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Mein nervöse Blick glitt ständig von Dads Kommodenschublade zu meinem Spiegelbild, in dem darüber hängenden Wandspiegel. Meine dunklen Augenringe traten auf meiner aschfahlen Haut sichtbar hervor und meine roten Lippen sahen leicht angeschwollen aus, da meine Zähne nicht aufhörten auf meiner Unterlippe herum zu kauen. Meine schwarzen Haare, die oft violette oder blau schimmerten, wie die großen Schwingen eines Raben, umrahmten mein Gesicht mit feinen Locken und meine blassgrauen Augen blickten müde und strahlten dabei doch eine solche leere aus, das es mir ein Schauder über den Rücken liefen ließ. Meine Herz hämmerte mit voller Wucht gegen meine Brust, so dass ich glaubte, dass es gleich herausspringen würde und wie ein hilfloser, kleiner Fisch auf den Boden fällt und wild um sich schlagen würde, damit es wieder in seiner natürlichen Umgebung ist. Meine dürren Finger legten sich gespreizt über meine Brust, um den wilden Pochen Einhalt zu gebieten, was nur zur Beruhigung meiner Selbst dienen sollte. Ich schloss meine Augen und führte meine Hand zum Griff der Schublade, als die Tür in Dads Schlafzimmer plötzlich aufgerissen wurde.
„Vyane!, du wolltest doch schon längst un....“, der Satz ging in einem leisen „Oh..“ unter, als er meinen leeren Blick bemerkte und seine himmelblauen Augen, weiteten sich voller Mitgefühl.
„Is..ist alles in Ordnung mit dir?“
Seine Hand glitt von der Türklinke und er machte Anstalten auf mich zu zu kommen. Ich hob eine Hand und er blieb aprupt stehen. Eine kleine, goldene locke fiel ihn dabei ins sein engelsgleiches Gesicht, welche er sich gleich wieder hinters Ohr steckte.
„Nein. Es ist alles in Ordnung. Geh wieder nach Unten. Deine Freunde warten sicher schon auf dich.Mach dir keine Sorgen um mich.“
Sein kindliches Gesicht wurde ernster, was ihn viel älter wirken ließ, als er war. Dann senkte er den Kopf.
„Dad hat auch immer gesagt, dass es ihm gut geht und jetzt .. jetzt ist er...“
„ICH BIN ABER NICHT DAD!“, schrie ich ihn an und merkte, wie mir warme Tränen in die Augen stiegen.Nein ich war nicht wie er. Ich würde nicht mit einem Abschiedsbrief gehen, indem steht, das meine Familie eine Plage für mich ist. Ich würde gehen, ohne auf wieder sehen zu sagen oder meiner Familie vorwürfe zu machen. ER blickte erschrocken auf und sein Gesicht verzerrte sich Schmerzerfüllt. Seine Lippen bildeten einen Schmollmund und seine Wangen glitzerten von frischen Tränen. Ich war erst wie erstarrt und blieb wie angewurzelt stehen. Ein schluchzer entrang sich seiner Kehle. Ich eilte zu ihm und nahm ihn fest in die Arme. Dann ging ich in die Hocke, blickte in seine traurigen Augen und wischte ihm mit meiner Hand die salzigen Tränen von den Wangen.
„Hey.. tut mir Leid, ich .. ich wollte dich nicht anschreien“, sagte ich verzweifelt und drückte ihn noch einmal fest an mich. Er schniefte noch einmal und legte dann seine Arme um meinen Rücken.
„Ist schon okay , ich hätte auch nicht darüber reden sollen. Es war meine Schuld.“ Er ließ mich los, spielte mit seinen Händen und ließ seinen Blick gesenkt. Ich hob sein Kinn an, gab ihn einen Kuss auf die Stirn und umfasste seine Hände.
„Es ist nicht deine Schuld“, war das einzige was ich sagen konnte und dabei fühlte ich mich total hilflos. Er wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht und blickte mir in die Augen.
„Kommst du gleich nach Unten und spielst ein Spiel mit mir?“
Er blickte mich voller Erwartung und Vorfreude an. Ich hob eine Augenbraue, stand wieder auf und hielt die Tür fest.Ich schubste ihn leicht spielerisch in Richtung Tür und er schenkte mir ein breites Grinsen.
„Jetzt geh schon nach Unten. Die machen sich bestimmt schon Sorgen immerhin ist es dein Geburtstag. Man wird ja nicht jeden Tage sieben. Ich komme gleich auch Runter, ich muss nur eben was machen.“ Ich gab ihn einen Kuss auf den Scheitel und fühlte mich benommen, da das letzte, was ich zu ihm sagte, eine Lüge war. Er wurde total hibbelig, drückte mich und rannte aus dem Zimmer. Gerade als ich mich wieder von der Tür abgewandt hatte, kam er noch einmal in das Zimmer.
„Ich hab dich lieb, Vyane!“
Ich nickte nur, zu benommen, um zu sprechen, da mir die Tränen drohten aus meinen Augen zu quillen. Er wandte sich zum gehen, drückte mich dann doch noch einmal und lief Runter.
Mit langsamen Schritten ging ich wieder zu der kommode, führte meine Hand zu der Schublade, öffnete sie und holte das Messer heraus. Die kalte, silberne Klinge lag schwer in meiner dürren Hand und ich drehte sie hin und her, unentschlossen, wie ich es anstellen sollte. Ich holte tief Luft, positionierte das Messer oberhalb meiner blauen Ader auf meinem Handgelenk. Ich schloss meine Augen und schnitt tief in meine Haut. Der Schmerz lies mich aufstöhnen, doch er war auch befreiend. Kleine glitzernde, rote Tropfen tropften auf den Holzboden und ergaben neben meinen immer langsamer werdenden Atem, platschende Geräusche. Meine Sicht vernebelte sich und meine Knie gaben nach. Mit einem lauten Aufprall, landete mein Kopf auf dem Boden und ein fürchterlicher Schmerz zog durch meine Schläfen. Die Tür wurde hart aufgerissen und ich vernahm den schrecklichen, markerschütternden Schrei von meinem Bruder. Er ließ sich neben mir auf die Knie sinken und berührte mit seinen zittrigen Händen mein Gesicht. Seines war ein fließender Fluss salziger Tränen, die seinen Pullover durchweichten. Mein weißes Kleid, war Blutgetränkt und meine Lider flatterten wild. Meine Lebensenergie schwank und das letzte was ich mit meinen verschwommenen Blick noch wahr nahm, wahr mein Bruder, der seinen blonden Lockenschopf neben mir auf den Boden legte, mich betrachtete und die letzten Worte, die ich hören würde, mit tränenerstickter Stimme an mein Ohr flüsterte, als er mir eine Haarsträhne aus der Stirn wischte.
„ Du bist nicht besser als Dad! Du hast mich auch belogen und lässt mich alleine … “
Dann fiel ich in erdrückende Schwärze.

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Tag der Veröffentlichung: 08.06.2011

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