FRANK LAURIA
Raga Six
Ein Doc-Orient-Roman
Apex Horror, Band 34
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
New York, 1969
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
Das Buch
Ein schwarz-magischer Zirkel im East Village von New York... der bizarre Tod eines Haut-Couture-Models in einem Luxus-Apartment in Manhattan... ein renommierter Arzt, dessen bildschöne Reisegefährtinnen an einer ebenso merkwürdigen wie tödlichen Blutkrankheit leiden...
Als Doktor Owen Orient, ein prominenter Mediziner aus New York, beschließt, seine Praxis zu schließen und fortan auf den gewohnten Luxus und Komfort zu verzichten, ist es sein Ziel, eine einfachere, sinnvollere Lebensweise für sich selbst zu finden.
Aber Doc Orient ist kein gewöhnlicher Mensch.
Seit Jahren hat er die Geheimnisse des Okkultismus studiert, und so findet er sich nun - obgleich er auf der Suche nach Simplizität ist - immer tiefer in schreckliche Ereignisse verstrickt, die seine wissenschaftliche Rationalität und seine okkulten Kräfte herausfordern. Ein unheimliches Rätsel führt Doktor Orient schließlich nach Tanger, Marrakesch und Rom und zu einer Konfrontation mit einem uralten, alles verschlingenden Übel, in der Telepathie, Telekinese und sogar Sex die Waffen in einem wahnsinnigen Kampf bis zum Tod und darüber hinaus sind...
RAGA SIX, Frank Laurias erster Roman um Doc Orient, den Meister des Okkulten - ein moderner Horror-Thriller der Extraklasse!
Der Autor
Frank Lauria, Jahrgang 1935.
Frank Lauria ist ein US-amerikanischer Schriftsteller, Musiker, Broadway- und Film-Schauspieler.
Besondere Bekanntheit erlangte er durch die stilprägenden Okkult-Horror-Romane um Dr. Owen Orient; diese Serie besteht bis dato aus den Bänden Doctor Orient (1970), Raga Six (1972), Lady Sativa (1973), Baron Orgaz (1974), The Priestess (1978), The Seth Papers (1979), Blue Limbo (1991) und Demon Pope (2014).
Darüber hinaus schuf er die Roman-Fassungen der Filme Dark City (1998), End Of Days und Pitch Black (beide 1999). Aktuell veröffentlichte Frank Lauria den Noir-Krimi Fog City Blues (2014, der erste Band der Serie Max LeBlue-Mysteries) sowie den Vampir-Roman Melody Dawn (2015).
Im November 2011 erschien überdies das Album Lost In The Underground seiner Band Uncle Frank And The Co-Defendants.
Frank Lauria lebt und arbeitet in Kalifornien/USA.
Der Apex-Verlag widmet Frank Lauria eine umfangreiche Werkausgabe.
Meinen Eltern gewidmet –
sowie ferner für John Hohnsbeen, Don und Nancy De Mare,
Alice Rydh, Ray Lofaro, H.B. & Bruce Gilmour.
Und natürlich für Ragass – who know what to blow…
»Oh, that magic feeling
Nowhere to go…«
John Lennon
New York, 1969
1. Kapitel
Sordi konnte es noch immer nicht glauben.
Traurig ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Die goldenen Strahlen der Nachmittagssonne fluteten von der Terrasse herein, ihr Licht brach sich in Abertausenden von Staubpartikeln. In den drei Jahren, die er jetzt in New York weilte, hatte er diesen Staub zu hassen gelernt. Seit heute kam ihm der Dreck wie ein lieber Vertrauter vor, der ihm künftig abgehen würde.
Er mochte diesen Raum.
Er mochte die dunkelbraunen Holzbalken an der Decke. Er mochte den noblen Freiraum, der sich von der Frontterrasse bis zum rückwärtigen Balkon erstreckte. Nach vorn hinaus ging der Blick auf den Hudson, nach hinten auf den parkartigen Garten. Er mochte das Aroma der Fische, die er an dem mit Chromstahl verspiegelten Kamin zu grillen pflegt. Er mochte den privaten Eingang, der zu dieser Wohnung gehörte. Es gab in dieser Wohnung eigentlich nichts, das er nicht mochte.
Und das alles... sollte er nun aufgeben. Die Notwendigkeit dafür war einfach nicht zu übersehen. Es war alles zu schnell gegangen.
Das Flugticket knisterte in seiner Tasche, und sein Geld war in einem Safe der Bank von Neapel hinterlegt worden, aber er verstand nicht, warum das so war.
Nicht, dass mit der Abreise aus New York der Kampf ums tägliche Brot beginnen würde. Das Geld, das er von Dr. Orient erhalten hatte, reichte für einige Jahre. Und dann gab es noch das Haus seiner Familie auf Ischia. Wenn er ein bisschen in den Besitz dort investierte, war das eine lukrative Angelegenheit. Aber er fühlte sich noch zu jung, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Es hatte Spaß gemacht, bei Dr. Orient zu arbeiten. Er hatte viel gelernt, war sich vorgekommen wie der Assistent eines Wissenschaftlers an einer der großen Universitäten. Dr. Orient hatte ihn denken gelehrt. Und er, Sordelli, hatte ihm das Kochen beigebracht. Es war heimelig gewesen bei Dr. Orient, richtig gemütlich. Und jetzt sollte alles vorbei sein.
Er zuckte die Schultern. Er würde wohl nie verstehen, warum man jetzt die Bremse zog.
Mit bedächtigen Schritten ging er über das mit Intarsien geschmückte Parkett zur Glastür und trat auf die Terrasse hinaus.
Der Fluss. Abendrot, von violetten Streifen durchzogen. In den Wolkenkratzern drüben flammten die ersten Lichter auf.
Schon im vergangenen Sommer hatte er gespürt, dass irgendetwas schief lief.
Heute wusste er, dass Dr. Orient besser seinen üblichen Urlaub am Cape angetreten hätte, anstatt in der Stadt zu bleiben und sich in dieses Projekt zu verrennen. Dann wäre er erst gar nicht mit diesem Dr. Ferrari in Berührung gekommen. Die Probleme begannen, als Dr. Ferrari auf der Bildfläche erschien.
Zum einen waren es die Detektive, die einen bei der Arbeit störten. Sie brachten den gewohnten Rhythmus durcheinander. Während der vier Monate, die Dr. Ferrari im Haus weilte, kamen sie jeden Tag, um alles zu durchsuchen. Sordi hatte alle Hände voll zu tun gehabt, die Detektive mit Kaffee und hastig zubereiteten Leckerbissen bei Laune zu halten. Für die Arbeit im Laboratorium war keine Zeit mehr geblieben.
Ebenso wenig passte ihm die Art, wie man Dr. Orient in seine Arbeitsräume eingesperrt hielt. Es war Dr. Ferrari, der das angeordnet hatte. Oft verschwanden die beiden für zwei oder drei Tage im Labor. Dr. Orient war abgemagert, er nahm kaum noch etwas zu sich. Gerade als Sordi gemeint hatte, er hätte ihm so etwas wie Esskultur und Sinn für europäische Küche beigebracht.
Und dann der Streit jeden Abend.
Sordi schauderte. Ein schneidender Wind strich vom Hudson herauf. Sorgfältig schloss er die Terrassentür.
Merkwürdig, dachte er. Früher hatte es nie Streit gegeben im Hause von Dr. Orient. Das hatte erst in den letzten Monaten begonnen.
Trotz der Wachen, die der Secret Service auf alle Räume verteilt hatte, war es ihm gelungen, einen Blick des jungen Mädchens zu erhaschen. Es war immer das gleiche Ritual. Sobald ihr Wagen eintraf, wurde das Fahrzeug von fünf Beamten umringt. Dann wurde das Mädchen in ihrem Rollstuhl aus dem Wagen gehoben und in Windeseile ins Haus getragen.
Nach einem Monat hatte sich, bei aller Unruhe, eine gewisse Routine eingestellt. Die Beamten verbrachten jetzt den größten Teil des Tages in der Küche. Allerdings hatten auch sie keine rechte Ahnung, was eigentlich vorging. Das Mädchen, so hieß es, war die Tochter eines Einflussreichen Politikers aus Kalifornien. Sie unterzog sich einer Spezialbehandlung für ihre Beine. Die Beamten nannten sie Judy. Aber Sordi war nicht sicher, ob dies ihr richtiger Name war.
Mit der Zeit waren die Beamten freundlicher zu ihm geworden. Sie legten schon mal Hand an, wenn es ans Aufräumen ging. Gelegentlich machten sie Bemerkungen über seine Kleidung. All das täuschte ihn nicht hinweg über den kalten Ausdruck ihrer Augen. Es gab Amerikaner, mit denen Sordi nicht recht warm wurde, und diese Beamten gehörten zu ihnen.
Er wusste, dass sie geheilt war, noch bevor sie es offiziell verkündeten. Er hatte gesehen, wie sie, eingehakt zwischen Dr. Orient und Dr. Ferrari aus dem Arbeitszimmer kam. Erst draußen nahm sie wieder in ihrem Rollstuhl Platz. Drei Wochen später ließen die Detektive ihm gegenüber eine eindeutige Bemerkung fallen. Sie sagten, sie würden wohl noch lange an seine Kochkünste zurückdenken.
