JOSEPH HOWARD
Damien -
Das Omen II
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAMIEN - DAS OMEN II
Prolog: Vor sieben Jahren
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Das Buch
Sieben Jahre sind vergangen: Damien Thorn ist inzwischen dreizehn Jahre alt geworden. Er kennt seine Herkunft nicht, kämpft allerdings seit einiger Zeit mit einer unerklärlichen inneren Unruhe und entdeckt buchstäblich übermenschliche Kräfte an sich. Nach dem Tod seiner Eltern hat Richard Thorn, Jeremy Thorns Bruder, den Waisen aufgenommen und zieht ihn an der Seite seines Sohnes Mark auf. Die beiden Vettern besuchen eine elitäre Militärakademie, wo man ihnen das Rüstzeug vermitteln soll, das sie benötigen werden, wenn sie dereinst den weltumspannenden Thorn-Konzern übernehmen. Nach und nach sterben jedoch all jene, die Damien im Wege stehen, und am Ende ist er der Alleinerbe des Industrie-Imperiums: die Personifizierung der Macht des Bösen...
Joseph Howard schrieb den ebenso düsteren wie spannungsgeladenen Roman zum Film Damien – Das Omen II (nach dem Drehbuch von Stanley Mann und Michael Hodges), der im Jahre 1978 ein weltweiter Kino-Erfolg wurde: mit William Holden, Lee Grant, Lance Henrikensen und Jonathan Scott-Taylor in den Hauptrollen (unter der Regie von Don Taylor).
DAMIEN - DAS OMEN II
Prolog: Vor sieben Jahren
Carl Bugenhagen, der Archäologe, machte sich Sorgen.
Nicht, weil er sich tief unter der Erde befand und sich dort hindurcharbeitete wie ein Maulwurf in seinem Loch. Bugenhagen gefiel es da unten: Es war kühl und dunkel, es roch angenehm nach der Vergangenheit, und es war still.
Nur jetzt nicht mehr.
Bugenhagen hatte angefangen, Geräusche zu hören. Er war nicht leicht in Angst zu versetzen. Er war ein kräftiger Mann Ende Fünfzig mit dem massigen Genick und den Schultern eines griechischen Ringers aus der Zeit der Antike. Das weiße Haar, der Bart und die glühenden Augen verliehen ihm das Aussehen eines alttestamentarischen Propheten, was gut passte, denn Bugenhagen erkundete in diesem Augenblick eine Ausgrabung unter der Erdoberfläche Israels. Er befand sich nicht allein dort, nicht nur, weil er einer der hervorragendsten Archäologen der Welt war, sondern auch, weil er versuchte, die Existenz des Teufels zu beweisen.
Die Geräusche beunruhigten Bugenhagen, und er hatte guten Grund dafür, diese Angst zu fühlen. Er fürchtete, dass er der nächste in einer Reihe von Menschen sein würde, die zu töten der Teufel gezwungen gewesen war, weil sie gedreht hatten, die Wahrheit zu enthüllen. Mehr noch, der Teufel hatte allen Anlass, Bugenhagen zu töten, denn Bugenhagen hatte in seiner Anmaßung und Frömmigkeit versucht, Ihn zu töten.
Bugenhagen war nicht bestrebt, für sich selbst Beweise dafür zu finden, dass der Teufel tatsächlich existierte; er besaß bereits sämtliche Beweise, die er brauchte - ja, so viele, wie er zu ertragen vermochte. Alles, was er solange vermutet hatte, hatte sich als vollkommen zutreffend herausgestellt. Auf erschreckende Weise. Nein - er brauchte den Beweis für seinen Mitarbeiter Michael Morgan, damit die Wahrheit weiterleben konnte. Bugenhagen wusste nur zu gut, dass einer, der versucht hatte, den Antichrist zu töten - und dabei gescheitert war -, nicht darauf hoffen durfte, der Strafe zu entrinnen.
Bugenhagen hatte das Thema Morgan gegenüber am Vortag erwähnt, als sie in einem zauberhaften Café am Meer gesessen, Likör getrunken und die Spätnachmittagsschatten beobachtet hatten, wie sie sich am abkühlenden Fliesenboden unter ihren Füßen ausdehnten...
