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Prolog

Mein Name ist Traesy McGregor, ich bin mittlerweile so um die 400 Jahre alt und ich möchte einen Teil meiner Geschichte erzählen. Um genauer zu sein, den Part in dem ich anfing an das Schicksal, an mein Schicksal zu glauben.

 

Zu Anfang war ich ein ganz normales Mädchen, in einem ganz normalen Leben, mit einer ganz normalen Familie. Und hätte ich gewusst, wie sehr mich eine einzige Entscheidung verändern kann, hätte ich gewiss manche davon bereut, noch bevor ich sie überhaupt getroffen hätte. Es mag wahrscheinlich daran liegen, dass ich jung, naiv und viel zu verträumt war, als ich mich für immer an ihn band. Doch selbst jetzt könnte ich noch behaupten, dass ich glücklich sei und jeden noch so kleinen Fehler mit Freude wieder begehen würde. Damals hätte ich nicht mal ahnen können, was für schwerwiegende Konsequenzen diese Fehlentscheidungen nach sich ziehen würden. Wie sollte ich auch? Seit dem ich denken konnte, fühlte ich mich beschützt und geborgen, wo auch immer ich hin ging. Ich wusste nicht was Angst, Trauer oder Einsamkeit waren, da ich spürte, dass er immer bei mir sein und alles Bedrohliche von mir fernhalten würde. Mein Märchenprinz. Mein Schutzengel. Meine zweite Hälfte. Diese Seele, die man das ganze Leben lang sucht, doch die kaum zu finden scheint. Entweder aus Angst verletzt zu werden und somit alles zu verlieren oder um sich über die verzweifelte Suche des anderen lustig zu machen, bis dieser stark genug ist, seine Augen zu öffnen und sich wirklich umzusehen.

 

Ich hatte das Glück, meinen Seelenverwandten bereits zu kennen, noch bevor ich sprechen oder laufen konnte. Wir trafen uns jede Nacht in meinen Träumen, wo er mir von sich und seinem Leben erzählte. Mir erklärte, wie er zu dem wurde, was er war und wie viel Spaß es ihm bereitete, auf mich aufzupassen und mich aufwachsen zu sehen. Mir kam nie der Gedanke, ich könnte meinen Engel verlieren. Selbst dann nicht, als alle anderen begannen, sich nur noch für die reale Welt um sich herum zu interessieren und aufhörten, an ihre eigenen Beschützer zu glauben. Sie gaben sie einfach auf! Die Jungs fanden Gefallen am Sport und die Mädchen Gefallen an den Jungs. Sie kamen alle in das Alter für Prügeleien und Schwärmereien. Nicht mal ich blieb von den pubertären Schwärmereien verschont. In der Nacht zu meinem 14. Geburtstag gestand ich meinem Herzkönig endlich meine schon zu lange unterdrückte Liebe.

 

Es war mein Traum und trotzdem konnte ich sein verschwinden nicht verhindern. Er verblasste vor meinen Augen. Nach und nach ging er von mir, bis nur noch ein dumpfes Abbild seines wunderschönen Körpers vorhanden war. Eine Art Körper ohne Maße. Dursichtig und geisterhaft. Sein Gesicht war gezeichnet von Verzweiflung und Trauer, seine Augen weit aufgerissen durch den Schock, den mein Geständnis ausgelöst hatte. Denn er wusste, dass ich ihm wortwörtlich mein Herz darbot und er es annehmen, mich aber gleichzeitig auch verlassen müsste. Das war das letzte Mal, dass ich ihm in einem meiner Träume begegnet war. Obwohl ich noch immer von ihm träume, sind es jetzt nur noch Erinnerungen von einst traumhaften und unbeschwerten Nächten.

 

 

Am darauffolgenden Morgen riss mich mein Wecker aus dem endlos scheinenden Albtraum. Sobald ich meine Augen aufschlug, die von längst geweinten Tränen verklebt waren, bemerkte ich, dass ich nicht mehr ich war. Alles was ich wollte, war zu schlafen und niemals wieder aufzuwachen, für immer auf ihn zu warten und keine Zeit im Wachzustand zu verschwenden.

 

Was, wenn er jetzt gerade in diesem Moment zurückkäme und ich nicht da wäre. Würde er wieder verschwinden? Und was, wenn er dann nie wieder käme? Nein, ich musste weiter schlafen, weiter träumen, um sicher zu sein, ihn nicht zu verpassen. Wenn ich einen Tag fehlen würde, würde das sowieso niemandem auffallen.