An dem Abend, als er das Mädchen aus dem Arbeitszimmer kommen sah, gab es zum ersten Mal Streit zwischen Dr. Orient und Dr. Ferrari. Sordi hatte sich auf dem Treppenabsatz aufgehalten. So bekam er mit, wie Dr. Ferrari immer lauter, immer ausfallender wurde. Zwei Stunden lang ging das so. Schließlich kam Dr. Ferrari aus dem Arbeitszimmer gestürzt und verschwand. Dr. Orient warf die Tür hinter ihm zu und schloss sich ein. Bis zum Abend darauf nahm er keinen Bissen zu sich.
Es sollte nicht der einzige Streit bleiben.
Dann, schließlich, kam der Tag, wo kein Dr. Ferrari mehr erschien.
Auch die Detektive und das Mädchen blieben verschwunden. Drei Wochen lang arbeitete Dr. Orient hinter verschlossenen Türen. Als er wieder herauskam, ließ er Sordi wissen, die Arbeit sei jetzt fertig, er werde das Haus verkaufen.
Sordi ergriff seinen Louis-Vuitton-Koffer und begab sich zur Treppe. Nur die Ruhe, sagte er sich. Heute Abend bin ich in Rom. Alles fängt wieder von vorne an.
Dr. Orient erwartete ihn am Fuß der Treppe. Er war wirklich abgemagert, das musste man schon sagen. Noch magerer als damals, als er den Ärger mit diesem verrückten Girl gehabt hatte. Seine dunkle Haut war grau geworden, weil er wochenlang nicht an die frische Luft gekommen war. Seine grünen Augen wirkten trübe.
Dr. Orient war ein großgewachsener Mann. Normalerweise wirkte er sportlich und durchtrainiert. Jetzt aber waren die Schultern abgesackt. Die langen Hände hingen an den Handgelenken, als ob sie nicht dazugehörten. Fast schien es Sordi, als sei auch die weiße Strähne in seinem langen, schwarzen Haar breiter geworden.
Dr. Orient war immer ein verschlossener Typ gewesen. In der letzten Zeit allerdings war überhaupt kein Kontakt mehr mit ihm möglich.
Sordi stellte seinen Koffer ab und sah seinem Gegenüber in die Augen. Vor ein paar Monaten noch hatte der Doktor ausgesehen wie ein Mann von fünfundzwanzig. Jetzt war er ein ausgebrannter alter Mann, dessen Mundwinkel verbittert und verkniffen herabhingen.
Sein Händedruck jedoch war überraschend fest. Durch seine Abschiedsworte klang so etwas wie Sympathie durch. In den drei Jahren in New York waren sie Freunde geworden, zumindest empfand es Sordi so.
Am liebsten hätte er den Doktor bei den Schultern genommen – und ihn wach geschüttelt. Hätte ihn geradeheraus gefragt, was es mit all dem auf sich hatte.
Er bezwang sich.
Er ergriff seinen Koffer mit der linken Hand und legte Dr. Orient die Rechte auf den Arm. »Das Wetter sieht ganz ordentlich aus heute Abend«, hörte er sich sagen. »Ich denke, ich werde einen ruhigen Flug haben. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen können.« I
Dr. Orient nickte, und Sordi verstand, dass er darauf zählen konnte, von ihm kontaktiert zu werden. Er fuhr mit der Hand in die Tasche seines langen Ledermantels und brachte ein zu einem Knäuel zusammengedrücktes Papiertaschentuch zum Vorschein. Er gab das Knäuel dem Doktor. »Das gehört Ihnen«, sagte er.
»Auf Ischia«, dachte er beim Weggehen, »kann man sich wenigstens noch auf die Menschen verlassen.«
Dr. Orient steckte die Papierkugel in die Hemdtasche und sah Sordi nach. Er war deprimiert. Sordis schroffe Art war oft nur Schauspielerei. Diesmal, spürte er, hatte sich der andere nicht verstellt. Dr. Orient war verletzt.
Er machte auf dem Absatz kehrt und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Der Raum war leer, bis auf den Schreibtisch und zwei Stühle. Die Bücher, die Gemälde, die Sternenkarten und Diagramme waren fortgeschafft worden, ebenso das Gerät zur Vorführung von Mikrofilmen, der Dia-Projektor, der Projektionsschirm und das Videogerät.
Der Mann, der das Haus gekauft hatte, war eisern geblieben, was den Schreibtisch anbetraf. Der Schreibtisch musste im Haus bleiben, er wurde dann im Vertrag eigens aufgeführt. Dr. Orient hatte der Klausel zugestimmt, nachdem ihm primär daran gelegen war, alle Verbindungen, die es noch gab, so schnell wie möglich zu durchtrennen.
Als er das Arbeitszimmer betrat, stand Andy Jacobs über den Schreibtisch gelehnt. Er wirkte wie ein ungeduldiger Ochsenfrosch, der mit der Zunge die letzten Fliegen wegschnappen will. In diesem Fall waren die Fliegen die letzten Unterschriften, die noch fehlten, damit Dr. Orients Besitz liquidiert werden konnte.
»Da sind Sie ja, Owen«, sagte Jacobs und produzierte jenes Grinsen, das in den Unterredungen mit seinem Mandanten allmählich zu seinem Markenzeichen geworden war. »Die Papiere sind vorbereitet.«
Dr. Orient ging zum Tisch, ergriff den goldenen Füllfederhalter und begann, die Schriftstücke mit seinem vollen Namen zu unterzeichnen:
Dr. Owen Orient III.
Der Rechtsanwalt zeigte ihm, wo er zu unterzeichnen hatte.
»Glauben Sie wirklich, das ist die richtige Entscheidung, nachdem nicht nur Ihre Eltern, sondern auch Sie so hart für diesen Besitz gearbeitet haben?« Der Einwand kam sachlich, ohne Vorwurf. »Ich könnte den Besitz doch für Sie verwalten. Sie würden, das ist ja Ihr Wunsch, über keinen Penny mehr verfügen können. Aber Sie könnten das Vermögen dann wenigstens noch vererben. An einen Sohn zum Beispiel. So etwas ist ja nicht ausgeschlossen, Owen. Sie sind schließlich erst einunddreißig. Gut möglich, dass Ihnen bald die richtige Frau über den Weg läuft. Sie sollten das alles etwas flexibler sehen. Das einzig Beständige im Leben ist der Wechsel.« Ein sanfter Rippenstoß. Diesmal hatte Jabs sogar Zuflucht zu fernöstlichem Gedankengut genommen.
»Zumindest das Haus am Cape könnten Sie behalten.« Er sprach voller Geduld und Verständnis. »Ein schöner Besitz. Ich habe dort einige Sommer verbracht, auf Einladung Ihrer Eltern. Damals waren Sie noch gar nicht geboren.« Jetzt wollte er ihn bei der Ehre packen, bei seinem Gefühl für Tradition und Werte.
Dr. Orient nickte. Er fuhr mit den Unterschriften fort.
Als alle Papiere unterzeichnet waren, steckte er die Kappe zurück auf den Füllfederhalter und erhob sich. Ein Anflug von Reue überkam ihn, als er den niedergeschlagenen Gesichtsausdruck des Anwalts bemerkte. Die gleiche Traurigkeit, die ihm bei Sordi aufgefallen war. Ich hätte ihn vielleicht zum Flugplatz begleiten sollen, dachte er. Dann verdrängte er den Gedanken. Es war alles genau so gekommen, wie es kommen musste.
»Wissen Sie, was ich denke, Senator?«, wollte Dr. Orient wissen. »Sie hätten Ihren Sitz im Repräsentantenhaus in Washington nicht verloren, wenn Sie sich nicht vorzeitig ins Privatleben zurückgezogen hätten.«
Andy Jacobs hatte die unterzeichneten Schriftstücke zu einem sauberen Stapel zusammen geschichtet. »Was Sie da tun wollen, Owen, geht an den Nerv«, sagte er nachdenklich. »Wenn die Papiere diesen Raum verlassen, besitzen Sie keinen einzigen Dollar mehr. Ich hätte noch nichts gesagt, wenn Sie es bei dem Verschenken der Bücher und Manuskripte belassen hätten. Aber Sie haben dieser merkwürdigen Organisation auch Ihr ganzes Bargeld und Ihre Wertpapiere überschrieben. Ihre einzige Auflage ist, dass das Geld zur Gründung eines Instituts für die PSI-Forschung verwendet wird.« Er kratzte sich an der Nase und dachte über irgendein gefühlsschwangeres Wort nach, das er dem Vorwurf anhängen konnte. Als ihm keines einfiel, fuhr er mit seiner Aufzählung der Sachargumente fort.
»Dass Sie die Einkünfte aus den Filmen Ihres Vaters für die Errichtung von Stadtteil-Krankenhäusern verwendet haben, war eine großmütige Geste und doch ganz und gar unnötig. Ihr Vater hatte ohnehin bestimmt, dass ein großer Teil der Einkünfte karitativen Zwecken zufließt. Aber Sie begnügen sich nicht mit dem Verschenken der Milch, Sie schlachten die Kuh.« Er setzte sich auf die Tischkante. »Ich verstehe nicht, warum Sie den Grundbesitz nicht in eine Stiftung einbringen, die Ihnen in späteren Jahren eine gewisse Sicherheit garantiert.«
Er musterte ihn mit ernstem Blick.
Dr. Orient begann sich unbehaglich zu fühlen.
Seit er denken konnte, war Andy Jacobs sein väterlicher Freund, sein Berater in privaten und finanziellen Dingen. Er hatte sich um die Erbabwicklung gekümmert und den Sohn seines früheren Mandanten, so gut es irgend ging, vor Schaden bewahrt. Es war schwer, diesen Menschen vor den Kopf zu stoßen.