Morgan hatte ihm zuerst nicht geglaubt - und Bugenhagen konnte das verstehen. Man musste wahrlich das eigene Weltbild in Frage stellen. In der nahöstlichen Welt greller Farben sitzend, während die untergehende Sonne dunkle Orange- und Rottöne über das dunkelblaue Mittelmeer schießen ließ und das verblassende Licht von den weißen Steinmauern der alten israelitischen Stadt Akkon zurückgeworfen wurde, dachte sogar Bugenhagen zum erstenmal an die Möglichkeit, dass er vollkommen verrückt sein mochte.
Aber dann versicherte ihm etwas in seinem Inneren, eine Stimme, keiner gleichend, die er kannte, dass er nicht nur bei Verstand, sondern überdies mit einem Wissen gesegnet sei, das weiterzugeben seine ungeheure Verantwortung und auch seine Pflicht war.
Es störte Bugenhagen, dass Morgan zwar bei seiner begreiflichen Skepsis blieb, seine, Morgans, hübsche Freundin aber keinerlei Schwierigkeiten zu haben schien, ihm zu glauben. Dass sie überhaupt dabei war, hatte Bugenhagen von Anfang an gestört. aber Morgan war ein unverbesserlicher Romantiker und selten ohne weibliche Begleitung, wobei es auf die Gelegenheit nicht ankam. Obwohl Bugenhagen also ausdrücklich auf einem privaten Zusammentreffen bestanden hatte, war er keineswegs überrascht gewesen, eine Frau in Morgans Begleitung vorzufinden f nur verärgert.
Sie hieß Joan Hart und war eine auffallende Erscheinung, mit kastanienbraunem Haar und funkelnden Augen. Bugenhagen wusste nicht, was er von Frauen ihrer Art halten sollte. Als er jünger gewesen war - jung genug, um von ihrem Aussehen überwältigt zu sein, wenn auch gewiss nicht von ihrer Art, sich auszudrücken -, hatte es Frauen wie Joan Hart noch gar nicht gegeben.
Sie war freiberufliche Foto-Journalistin, eine Tatsache, die sie nicht nur bei jeder sich bietenden Gelegenheit verkündete und durch einen festen Händedruck und ein geübtes Lächeln unterstrich, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie sich anzog, hervorhob. Ihre Kleidung, offenkundig von einem Londoner Schneider zu zweifellos sündteuren Preisen maßgeschneidert, zielte anscheinend darauf ab, Ernest Hemingway auf Safari in Erinnerung zu rufen. Dazu trug sie geradezu absurd großen Schmuck und hatte stets mehrere Fotoapparate um den Hals hängen. Sie rauchte und redete ohne Unterbrechung.
Trotz der ganzen Ausrüstung hielt sich Joan Hart jedoch nicht ausschließlich aus beruflichen Gründen in Akkon auf. Sie war auch wegen Michael Morgan hier, der im Augenblick der wichtigste Mann in ihrem Leben war; jegliche weitere Aufmerksamkeit beanspruchte selbstverständlich ihre Arbeit.
Joan Hart, gerade erst aus London, wo sie zu Hause war, mit dem Flugzeug angekommen, hatte bereits die Zeitungsschlagzeile gesehen, die Bugenhagen Morgan jetzt zeigte:
US-BOTSCHAFTER UND SEINE FRAU BEERDIGT
Morgan hatte sie ebenfalls schon gesehen, war aber nicht besonders daran interessiert gewesen, so wenig wie jetzt auch.
»Ja«, sagte er in der gleichgültigen Art, die Engländern aus der Oberschicht entsprach, wenn sie sich bemühen, höflich zu sein, »sehr sonderbar.«
Bugenhagen zeigte ihm unbeirrt die zweite Zeitung, eine amerikanische, mit der Schlagzeile:
DER PRÄSIDENT UND SEINE FRAU TRÖSTEN TRAUERNDEN SOHN
Bugenhagen deutete mit einem kurzen, dicken Finger auf die Fotografie eines sechsjährigen Jungen, der ein schwarzes Armband am Ärmel trug - eines Jungen, dessen Gesicht so schön und strahlend war wie die Gesichter der Cherubim, die Renaissanee-Maler in die Ecken von Kirchenschiffdecken gemalt haben, hoch oben, wo fast niemand sie sehen kann.
