt hat, sehr wohl solo gearbeitet haben kann.«

»Lose Schrauben können ein Auto kaputtmachen«, sagte Susie.

»Da irgendwer ihn umgebracht hat, müssen weitere Personen darin verwickelt sein«, beharrte Thatcher. »Ich wollte, ich würde mich an den Scheißer erinnern. Von oben gesehen, haben diese Jungs unten irgendwie Ähnlichkeit mit Ameisen...«

»Er stand höher als ganz unten«, widersprach Susie. »Nachforschungen sind unverzichtbar.«

»Natürlich«, sagte Thatcher. »Du kannst drauf wetten, dass wir die Japsen noch mit der Luftpistole in den Krallen ertappen. Gerede über zu viele Bond-Filme...! Scheiße, Mensch, das war Gift, Fugu...!«

»Du bist ein richtiger Idiot, Thatcher«, schnauzte Susie ihn an; ihre schneeweiße Haut lief dunkel an, als wäre sie in Billigwein getaucht worden. Sobald etwas Susies Fuchtel zu entgleiten drohte, zappelte sie wild am Rande der Hysterie herum, bis ein Anwesender, wie sie es sich wünschte, aus der Klemme half. Weil sie zusammen mit ihrem Mann auf der Wippe des Daseins thronte, bedurfte Susie dringend des Gleichgewichts. »Sind nicht genug Machenschaften in Gang, ohne dass du welche erfindest, die gar nicht existieren?« Sie stand auf und trat zum Fenster, schaute sich, während sie Zeit schindete, die Umgebung an; diesmal ergriff als nächster Bernard, nicht Thatcher, das Wort.

»Wir sollten mal für 'n Moment Pearl Harbour außer Acht lassen und die Sachlage logisch betrachten. Oder spricht was dagegen?«

»Von mir aus, versuchen wir's«, antwortete Thatcher.

»Die Verhandlungen in Kyoto laufen seit anderthalb Jahren...«

»Seit einem Jahr und acht Monaten«, berichtigte Susie, ohne sich umzusehen.

»Am Dienstag werden Sie eine Besprechung mit dem Mann haben, der in Japan, soweit es überhaupt möglich ist, Ihr Gegenstück abgibt...«

»Oswego...?«

»Otsuka«, sagte Bernard. »Sie wissen seinen Namen, verwenden Sie ihn, wenn Sie mit ihm konferieren. Er ist die Person, die uns die Offerte unterbreitet hat, er ist's wert, dass man ihn sich anhört. Es kann nicht verkehrt sein, mit Japan die gleichen vorteilhaften Feindschaftsbeziehungen herzustellen, wie wir sie mit Russland pflegen, und bei Japan können wir uns sogar die militärische Interaktion sparen. Solange wir die Optionen postpositionieren...«

»Englisch, Bernard«, bat Thatcher nochmals.

»Welche Rolle wird Japan in zehn, zwanzig Jahren noch spielen? China hat seine Lektion gelernt. Sobald sie dort nur das halbe Produktionsniveau erreichen, können alle anderen zumachen. Dann brauchen wir für die Japaner bloß noch die Abfindungsregelung auszuarbeiten.«

»Als hätten sie nicht genug, um sich zur Ruhe zu setzen. Liegenschaften, landwirtschaftliche Betriebe, Fabriken, Kaufhäuser, Banken...«

»Seit der Krise sind sämtliche Vermögenswerte gesperrt worden«, sagte Bernard. »Erst sahnen, dann fackeln wir ab. Wir kassieren dreißig Prozent ihrer gesamten zukünftigen Gewinne aus auf amerikanischem Grund und Boden betriebenen Unternehmen...«

»Dreißig Prozent?«, wiederholte Susie. »Darum hat er sich gerissen?«

»Mit beiden Händen und Handkuss. Aber wenn wir erst mal unterzeichnet haben, müssen wir uns an die Übereinkunft halten. Faxen sind später nicht drin. Das ist an uns die einzige Anforderung...«

»Klingt gut«, sagte Thatcher. »Irgendwie zu gut.«

Susie trat vor Gus; ihre Stimme klang jetzt wieder ruhiger. »Ist die Sicherheitsabteilung doppelt so wachsam als sonst?«

»Selbstverständlich. Alles Wachpersonal wird Zuverlässigkeitsprüfungen unterzogen. Familie Dryden ist in Ihrem Haus in Westchester vollkommen in Sicherheit.«

»Heute ist Mittwoch«, stellte Thatcher fest. »Klären Sie den Fall Jensen, wenn's zu schaffen ist, bis Montag auf. Bringen Sie die Polizei dazu, falls nötig, zweckdienliche Verhaftungen vorzunehmen.«

»Wir haben ermittelt, was sich bei solchen Vorkommnissen im allgemeinen herausfinden lässt«, sagte Gus. »Es kann sein, dass der tatsächliche Attentäter sich als unaufspürbar erweist.«

»Wäre bestimmt nicht das erste Mal«, kommentierte Thatcher und musterte Gus, bis der Sicherheitschef fortblickte.

