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Mein freund Leopold

Es war mein erster Tag auf der Ranch im San-Fernando-Tal in Kalifornien. Ich war damals, im Frühjahr 1912. zwanzig Jahre alt und wollte Cowboy werden. In meiner nagelneuen Ausstattung : blaue Drillichhosen, Stiefel Bundes Halstuch und billiger Stetson, fühlte ich mich beklommen und nervös, während ich auf der obersten Stange des Korralzaunes hockte und zusah, wie die Lassos schlangenartig in das kreisende Gewühl der Pferde schossen und die Männer einer nach dem anderen ihre Tiere einfingen und zum Sattel hinausführten . Ein braun weißer Mustang fiel mir auf. Ein bildschönes Tier, Prachtkopf und Hals, tadellose Beine, breite,gewölbte Brust und kräftige Kruppe.ein Pferd ganz Nach meinem Sinn, dachte ich stark und schnell. Wem mochte es gehören? Die stimme des zweiten Vormannes unterbrach meine Betrachtung. „Kannst du reiten,junge ?“ George, ein Baum langer Mann mit einem Hut auf dem Kopf, hoch wie ein Zuckerhut, so das er noch größer aussah,als er war, George hatte mich tags zuvor, als er mich probe einstellte, mit sehr Skeptischer Miene gemessen, aber jetzt grinste er mich ganz ermutigend an. „ja, etwas“,erwiderte ich. Ich hütete mich wohl, Zuviel zu sagen. Daheim auf unserer Farm hatte mein Vater uns Buben beigebracht, was er über dem Umgang mit Pferden wusste. Bei ihm mussten wir sie immer ungesattelt Einreiten: auf die Art würden sie Fügsamer,sagte er. Ich glaubte also, ein bisschen was von Pferden zu verstehen. Aber für die Männer hier waren Pferde ja doch ihr Lebensberuf. Auch hatte mich einer von ihnen am Abend zuvor heimlich gewarnt. „sie halten dich hier für ein Neuling,kleiner“.sagte er. „sie werden dich auf ein Pferd setzen, das sein möglichstes tun wird, dich abzuwerfen.“Georges stimme klang ganz harmlos.
„irgendeines darunter, das dir gefällt, mein junge?“ich deutete auf den braun weißen Mustang.
„der ist ein feiner Kerl“, sagte ich „na gut!“ Georges arm ging hoch. Der Mustang fuhr wie der Blitz herum, aber zu spät: schon sauste ihm die schlinge über den Kopf, und er kam schnaubend heran. Georges band ihm eine starke Leine um den Hals und reichte mir das ende.
„wir nennen ihn Leopold“, sagte George. „wenn du ihm den Dreck abgeputzt hast, bring ihn zum schuppen.dort bekommst du Zaumzeug und Sattel und Lasso von mir.“ Ich führte Leopold aus dem Pferch. Band ihn an das Geländer und holte eine Bürste. Es ging auch alles ganz gut, bis ich mit der Bürste sein linkes Sprunggelenk berührte. Er schlug so blitzschnell aus, das nur eine instinktive Bewegung mich rettete. Ich trat zurück und schaute seinen Kopf an. Er blickte mir gerade ins Auge, und ich sah, das er furchtlos war.
Man kann den Charakter eines Pferdes an seinen Kopf ablesen. Leopold hatte kleine Ohren und die breite Stirn und die weit auseinander stehenden Augen, die das Zeichen von Intelligenz sind : Vor allem aber sprach mich der feurige, stolze Ausdruck an. Mit so einem Kopf konnte er nicht bösartig sein, sagte ich mir. Aber immerhin, er war noch ein Wildling und stand auf Kriegsfuß mit dem Menschen. „so, nun ist`s genug“, sagte George. Er saß auf seinem Pferd, sein Lasso in der Hand, die Schlinge geöffnet.
Ich trat an Leopold heran und machte ihn los. Erst jetzt fiel mir auf, das außer George kein einziger Mann im Sattel saß; alle machten sich an ihrem Geschirr zu schaffen. Sie warteten darauf, ob ich das Pferd zum Schuppen führe oder aufsitzen würde.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle Pferde Freunde.

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