»Erkennen Sie ihn nicht?«, fragte Bugenhagen.
Morgan blickte wieder auf das Bild und sah es sich genauer an. »Nein«, sagte er schließlich.
Die Enttäuschung, nur mehr der einzige zu sein, der wusste, der einzige, der begriff, begann ihren Tribut von Bugenhagen zu fordern. Als er weitersprach, klang seine Stimme schärfer als beabsichtigt. »Haben Sie denn Jigaels Mauer noch nicht gesehen?«, fragte er.
»Sie ist erst vorige Woche freigelegt worden, Car!«, begann Morgan, aber Bugenhagen unterbrach ihn sofort.
Das Bedürfnis, das Ganze endgültig zu erklären, gleichgültig, wie absurd und unlogisch es klang, war alles, woran Bugenhagen zu denken vermochte. Es bleibt so wenig Zeit. Sein Finger stach wieder auf das Bild, und er sagte ganz langsam und deutlich: »Das Gesicht von Jigaels Satan ist dasselbe! Es gibt keinen Zweifel! Dieser Junge, dieser Damien Thorn, ist der Antichrist!«
Morgan zog in verwirrtem Protest eine Braue hoch. »Carl...«, sagte er. aber Bugenhagen unterbrach ihn wieder.
»Sie müssen mir glauben!«
Morgans Lächeln verschwand. Die Heftigkeit in Bugenhagens Stimme, sein Gesichtsausdruck erschreckten ihn plötzlich. Das war kein lallender, alter Narr; das war sein Mentor, jener Mann, von dem er alles gelernt hatte, was er wusste. »Car!«, sagte er noch einmal mit leiserer Stimme. Er wusste selbst noch nicht genau, was aus seinem Mund kommen würde. »Ich bin Archäologe, kein religiöser Fanatiker.«
»Von welchem ihr habt gehört, dass er kommen werde...«, sagte Bugenhagen, aber plötzlich konnte er sich an den Rest nicht mehr erinnern, er war zu müde. Seit Tagen hatte er nicht geschlafen. Er hatte sich vor dem Schlaf gefürchtet. Und nun begann ihn sein Gedächtnis im Stich zu lassen,
Morgan warf Joan einen Blick zu, bemerkte aber sofort, dass er von ihr keine Unterstützung zu erwarten hatte. Sie war von Bugenhagens Auftritt wie hypnotisiert. Er schüttelte den Kopf und wandte sich Bugenhagen wieder zu.
»Wie sehen die Fakten aus, Carl?«
Bugenhagen hob den Kopf. »Vor einer Woche versuchte sein Vater ihn zu töten«, sagte er. »Auf dem Altar der Allerheiligenkirche in London. Er versuchte, dem Jungen mehrere Dolche ins Herz zu stoßen.«
Joan schauderte. Morgan griff nach seinem Glas und sah sich die Zeitungsausschnitte noch einmal in Ruhe an.
»Es gibt aber ein scheinbar nebensächliches Detail, das diese Blätter weggelassen zu haben scheinen«, sagte er. Bugenhagen atmete tief ein. »Ich habe ihm die Dolche selbst gegeben«, sagte er gepresst. »Mein Freund, Pfarrer James, war in der Kirche dabei und Zeuge des ganzen Vorfalls. Er rief mich eigens an, um mir davon zu berichten. Er erkannte die antiken Dolche und überredete die amerikanische Botschaft dazu, sie von der Polizei zurückzufordern, damit sie mir zurückgegeben werden können.«
In der langanhaltenden Stille danach starrte Morgan ihn nur an, das Glas auf halbem Weg zum Mund. Auch Joans Blick hing wie gebannt an ihm. Bugenhagen wusste, dass er jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit hatte, und er sprach mit Nachdruck hastig weiter, um alles anzubringen, solange der Schock seiner Mitteilung sie noch gefangen hielt.