»Owen, ich spreche zu Ihnen als Freund, der Sie vor einem schweren Fehler bewahren will.« Er kam näher. »Dass Sie Ihren gesamten Grundbesitz, weggeben, ist eines. Dass Sie Dr. Ferrari alle Rechte aus Ihren medizinischen Forschungen überschreiben, ist ein Schritt, der mir ethisch und moralisch nicht tragbar erscheint. Es ist einfach eine Lüge. Eine Lüge, die man in einen Vertrag gekleidet hat.«
»Es ist mein Wunsch, dass mein Name bei dem Projekt Judy in keiner Weise in Erscheinung tritt«, sagte Dr. Orient. Seine Antwort kam eine Idee zu hastig. Er hatte gehofft, dieser Teil der Vereinbarungen würde der Aufmerksamkeit des Anwalts im Wust der Dokumente entgehen.
»Was Sie in der Forschung geleistet haben, Owen, ist Ihr Beitrag für die Menschheit. Sie können sich die Rechte daran bewahren, ohne dass Ihr Name genannt wird! Stattdessen haben Sie alles aus der Hand gegeben. Warum, Owen? Warum?«
Dr. Orient betrachtete seine Fingerspitzen. Er fühlte sich in den Zeugenstand versetzt. Anwalt Jacobs hatte sein Kreuzverhör begonnen.
»Sie könnten eine sagenhafte Karriere machen, Owen, wenn Sie nur wollten. Es ist Ihnen gelungen, die Tochter des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von ihrer Lähmung zu heilen. Könnten Sie sich eine bessere Visitenkarte wünschen?«
Dr. Orient seufzte. »Hören Sie, Senator, mir kommt es einfach darauf an, bei diesem Projekt in der Anonymität zu bleiben. Das Ergebnis ist wichtig, nicht mein Name, nicht das Etikett.«
»Sie lassen damit zu, dass Dr. Ferrari den Ruhm einheimst, der Ihnen zusteht - vom Geld gar nicht zu sprechen.«
Dr. Orient schüttelte den Kopf. Es störte ihn, dass er sich von Jacobs aus der Reserve locken ließ. Er würde die meditativen Übungen wieder aufnehmen müssen, um sich besser unter Kontrolle zu bekommen. »Dr. Ferrari bekommt nur, was ihm zusteht«, sagte er leise. »Vergessen Sie nicht, dass seine neuro-chirurgischen Maßnahmen für die Heilung des Mädchens ebenso wichtig waren wie meine Therapie.«
»Er nimmt sich den ganzen Kuchen, Owen, machen wir uns doch nichts vor.« Senator Jacob zog eine weitere Trumpfkarte aus dem Ärmel. »Was ist, wenn Dr. Ferrari für Ihre Entdeckung der Nobelpreis zuerkannt wird?«
Dr. Orient legte seine Stirn in Falten. »Ich habe keine Entdeckung gemacht, die universell anwendbar wäre, Senator. Ich habe geholfen, ein Mädchen zu heilen. Das ist keineswegs dasselbe.« Er stand auf und begann auf und ab zu gehen. »Ich habe meine Entscheidung nicht aus einer Laune heraus getroffen.«
»Also gut, Owen.« Andy Jacobs verlagerte das Schwergewicht seines massigen Körpers auf die andere Seite des Tisches. Er legte die unterzeichneten Dokumente in die einzelnen Fächer seines Aktenkoffers. Dann zog er einen dicken Vertrag aus einer Mappe und warf ihn auf den Tisch. »Hier! Damit besiegeln Sie die Katastrophe. In dem Augenblick, in dem Sie das unterzeichnen, sind Sie ein armer Mann auf Lebenszeit.«
Dr. Orient hielt dem Blick des Senators stand. Er grinste. »Sie haben das Wichtigste bis zum Schluss zurückgehalten. Sie dachten wohl, Sie könnten mich doch noch umstimmen.«
»Es hätte ja sein können, dass Sie vernünftig werden.«
Dr. Orient unterzeichnete an sechs Stellen. Damit war das Vertragswerk komplett.
Jacobs wagte einen letzten Vorstoß. »Es will mir nicht in den Kopf, dass ein Abenteurer wie dieser Dr. Ferrari Sie so aufs Kreuz legt.« Er schloss seinen Aktenkoffer.
Dr. Orient kniff die Augen zusammen. »Lassen Sie's gut sein, Andy«, sagte er sanft.
Senator Jacobs hielt seinen Arm ergriffen. Sie gingen zur Tür. »Sie sind ein harter Bursche, Owen. Man kann Sie nicht in die Enge treiben.« Ein resigniertes Lächeln. »Zumindest - ich nicht.« Er blieb vor der Tür stehen und nahm seinen Hut vom Haken. »Es klingt vielleicht komisch, aber soll ich Ihnen etwas Geld leihen?«
»Da ist noch etwas, worum ich Sie bitten wollte.« Dr. Orient ging zu seinem Schreibtisch zurück. Als er wiederkam, hielt er eine Videokassette und ein ledergebundenes Notizbuch in der Hand. Beides gab er dem Senator. »Wären Sie so nett, das für mich aufzubewahren?«
»Natürlich.« Der Senator klappte seinen Aktenkoffer auf, um die Kassette und das Notizbuch zu verstauen. »Übrigens hätte ich Ihnen einen Vorschlag zu machen«, sagte er beiläufig. »Ich könnte die Dokumente einen Monat aufbewahren, ohne Gebrauch davon zu machen. Was halten Sie davon?«
Dr. Orient schüttelte den Kopf. »Nein.«
Andy Jacobs nickte. Er stülpte sich den Hut auf den Kopf und ergriff die Türklinke. »Sie sind ein Narr«, sagte er freundlich. »Ein liebenswerter, bedauernswerter Narr. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
»Andy?«
Der Senator fuhr herum. Würde Dr. Orient seinen Entschluss in letzter Sekunde revidieren?
Dr. Orient hielt ihm den goldenen Füllfederhalter hin, mit dem er die Schriftstücke unterzeichnet hatte. »Den schenke ich Ihnen«, sagte er.
Mit einer raschen Bewegung ergriff Senator Jacobs den Füllfederhalter. Dann eilte er ohne seinen Mandanten eines weiteren Blickes zu würdigen, zu der wartenden Limousine.
Dr. Orient sah ihm lächelnd nach. Mindestens dreißig Tage würden vergehen, ehe Jacobs die Dokumente weitergeben würde. Er schloss die Tür und ging in sein Arbeitszimmer zurück.
Er setzte sich an den Schreibtisch und streckte seine langen Beine aus. Das war's also. Eine bedrückende Stille erfüllte das Haus. Von draußen, aus den Straßenschluchten, drang das Heulen einer Polizeisirene zu ihm hinauf. Er krümmte sich, denn sein Rücken schmerzte. Fast eine Stunde lang hatte das Unterzeichnen der Dokumente für den Rechtsanwalt gedauert. Ich bin nicht mehr in Form, dachte er. Während all der Wochen, in denen er an dem Projekt Judy arbeitete, hatte er den Meditationsraum nicht betreten. Und wenn schon. Er würde jetzt lernen müssen, auch ohne die Hilfe einer kunstvoll hergerichteten Umgebung zu meditieren. Ich habe in einem Ei gelebt, dachte er.
Die meisten Jahre seines jungen Lebens hatte man ihn gehegt und gepflegt wie eine Rassekatze, die für eine Ausstellung vorbereitet wurde. Stets war jemand dagewesen, der ihm zu essen gab, der ihn säuberte, ihn zum Schlafen legte, ihm jeden Wunsch von den Augen ablas. Selbst als er den Fußmarsch zu jenem Kloster im Hochgebirge von Nepal machte, hatte es Berater gegeben, die ihn einwiesen, Empfehlungsbriefe, freundlich gesinnte Äbte, die alle Schwierigkeiten auf dem Weg zu Ku wegzauberten.
Ab jetzt würde er nur noch das eine haben, was an Wissen in ihm steckte. Es würde sich zeigen, ob er überhaupt etwas wusste.
Plötzlich fiel ihm das Papierknäuel ein, das Sordi ihm gegeben hatte. Er holte es aus der Hemdtasche und faltete es auf. Ein winziges Silberetui kam zum Vorschein, flach wie ein Dollar, nicht länger als eine Zigarette. Auf dem Deckel war das ovale Symbol eingraviert, das er von seinem Zigarettenetui kannte.
Verwundert schüttelte er den Kopf. Er hatte sein Zigarettenetui, soweit er sich erinnerte, immer bei sich getragen. Wie aber war es dann Sordi gelungen, die Vorlage an sich zu bringen, um das ovale Symbol für das flache Etui zu kopieren? Er war doch die ganze Zeit von den Beamten des Secret Service bewacht worden.
Er öffnete das kleine Etui. Ein Päckchen Zigarettenpapier kam zum Vorschein. Bambuspapier, seine bevorzugte Marke. Dr. Orient lächelte. Sordi, dachte er. Guter Sordi.
Er betrachtete das eingravierte Oval, verglich es mit dem Zeichen auf seinem Zigarettenetui. In seiner Erinnerung erstand Ku, wie er ihm das Etui zum Geschenk machte. Ku hatte keine Erklärung für diese Geste abgegeben.
