Im Märchenland der Brüder Grimm schien irgendetwas im Gange zu sein. Die hübsche Oktavia, die im Wald bei ihren 7 Geschwistern aufgewachsen ist, feierte ihren 16.Geburtstag. Sie war schon immer anders als ihre Geschwister, liebreizend und großherzig. Ihre Geschwister waren verschmitzt und listig. Die Haare der Sieben waren feuerrot und die Brüder Duo, Quattro und Sextus trugen lange rote Bärte. Sie waren alle recht klein gewachsen, hingegen überragte Ihre jüngste Schwester sie bereits mit zwölf Jahren. Oktavia liebte ihre Geschwister und wäre gern wie sie gewesen. Es erfüllte sie mit Kummer, dass ihr Haar schwarz wie Ebenholz war und ihre Haut weiß wie Schnee, dass ihre Lippen rot hervor leuchteten. Oktavia fühlte sich ganz hässlich im Vergleich zu ihren Geschwistern, so hässlich, dass jeder der sie ansah, sich in ein Tier verwandelt hatte. Ein Fluch, dem sie sich immer bewusst war. Sie wagte nicht in die Stadt zu gehen und lebte zurückgezogen im Wald. So erfuhr sie nie von ihrer wirklichen Schönheit.
Heute sollte sich ihr Leben ändern. Denn heute war ihr 16ter Geburtstag. Die Familie zündete ein großes Feuer an und bereitete alles vor, so wie sie es an jedem ihrer Geburtstage machten. Die Geschwister hatten alle am selben Tag Geburtstag und feierten seit eh und je ein rauschendes Fest an diesem Tag. Wenn einer von ihnen 16 Jahre alt wurde, bekamen sie ihre magische Fähigkeit zugewiesen. So konnte Una, die Älteste alle Gegenstände in Pfefferkuchen verwandeln. Duo, seit dem Tod des Vaters das männliche Oberhaupt der Familie zerlegte einen Baum mit der bloßen Hand in einen Haufen Brennholz. Terzia wuchsen die Haare meterlang, so brauchten sie nie Seile oder Garne zu besorgen. Quattro sagte einfach 'Tischlein deck Dich!' und sie hatten die köstlichsten Speisen auf dem Tisch und mussten nie Hunger leiden. Quinta sagte zu Tieren 'Bricklebit' und sie spieen Gold, was ihnen ein ordentliches Auskommen bescherte. Sextus beherrschte den 'Knüppel aus dem Sack' und Septa erhielt im letzten Jahr einen Besen, mit dem sie fliegen konnte und der alles sauber machte. Das war dringend nötig, denn das kleine Haus im Wald versank bis dahin im Chaos und wäre ganz dreckig gewesen, wenn Oktavia nicht ständig hinter ihren Geschwistern her geputzt hätte.
Alle freuten sich, dass nun ihre Jüngste Schwester endlich Erwachsen war und sie all die Jahre geschafft hatten, sie vor dem Bösen im Märchenland zu beschützen. Ab dem heutigen Tage sollte Oktavia endlich ihre Gabe bekommen, die sie zu einem Teil der Rumpelstilzchen-Famile machte.
„Ach wie gut, dass niemand weiß, dass unser Vater Rumpelstilzchen heißt!“ sangen sie und tanzten fröhlich zappelnd um das Feuer. Mit einem lauten Getöse erschien der Feuergeist und verkündete: „Mein achtes Kind kann Stroh zu Gold spinnen!“ Das war ganz wunderbar. Oktavia war eine Meisterin am Spinnrad. Sie hatte immer aus den Haaren von Terzia beste Garne hergestellt. Jetzt könnten sie sich Kleider aus Gold weben oder Decken und Tücher, freuten sie sich. Aber als Oktavia begann, ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, gelang ihr der Trick nicht. Sie war ganz verzweifelt und sank in tiefe Trauer.
Es begab sich zu jener Zeit, dass ein Prinz diesen Wald durchritt. Er wollte zum Schloss und dort um die Hand der Prinzessin dieses Königreiches anhalten. Sie war auch gerade 16 Jahre alt geworden und damit heiratsfähig. Der Prinz kam aus einem relativ armen Königreich und sollte mit dieser Heirat die Börse seines Vaters etwas aufbessern. Er ritt einen vollblütigen Rappen mit Heißsporn, der aber vor Übermut stolperte und ganz unglücklich stürzte. Der Prinz schleppte sich mit seinem humpelnden Rappen durch den Wald und stand plötzlich vor dem Haus der Rumpelstilzchen-Kinder. Es roch köstlich nach Pfefferkuchen und der Schornstein rauchte einladend. Doch das Männlein, das ihm die Tür öffnete sah ganz garstig aus. Man bot dem erschöpften Reisenden freundlich ein Nachlager an, versorgte sein Pferd und gab ihm ein anderes Pferd, um weiter reiten zu können. Dem Prinz war ziemlich unheimlich zwischen diesen finsteren Gesellen und Hexen. Es waren Sieben an der Zahl und so fand er in dieser Nacht keine Ruhe.