»Der Botschafter hieß Jeremy Thorn«, fuhr er fort. »Als seine Frau in einer Klinik in Rom ihr Baby verlor, nahm er auf Drängen eines Mannes hin, der sich als Priester ausgab - der in Wirklichkeit aber ein Apostel des Antichristen war -, ein neugeborenes Kind an. Thorn gab das Kind seiner Frau, die nicht wusste, dass ihr eigenes gestorben war, und ließ sie in dem Glauben, es sei ihr eigenes. Sie liebten das Kind und zogen es in London auf - ohne zu ahnen, dass es von einer Dienerin des Bösen geboren worden war!« Bugenhagen schluckte und fuhr fort: »Bald fing es an, alle zu vernichten, die seiner wahren Natur auf die Spur kamen, und Thorn suchte bei mir Hilfe. Ich hörte mir seine Geschichte an und wusste sofort, dass er die Wahrheit sagte, weil ich schon lange zuvor Zeichen dafür erhalten hatte, dass ich eines Tages derjenige sein würde, der handeln müsste. Also gab ich Thorn die sieben antiken Dolche, die Waffen, die nötig sind, um das Herz des Teufels zu durchstoßen. Inzwischen war Thorns Frau tot, ebenso wie zwei andere arme Seelen, die hinter die Wahrheit gekommen waren.« Bugenhagen ließ den Kopf sinken. »Bevor Thorn das Herz seines Teufelssohnes durchstoßen konnte, brachte ihn die Polizei um, in der Annahme, er habe aus Trauer über den Tod seiner Frau den Verstand verloren.« Bugenhagen deutete wieder auf die Aufnahme. »Das Kind lebt noch immer!«
Nach langer Zeit fragte Morgan: »Wo befindet er sich jetzt?«
»In Amerika«, antwortete Bugenhagen, »bei seinem Onkel, dem Bruder seines Vaters. Wo er, wie geschrieben steht, große Macht haben und die Mächtigen und Heiligen vernichten wird.«
Joan Hart, ganz Journalistin, war außer sich.
»Oh, Michael«, sagte sie, »fliegen wir nach Amerika!«
»Sei still!«, stieß Morgan hervor. Hier ging es nicht um einen Sensationsmeldung für die Zeitung. Wenn in dem, was Bugenhagen gesagt hatte, auch nur ein Körnchen Wahrheit steckte, war es Frevel, das Ganze auf die leichte Schulter zu nehmen.
Bugenhagen griff unter den Tisch und hob einen wunderbar verzierten alten Lederbeutel mit mehreren Taschen und vielen Gurten und Schnallen auf. Es klirrte, als er ihn auf den Tisch stellte.
»Das müssen Sie den neuen Pflegeeltern des Jungen bringen«, sagte er. »Der Beutel enthält die Dolche und einen Brief, der alles erklärt.«
Morgan dachte über Bugenhagens Forderung nach, Es war eine Sache, die Geschichte von jemandem zu hören, der von ihrer Wahrheit überzeugt war, und sich von der Macht seiner Persönlichkeit beeinflussen zulassen; es war eine ganz andere Sache, die Geschichte selbst zu verbreiten.
»Bedaure, Carl«, sagte er kopfschüttelnd, »Sie können von mir nicht verlangen, dass ich einfach...«
»Sie müssen gewarnt werden!«, rief Bugenhagen. Die Leute am Nebentisch drehten neugierig die Köpfe. Bugenhagen senkte die Stimme zu einem heiseren Flüstern: »Ich bin zu alt und zu krank. Ich kann das nicht selbst übernehmen. Und da ich der einzige bin, der die Wahrheit kennt, muss ich...« Der Gedanke schien ihm so furchtbar zu sein, dass er ihn nicht auszusprechen vermochte.
»Müssen Sie was?«, sagte Morgan.
Bugenhagen starrte in sein Glas. »...bleiben, wo ich in Sicherheit bin«, antwortete er.
Morgan schüttelte betrübt den Kopf. »Mein lieber Freund«, erklärte er seufzend.
Bugenhagen wusste, was Morgan sagen würde, bevor es noch ausgesprochen war.
»Ich habe einen Ruf«, fuhr Morgan fort, aber Bugenhagen fuhr ihm sofort in die Parade: »Deshalb müssen Sie es sein! Auf Sie wird man hören!«
»Na, hören Sie, Carl«, sagte Morgan entnervt, »man wird mich in eine Irrenanstalt einliefern!«
Bugenhagen stand auf. Vor dem Licht der untergehenden Sonne, das seinen Prophetenbart einrahmte, sah er wild, wahnsinnig und heilig aus.