Er steckte beide Etuis in seine Hemdtasche zurück und stand auf. Ich werde nicht mehr bis morgen warten, entschied er. Ich werde das Haus schon heute endgültig aufgeben. Während er die Stufen zum Schlafzimmer erklomm, kamen die ersten Zweifel. Er verdrängte sie. Ich muss auslöffeln, was ich mir eingebrockt habe.
Er duschte lang und heiß. Zum Schluss ließ er eiskaltes Wasser durch alle neun Brauseköpfe schießen, genoss das Prickeln auf der Haut.
Er kämmte sein langes Haar. Dann verspürte er das Bedürfnis, ein letztes Mal den Meditationsraum zu besuchen. Noch nackt ging er die Treppe zum dritten Stock hinauf und durchquerte die Halle. Er öffnete eine Tür und knipste das Licht an.
Ein Farbenspiel umgab ihn. Sanftes Weiß, satte Bernsteinfarben. Er selbst hatte diesen Raum, nach einem besonderen Schema, mit Lichtern ausstatten lassen. In einer Ecke stand ein mächtiger Findling.
Er verspürte so etwas wie Stolz und Genugtuung, als er sein Werk betrachtete. Zweck der künstlichen Landschaft, die er angeordnet hatte, war die seelische Einbettung der Personen, die sich hier der Meditation hingaben.
Er nahm auf dem Teppich Platz, neben dem Findling. Er entspannte sein Rückgrat, spürte, wie sich das Gift an den Nervenenden auflöste.
Die Atemübung.
Die erste Stufe. Die Verschmelzung von Körper und Geist.
Er schwamm durch die Schichten seines Ichs der Sekunde seiner Geburt entgegen. Bilder, chemische Reaktionen, schwebende Schatten, geometrische Muster. Dann das Licht des ersten Tages, die Geburt. Seine Mutter. Die Eltern. Der Traum. Das Flugzeug, das mit flammenden Tragflächen der Erde entgegen taumelte. Die Wirklichkeit.
Die ersten Gedanken mischten sich in die Bilder:
Dr. Ferrari. Ein Mann voller Willenskraft. Ein Mann, der alles lernen, alles genießen wollte, den es nach sinnlicher Befriedigung ebenso gelüstete wie nach Ruhm. Ein Mann voller Liebe, Hass und Ehrgeiz. Ein Kind, das alles, alles haben wollte. Dr. Orient hatte an der Seite dieses Mannes studiert, hatte erbitterte Kämpfe mit ihm ausgefochten. Der Hunger, die Gier des anderen war nie befriedigt worden.
Die Gedanken hatten die Oberhand gewonnen. Erneut versenkte er sich in die Meditationsübung, ordnete seinen Atemrhythmus dem Schema unter.
Die erste Stunde des ersten Tages. Das Zelt, in dem er gelebt hatte, während er sich auf die Begegnung mit Ku in der Vierten Ebene vorbereitete. Schließlich das Gefühl beglückender Einsamkeit, die Erfahrung höchsten Wissens.
Das Bild wurde unscharf, er fühlte sich ins Jetzt zurück geschleudert. Sorgen, Streit, Dr. Ferrari...
Er wiederholte die Übungen wie ein Taucher, der nach einem verlorenen Stein suchte. Er meditierte, bis der Schlaf ihn übermannte.
2. Kapitel
Er wachte auf, als er schwere Schritte im Erdgeschoss des Hauses vernahm. Türenklappen, Männerstimmen.
Er sah sich um.
Gut, dachte er. Gut.
Er war im Meditationsraum eingeschlafen. Der Entschluss, das Haus aufzugeben, gestern noch groß und bedeutsam, war zu einem Schemen verblasst, war Vergangenheit. Er rieb sich die Augen. Er lächelte. Es gab keine Eile. Wenn man nichts mehr hat, nichts mehr besitzt, ist es gleichgültig, wann man den Tag beginnt. Er stand auf und reckte sich. Das Stimmengewirr im Erdgeschoss war deutlicher geworden. Das Poltern von Kisten. Die Männer der Umzugsfirma schleppten die Möbel des neuen Eigentümers die Treppen hinauf.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nackt war. Er ging die Treppe hinunter, durchquerte das Schlafgemach, öffnete die Tür zum Bad und wusch sich. Dann kleidete er sich an. Er war dabei sein Hemd zuzuknöpfen, als ein gedrungener, breitschultriger Mann die Tür öffnete. Der Fremde trug ein schmutziges Tuch um die Stirn geschlungen. Er nahm die Zigarre aus dem Mund und deutete mit dem angekauten Ende auf Dr. Orient.
»Was zum Teufel machen Sie hier?«, grunzte er.
»Ich bin der frühere Eigentümer des Hauses. Ich packe noch meine restlichen Sachen zusammen.«
»Der frühere Eigentümer ist schon vor zwei Tagen ausgezogen.« Der Mann trat auf ihn zu. »War ein Arzt. Sie sehen nicht aus wie ein Arzt. Viel zu jung.«
Dr. Orient öffnete seinen Aktenkoffer und reichte ihm den Pass.
Der Mann steckte seine Zigarre in den Mundwinkel und betrachtete das Dokument. Nachdem er das Bild verglichen hatte, reichte er ihm den Pass zurück.
Er stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und wartete, während Dr. Orient die Handtücher in den kleinen Koffer legte, den Sordi für ihn vorbereitet hatte.
Er suchte und fand seine schweinslederne Windjacke. Dann wurde ihm klar, dass der Mann ihn nervös machte. Der Wunsch, das Haus zu verlassen, wurde übermächtig.
Er ging auf die Tür zu. Der Mann öffnete sie ihm. »Sie sehen wie ein Kind aus, Doktor, wussten Sie das?«
»Das liegt an den Vitaminen, die ich einnehme«, gab Dr. Orient zur Antwort.
Dann war er draußen. Er konnte die Sonne auf der Haut spüren, trotz der kühlen Brise, die vom Fluss herauf strich. In ein paar Wochen würde der Frühling Einzug halten. Dr. Orient hatte den Bürgersteig auf der anderen Straßenseite erreicht. Er blieb stehen, um tief Luft zu holen. Eine Weile lang blickte er auf den Fluss hinab, dann begann er seinen Marsch zum Stadtzentrum.
Er hatte zwanzig oder dreißig Häuserblocks passiert, als er Durst verspürte. An einem Kiosk, der frisch gepressten Orangensaft verkaufte, blieb er stehen. Sein Blick fiel auf das Schild an der Ecke. Er befand sich an der Kreuzung der 86th Street mit der 3rd Avenue. Ich muss irgendwann Richtung Osten abgebogen sein, fuhr es ihm durch den Kopf. Er ließ sich ein zweites Glas Orangensaft geben und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Ich werde mir eine neue Unterkunft suchen müssen. Alles Weitere wird sich finden. Er schob den linken Ärmel hoch. Die Armbanduhr fehlte.
Dann fiel es ihm ein. Er hatte sie im Badezimmer liegen lassen; neben der Zahnbürste, dem Rasierapparat, dem Kräutershampoo, der Teerseife und den anderen Utensilien. Keine Chance, dass er diese Dinge je wiedersah. Nein, er würde nicht zurückgehen, um das Vergessene zu holen.
Seit seiner Geburt hatte er in diesem Haus gelebt. Heute Morgen, als die Männer der Umzugsfirma kamen, war er sich wie ein Einbrecher vorgekommen. Erst jetzt wurde ihm klar, wie unpersönlich die Übergabe des Eigentums abgewickelt wurde. Man besitzt ein Haus nicht wirklich, dachte er. Es ist nur eine Illusion, die das Medium Zeit uns vorspiegelt. Ich habe noch viel zu lernen. Dies ist die erste Stufe auf der Treppe der Erkenntnis.
Er war verwirrt, als der Verkäufer ihm einen Dollar und zwanzig Cents für die drei Glas Orangensaft abverlangte. Der Hundertdollarschein, der in seiner Tasche knisterte, würde nicht lange reichen, das war jetzt schon klar. In den letzten Jahren hatte er die Beziehung zum Geld verloren, falls er je eine gehabt hatte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie viel ein normaler Mensch im Monat zum Leben brauchte.
Er beschloss in den Park zu gehen.
Der Weg führte in westlicher Richtung, auf die 5th Avenue zu. Ich habe mein Treibhaus verlassen, dachte er. Aber er war schlecht vorbereitet auf das Leben draußen. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr war er nicht mehr mit gewöhnlichen Menschen zusammengekommen. Sicher, es hatte hier und da ein Mädchen gegeben. Insgesamt aber war sein Interesse auf die Arbeit gerichtet gewesen. Es blieb keine Zeit für Freundschaften. Mathematik, Physik, Sprachen. Medizinstudium, dann Psychologie und Psychiatrie. C.G. Jung und Reich, die beiden Säulenheiligen. Damals hatte er mit seinen Experimenten zu übernatürlichen Phänomenen begonnen.
Ein Studium der okkulten Wissenschaften, der Parapsychologie, hatte sich angeschlossen. Yoga, Tibet, und das Erlernen telepathischer Techniken.
Und über alledem hatte er vergessen, was es hieß, sich seinen Lebensunterhalt als normaler Zeitgenosse zu verdienen. Wo war der Weg, der ihn zwischen seinem neuen Bewusstsein und dem ererbten Karma hindurchführen würde?
An der 5th Avenue angekommen, bog er in Richtung Central Park ab. Er betrat den Park, ging die gewundenen Wege entlang, setzte sich auf eine Bank.