»Wir müssen uns noch mit so viel anderem befassen«, betonte Susie noch einmal, rieb sich die Stirn, als schaltete sie ihre Gehirnwellen auf Geschäftsdenken um; kaum schlüpfte sie in ihre normale Funktion, fing sogar ihre Redeweise sich zu verändern an. »Was steht hinsichtlich Interlage auf der Tagesordnung? Also, nun mal hergehört!« Interlage bedeutete in unserem sparsamknappen Kurzjargon Internationale Lage. Thatcher schüttelte, offensichtlich mit all den hässlichen Neologismen unzufrieden, den Kopf.

»In unserer Anlage in Vancouver lagern sechzehn Komma acht Millionen zur Vernichtung bestimmte Liter«, sagte Bernard, indem er von einem anderen Computerausdruck ablas. »Entschuldigung, zur Verteilung.«

»Als was?«, erkundigte sich Thatcher. »Flüssiger Krebserreger?«

»In dem Fall könnte ich mir nicht mal so 'n Schleudergeschäft vorstellen«, gab Bernard, das Kinn in die Hand gestützt, zur Antwort. »Nennen wir's einfach Wohltätigkeit.«

»Dritte-Welt-Abschreibung«, sagte Susie. »Weiter.«

»In Caracas wird die Dryco am ersten Januar die Produktion wiederaufnehmen...«

»Am fünfzehnten Dezember«, sagte Susie.

»Hat man dort je aufgedeckt, was eigentlich vorgefallen ist?«, wollte Thatcher erfahren.

»Schwere Werkshavarie«, lautete Bernards Auskunft. Das war eine reine Vermutung; fragen konnte man niemanden, weil es keine Überlebenden gegeben hatte. Ich starrte Thatcher ins Gesicht, als könnte ich darin die Zukunft vorausschauen, musste jedoch einsehen, dass ich als Seherin keine Zukunft hatte. Seine Handlungen blieben stets unberechenbar, aber seine heutige Schrulle - dass er alle Neigung zeigte, einem Lehrer im Getto Avancen zu machen - zeichnete sich durch besondere Rätselhaftigkeit aus. Über seine vordergründigen Behauptungen hinaus konnte ich in seinen Absichten keine höheren Zwecke erkennen.

»Was ist das, was mir da über 'ne Verzögerung beim Mauerbau zu Ohren gekommen ist?«, fragte Thatcher. »Worum dreht's sich dabei?«

»Den Fluss.« Arbeitslosenhilfeempfänger bauten an einem Damm, der im Fall, dass die Prognosen über die Folgen des Treibhauseffekts sich als akkurat herausstellten, die Stadtmitte vor Hochwasser schützen sollte. Verweigerten sie die Arbeit, strich die Regierung ihnen die Unterstützung; pro Zwölf stundentag zahlte man ihnen drei Groschen. Für freie Stellen, wie sie dauernd entstanden, gab es eine zweimonatige Wartezeit. »Im Herbst sind die Gezeitenfluten höher als erwartet ausgefallen. An der Cortlandt Street finden sie kein Muttergestein mehr. Keine Frau Schiefer oder so was.« Bernard schwieg, als erhoffte er sich eine andere als die Nullreaktion, die er mit seinem Gewitzel erzielte, ehe er weiter aus seinem Informationsfundus las. »In vierzehn Metern Tiefe sind sie auf Treibsand gestoßen. Die Geologen bestehen darauf, dass erst zusätzliche Untersuchungen durchgeführt werden...«

Thatchers Finger tippte auf mein Knie, als wollte er prüfen, ob mein Fleisch verdorben sei. Er steckte mir unterm Tisch einen Zettel zu.

»Haken Sie deswegen nach, Bernard, ich will wissen, wie die Einschätzung lautet.« Möchte dich heute Abend treffen, stand auf dem Zettel. Ich kritzelte meine Antwort auf die Rückseite und reichte ihm das Papier zurück, beobachtete im Augenwinkel die Wirkung. Thatcher beglotzte den Zettel, die dunklen Augen nahmen einen Ausdruck der Stierheit an. Man hätte seinen Gesichtszügen Übereinstimmungen mit Lincolns Miene nachsagen können, wäre Lincoln zwanzig Kilo schwerer und bartlos gewesen, hätte die Haare im Nacken zu einem kurzen Pferdeschwänzchen gebunden getragen. »Einfach vorsichtshalber. Guten Glaubens kann man sich auf niemanden verlassen.«

Heute Abend nicht, hatte er auf der Rückseite des Zettels gelesen.