»Begleiten Sie mich zu Jigaels Mauer!«, sagte er. Es war ein Befehl, in einem Ton gesprochen, wie Morgan ihn noch nie gehört hatte. An Widerstand war nicht zu denken.
»Jetzt gleich?«, fragte er leise, obwohl er die Antwort kannte.
»Jetzt gleich«, sagte Bugenhagen, drehte sich um und ging hinaus zu seinem Jeep.
Joan kam sich vor wie ausgeschlossen. »Darf ich auch mitkommen?«, fragte sie mit ihrem gewinnendsten Lächeln.
Morgan schüttelte den Kopf. »Warum wartest du nicht im Hotel auf mich? Es wird nicht lange dauern.« Er beugte sich vor und küsste sie, dann stand er auf.
»Na, gut«, erwiderte sie seufzend. »Aber ich sage dir gleich - ewig warte ich nicht.«
Er lachte und warf ihr eine Kusshand zu, dann verschwand er um die Ecke.
Dies war das letzte Mal, dass Joan Hart Michael Morgan sah, obwohl sie lange brauchte, um sich damit abzufinden, und noch länger, den Grund zu begreifen.
Die uralte Burg Belvoir stand über dem Ende des Cebulan- Tales, nicht weit von Akkon entfernt. Es gab sie seit dem zwölften Jahrhundert, als die Kreuzritter, die sich nach dem Kreuz Christi benannt hatten, von Europa herübergekommen waren, um den Moslems das Heilige Land zu entreißen. Sie erbauten die Burg in Seinem Namen. Und in der Ruine der Burg fand Bugenhagen den Beweis, den er brauchte - dass der Antichrist unter uns lebte. Heute.
Langhaarschafe weideten zwischen den verfallenden Mauern und Bogenhängen, als das ferne Brummen eines Jeeps sie veranlasste, die Köpfe zu heben und mit den Ohren zu zucken.
Morgendämmerung; die Sonne stieg blutrot über dem Tal empor und ließ lange Schatten über die Landschaft huschen.
Als der Jeep eine Bergkuppe überwand und in ihre Richtung brauste, stoben die Schafe auseinander, und ihre Glöckchen bimmelten durcheinander, als riefen sie Gläubige zum Gebet.
Der Jeep hielt vor der Mauerruine; Bugenhagen und Morgan stiegen aus. Es war kalt in der Morgenluft, aber nur Morgan schien es zu bemerken. Bugenhagen kramte einen zweiten Schutzhelm aus dem Gewirr von Ausrüstungsgegenständen im Jeep hervor. Dort, wo sie hingingen, würden sie beide einen Helm benötigen. Es war zu dunkel, um sich auf das Licht nur einer Lampe zu verlassen, und zu gefährlich ohne Kopfschutz.
Was beide Männer nicht bemerkten war ein großer, schwarzer Rabe, der auf dem höchsten Mauerstück hockte und sie mit leeren, bösartigen Augen betrachtete.
Bugenhagen und Morgan gingen durch die riesige, dunkle Banketthalle der Burg, vorbei an den sechs 15 Meter hohen Säulen. In den Winkeln nisteten Fledermäuse. Der alte Mann presste den Beutel an seine Brust, als fürchte er, man wolle ihn ihm entreißen. Die beiden Männer schalteten ihre Kopflampen ein und begannen den Abstieg auf den ausgetretenen Stufen hinab in die unterirdischen Tiefen der archäologischen Grabungsstätte.
Kurz zuvor waren andere hier gewesen. Man hatte an den neuesten Ausgrabungen Bretter ausgelegt, um Schlamm und Gräben leichter überwinden zu können. An den Wänden warenmoderne Gerätschaften und uralte Funde aufgereiht, widersinnig nebeneinander, beides unter dem gleichen unpersönlichen Plastikschutz.
Dann sah Morgan etwas, das ihn beinahe erstarren ließ – ein Bildwerk, gleichzeitig so obszön und verführerisch schön, dass ihm der Atem stockte. Es war die Statue einer Frau, die auf einem scharlachroten Tier saß. Das Tier hatte sieben scheußliche Köpfe und zehn grauenhafte Hörner und war bedeckt mit Wörtern, eingemeißelten Wörtern in Sprachen, die jahrtausendelang niemand mehr gesprochen hatte.