Als er aufblickte, hatte ein junger Mann mit schulterlangem rotem Haar auf der Bank gegenüber Platz genommen. Auf seinen Knien lag eine Zeitschrift. Der Mann war gerade dabei, sich eine Zigarette zu drehen. Er trug ein schwarzes Cowboyhemd, auf dessen Schultern zwei Silberadler eingewebt waren.
Irgendwo hier muss es eine Rodeo-Vorführung geben, dachte Dr. Orient.
Dann knüpfte er wieder an den Kreis seiner alten Überlegungen an.
Versuche mit Medien, ja. Aber da war immer eine Lücke geblieben, eine Kluft, die er nicht zu überbrücken vermochte. Es schien keine Verbindung zu geben zwischen dem esoterischen Denken und dem Diesseits. Wahrscheinlich lag es daran, dass die Aufnahme auf dem Videoband ein Fehlschlag geworden war. Die Erinnerung an die Kassette, die er Andy Jacobs ausgehändigt hatte, durchzuckte ihn wie ein schmerzliches Wetterleuchten.
Mein Vermächtnis.
Er hatte in wenigen Grundsätzen zusammenfassen wollen, was er auf dem Gebiet der PSI-Forschung und der Telepathie herausgefunden hatte. Er hatte seinen Ehrgeiz darin gesehen, Glaube und Wissenschaft miteinander zu versöhnen, die beiden feindlichen Schwestern in einer großen, neuen Erkenntnistheorie zusammenzuführen.
Er hatte sich der Aufgabe nicht gewachsen gezeigt. Den größten Teil der Video-Aufnahmen hatte er wieder gelöscht. Irgendwann einmal würde er den Faden wieder aufnehmen. Er sah auf, als ihm der Geruch schwelender Blätter in die Nase stieg.
Der Cowboy drüben auf der Bank hatte sich zurückgelehnt. Er starrte zu den Bäumen hoch und saugte an seinem Glimmstängel. Als er Dr. Orients Blick auf sich ruhen spürte, stand er auf. Er zog sich die Aufschläge der Jeans über die Cowboystiefel. Dann straffte er seine Gestalt und sah nachdenklich zu Dr. Orient herüber.
Wo hatte er diesen Mann schon einmal gesehen? Irgendetwas an dem Menschen dort drüben kam ihm bekannt vor.
Der Cowboy hatte sich umgedreht. Er ging den Weg entlang. Eine Wolke stark duftenden Qualms blieb hinter ihm zurück.
Plötzlich wusste er, was mit dem Mann los war. Der Cowboy war ein Medium. Er sah ihm nach, bis er hinter einer Wegbiegung verschwand. Der Duft, dachte er. Tabak war das nicht gewesen.
Noch wenige Monate zuvor hätte er alles darangesetzt, mit dem Mann näher in Kontakt zu kommen. Er hätte ihn auf seine telepathischen Fähigkeiten aufmerksam gemacht, hätte ihm geholfen, diese Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Heute... war alles anders. Der Mann war ein Fremder, nichts mehr. Es kam jetzt auf etwas anderes an. Er musste lernen, sein eigenes Potenzial auszufüllen.
Er würde irgendeine neue Tätigkeit annehmen müssen. Nichts im Bereich der medizinischen Forschung natürlich. Er brauchte eine Arbeit, bei der er mit den Menschen in Berührung kam. Er stand auf, nahm seinen Koffer und ging tiefer in den Park hinein.
Ohne dass er es wollte, irrten seine Gedanken zu dem Cowboy zurück. Ein Medium. Medien waren selten. In den vergangenen vier Jahren war er, trotz aller Anstrengungen, nur auf acht Menschen gestoßen, die über ein derartiges Potenzial verfügten. Bei fünf Versuchspersonen hatte er die Experimente vorzeitig abbrechen müssen.
Der Cowboy. Ich hätte ihn ansprechen sollen.
Er verließ den Weg, ging auf eine Gruppierung von Felsen zu, lehnte sich an den kühlen Stein und betrachtete die Skyline der 59th Street, die sich im Dunst abzeichnete.
Ich werde ein Hotel finden müssen, dachte er. Ein billiges Hotel.
Freilich würde das keine Lösung sein. Binnen weniger Tage würde er ohne Geld dastehen, auch wenn das Hotel noch so billig war. Er hatte keine Arbeit. Und kein Dach über dem Kopf. Langsam ging er in Richtung 59th Street. Als er am Zoo ankam, spürte er, dass er hungrig war.
Er kannte den Park aus früheren Spaziergängen. Diesen Bereich allerdings, den Zoo, die Käfige und den Gestank nach Tierdung hatte er immer vermieden. Diesmal zog es ihn in die Cafeteria, die dem kleinen Tierpark angegliedert war.
Er nahm sich ein Tablett und schob es auf der stählernen Theke entlang, auf der Suche nach Gerichten, die seiner Diät entsprachen. Er entschied sich für Joghurt, etwas Honig, eine Karotte und eine Schüssel Salat. Zu seiner Überraschung kostete das Ganze weniger, als er vorhin für drei Gläser Orangensaft ausgegeben hatte. Er nahm sich vor, öfter hier essen zu gehen.
Er balancierte das volle Tablett und seinen kleinen Koffer zum nächsten freien Tisch, stellte beides ab, setzte sich und sah sich um. Am Nebentisch saß der rothaarige Cowboy. Er unterhielt sich mit einem hübschen blonden Mädchen und grinste.
Als er Dr. Orient bemerkte, zog er die Brauen zusammen. Er flüsterte dem Mädchen etwas zu, dann standen beide auf und verließen die Cafeteria.
Dr. Orient verzehrte in aller Seelenruhe seinen Salat. Es war ihm oft passiert, dass Medien in seiner Nähe seltsame Reaktionen zeigten. Im Verlauf seiner Experimente hatte er herausgefunden, dass dies auf die elektromagnetische Strahlung zurückzuführen war, die von seinem Gehirn ausging. Die Strahlendosis addierte sich zu den Gehirnströmen der PSI-begabten Personen und wurde von ihr als störendes Feld empfunden.
Einmal mehr kam ihm der Gedanke, dem Cowboy zu folgen. Nach weiterer Abwägung des Für und Wider verwarf er die Idee wieder. Er musste seine eigenen Batterien aufladen, bevor er sich um andere Leute kümmerte.
Nachdem er seine kleine Mahlzeit beendet hatte, blieb er sitzen und betrachtete die Gäste mit einer Mischung aus Bewunderung und Neugier. Welche Vitalität! All diese Menschen kannten ihren Platz im Leben, schienen entschlossen, einen ganz bestimmten Weg zu gehen. Offen blieb, was ihnen diese Sicherheit gab.
Er nahm seinen Koffer auf, verließ die Cafeteria und wanderte tiefer in den Park hinein, wobei er einen Weg wählte, der im weiten Bogen um die Tierkäfige herumführte.
Im Westteil des Parks angelangt, beschloss er bis zum Columbus Circle zu gehen. Als das Schild einer U-Bahnstation vor ihm auftauchte, hastete er die Stufen hinab, zog eine Fahrkarte und nahm die erste Bahn, die kam. Er war neugierig, wohin das Schicksal ihn führen würde.
Die Bahn war zum Bersten voll. Dr. Orient, der sich in der Ellenbogengesellschaft, die hier unter der Erde herrschte, nicht auskannte, wurde in die Ecke gequetscht, bis er kaum noch atmen konnte. Ein paar Stationen später stieg er aus.
Er betrachtete das Stationsschild. Er befand sich an der 4th Street-Station, am Washington Square. Greenwich Village also, dachte er. Interessante Gegend. Er hatte das Viertel einige Male mit Freunden besucht. Aber seine Erkundungen waren immer sehr an der Oberfläche geblieben.
Er ging die Stufen hinaus, passierte die 6th Avenue, dann die 8th Street, bog nach Osten ab. Die Straße endete als Sackgasse in einem kleinen Park. Tompkins's Square stand auf dem Straßenschild. Er überquerte die Fahrbahn und betrat den Park.
Bänke mit alten Leuten. Slawische Gesichter. Ausgeprägte Wangenknochen, hoch angesetzte Jochbögen. Die Menschen hier sprachen Ukrainisch, durchsetzt mit amerikanischen Brocken.
In Steinwurfweite ein mit Maschendraht eingezäuntes Spielgelände, wo Puertorikaner und Negerkinder sich an den Geräten vergnügten. Es gab eine Gruppe, die Handball spielte. Die meisten standen einfach herum, rauchten, unterhielten sich.
Weiter links war eine Gruppe bunt gekleideter Hippies zu erkennen. Junge Leute zumeist. Man lag im Gras, redete, aß, zupfte an der Gitarre. Einige schliefen. Zerlumpt und exotisch sahen die Gestalten aus. Die Jacken waren mit kleinen Spiegeln besetzt. Umhänge aus Samt, Kettengürtel, arabische Dschellabas. Einige der jungen Leute trugen Renaissance-Kostüme, Wildlederjacken, im Stonewash-Verfahren eingefärbte T-Shirts, indianische Stirnbänder, Uniformen der französischen Fremdenlegion oder Capes, wie man sie aus den Musketier-Filmen nach Alexandre Dumas kannte. Dr. Orient hatte das Gefühl, sich auf einem Marktplatz im Mittleren Osten oder in Indien zu befinden.