 

Ich willigte ein, nach der Arbeit mit den anderen etwas trinken zu gehen; gewöhnlich zügelte Thatcher, solange Susie ihn begleitete, seine Leidenschaft. In dieser Jahreszeit fand ich mich mit der Gesellschaft ab, die ich haben konnte. Mir wäre es im Laufe der Jahre, in denen ich während der Erntedankfest-Hanukka-Weihnachts-Orgien hatte Putenbrust-Baguettes anstatt ganzer Puter futtern, Sträucher statt echter Weihnachtsbäume schmücken müssen, leicht möglich gewesen, ohne jede Selbsteinpeitschung, mir einzureden, trotzdem fielen die Festtage in jedem neuen Jahr denkwürdiger als im Vorjahr aus, doch nein, es hatte nicht geklappt; der Geist verwirft ein Zuviel an Lügen, so wie der Körper sich gegen zu viel Schlaftabletten wehrt.

»Was für ein schöner Sonnenuntergang«, bemerkte Thatcher, während wir die paar Häuserblocks von der Wall Street zu Fraunces Taverne mit dem Wagen fuhren. Stückweiser Himmel zwischen Gebäuden zeigte halb sichtbare Pracht. Die engen Straßen der Altstadt vermittelten ein Gefühl der Mittelalterlichkeit, man hatte, als säumten dicke Mauern und steinerne Zinnen sie, ein Empfinden, rings umschlossen zu sein. Als wir aus dem Auto stiegen, schlug uns die gestaute Nachwärme des Abends ins Gesicht; wie sahen zwei moderne Westgoten, Mitglieder des Mobs, der sich schon vor langem in der Stadt breitgemacht hatte, nämlich Wertpapierhändler, die kicherten wie dumme Jungs vor einem Sexkino, indem sie mit Regenschirmen auf einen Müllsack einstocherten. Aus dem Sack drang Gestöhne; der Mann, der darin stak, bedeckte die Augen mit den Händen.

»Amateure«, brummelte Thatcher halblaut, bekundete soviel Anteilnahme wie ich oder jeder andere, den ich kannte, am Schicksal der Verlierer, die verloren, damit wir, die Gewinner, auch wirklich gewannen. Thatchers Schneekönigin, hatte Bernard mich voller Erheiterung genannt: Eisprinzessin, Gletschergirl, Eisblume, Prinzessin Eisherz. War ich besser als Thatcher, weil ich das Geschehen bemerkt, aber dazu geschwiegen hatte? Auch das war eine der Lügen, die ich nicht länger verdrängen konnte. Der Zeitgeist meiner Generation spukte allein durch die Hallen der Gegenwart, ohne überflüssige Rücksicht aufs Versprechen eines unwahrscheinlichen Himmelreichs zu kennen; deshalb ging es mir wie allen, ich sah, aber sah nichts, ich nahm Anstoß, blieb jedoch gleichgültig, schaffte es nicht, mal lange genug innezuhalten, um darüber nachzudenken, was ich täte, versuchte ich etwas zu tun, überzeugte mich davon, ich könnte nichts ändern und tat folglich nichts.

Susie nahm Thatchers Arm, als wir das Lokal betraten, zog ihn an sich; er sträubte sich nicht. Vor unserer hatte er bereits andere Affären gehabt, doch Susie verließ ihn nie, und er wünschte auch gar nicht, dass sie fortginge. Nie sprachen sie über ihre unvermeidliche Symbiose, als wäre es ihnen einzugestehen peinlich, dass keiner von beiden sich allein in der Welt zurechtgefunden hätte. Kein Außenstehender vermochte ihren Schulterschluss zu sprengen; ich könnte mir bei derartigen Bemühungen nur den Kopf bis zur Erschöpfung einrennen. Ziemlich bald, glaubte ich - weil ich es glauben wollte, ohne zu wissen wie, ohne zu ahnen wann -, höbe ich einfach ab und ließe alles hinter mir; bis dahin gedachte ich die gemeinsamen Momente, die uns noch blieben, still verstreichen zu lassen, damit er meine Abwesenheit erst nach meinem Verschwinden bemerkte.

Wenig später standen die Getränke in unserer Nische auf dem Tisch. Gus kostete jedes vor, ehe wir tranken. Er und Jake, der uns begleitet hatte, belegten die äußeren Plätze, schirmten uns quasi vor der Menge der übrigen Gäste ab. Jake fegte Dreck aus meiner Ecke der Nische, und ich nahm den Drydens gegenüber Platz. Susie musterte ihren Mann, als ob sie in Gedanken die verschiedenerlei Weisen auflistete, wie sie ihn geliebt hatte.