Morgan mochte Skeptiker sein, ein Narr war er nicht. Er wusste genau, was er vor sich hatte.
»Die Hure Babylons«, sagte er laut. Der schreckliche Name hallte von den Wänden wider. Er hob den Kopf und sah Bugenhagen durch eine Öffnung in der Mauer verschwinden. Bugenhagen hatte ihn nicht gehört. Morgan fröstelte unwillkürlich und folgte ihm. Er hatte keine Lust, mit der Statue der Hure von Babylon im Dunkeln alleingelassen zu werden.
Und in der nächsten Kammer war sie: Jigaels Mauer. Bugenhagens Kopflampe beleuchtete das Werk eines Künstlers, der, nachdem er Nacht für Nacht mit dem grauenhaften, ewig wandelbaren Gesicht Satans konfrontiert gewesen war, zur Genialität und in den Wahnsinn getrieben worden war.
Auf dem größten Bild war Satan in seiner furchterregenden Reife zu sehen, schon hinabgestürzt ins Chaos. Er klammerte sich an die Wand eines Abgrunds, die muskulösen Arme und Beine überdehnt von der Anstrengung, die riesenhaften Fledermausflügel weit gespreizt. Sein Gesicht war weggemeißelt und nicht mehr klar zu erkennen.
Es gab ein zweites Porträt, frontal, und aus dem Schädel ragten Schlangen mit gespaltenen Zungen, anstelle von Haaren. Auch dieses Gesicht wirkte ungeformt und verschwommen.
Aber dann kam noch ein drittes, ein kleineres Bild – Satan als Kind. Auf diesem Bild war das Gesicht mit aller wünschenswerten Klarheit zu erkennen. Es war ein Gesicht, schön wie das eines Cherubs: Es war das Gesicht des Jungen in der Zeitung - es war das Gesicht von Damien Thorn.
»Das wird Sie überzeugen«, sagte Bugenhagen.
Als Morgan fasziniert an die Wand herantrat, angezogen von der Macht der Darstellung, fegte plötzlich ein Laut wie der Knall einer überlangen Rindlederpeitsche durch den Tunnel, gefolgt von einem tiefen, drohenden Grollen, Morgan taumelte zurück zu Bugenhagen. Beide Männer erstarrten.
Eine Ewigkeit schien zu verrinnen.
Dann gab die Tunneldecke vor ihnen plötzlich nach und krachte als Lawine aus Gestein und Erde herunter. Der Staub wirbelte in dichten Wolken auf, und Morgan begann erstickt zu husten. Bugenhagen blieb ruhig. Als Morgans Hustenanfall vorüber war, wandte er sich Bugenhagen zu und fragte: »Gibt es noch einen anderen Weg nach draußen?«
Bugenhagen schüttelte den Kopf. Langsam stieg Entsetzen in ihm empor. Er begriff, warum das jetzt geschah, und sah im selben Augenblick ein, dass es nichts gab, was sie dagegen hätten tun können.
Wieder ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen, wieder grollte es, und die Decke hinter ihnen stürzte ein. Der freie Raum im Tunnel war nur noch eineinhalb Meter breit. Er war zu ihrem Grab geworden.
In der folgenden Totenstille starrte Morgan den alten Mann voll Entsetzen an. Bugenhagen hatte resigniert die Augen geschlossen. Er bereitete sich auf den Tod vor.
Dann kam ein neues Geräusch: leise, unheimlich, unerbittlich. Zunächst erkannte Morgan den Ursprung nicht, aber dann sah er aus einem winzigen Loch in der Decke Sand herabströmen. Dann waren es zwei Löcher. Dann vier. Dann zwölf. Bald regnete es Sand. Der Sand rann in ihre Augen und Münder, häufte sich auf ihren Stiefeln.
Schließlich begriff Morgan, dass er sterben musste. Er senkte den Blick, und da, zu seinen Füßen. lag die Hure von Babylon. Der herabstürzende Sand begann die Statue bereits zu bedecken, und obwohl Morgan wusste, dass es sinnlos war, fing er an, wild im Sand und Schutt zu graben. Knöchel und Fingerspitzen wurden blutig, und er begann zu weinen.