Er setzte sich ins Gras, so dass er die Gruppe aus der Nähe betrachten konnte. Inzwischen hatten sich einige bärtige junge Männer im Kreis zusammengesetzt. Sie begannen auf ihren Gitarren zu spielen, einige trommelten auf Ziegenfelltrommeln herum.
Ein Junge von etwa vier oder fünf Jahren kam über den Rasen, setzte sich zu Dr. Orient und rieb sein Kinn an dessen Knie. Der Junge trug ein grünes Robin-Hood-Kostüm, samt Federhut und Wildlederstiefeln.
Dr. Orient war angenehm berührt. Er stützte sich hoch, um festzustellen, woher der Junge gekommen war.
»Schon in Ordnung«, sagte eine unangenehme weibliche Stimme. Sie gehörte einer gutaussehenden jungen Frau, die mit verschränkten Armen neben der Gruppe Musikanten stand. Als sie Dr. Orients Blick bemerkte, strahlte sie ihn an und ging auf ihn zu.
Sie war barfuß. Ihr Minirock gab wohlgeformte Schenkel frei. Ihr Haar war kastanienbraun, es reichte ihr bis zu den Hüften. An ihrem Gürtel hing ein Amulett in der Form des Ankh. Sie setzte sich unmittelbar neben ihn und sah ihm in die Augen. »Sie müssen eine gute Seele haben«, sagte sie ernst. »Julian ist wählerisch, er geht nicht zu jedem.«
Dr. Orient lächelte. Die Frau hatte irgendetwas an sich, das alle seine Bedenken zerstreute. »Ich habe nicht viel Erfahrung mit Kindern«, gestand er.
»Kinder haben eine feinere Antenne als wir Erwachsenen«, antwortete die Frau. »Sie fühlen sofort, ob die Schwingungen eines Menschen rein sind oder nicht.«
Dr. Orient nickte. »Das ist auch mein Eindruck.«
Die Frau war nicht das, was man eine Schönheit nennt. Aber sie war hübsch, offen und sinnlich. Wenn sie lächelte, gaben ihre Zähne ein Paar empfindsame, erlebnishungrige Lippen frei. Er spürte, wie die tiefe, innere Freude, die sie ausstrahlte, auf ihn überging. Sie sah ihn prüfend an. »Ich heiße Sun Girl«, sagte sie schließlich.
»Sun Girl?«
»Richtig.« Sie lachte, genoss seine Verwirrung.
»Ich heiße Owen«, sagte er nach kurzem Nachdenken.
»Merkwürdiger Name.« Sun Girl warf sich ins Gras und schlug die Beine übereinander.
»Tag, Gwen«, sagte das Kind.
Sie lagen da und lauschten den Klängen, die aus dem bunten Kreis herüberwehten. Die jungen Leute, die auf dem Rasen gelegen hatten, waren aufgestanden. Sie bildeten einen Halbkreis um die Musikanten, bewegten sich im Takt der Musik. Julian hatte sich zu ihnen gesellt, ahmte ihre Bewegungen nach. Dr. Orient zählte etwa zwanzig Paare. Vom nahen Spielplatz kamen einige Jugendliche herüber gewandert, schlossen sich der tanzenden Gruppe an. Die meisten allerdings blieben innerhalb des eingezäunten Spielfelds. Sie krallten ihre Hände in den Maschendrahtzaun und sahen zu.
Die Bänke, auf denen die alten Leute gesessen hatten, waren jetzt leer.
Jemand ging über den Rasen und warf Dr. Orient ein in Zellophan verpacktes Sandwich und ein paar Äpfel in den Schoß. Er sah auf. Ein Dutzend Jungen und Mädchen, alle mit Overalls bekleidet, gingen durch die Reihen und verteilten Essen. Er sah Sun Girl fragend an.
»Pigs«, kommentierte sie. »Schweinchen. Sie kommen immer, wenn's richtig schön ist. Wie durch Zauberei.«
Dr. Orient aß sein Sandwich. Er war zu überrascht, um weitere Fragen zu stellen. Ihm war; als hätte er ein geheimnisvolles fremdes Land betreten.
Das beißende Aroma von Haschzigaretten stieg ihm in die Nase. Die Musik war schneller, mitreißender geworden. Weitere Hippies hatten sich zu den Tanzenden gesellt. Ihr Lachen schallte zu Dr. Orient herüber. Die meisten schienen sich in Trance zu befinden.
Jetzt erkannte er den rothaarigen Cowboy. Er stand da, schnipste im Takt mit den Fingern, wiegte seine Mähne im Takt der Trommeln.
Dr. Orient stand auf, um besser sehen zu können. Plötzlich bemerkte er, dass sich die Jugendlichen, die innerhalb des Maschendrahts geblieben waren, in Bewegung gesetzt hatten. In wilder Flucht hasteten sie über die Wiese, trampelten die Zäune nieder und verschwanden in den Seitenwegen. Es hatte ausgesehen wie die Geländeübung einer Guerilla-Truppe.
Sekunden später war die Luft vom Heulen der Polizeisirenen erfüllt. Reifen quietschten. Im Nu war der kleine Park von einem Kordon von Polizeiwagen umstellt. Behelmte Polizisten sprangen aus den Mannschaftswagen und besetzten die Ausgänge.
Die Musikanten hatten aufgehört zu spielen. Nur noch das quälend langsam abschwellende Heulen der Sirenen war zu hören.
Die jungen Leute waren, wie von einer unsichtbaren Hand berührt, stehen geblieben. Von den Dächern der Polizeiautos blitzten die rotierenden Einsatzleuchten.
Ein Polizist, der ein Megaphon in der Hand hielt, hatte das Dach eines Mannschaftswagens erklettert. Seine Stimme kam Dr. Orient vor wie ein Echo aus der anderen Welt. »Sie halten hier eine verbotene Versammlung ab. Verlassen Sie bitte sofort den Park!«
Niemand rührte sich.
»Verlassen Sie bitte sofort den Park!«, wiederholte die Stimme - unpersönlich, zugleich mit beklemmendem Nachdruck.
Dr. Orient spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat.
Dann - brach der Sturm los.
Wie eine Wand aus Hass und Fleisch drängten die jungen Leute nach außen. Rufe erschallten. Obszönitäten wurden geschrien, die Durchsagen aus dem Megaphon übertönt.
Mit raschen Bewegungen schlossen die Polizisten den Kessel. Dr. Orient fühlte sich in einen Mahlstrom hineingerissen. Die Hippies schrien wie von Sinnen, drängten vorwärts, die Polizisten warfen sich ihnen entgegen, versuchten sie aufzuhalten.
»Pigs! Schweine!«
»Einheit zwölf nach vorn! Wo verdammt bleibt Einheit zwölf?«
»Packt euch den Hurensohn, macht ihn fertig!«
»Geben wir den Schweinen Saures! Geben wir ihnen Steine zu fressen!«
Pflastersteine wurden aus dem Wegpflaster gelöst und als Wurfgeschosse auf die Polizisten geschleudert, Flaschen flogen durch die Luft, zersplitterten vor den Füßen der Polizisten. Ein Polizist ging getroffen zu Boden. Er wurde von drei weiteren abgeschirmt und in den Mannschaftswagen geschleppt. Dann teilten sich die Ordnungshüter in fünf Gruppen auf. Tränengasgeschosse wurden auf die Hippies abgefeuert. Dr. Orient vernahm neben sich einen dumpfen Aufschlag. Dann stieg beißender Qualm hoch und ließ ihn halb erstickt zurücktaumeln. Von irgendwoher erhielt er einen Schlag über den Kopf.
Er versuchte wegzulaufen, aber das war nicht möglich. Er kam wieder zu sich, als Schlamm und Lehm in seine Nasenlöcher drangen. Er lag auf dem Boden, seine Füße berührten etwas Weiches. Er rollte sich auf die Seite, erkannte Julian, der zu seinen Füßen lag. Dem Kleinen liefen die Tränen über das mit Lehm verschmierte Gesicht. Als Dr. Orient ihn aufstützte, hörte er zu weinen auf. »Machen wir, dass wir von hier wegkommen!«, flüsterte er.
Bevor er antworten konnte, wurde seine Aufmerksamkeit von einem Polizisten in Anspruch genommen, der einen jungen Mann verfolgte. Der Mann hatte sich in ein Sternenbanner eingewickelt. Sein Verfolger bekam die Fahne zu fassen. Aber das Tuch zerriss. Bevor der junge Mann das Weite suchen konnte, wurde er von einem zweiten Polizisten mit dem Knüppel niedergeschlagen. Als der Polizist den Bewusstlosen fortschleppen wollte, wurde er von zwei Mädchen angesprungen. Er kämpfte sich frei, indem er einem der Mädchen seinen Ellenbogen in den Bauch stieß.
Der erste der beiden Polizisten begann methodisch auf die entblößten Schenkel des Mädchens einzuprügeln. Jeder Schlag hinterließ einen breiten Striemen. Schließlich wurden die beiden jungen Leute von drei Polizisten überwältigt, die den ersten beiden zu Hilfe kamen.
Der Platz leerte sich.
Dr. Orients Blick fiel auf ein flaches Gebäude, das nur etwa zwanzig Schritte entfernt war. Er stand auf, riss den strampelnden, trampelnden Jungen an sich und hastete auf die offene Tür des Gebäudes zu.
»Mom! Wo ist Mom?«, schrie der Kleine. Er deutete auf die Wiese, die jetzt wie ein Trümmerfeld aussah. Von Sun Girl war nichts zu sehen.