»Ich finde diese Bude abscheulich«, sagte sie. »Es ist wie in 'm Raubtierkäfig.«

»Man kann sich nicht dauernd von allem abschotten, Liebling«, entgegnete Thatcher. »Denk an den armen, alten Elvis. Es sind die Höflinge, die den König zugrunde richten.«

»Scheiß-Elvis«, sagte Susie. »Schau mal lieber dich an. Volkstümliche Patriarchenjovialität für die Leute. Tolle Allüren...!«

»Tolle Leute.« Etwas streifte meinen Fuß; ich riss ihn zurück, weil ich schon in besseren Lokalen Ratten erlebt hatte. Hunderte amüsierten sich unter Eichenbalken, zwischen Bierkrügen, Zinngefäßen und Stahlstichen, bei ihren strapaziösen Spielchen. Ein Börsenmakler, immerhin kein Teenager mehr, kroch auf allen vieren umher und bellte, sein Schlips kehrte den Fußboden; zwei Frauen übten sich im Armdrücken, hatten ihre Fließbilder vergessen, jede stemmte die Füße in den Segeltuchschuhen gegen den Stuhl, während sie sich abrackerte, um den Arm der Kontrahentin umzubiegen; Immobilienhändler beschnippten sich gegenseitig mit Brotkügelchen, als versuchten sie ihre Konkurrenten durch unerprobte Bannflüche zu dezimieren. An der Theke bramarbasierte ein gealterter Mentor vor seinen Verwaltungsexperten und Sekretärinnen, krallte gelegentlich die Klaue in eine Kugel Käse, leckte sich beim Reden die Finger. Wer in New York wohnte, dem verzieh man jede Sauerei.

Gus zeigte Jake mit dem unbenutzten Besteck, wie man richtig den Tisch deckte; für seine Begriffe war gesellschaftliche Korrektheit ebenso wichtig wie gesellschaftliche Macht. »Die Salatgabel«, erklärte er, »legt man immer links neben die normale Gabel.«

»Gebongt«, sagte Jake, sah sich die Zinken beider Gabeltypen an. Wieder umstrich etwas sachte mein Bein. Um meine Strumpfhose nicht zu beschädigen, war Thatcher aus dem Schuh geschlüpft, er rieb mit dem Fuß meine Waden, wirkte währenddessen auf seine Tischnachbarn so meisterhaft unbeteiligt-elegisch, als hockte er auf dem Klo.

»Jeder hier kann einmal den Sprung nach oben tun«, behauptete Susie, fischte die Oliven aus ihrem Glas, trocknete sich die Hand ab, indem sie ihr kurzes Haar wuschelte, vielleicht weil sie im stillen hoffte, dadurch nebenbei das Grau in Platinblondtöne umzufärben. »Aus der Masse an die Spitze hochschießen. Das weißt du doch selbst.« Gus schnitt eine Miene des Missvergnügens; anscheinend hatte er gegenwärtig Probleme mit den Erinnerungen an seine Vergangenheit. »Was willst du eigentlich beweisen?«

»Ich lege gar keinen Wert darauf, überhaupt irgendwas zu beweisen, Liebling«, erwiderte Thatcher. »Ich versuche das Leben zu genießen, solang's irgendwie geht.« Sein Fuß schlängelte sich über meine Knie. Ich blieb reglos, ließ niemanden etwas merken. Als seine Zehen in meinen Oberschenkeln zu bohren anfingen, hätte ich ihn am liebsten ermordet. »Es sind die Extreme, die das Leben lebenswert machen. Der Tanz durchs Minenfeld der Existenz. Zum Beispiel, nachts ohne Licht über die Grenze zu fliegen. Oder in den Wettbewerb einzusteigen und mitzubieten, wenn keiner mehr damit rechnet. Bloß wenn jemand 'n normales Leben führt, heißt das noch längst nicht, dass er nicht dann und wann 'n Nervenkitzel braucht...«

»Du bist echt ein Blödmann...«

»Tja, Scheißparanoia, das ist dein Problem, Liebling«, unterbrach er sie, lachte. »Wenn meine Jungs was anpacken, haut's nicht daneben.« Er saugte seine Lippen auf ihrer Wange fest, als hätte er vor, sie anzufressen, stieß gleichzeitig seinen Fuß zwischen meine Beine, bis er ihn tiefer nicht mehr schieben konnte, bewegte die Zehen, als knetete er Matsch. Ich verschluckte mich, das Glas entfiel meiner Hand; Jake fing es auf, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Was ist los, Schatzi?«, fragte Thatcher, in seinen Augen, als er den Fuß zurückzog, einen post-koitalen Ausdruck.

»Hab was in den falschen Hals gekriegt«, sagte ich, presste die Beine zusammen, hatte ein Gefühl, als hätte ich Unerwünschtes geboren. »Klappt schon wieder.«

Susie betrachtete mich mit nicht mehr oder weniger Sympathie als eine auf Urteilsfindung erpichte, auf Verurteilung bedachte Richterin; meine Unschuld war so eindeutig wie bei jedem Beklagten. »Paranoid...!«, wiederholte sie. »Du bist doch derjenige, der alles unter Verschluss hält. Der immer ankündet, nächstes Weihnachtsfest wird's endlich rausgeholt...«

»Ich habe dir dabei geholfen«, sagte Thatcher, »die Unklarheiten der Situation zu überblicken.«