Er ging mitten in der Nacht in den Stall um nach seinem Rappen zu sehen. Da sah er ein wunderschönes Mädchen bei Kerzenlicht über einem Spinnrad weinen. Es brach ihm das Herz und er sprach sie tröstend an. Sie floh vor ihm. „Geht fort! Seht mich nicht an!“ Er wunderte sich sehr, dass keine Wolle beim Spinnrad lag. „Was machst Du hier in der Nacht im Stall?“ „Ich versuche Stroh zu Gold zu spinnen, aber es ist mir nicht vergönnt“ klagte sie ihm ihr Leid. „Da solltet ihr die Königin dieses Landes einmal um Rat fragen, ich habe gehört, sie besitzt diese Fähigkeit.“ Oktavia war überrascht und vergaß fast sich zu verstecken. „Warum versteckt ihr Euch vor mir? Ich tue Euch doch nichts!“ „Ihr dürft mich nicht ansehen, sonst verwandelt ihr Euch in ein Tier. Seht ihr den Schimmel dort? Das war einst der Jägersmann des Königshauses. Diese Ziege da war der Koch bei Hofe. Er ging in den Wald, um Pilze zu sammeln als er mich erblickte. Ich gehe seither nicht mehr aus dem Haus...“ Das Mädchen schluchzte herzergreifend als eine Schleiereule auf einem Balken über ihnen landete und eine weiße Taube gurrend angeflattert kam. Ein schneeweißes Kätzchen lugte aus dem Stroh hervor. „Da oben, das ist der Lehrer, dies die Amme und dort im Stroh eine Dienerin der Prinzessin!“ hörte er die liebliche Stimme des Mädchens aus ihrem Versteck. „Aber ihr seid gar nicht hässlich...“ Da fiel die Kerze um und entzündete das Stroh. Der Feuergeist erschien vor dem Prinzen und züngelte „Sprecht Ihr das Geheimnis dieses Mädchens laut aus, verwandle ich Euch in ein Tier!“ Als das Spektakel zu Ende war, wurde es stock finster im Stall und der Prinz fragte „Was soll das für ein Geheimnis sein, dass Euch umgibt? Ich spreche laut aus, dass Ihr wunderschön seid und ebenso habe ich Euch bereits angesehen, aber ich habe mich nicht in ein Tier verwandelt?“ „Ich weiß es nicht. Bevor es mir meine armen Gesellen berichten konnte, wurden sie zu Tieren.“ Oktavia begann bitterlich zu weinen, dass dem Prinzen ganz elend wurde vor Mitleid.
Am nächsten Morgen setzte der Prinz seine Reise schweren Herzens fort. Er ritt auf dem Jägersmann in die Stadt, gefolgt von einer Ziege, einer Katze, einer Eule und einer Taube. Beim Anblick dieser merkwürdigen Gesellschaft lachte man ihn in der Stadt aus und zeigte ihm amüsiert den Weg zum Schloss. „In was wird er sich wohl verwandeln. Wie wäre es mit einem Hirsch?“ spotteten sie. Ebenso empfing man ihn am Schloss. Die Königin mit ihrem schwarzen Haar betrat den Trohnsaal mit ihrer mickrigen Tochter, die ein Rotschopf zierte. Zwar war der König auch ein rothaariger Mann, aber der Prinz ließ sich nicht täuschen. „Was wollt ihr?“ fragte der König streng. Der Prinz verbeugte sich tief und sagte „Ich bitte um die Hand Eurer wahren Tochter!“ Ärgerlich schimpfte der König mit dem Freier „Wollt ihr also auch, wie eure Begleiter behaupten, dass dies nicht meine wahre Tochter ist?“ „Doch, doch, aber lasst mich einen Beweis dafür bekommen. Stellt sie auf die Probe.“ „An was für eine Probe habt Ihr gedacht, Prinz?“ „Man sagt, eure Frau, die Königin könne Stroh zu Gold spinnen, dann müsste ihre Tochter dies doch auch können, oder?“ Die Königin erschrak. „Wie könnt ihr so etwas verlangen?“ Sie hatte zwar vor der Hochzeit mit dem König die Schatzkammern voll mit Gold gesponnen, aber doch nur mit Hilfe des Rumpelstilzchens. Nun waren die Schatzkammern fast leer und dem König war es gerade recht eine solche Probe zu unternehmen. So sperrte er die Tochter mit einem Spinnrad und einem Fuder Stroh in den Turm ein.
Mit Begeisterung stellte die Tochter in dieser Nacht fest, dass sie dazu in der Lage war und am nächsten Morgen ward die Kammer voll mit Goldfäden. Der König in seiner Habgier stimmte natürlich der Heirat mit dem Prinzen nicht zu und der Prinz ritt glücklich von dannen um seine wahre Braut zu holen. Doch in der Hütte im Wald wies man ihn ab. „Geh fort, Prinz! Unsere Schwester bleibt bei uns!“ „Sieh ist nicht Eure...“ fast hätte er es ausgesprochen, aber gerade rechtzeitig zwickte der Koch ihm am Bein. Sie hatten kein Erbarmen und ihre Schwester begann zu flehen, dass sie sie mit dem Prinzen mitgehen lassen sollen „Er ist der einzige Mann auf dieser Welt, der meint, ich sei wunderschön!“ Die Geschwister lachten darüber und stellten eine Bedingung. Er möge erst den Namen ihres Vaters erraten, dann würden sie ihm das Mädchen geben. Da kam die Königin daher geritten, die dem Prinzen gefolgt war. „Euer Vater hieß 'Rumpelstilzchen' und ich befürchte er hat mich damals betrogen.“ Sie schloss ihre Tochter in die Arme und die tierischen Gesellen verwandelten sich in ihre menschlichen Gestalten zurück. Niemand sprach das Geheimnis des Mädchens jemals mehr aus...mäh!
Tag der Veröffentlichung: 15.10.2012
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