Schließlich fand er sie. Sie hatte sich hinter einem Busch versteckt, starrte ihn an aus tränenden Augen. Als sie die Arme ausstreckte, um ihm zu folgen, verstand er, dass sie vom Tränengas halb blind war. »Julian!« ,schrie sie. »Wo bist du, Julian?«
Dr. Orient blieb stehen und berührte sie am Arm. Sie entzog sich ihm. »Ich will meinen Jungen!« Sie brach in Tränen aus.
»Der Junge ist hier, bei mir!« schrie er.
»Ich bin hier, Mom!«, rief Julian.
Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her. Schließlich gelang es ihnen, das flache Gebäude zu erreichen. Sun Girl hielt ihren Jungen an sich gedrückt. Der Kleine betastete ihre Augen mit seinen Fingern. »Bist du verletzt, Mom?« Sie taumelten durch die Türöffnung, dann zog Dr. Orient die Tür hinter sich zu.
Plötzlich war alles still. Still und dunkel.
Er blinzelte. Ein Oberlicht wurde sichtbar. Sie befanden sich in einer öffentlichen Toilette.
Sun Girl hatte sich hingekauert, sie hielt Julian auf ihrem Schoß. Als der Kleine sich die Augen reiben wollte, hielt sie ihm die Hände fest. »Wenn du reibst, wird es schlimmer«, sagte sie zärtlich.
Julian nickte, dann schloss er die Lider.
Sun Girl sah zu Dr. Orient auf und kniff die Augen zusammen. »Sie sind’s«, sagte sie verwundert, »der Mann mit dem merkwürdigen Namen.«
»Ganz recht«, sagte er. Er suchte und fand ein Waschbecken, wusch sich die Hände, ließ sich das Wasser über das Gesicht rinnen, betupfte die Augen. »Kommen Sie her«, bat er, zu Sun Girl gewandt. »Bringen Sie den Kleinen her.«
Si riss sich einen Streifen Stoff aus der Bluse, benetzte ihn mit Wasser und wusch ihrem Sohn das Gesicht.
Dr. Orient wollte etwas sagen, als ihn die telepathische Botschaft erreichte. Das Bild verschwamm, dann wurde es scharf.
Ein Polizist.
Er starrte auf die geschlossene Tür. Er spürte, dass jemand Signale nach ihm aussandte. Er schaltete auf Empfang und erschrak. Der andere musste sich in unmittelbarer Nähe befinden. Er ging auf die Tür zu.
»Ein Polizist«, hörte er Julian rufen. »Hilfe!«
3. Kapitel
Er öffnete die Tür. Das Gellen von Stimmen und der Gestank der Tränengasbomben brandeten ihm entgegen. Er zwang sich zur Ruhe, ging erneut auf Empfang und vernahm schließlich den Ruf des anderen Wesens. Dann: die Angabe der Richtung.
Er lief über den Rasen, als ein Polizist, die Gasmaske vors Gesicht geschnallt, auf ihn zusprang. Mit seinem erhobenen Gummiknüppel sah er aus wie ein gigantisches Insekt, das seine tödliche Peitsche schwang. Dr. Orient tauchte unter ihm weg, rannte zu den Büschen.
Der Polizist sprintete ihm nach. Er kam zu Fall, als eines der Mädchen sich vor seine Füße warf.
Schnaufend blieb Dr. Orient stehen. Seine Augen brannten wie Feuer. Er konzentrierte sich auf die Signale jenes Wesens, das Hilfe brauchte. Er spürte, dass die Quelle der Signale in unmittelbarer Nähe liegen musste.
Dann sah er den Cowboy.
Das Medium.
Er lag mit dem Gesicht nach unten am Fuß eines Baumes. Wenige Meter weiter rechts waren zwei Polizisten dabei, ein fluchendes, spuckendes Mädchen zu überwältigen. Von ihrem Gesicht tropfte Blut.
Dr. Orient duckte sich hinter den Stamm, tastete den Bewusstlosen nach Verletzungen ab. Er fand keine Brüche. Der Cowboy musste niedergeschlagen worden sein, als er, wahrscheinlich unbewusst, das Hilfesignal aussandte.
Eine Serie aufeinanderfolgender Schüsse erschütterte die Luft. Wenig später wehte der Wind dichte Schwaden Tränengas herüber.
Dr. Orient fasste den Cowboy unter den Schultern und versuchte ihn zum Gebäude zu schleppen. Er fand den Weg von drei jungen Männern versperrt, die ein Wurfgefecht mit der Polizei austrugen. Ehe er einen Gedanken fassen konnte, waren die uniformierten Gestalten über ihm.
Er warf sich über den Cowboy, empfing einen Fußtritt in die Nieren. Er begann zu würgen, spannte die Muskeln an, wartete auf den nächsten Tritt.
Nichts.
Er öffnete die Augen und sah, dass sich das Kampfgeschehen in Richtung der Spielstätte verlagert hatte. Die Polizisten hatten die Steinewerfer in die Enge getrieben.
Er betrachtete den Mann, der vor ihm auf dem Boden lag. Die Augenlider zitterten. Der Cowboy hatte sein Bewusstsein wiedererlangt.
»Stehen Sie auf!«, schrie Dr. Orient. »Schnell!« Er half ihm sich aufzurichten. Der Cowboy wischte sich das lange rote Haar aus dem Gesicht. Eine blutende Stirnwunde kam zum Vorschein.
»Sie?«, stammelte er, als er ihn erblickte. '
»Kommen Sie! Dort hinüber!« Er hielt ihn am Arm gepackt, stützte ihn, während sie auf das flache Gebäude zuliefen.
In der Toilette angekommen, ließ sich Dr. Orient zu Boden sinken. Er lag still, bis der Schmerz in den Nieren nachließ. Dann versuchte er die rechte Hand zu bewegen. Das Handgelenk war angeschwollen.
»Halten Sie's unter den Wasserstrahl, Mann«, sagte der Cowboy. Er stand vor dem Waschbecken.
Dr. Orient rappelte sich auf, noch bevor Sun Girl ihm zu Hilfe kommen konnte.
»Die nettesten Leute trifft man immer auf der Damentoilette«, feixte der Cowboy. »Sun Girl, was tust du denn hier?«
Sie grinste. »Spricht man so mit einer Lady?« Sie sah, dass er verletzt war. Ihr Lächeln schwand.
Draußen waren Stimmen zu hören.
Schläge.
Schreie.
Die Schritte kamen näher. Der Cowboy ging zur Tür.
»Halt!« flüsterte Sun Girl. »Der Junge ist hier, wir können nichts riskieren.«
Der Cowboy kam von der Tür zurück, betrachtete den Kleinen, der in der dunklen Ecke an der Wand lehnte. Er war eingeschlafen. Die Schritte draußen entfernten sich.
»Lassen Sie mich mal Ihre Stirn ansehen«, sagte Dr. Orient. Der Cowboy folgte seinem Wink, stolperte zum Waschbecken und ließ sich das verkrustete Blut und den Dreck von der Stirn abwaschen. Nachdem die Wunde gereinigt war, betastete Dr. Orient den Knochen an den Wundrändern.
»Sie machen das, als ob Sie’s gelernt haben«, lobte der Cowboy.
»Ich bin Arzt«, sagte Dr. Orient. »Und ich rate Ihnen, sich sobald es geht, röntgen zu lassen. Es ist möglich, dass Sie einen Schädelbruch erlitten haben.«
»Meine Birne ist so hart, dass sie es mit jedem Polizistenknüppel aufnimmt«, frotzelte der Cowboy. Er streckte ihm seine Hand entgegen. »Ich heiße Joker«, sagte er. »Und das da ist...«
»Ich habe mich schon vorgestellt«, kam ihm Sun Girl zuvor.
Joker hob die Hände. »Nichts für ungut, Ma'am.« Er blinzelte Dr. Orient zu. »Die Dame ist empfindlich, wenn’s um patriarchalische Sitten und Gebräuche geht. Women's Lib, Sie verstehen, Doc.« Er kniff die Augen zusammen. »Sie sind doch wohl nicht vom Drogenkommando, wie? Sie sind mir schon den ganzen Tag auf den Fersen.«
Dr. Orient schüttelte müde den Kopf. Dann fiel ihm ein, was er die ganze Zeit vermisste. »Wo ist mein Koffer?« Er wandte sich zu Sun Girl. »Irgendwo da draußen muss mein Koffer liegen.«
»War was Wichtiges drin?«
»Ein paar Kleider und mein Pass.« Er machte Anstalten zur Tür zu gehen.
»Nicht doch«, sagte Joker. Er drehte den Wasserhahn zu, kam zur Wand geschlendert und setzte sich neben Julian. »Was Sun Girl vorhin gesagt hat, gilt auch für Sie, Doc. Wir sollten uns vorläufig nicht draußen blicken lassen. Es ist einfach zu gefährlich.« Er fasste in seine Gesäßtasche und brachte drei Joints zum Vorschein. »Nachdem Sie nicht von der Polente sind, warum helfen Sie mir nicht, diese Beweisstücke zu beseitigen?«
»Das erste vernünftige Wort, was du sagst«, kommentierte Sun Girl den Vorschlag. Sie hatte sich neben Julian auf die Fliesen gekauert.