»Der Antichrist ist bei uns!«, schrie Bugenhagen, das Rauschen der Sandströme übertönend. »Überlasse dich Gott!«
Draußen wankten, wie in blasphemischer Antwort, die Mauern und Säulen der Burg und begannen zu zerfallen. Tief unten verstärkte sich das Grollen zu einem grauenhaften Brausen. Morgan stöhnte, während er an der Steinmauer scharrte, die zwischen ihm und dem rettenden Weg ins Freie stand, aber der Sand reichte schon bis zu seinen Hüften und stieg rasch höher.
Bugenhagens Augen blieben geschlossen.
»...und es ward ihm gegeben, dass er dem Bilde des Tieres den Geist gab, dass des Tieres Bild sprach und in achte, dass, welche nicht des Tieres Bild anbeteten, getötet würden.« Bugenhagen verstummte für einen Augenblick, dann fügte er hinzu: »Segne uns, Jesus Christus, und vergib uns...«
Der Sand reichte nun bis zu ihrem Kinn. Morgan wimmerte wie ein verängstigtes Tier, Bugenhagen betete weiter. »...die Kräfte des Bösen mögen uns zu überwältigen scheinen und triumphieren. aber das Gute wird siegen. Denn im Buch der Offenbarung steht geschrieben: ...und der Teufel ward geworfen in den feurigen Pfuhl und in Schwefel, da auch das Tier und der falsche Prophet war; und sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit...«
Der Sand stieg über ihre Münder und über ihre Nasen und über ihre Augen, und als er über ihre Stirnen stieg, wurden ihre Lampen mit einem Schlag gelöscht, und es blieb die schwarze Leere, das Nichts, der Tod.
Ein letztes, donnerndes Schwanken ließ den Rest der Ruine in einer Flut von Schutt und Stein zusammenstürzen.
Zwei Dinge blieben: Die Mauer des Wahnsinnigen Malers Jigael - das einzige Beweisstück - war wie durch ein Wunder unversehrt geblieben; und davor, im Schutt tief unter der Erde, lag Bugenhagens Lederbeutel. Es war, als hätte irgendeine andere Kraft, ebenso mächtig wie jene auf der Mauer dargestellte, gewirkt und Spuren ihres Wirkens hinterlassen,
An der Oberfläche erhob sich aus dem Rauch- und Schuttpilz mit mächtigen Flügelschlägen der Rabe, wie ein geschwärzter Phönix aus der Asche wiedererstanden. Er umkreiste die Ruinen mit einem grauenhaften, triumphierenden Kreischen, dann flog er davon in die aufgehende Sonne und verschwand im Dunst des Morgens...
1.
Das Gesicht des Jungen schimmerte hell im Licht der knisternden Flammen. Es war ein schönes Gesicht, wenngleich für einen noch nicht ganz Dreizehnjährigen übermäßig ernst. Die Augen wirkten durchdringend und versonnen, als sie durch die zunehmende Dämmerung in die Flammen des Gartenfeuers starrten. Er versuchte sich zu erinnern. Ein primitiver Schmerz zerrte an ihm. ein Gefühl tief verborgener Weisheit, einer Zeit, die längst vergessen war...
»Damien?«
Er bewegte sich nicht. Er hörte den Ruf nicht einmal. Für den Augenblick war er in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort gefangen. Die Gärtner harkten rings um ihn Weiter das tote Laub zusammen, ohne den Gedankengang des versunken vor dem Feuer stehenden Jungen stören zu wollen.
In Wahrheit stand er vor einem großen Gartenfeuer am North Shore von Chicago, in der Mitte einer großen Rasenfläche, die sich in der einen Richtung erstreckte, fast soweit das Auge reichte, und in der anderen vor einem riesigen, alten Herrenhaus endete. Das beinahe palastartige Gebäude war das Heim seiner Tante und seines Onkels, die jetzt seine Pflegeeltern waren.
Aber in seinen Gedanken stand er inmitten greller, ewiger Flammen, umgeben von unaufhörlichem Stöhnen und Heulen -von den Schreien jener, die Furchtbares erlitten und deren Qual umso unerträglicher war, als sie wussten, dass sie niemals enden würde.