»Ich denke bloß daran, was ich mit alldem, das du in deinen Schränken versteckst, anfangen könnte.« Er nickte lediglich, schwieg dazu. »Du bist gut darin, Geheimnisse zu wahren, wenn du's unbedingt willst. Diese Sache, die Joanna morgen für dich recherchieren soll... Wonach soll sie denn suchen? Was kann sie da finden? Du verhältst dich, als ob du der Überzeugung wärst, es müsste sich lohnen.«

»Kann sein.« Thatchers Miene täuschte Ahnungslosigkeit vor, als wäre Vorspiegelei eine seiner natürlichen Eigenschaften. »Lass uns nach der Arbeit nicht übers Geschäftliche reden, Liebling...«

»Ich wüsste keinen günstigeren Zeitpunkt«, erwiderte Susie. »Was hat dieser Freak, auf das du scharf bist?«

»Stell dir vor, auf 'm Weg woandershin machen Typen bei dir 'ne Stippvisite«, sagte er; beim Sprechen blickte er hinauf an die Decke, als malte er sich etwas aus, das sich noch nicht in seinem Besitz befand. »Während des Besuchs gehen sie zur Toilette und verstopfen das Abflussrohr, weil sie Gold scheißen. Dann wirst du doch wohl keinen Klempner rufen.«

Auf diese Standpauke fiel Susie keine Antwort ein. Sie kannte ihn seit seinen Anfängen, als er und sein Bruder nichts anderes als ein Flugzeug und ein Feld im kolumbianischen Hochland gehabt hatten. Einmal hatte er mir gegenüber eingeräumt, dass sie dank Susies Geschäftstüchtigkeit dahin gelangen konnten, wo sie heute standen, allerdings nur, weil er über ein - wie er es bezeichnete - idiotensicheres Gespür fürs Timing verfügte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich jemals völlig an ihn gewöhnt hat.

»Falls es etwas gibt, das du mir verschweigst, wär's mir angenehmer, du verrätst es mir«, sagte ich, bezweifelte jedoch, dass er auf mein Anliegen achtete, geschweige denn, mir antwortete. »Hinter was soll ich mich da eigentlich klemmen?«

Sein Lächeln ähnelte der alten Narbe eines Kaiserschnitts. »Wäre ich sicher, würde ich's dir mitteilen, aber ich bin's nicht. Schau dir ganz einfach mal an, was los ist, und gib mir Bescheid.« Er hob sein Glas. »Prost.«

»Auf was trinken wir?«, fragte Susie, hob das eigene Glas; ein Kellner füllte es nach.

»Auf alles«, sagte Thatcher gedämpft; das Raunen galt seiner Mutter.

Als wir zum Gehen aufstanden, half Jake mir in die

Jacke; ich lächelte ihm zu, und er grinste zurück, das Gesicht voller Wohlwollen. Gus strebte voraus, Jake folgte als letzter; die Menge der übrigen Gäste teilte sich vor unserer Annäherung wie vor einem Häuflein mit Glöckchen behängter Aussätziger. Jeder im Lokal musste direkt oder indirekt für die Dryco tätig sein; das bedeutete genug Grund zur Vorsicht. Wir warteten, während die Nacht uns umfing, auf die Ankunft unserer Wagen. Ich sah hinter Thatcher und Gus von Westen her etwas Verschwommenes heransausen; ein Fahrradbote raste mit einer Lieferung zu jemandem, der nicht warten konnte, beide wussten nichts Wichtigeres als ein wenig gewonnene Zeit.

»Achtung!« schnauzte der Bote im Heransausen. Als er an einer unversehrten Straßenlaterne vorbeiflitzte, schoss Jake. Das Fahrrad rollte noch ein Stück weit über den Helligkeitskreis hinaus, ehe es umkippte. Gus legte die Hand auf Jakes Schulter.

»Sie haben voreilig gehandelt, Jake«, sagte er. »Ich habe nichts unternommen, weil ich gesehen habe, dass er unbewaffnet ist.«

»Tschuldigung«, stieß Jake hervor, schlug sich, als mutete die Einsicht in seine Überstürztheit ihm zu viel zu, die Hand auf den Mund.

»Und Sie müssen an Ihre Atmung denken. Beim Feuern müssen Sie einatmen und den Atem anhalten. Dann lassen Sie ihn schubweise entweichen.« Gus machte es ihm vor. »Es muss sich anhören wie eine alte Dampflokomotive. Das klärt den Kopf.«

»Nächstes Mal verpassen Sie so einem bloß 'n Warnschuss ins Knie, Jake«, sagte Thatcher, als wäre er bar jeglichen Gefühls. Innerlich hatte der Vorfall, wie ich wusste, ihn aufgewühlt wie ein Seebeben. »Verhältnismäßigkeit. Das ist der richtige Weg.«