 

Es war das erste Mal, dass ich Angst spürte. Angst, meinen Engel für immer verloren zu haben. Trauer stieg in mir auf und mit ihr Wellen von Einsamkeit, die über mir zusammen brachen und mich unter sich begruben, als wäre ich nicht da. Ich fühlte mich leer und die kleinste Gefühlsregung schien mich zu ersticken. Sodass ich jedes noch so kleine Gefühl einschloss, vor der Außenwelt verbarg, und meine Lebensfreude aufgab. Am Ende glaubte ich, mich hielte nur noch die viel zu geringe Hoffnung, ihn doch noch wieder zu sehen, am Leben.

Kapitel 1

„Dieses Buch! Dieses verflixte Buch. Wo haben die es nun schon wieder hingetan?“ Anscheinend stimmte es, dass man Sachen, die man sucht, erst dann findet, wenn man sie nicht mehr braucht. Ich könnte schwören, ich hätte es gestern noch gesehen.„Kann ich dir helfen?“, erklang plötzlich die Stimme meines besten Freundes neben mir. „Was machst du denn hier, Alan?“.

 

Normalerweise macht er einen riesen Bogen um Buchläden. Ganz zu schweigen von Buchläden wie diesem, die ausschließlich antike Texte verkaufen.

 

„Ich? Ich arbeite doch seit heute hier, schon vergessen? Sag mal, soll ich dir nun helfen oder nicht? Um ehrlich zu sein, siehst du ziemlich verloren aus.“. Es war nur ein Hauch von einem Lächeln, aber es raubte mir fast den Verstand. Er fing mich ein mit seinem fragenden Blick und dem überirdischen Funkeln in seinen Augen, die ihre Farbe von Eisblau in ein dunkleres Blau wechselten. Nun erinnerten sie eher an einen wolkenfreien Sommerhimmel kurz vor einem Sonnenuntergang und ähnelten denen meines Engels so sehr, dass ich glaubte, mein Herz setze einen Schlag aus. Oder waren es sogar zwei? Ich blinzelte, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und meine aufkeimenden Gefühle zu unterdrücken. Doch es war bereits zu spät. Eine ungeahnte Menge an Gefühlen strömte durch mich und meinen Geist hindurch, um jeden Winkel meines Seins zu erfassen.

 

Wie konnte das sein? Mein Prinz war eine Kindheitsfantasie gewesen, die mir mein Leben entrissen hatte und einfach verschwunden war. Ich war in Therapie gegangen, bin nach New York gezogen und hatte alles zurück gelassen, was mir je wichtig gewesen war. Und jetzt, nach acht Jahren, tauchten wie aus dem Nichts diese Warnvorstellungen aus meiner Kindheit wieder auf. Wenn das so weiter ginge, würde ich mich noch selber in eine Psychiatrie einweisen müssen.

 

„Traesy, alles ok? Du wirkst auf einmal so blass.“. Er hört sich ja sogar genauso an, wie mein Prinz damals. Ich schüttelte energisch den Kopf, um endlich meinen wild gewordenen Gedankengängen Einhalt zu gebieten. Worüber hatten wir uns nochmal unterhalten, bevor ich durchgedreht war?

 

Ich hob den Kopf, um nachzufragen und mich zu entschuldigen, doch als ich seinen sorgenvollen Blick bemerkte, der sehr wahrscheinlich von Anfang an auf mich gerichtet war, fing sich der Laden an sich um mich herum zu drehen. Mir schien es keine schlechte Idee, mich zu setzen und sei es nur auf dem verstaubten Boden eines Antiquariates. Alan ging in den hinteren Teil des Geschäftes, doch ich merkte es erst, als er mit einem Glas Wasser wiederkam und sich zu mir herunter beugte, um meine Temperatur zu überprüfen. Oh mein Gott! Seine Hand ist so heiß. Ich glaube, er sollte lieber seine eigene Temperatur überprüfen.