»Damien!«
Die Vision verschwand. Damien Thorn schüttelte den Kopf und wandte sich der Richtung zu, aus der die Stimme gekommen war. Er musste mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne blicken, die langsam hinter dem vergoldeten Dach unterging. Hoch oben auf einem Balkon im zweiten Stockwerk winkte ihm sein Vetter Mark aufgeregt.
Damien mochte Mark. Mark war immer freundlich, immer großzügig, und er hatte vor sieben Jahren, als Damien in die Familie aufgenommen worden war, sich sehr bemüht, ihn willkommen zu heißen. Die beiden verstanden sich jetzt besser als selbst die meisten Zwillingspaare. Beide trugen die makellos gebügelten Uniformen der Militärakademie, die sie besuchten. Sie waren über das lange Thanksgiving-Wochenende nach Hause gekommen, und nun war es Zeit, wieder in die Schule zurückzukehren. Das Thanksgiving war immer ein eher trauriger Feiertag, weil die Thorns ihre Sommer-Residenz danach schlossen und für den Winter in die Stadt zogen. Bis zum kommenden Juni war es also wieder einmal zu Ende.
Damien winkte zu Mark hinauf. »Ich komme!«, rief er, dann drehte er sich um und schüttelte dem Obergärtner die Hand. »Bis zum nächsten Sommer, Jim.« Der Alte hatte kaum zum Abschied genickt, als Damien mit der Kraft und Gewandtheit eines geborenen Athleten über den Rasen zu den massiven Eingangstüren des Hauses lief.
Mark hob sein Horn an die Lippen, beugte sich über den Balkon und blies als melancholische Begleitung den Zapfenstreich in den dunkelnden Abend hinein.
Damien lief auf das Haus zu, ein Junge kurz vor seinem dreizehnten Lebensjahr, dem Alter, in dem, wie man Jahrtausende hindurch in den meisten Kulturen geglaubt hatte, er die volle Reife der Mannheit erlangen würde.
Reginald Thorn, Damiens Großvater väterlicherseits, hatte dieses Grundstück am Michigan-See nördlich von Chicago in den zwanziger Jahren entdeckt. Er hatte mit einem Teil des Geldes, das er als Munitionsfabrikant im Ersten Weltkrieg verdient hatte, einen Palast erbaut. Die Leute hatten ihn damals für verrückt erklärt. Erst Jahre später, als Autos und Politiker dafür sorgten, dass der Outer Drive gebaut wurde, beeilten sich alle, die das nötige Geld besaßen, am North Shore zu bauen. Aber kein einziger baute ein so großartiges Haus, wie Thorn es hatte errichten lassen. Thorn hatte immer erklärt, er baue das Haus für seine Söhne Jeremy und Richard. Thorn betete seine beiden Söhne an und tat für sie, was er konnte, weil sie für ihn eine Art von Unsterblichkeit darstellten. Als man sie nicht in die exklusive Davidson-Militärschule aufnehmen wollte, weil ihr Vater im Handel tätig sei, spendete Thorn so viel Geld, dass man eine neue Turnhalle bauen konnte. Die beiden Jungen wurden daraufhin sofort aufgenommen und schlossen die Schule mit Auszeichnung ab.
Thorn kam nie auf den Gedanken, er könne seinen Söhnen dadurch schaden, dass er ihnen das Leben so leicht machte. Er wusste nur, dass das Beste für sie gerade gut genug war. Immer und überall.
Jeremy, der ältere, wandte sich dem diplomatischen Dienst zu, Richard trat in das väterliche Unternehmen ein. Thorn war mit beidem zufrieden. Alles verlief so, wie es sich gehörte.
Während Jeremy viele Freunde gewann und sich in der Welt der Politik tummelte und während Richard den Thorn-Konzern übernahm, hatte ihr Vater Zeit, seinen Wünschen leben zu können. Großzügig richtete er zahllose Stipendien, Zuwendungen und Stiftungen ein, viele davon in enger Beziehung zu seiner großen Leidenschaft, der Archäologie. Kurz vor seinem Tod plante er, im
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Twentieth Century-Fox Film Corporation/Paul Rudnick/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Zasu Menil.
Übersetzung: Christian Dörge (OT: Damen - Omen II).
Satz: Apex-Verlag.
Tag der Veröffentlichung: 24.10.2017
ISBN: 978-3-7438-3776-8
Alle Rechte vorbehalten