Mit einem Dryco-Dienstwagen fuhr ich zu meiner Wohnung in der King Street heim; das Apartment hatte ebenfalls die Dryco gestellt. Thatcher gab mir viele Nägel zum Gebrauch. Ich bewohnte die unteren zwei Etagen eines 1825 erbauten, von den vorherigen Bewohnern auf postmodernen Standard gebrachten Wohnhauses. Nach der Neuordnung hatte man sie im Rahmen der Sanierung auf die Straße gesetzt. Vielleicht hatten sie es, tröstete ich mich, sowieso nie verdient gehabt. Möglicherweise begegnete ich ihnen jeden Morgen, zählten sie zu den Figuren, die meine Kleidung brapschten, um Pfennige baten, um Kleingeld bettelten. Auf dem Bürgersteig und der Außentreppe lagen Spritzen und Flaschenscherben, hinterlassen von Obdachlosen, als hätten sie uns in der Straße Wohnhaften daran zu erinnern beabsichtigt, wie lange wir selbst auf der Kippe gestanden, in der Hoffnung, nicht auf den Bauch zu fallen, auf Ausgewogenheit vertraut hatten.

Heute schrie meine Nachbarin in der dritten Etage nicht herum. Indem ich mich, sobald ich im Bett lag, in meine Kuscheldecke wickelte, als ob ich erwartete, erst in tausend Jahren ins Wachsein zurückgerufen zu werden, ließ ich mich von meinen Erinnerungen bis zur Besinnungslosigkeit betäuben. Eine Bekannte, die in der Nachbarschaft wohnte, hatte mir einmal, während ich bei ihr zu Besuch saß, eine Geschichte erzählt, die man nie in den Nachrichten gebracht hatte. Im Corlears Hook Park hatte das Heer sechzig Problempersonen erschossen. In weißen Fahrzeugen rollten Sanitäter an, packten sie in Kleidersammlungs-Plastiksäcke des Roten Kreuzes und scharrten sie ein. Später kam eine Frau zu der Grube. Mit nackten Händen buddelte sie in der Erde, bis sie ihren Mann fand. Sie bedeckte die anderen Toten wieder mit der Erdschicht und schleppte ihn fort, weil er andernorts seinen Letzten Schlaf allein halten sollte. Jemand der zugesehen hatte, wie sie auf seiner neuen Grabstelle den Lehm festklopfte, fragte sie, wohin sie nun ginge. Zum Lebensmittelladen, hatte sie geantwortet. Ich habe Mäuler zu füttern.

 

  Zwei

 

 

 

Während wir an der Ampel warteten, sahen wir Panzer die Erste Avenue entlangrasseln. In den ersten Monaten der Neuordnung waren so zahlreiche zur Befriedung eingesetzte Kampffahrzeuge durchs Straßenpflaster in die U-Bahn-Stollen eingebrochen, dass jene, die jetzt noch durch Manhattan patrouillierten, ausschließlich die Straßen mit dickerer Kruste benutzten. Sogar in den störrischeren Gegenden der Stadt herrschte gegenwärtig ein Anschein von Ruhe vor; in der Regierung hätten viele, besonders Armeekommandeure - selbst bei der Dryco gab es Befürworter -, gerne die Soldaten aus New York abgezogen, so wie aus anderen Städten, und nach Long Island geschickt, wo man sie benötigte. Doch die Drydens lehnten einen Rückzug des Militärs ab; das Heer hatte keine Möglichkeit zur Unterdrückung von Unruhen, wenn es abwesend blieb und keine Unruhe auslösen konnte.

»Es ist traurig, dass so viele Leute darauf hoffen, es würde besser«, meinte Avi, blickte durchs Einwegglas der Autofenster, als sähe er sich vorm TV-Apparat seine Lieblingssendung an. »Das wirkliche Opium fürs Volk ist die Hoffnung. Es wäre sinnvoller, die Menschen beschränkten sich auf das, was ist. Aber nein, sie träumen davon, dass der Mann auf der weißen Eselin geritten kommt und alles wieder in Ordnung bringt. Als Traum ist das ein wahres Krebsgeschwür.«

»Erfüllt Krebs keinen sinnvollen Zweck?«, fragte ich, träumte für meinen Teil noch immer davon, einmal in einem Wortwechsel mit Avis die Oberhand zu behalten und zu hören, wie er es eingestand.

»Er bewirkt«, sagte er, »dass Menschen die Welt so sehen, wie sie ist.«

Ein Panzer trödelte hinter der Kolonne her, vermutlich saß darin als Kommandant der Regimentstrottel. Er erkannte unser Auto als Dryco-Dienstwagen und drehte den Turm in unsere Richtung, und wäre es nicht bloß zum spaßhaften Gruß gewesen, ich weiß nicht, was Avi getan hätte oder noch hätte tun können. Alle Sicherheitsmitarbeiter hatten Fähigkeiten in allen Bereichen; nach Gus zählte Avi zu den fähigsten, doch ich habe nie angenommen, er könnte uns immer retten.