 

Erst als er von mir abließ, kam mir die Erkenntnis, dass ich meine Augen geschlossen und ruhiger geworden war. Was sich schlagartig änderte, als ich ihn erneut betrachtete. Ich wollte meinen Augen nicht glauben. Alan sah meinem Engel zum Verwechseln ähnlich. Ein bisschen besser gestylt und etwas jünger, aber was hieß das schon für einen Unsterblichen. Wenn er denn wirklich einer war. Sein schwarzes, leicht gelocktes Haar fiel ihm ins Gesicht als er sich erneut zu mir vor beugte, damit er mir, wie schon so oft, auf die Stirn küssen konnte. Dieses Mal aber verfehlte es seine sonst so beruhigende Wirkung. Im Gegenteil, es wühlte mich innerlich auf. Sein Blick war voller Sorge, Sorge um mich … und Liebe?

 

Ja, das musste es sein, was ich in seinen nun schon nachtblauen Augen sah. Die Nase, die sein Gesicht zierte, war weder zu groß, noch zu klein, sie war perfekt. Wie eigentlich alles an ihm. Von seinen breiten Schultern über seinem straffen Bauch bis hin zu seinen muskulösen Beinen. Er strahlte quasi vor Männlichkeit. Nur zu schade, dass ich mein Herz bereits an meinen Prinzen verloren habe. Denn im Gegensatz zu ihm ist Alan nicht der Typ, der Herzen nimmt ohne seines dafür zu geben. Darüber war ich äußerst froh, immerhin war er mein bester Freund. Und wenn er ein Herzensbrecher wäre, wäre ich mir nicht sicher, ob ich mit ihm klar gekommen wäre, ganz zu schweigen von einer vernünftigen Konversation.

 

„ … bis gleich.“. Alan steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche und bat mich, sitzen zu bleiben, während er sich um eine Kundin kümmerte, die bereits eine ganze Weile an der Kasse auf ihn wartete, um Schriften über das Römische Reich zu kaufen. Was mich zurück auf den Gedanken brachte, warum ich überhaupt in den Laden gekommen war. Also drehte ich mich zum Regal hinter mir um, um zu schauen, ob das Buch, das ich suchte, vielleicht darin stand. Als ich es in den unteren Fächern nicht fand, wollte ich aufstehen. Alans Hände, die mich sanft, aber dominant daran hinderten, mich zu erheben, hielten mich auf dem Boden gefangen. „Ich sagte doch, du sollst sitzen bleiben bis Frances hier ist und ich dich nachhause bringen kann.“. Frances war der Eigentümer des Ladens und ein alter Freund meiner Eltern. „Wenn du jetzt aufstehst, wird dir nur wieder schwindelig oder schlecht und du fällst hin. Trink dein Glas und bleib sitzen. Ich suche das Buch für dich, wenn du mir den Titel verrätst.“ Keine 30 Minuten später stürmte Frances in den Laden. Der alte Mann hatte einen dünnen Schweißfilm auf der Stirn und sein fahles graues Haar glänzte leicht im bleichen Licht der Lampen. Er konnte nur noch schwer atmen, anscheinend war gehetzt oder einfach nur sehr in Eile. Alan hatte doch nicht übertrieben, oder? Mir ging es zwar nicht gut, aber immerhin gut genug, um alleine nachhause gehen zu können, wenn ich müsste. „Kein Grund zur Panik. Mir fehlt nichts. Ich kann alleine heim gehen.“, versicherte ich den beiden Männern, die ich damit aus ihrer Unterhaltung riss. Sie drehten sich wieder zu mir um, während Frances Alan kräftig auf die Schulter klopfte und mich musterte. Anschließend versicherte er mir, dass Alan sowieso bald Feierabend hätte und etwas früher gehen könnte um mich in Sicherheit zu wissen. Vermutlich sah ich schlimmer aus, als ich mich fühlte. Viel schlimmer! Denn Frances gab ihm für die nächsten zwei Tage frei. Er sollte dafür sorgen, dass es mir an nichts fehlte und ich sobald wie möglich wieder fit sein würde.

 

Nachdem wir bei mir zuhause angekommen waren, verfrachtete Alan mich in mein Bett, wobei er mir zuflüsterte, dass er es sich auf der Couch gemütlich machen würde und falls etwas sei, ich ihn nur zu rufen bräuchte. Dann legte er mich hin, deckte mich zu und gab mir zum zweiten Mal an diesem Tag einen sanften Kuss auf die Stirn. Danach nahm ich nichts mehr um mich herum wahr.

 

Fortsetzung folgt...

Bitte komentieren damit ich weiß ob ich es weiter schreiben soll ^.^

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Tag der Veröffentlichung: 30.06.2014

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