Dr. Orient zögerte. Schließlich ließ er sich im Schneidersitz vor Sun Girl und Joker nieder. Joker gab ihm einen Joint, versorgte dann Sun Girl und sich selbst. Dann begann er in seiner Hosentasche nach Streichhölzern zu suchen. »Diese Joints würden mir Schwierigkeiten machen, wenn sie das Zeug bei mir finden«, murmelte er. »Ruhestörung, Landfriedensbruch, und dann noch drei Joints in der Tasche, das zieht dem besten Verteidiger die Socken aus.« Er zündete sich seinen Joint an und reichte das flammende Streichholz an Dr. Orient weiter. »Ich bin Ihnen echt dankbar, Doc.«.
Sun Girl blies das Flämmchen aus, als Joker ihr das Zündholz gab. »Nicht drei mit dem gleichen Streichholz«, sagte sie. Gleichmütig zündete Joker ein neues Hölzchen an. »Sun Girl, du siehst wieder mal Gespenster«, sagte er und schüttelte den Kopf. Dr. Orient nahm einen tiefen Zug. Es war lange her, dass er so etwas geraucht hatte. Er spürte, wie der Rauch durch seine Kehle strich. Es war ein wärmendes, entspannendes Gefühl. Wie eine heiße Dusche, wenn man vom Herbstregen durchnässt worden war. Er sah auf. Joker starrte ihn ungläubig an.
»Sie rauchen das Zeug nicht zum ersten Mal, stimmt's, Doc?«
Dr. Orient nickte. Er war auf Empfang gegangen und spürte die Bedeutung, die seine Antwort für Joker haben würde.
»Wer hat Sie versorgt?«, bohrte Joker weiter. »Ich kenne vielleicht nicht jeden Menschen in dieser Stadt, aber ich kenne sicher jeden Dealer.«
»Dealer?« fragte Dr. Orient verständnislos. Er sah zu Sun Girl hinüber.
Sie musterte ihn interessiert. »Er meint, von wem Sie früher Ihr Hasch bezogen haben.« Sie wandte sich zu Joker. »Und du hörst jetzt mit deinem Bilderrätsel auf. Owen hat uns ganz schön aus der Patsche geholfen, vergiss das nicht.«
Joker senkte den Kopf. »Tut mir leid, Doc. Meine Fragerei hat keine besonderen Hintergründe. Nur die Neugier des Profis.«
Dr. Orient konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Ein Freund hat's mir gegeben. Jeden Monat ein Päckchen.«
Joker nickte verständnisvoll. »Und der Preis? Hat er Ihnen einen anständigen Preis gemacht?« Er sah fragend zu Sun Girl hinüber. »Das darf ich doch wohl fragen, oder?« Sie antwortete nicht.
»Mein Freund hat mir gar nichts berechnet«, gab Dr. Orient zur Auskunft. »Er wusste, die Droge war für religiöse Zwecke bestimmt.«
Joker verzog das Gesicht. »Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe. Oder sagen Sie etwa die Wahrheit, Doc?«
Dr. Orient fiel die Frage ein, die er schon ganz zu Anfang hatte stellen wollen. »Kennen Sie sich beide schon lange?«
Sun Girl lächelte. »So kann man's sagen. Joker kennt jedes verfügbare weibliche Wesen an der Ostküste.« Sie hielt seinem Blick stand. Große, verträumte Augen. Ihre Lippen waren geöffnet. Sie war begehrenswert.
Joker räusperte sich und hielt den Kopf schief. »Es ist, wie sie sagt. Aber das ist ja schließlich nicht verboten, oder?«
Dr. Orient ließ die Kippe seines Joints auf die Erde fallen.
Als er den Kopf wieder hob, trafen sich ihre Blicke.
»Du siehst gut aus, Owen«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Darauf können Sie sich etwas einbilden, Doc«, warf Joker ein. »Ich versuche dieses Mädchen seit einem Jahr zu einer Cola einzuladen. Nichts.«
Dr. Orient schmunzelte. Der Schmerz in der Nierengegend war noch da, aber sein Unterbewusstsein hatte aufgetankt. Die Verspannung seines Denkens hatte sich gelöst. Er konnte jetzt wieder Energien aufnehmen, nachdem er monatelang von der Substanz hatte leben müssen. Er begann zu verstehen, was ihn aus dem Haus in die Untergrundbahn geführt hatte. Sun Girl war sicher mehr wert als sechs Monate Kopfschmerzen im Laboratorium.
Joker hob in komischer Verzweiflung die Schultern. »Sie beide wollen vielleicht den Rest der Nacht an diesem gastlichen Ort verbringen.« Er stand auf und reckte sich. »Aber ich kann mir das nicht leisten, ich habe zu tun.« Er pirschte zur Tür, öffnete sie einen Spalt und äugte hinaus: »Von der Polizei ist nichts mehr zu sehen«, verkündete er.
Dr. Orient stand auf. Er folgte Joker, der hinausgegangen war. Im Park empfing sie Dunkelheit und Stille. Immer noch war das Tränengas, das vor Stunden hier versprüht worden war, zu riechen. Sun Girl trat in die Nacht hinaus. Sie hielt Julian an sich gepresst.
»Alles in Ordnung?« flüsterte sie.
»Alles klar«, sagte Joker. Er ging auf die Mittelfläche des Rasens zu, wo das Tanzspektakel stattgefunden hatte. »Mal sehen, ob wir Ihren Koffer finden, Doc«, murmelte er.
Die Suche verlief fruchtlos. Sie kehrten zu dem kleinen Gebäude zurück, wo Sun Girl sie erwartete.
»Haben Sie Ihren Koffer gefunden, Owen?«, fragte sie ins Dunkel hinein.
»Den werde ich wohl nie wiedersehen.« Dr. Orient dachte an den Aufwand, den es kosten würde, das verlorene Dokument zu ersetzen.
Julian hob den Kopf. »Ralf hat den Koffer genommen«, sagte er verschlafen. »Ich hab’s gesehen.«
»Dann kriegen wir das Ding auch wieder«, sagte Joker. »Sogar recht schnell.« Er schob Dr. Orient und Sun Girl auf den Ausgang des Parks zu. »Kommen Sie einfach mit zu mir, dort wird sich alles klären.« Er ließ sich von Sun Girl den schlafenden Julian aufladen und ging voran. Dr. Orient spürte, wie Sun Girl seinen Arm umklammerte. Eine ungewohnte, zugleich angenehme Empfindung.
Joker wohnte nur zwei Häuserblocks entfernt, im dritten Stock eines renovierten Hauses. Es gab keinen Fahrstuhl. Sie stiegen die Treppen hoch. Vor einer blau bemalten Tür, auf der ein goldener Adler prangte, blieb Joker stehen. Er schloss auf und knipste das Licht an. Der Wohnraum, in den er sie führte, war groß, mit einfachen Möbeln eingerichtet. Ein blauer Teppich. An einer Wand Poster der unterschiedlichsten Sportarten, Pferde, Segeljachten, Karate, Stierkampf.
Drei Wände waren mit dunkelbraunem Kork verkleidet. Es gab drei bezogene Matratzen, die als Sitzgelegenheit und Couch dienten. In der Ecke des Zimmers hing eine mosaikbesetzte Tiffany-Lampe. Es gab einen Verstärker und zwei große Lautsprecher. Eine zweite Tür - sie war verschlossen - schien vom Wohnzimmer in einen Nebenraum zu führen.
Joker wies auf die Matratzen. »Machen Sie sich's bequem, ich kümmere mich derweil um die Sache mit dem Koffer.« Er ging in den Nebenraum und zog die Tür hinter sich zu.
Dr. Orient nahm auf einer Matratze Platz und sah zu, wie Sun Girl ihrem kleinen Julian ein Nachtlager bereitete. Als das Kind eingeschlafen war, setzte sie sich zu Owen. »Ich habe mich noch gar nicht bedankt«, flüsterte sie. Sie lehnte sich an ihn. »Danke, Owen.«
»Worum ging es eigentlich bei der ganzen Keilerei?«, wollte er wissen. Er spürte, wie die Wärme ihres Körpers auf ihn überging.
»Ich weiß nicht. Ich bin hingegangen, weil ein Konzert im Freien angekündigt war. Hätte ich gewusst, dass es so ausgeht, hätte ich mich nie hin gewagt. Schon wegen Julian nicht.«
Joker kam aus dem Nebenzimmer.
»Worum ging es eigentlich gestern Abend?«, wiederholte Dr. Orient seine Frage. »Warum der Aufruhr?«
»Die alte Geschichte, Doc. Die Freaks des Viertels machen ihre Katzenmusik im Park, und jemanden stört das. Geht hin und hängt die Freaks bei der Polente hin. Die kommt und räumt auf, dass kein Auge trocken bleibt. Unfair, verstehen Sie?«
»Ich verstehe.«
»Ich bin hingegangen, weil ich die Musik hörte. Wenn ich geahnt hätte, dass es Zoff gibt, hätte ich mir stattdessen die Freiheitsstatue angesehen.«
»Was ist mit dem Koffer?«, fragte Sun Girl.
»Ralf hat den Koffer«, sagte Joker. »Es geht alles in Ordnung. Er hat's mir am Telefon bestätigt.«
»Gut.« Sun Girl kuschelte sich an Dr. Orients Schulter.
»Ich hoffe, ich störe nicht«, brummte Joker.
»Mich nicht«, sagte Sun Girl. Sie hielt die Augen geschlossen.
Joker grinste. »Ich hätte vielleicht doch
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Frank Lauria/Apex-Verlag.
Bildmaterialien: Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Lektorat: Zasu Menil.
Übersetzung: Christian Dörge.
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2016
ISBN: 978-3-7396-6491-0
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