»Ich rate dir seit jeher, das Leben so zu nehmen, wie's ist. So wie alle anderen 's auch halten sollten. Alles ist nur Karma.«

Unser Wagen schlich ostwärts zur Neunten Straße. Im Verlauf der Nacht hatte eine Kältefront die Wolken vom Himmel verdrängt; die Morgensonne glitzerte auf den Tränen von Millionen.

»Karma?«, wiederholte ich. »Schmeggege. Du bist mir vielleicht ein Hindu.« Er lächelte, als er ein Wort einer Sprache hörte, die er totzuschweigen vorzog. Avis Familie bestand aus Lubawitscher Hasidim; seiner alten Welt hatte er schon als Jugendlicher den Rücken zugekehrt. Als Twen hatte er sich reichlich am Buffet der Glaubensgemeinschaften bedient, von den Angeboten des Unitarismus, Katholizismus, Reformjudaismus, Buddhismus und sonstiger Bekenntnisse gekostet und die Proben verdaut, sich endlich auf einem Teller diverse Häppchen zusammengestellt, an denen er fortan mümmeln konnte. Seine unerschütterlichste Überzeugung betraf ein Weiterleben nach dem Tod, das fürs vorherige Dasein eine solche Wiedergutmachung bedeuten sollte, dass er für die eigene Existenz keine höhere Rechtfertigung sah, als Zeitgenossen den Lebensweg zu verkürzen.

»Betracht's wie 'n Markennamen«, empfahl er. »Wie Kleenex, Lasereo oder Gott. Ein Wort, das man versteht, ohne den Inhalt zu begreifen.« Mit einem Seidentaschentuch, das ihm seine Verlobte geschenkt hatte, putzte er sich die Brille. »Die Medien haben die gleiche Einstellung«, fügte er hinzu, reichte mir sein Exemplar der Newsweek. »Für die sechs Milliarden«, hieß es mit Bezug auf all jene, die unseren Bahnhof mit dem 20.-Jahrhundert-Zug verlassen hatten, auf dem Titelblatt. Ich hatte den Artikel schon quer durchgelesen und gimpelhafte Formulierungen entdeckt, die sich anmaßten, ein volles Verständnis der Jahre zu haben, in denen sich das Zeitalter des vollendeten Viktorianismus in unsere NeoPost-Epoche verwandelte. Vielleicht hofften die Herausgeber, aus dem, womit sie die Seiten füllten, könnten sich unerwartete strukturelle Zusammenhänge ergeben, doch heutzutage gaben die Schnittmuster, nach denen die Fabrikation der Konfektionsklamotten erfolgte, die einzigen beständigen Schemata ab. Sie hatten altbekannte Bilder aus dem Familienalbum der Menschheit nachgedruckt; Foto reihte sich an Foto: Elvis neben Hitler, Joyce neben den Beatles; den Matrosen, der am Tag der japanischen Kapitulation auf dem Times Square ein Mädchen küsste, sah man Seite an Seite mit dem Mädchen, das brennend über eine Landstraße Vietnams rannte; Gorbatschows Konterfei hatte man zwischen Einzelbild 313 des Zapruder-Films und eine Aufnahme der ersten Infanterieabteilung platziert, die über die Fußgängerbrücke der 95. Straße marschierte.

»Mir kommt's so vor, als erlebten wir jetzt bloß Geburtswehen, als würde der stärkste Schmerz uns erst nach der Entbindung bevorstehen«, sagte Avi. »Wer weiß? Aber dass wir in einer miesen Welt leben, heißt noch längst nicht, dass wir sie nicht lieben sollten.«

An der letzten Straßenecke gab es einen dichtgemachten Benetton-Laden zu sehen. Gegenüber, an der Ecke zur 9. Straße, hatten Anwohner eine Mauer mit einer Gruppe schlecht dargestellter Skelette bemalt, die graue Nadelstreifen trugen, genau wie ich, in strammem Marschtritt die Beine bis zum Mittelfußknochen über die Schädel hochschwangen. »Majoretten der Hölle«, lautete Avis Kommentar. »Schreckliche Aussichten.«

»Sie haben hier die Hausnummern überpinselt«, beanstandete der Fahrer, verminderte das Tempo, damit wir weder das Haus verfehlten, noch jemanden überfuhren.

»Es ist ein paar Häuser westlich der Avenue A«, sagte ich. »Dort muss es sein.«

Mit Ausnahme des Eingangs ähnelte das Gebäude den sechsstöckigen Nachbarhäusern; es glich einem Kadaver in einer Aufreihung seinesgleichen, die die Lehren des Neo-Tags abwartete. Die früheren Mietshausarchitekten hatten oft über die Vordereingänge ihrer Bauten Namen meißeln lassen, um frisch eingetroffenen Einwanderern einen Neue-Welt-Traum zu gewähren, die Einbildung, ihre Mietskasernen stünden dem Hotel Dakota oder dem Beinord nicht nach. Die Stahltür zu Macaffreys Schule wies einen chromgelben Anstrich auf; der Name darüber - Hartman - glänzte von verschmuddelter Vergoldung. Aus Doppelkreisen, die wie Buchstützen eine Weltkugel in der Balance hielten, lugten die zerfressenen Gesichter steinerner Seraphim; jeweils drei Paare ihrer Schwingen bildeten einen Kreis. Die Augen schienen den Engeln auf die Wangen auszulaufen, als hätten sie arglos und unvorbereitet die Dreifaltigkeit dieser Welt erblickt.

»Beachte sie gar nicht, Avi«, sagte ich, meinte damit die noch nicht Erblindeten, die auf dem Bordstein, auf Außentreppen und Veranden kauerten. Laut kürzlich gelesener Zahlen sollte die Bevölkerungsdichte Unteraffenkaffs sich wieder der Größenordnung annähern, die sie um die letzte Jahrhundertwende gehabt hatte, doch das erachtete ich als ausgeschlossen; zu viele alte Gebäude existierten nicht mehr, und eine derartige Menge an Menschen konnte unmöglich in den Straßen hausen.

»Dass ich einschreite, wird zwangsläufig nötig sein, Joanna. Das weißt du doch selbst.«

Die Gnade bei Avis Auserwähltheit, die ihn zum Verdämmen und Erretten befugte, lag in der Tatsache, dass er seinen Daseinszweck so gut durchschaute. Kaum waren wir ausgestiegen, verriegelte der Fahrer den Wagen und setzte die Karosserie für die Dauer unseres Besuchs in der Schule unter Strom. Sofort umringte man uns zu Dutzenden, trennte uns, fuchtelte ausgestreckten Arms mit leeren Bechern, die ganze Horde umschwirrte uns wie ein Bienenschwarm.

»Geld«, rief man. »Bitte Geld für Essen. Geld.«

Ich starrte geradeaus, ohne irgendwen oder irgendwas anzusehen, so dass ich mir einreden konnte, diese Leute seien gar nicht wirklich da. Indem ich verunstaltete Finger von meinen Schultern schüttelte, versuchte ich mich durchs Gewimmel zu schieben. Jemand rammte eine Faust in meine Hosentasche, hielt mich zurück. »Du hast Kies, du Luder«, quetschte mein Bedränger hervor, riss an mir herum, als hätte er vor, mir die Kleider vom Leib zu ratschen. Seine Pupillen zeigten die gleiche Leblosigkeit wie die Augen der Steinengel. »Her damit!«

Ich gab mir alle Mühe, um mich ihm zu entziehen, doch er konnte oder wollte die Hand nicht mehr aus meiner Tasche entfernen.

»Avi!«, schrie ich; durchs Getümmel bahnte er sich zu mir eine Gasse. »Jag ihn weg...!«

»Geld her...!« Avis Hand umschlang den Hals des Kerls. Ich zerrte die Tatze aus meiner Tasche, während Avis die Gestalt auf den Bürgersteig senkte. Der Mob wirkte gleich merklich ruhiger und zerstreute sich. Avi ließ den Mann hinsacken, nahm mich am Arm und führte mich zum Haus.

»Hast du ihn umgebracht?«, fragte ich; mein Bein war von der Berührung des Penners noch warm.

Er nickte. »Gib nichts drum.« Wir hasteten die ausgetretene Eingangstreppe der Schule hinauf. Avis verwendete waffenlose Kampfmethoden, mit denen er kein Blut vergoss, so dass er frei von Sünde blieb. Nichts darum geben? Obwohl ich unter jedes Mitleid einen Schlussstrich gezogen hatte, machte ich noch immer nachts ins Bett.

Sobald wir das Gebäude betreten hatten, gelangten wir in einen so ausreichend vergrößerten Flur, dass er als Foyer benutzt werden konnte. Ungleichmäßig mit Klebestreifen befestigte Poster bedeckten die Löcher und Placken im Putz, wie Pflaster Wunden verhüllten. Einige Aushänge listeten medizinische Litaneien und die achtundneunzig Frühwarnsymptome von Krebs auf; ein Plakat nannte Telefonnummern, die man bei Vergewaltigung, Überfall, Unfall oder Suizidgefahr anrufen könnte, jedoch mit dem Hinweis, es gäbe für keine Probleme irgendeine Abhilfegarantie. Ein weiteres, in grellbunten Farben gedrucktes Plakat beschrieb den richtigen Gebrauch von Verhütungsmitteln. Ein Poster präsentierte lediglich ein Foto von Kätzchen mitten zwischen Blumen. Sie sahen aus, als wären sie ausgestopft. Hinter einem mit Farbflecken besprenkelten

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jack Womack/Apex-Verlag. Published by arrangement with Ware Literary Agency, New York 10017, USA.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Übersetzung: Horst Pukallus (Heathern).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 27.03.2018
ISBN: 978-3-7438-6319-4

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