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1. Kapitel

Anna stand wartend am Straßenrand und sah zu der roten Fußgänger Ampel, sie fühlte sich gut, rundum zufrieden. Das Meeting war erfolgreich für sie verlaufen. Sie wusste, dass sie jetzt endgültig den Durchbruch geschafft hat und die Anerkennung von den Kollegen und ihrem Chef für ihre Arbeit erhalten hat.

Sie hatte sich akribisch auf diesen wichtigen Tag vorbereitet. ihre Unterlagen waren solide und zutreffend. Sie hatte sich nur wenige Fakten notiert, auch einige wichtige Zahlen. Sie wollte unbedingt frei referieren, um ihre Zuhörer ständig im Blickkontakt zu haben und schnellstens auf deren Reaktionen eingehen zu können.

 

 

Mit Bedacht stellte sie für diesen Tag ihre Garderobe zusammen, mit dem dunkelblauen Kostüm war sie sich sofort sicher, bei der weißen Bluse weniger.

Ruhig und sicher trat sie heute Morgen vor ihre Kollegen aus den verschiedenen Abteilungen und vor ihren Chef.

In dem Kostüm fühlte sie sich sicher, die weiße Bluse hatte sie kurz entschlossen weg gelassen. Sollten ihre Kollegen ruhig sehen, dass sie auch eine Frau ist.

Nach der Begrüßung war sie schnell in dem Thema, die ersten interessierten Fragen konnte sie souverän beantworten.

 

Sie spürte Bewegung neben sich, sah hoch, die Ampel zeigte grün. Anna ging links zum Firmenparkplatz und sah im vorüber gehen eine Frau schwerfällig auf eine Gehhilfe gestützt, langsam ihren Weg gehen.

Anna legte ihre Tasche ins Auto und setzte sich hinter das Lenkrad. Sie lehnte sich zurück und holte tief Luft.

 

Die drei Kollegen aus dem technischen Bereich sprachen leise, aber eindringlich mit einander und bei der nächsten Gelegenheit meldete sich einer der Kollegen mit einer sehr technischen Frage zu Wort.

Sie hörte den Kollegen sehr aufmerksam zu und nach dem dritten, vierten Satz stieg es warm in ihr hoch, sie wusste die Antwort, obwohl es vom Thema nicht ganz zu ihrem Vortrag passte.

Der Kollege schwieg und sah sie erwartungsvoll an. Anna lächelte den Kollegen freundlich an, legte eine Folie in den Projektor und gab ihre Erklärung dazu.

Aus dem Augenwinkel sah sie das zufriedene Nicken Ihres Chefs und das er sich etwas notierte.

 

In der kurzen Kaffeepause blieb sie vorne bei ihren Unterlagen, sortierte die erledigten aus und legte diese zur Seite.

Sie spürte, dass sie angesehen wurde, sehr aufdringlich angesehen wurde.

Sie drehte sich um und sah in ein herausforderndes, arrogantes Gesicht.

Der Mann sah sie ungeniert an, ließ seinen Blick von den Schuhen langsam über ihre Beine bis zu ihrem Schoß wandern.

Hier verharrte der Blick, ging dann weiter hoch zu ihren Brüsten, wieder verharrte sein Blick lange.

Anna wusste, dass der Ausschnitt die Rundungen ihrer Brust sehen ließ. Der Mann blickte immer noch auf ihre Brust.

Anna lächelte etwas schief, kniff kurz das linke Auge und beugte sich vor.

 

 Der Mann zeigte sich ertappt und ging abrupt zu den anderen zurück.

 

Sie startete den Motor und lenkte den Wagen vorsichtig durch die Reihen parkender Autos, fuhr rechts auf die Straße und ordnete sich in die halb linke Spur ein, die sie zur Autobahn brachte. 

Das Radio brachte die Verkehrsnachrichten, Anna zog die Augenbrauen hoch, wieder der übliche, der tägliche Stau. Ein Blick auf die Uhr, der Stau wird sie sicher wieder an die zwanzig Minuten kosten. Genauso kam es dann auch, Anna lehnte sich in das Polster, stopp and go, stopp and go.

 

Die Kaffeepause war zu Ende, etwas herum rumoren, Stühle scharren, dann saßen wieder alle.

Anna stellte erfreut fest, dass alle Kollegen aufmerksam und interessiert zu ihr sahen. Mit zwei, drei Sätzen machte sie das Thema wieder aktuell und ging gekonnt in den nächsten Abschnitt.

Jetzt kamen öfter Fragen, kleinere Diskussionen entstanden, die sie aber gut steuern konnte, ohne dass sie aus dem Thema kam.

 

 

Die Mittagspause verlief lebhaft, Anna war voll mittendrin, sie strahlte innerlich, sie war angekommen!

 

 

Anna stand nach dem Essen mit einer Tasse Kaffee bei einigen Kollegen, als ihr Chef dazu kam, dem Gespräch zuhörte, nickte ihr zu, lassen sie uns weiter machen.

Anna wusste, dass jetzt das heikelste Thema anstand. Energie Effizient war immer noch ein ungeliebtes Thema!

Es wurde eine heiße Zeit, von den Kollegen kamen viele Zwischenrufe, qualifizierte, aber auch polemischer Quatsch! Anna ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und als sie anhand von knallharten Zahlen die Sparmöglichkeiten der Firma belegte, wurde der Raum schnell ruhig.

Noch zwei, drei sachliche Fragen und dann war es in trockenen Tüchern!

 

 

Empört hupte Anna einen super schlauen Autofahrern an, manchmal konnte man nur noch mit dem Kopf schütteln.

 

Ein stilles Lachen erheiterte Anna, was musste sie sich alles damals wegen ihres alten und langsamen Autos gefallen lassen, sie fuhr damit fast jedes Wochenende von der Uni nach Haus.

Vom Vogel zeigen bis mitleidiges Lächeln bekam sie alles zu sehen.

Meistens konnte sie unbeschwert zurück lachen, weil sie einfach an den flotten Wagen dachte, den sie nach der Uni haben wird.

Ab und zu kochte es aber auch in ihr wütend hoch!

Ausgerechnet heute dauerte der Stau besonders lang, besorgt sah Anna auf ihre Armbanduhr, zweifelnd wiegte sie mit dem Kopf, es könnte gerade noch gut gehen.

Sie wollte, wenn es in der Firma gut gegangen ist, mit ihren Eltern fein essen gehen.

 

 

Anna hatte nicht vergessen, dass sich ihre Eltern arg krumm legen mussten, um ihr das Studium zu ermöglichen. Sie könnten sich keinen Urlaub und verzichteten auf vieles, um ihr ein paar Scheine zu stecken zu können.

Dafür schmiss sie sich aber auch hundertprozentig in das Studium, nur oberflächliche Bekanntschaften, nichts Ernstes und sie bekam den Job bei ihrer jetzigen Firma!

 

Na endlich, Anna beschleunigte den Wagen, der Stau löste sich auf, jetzt noch nach links abbiegen auf die nächste Autobahn, sie ließ ihren Wagen zügig rollen.

 

Gegen sechzehn Uhr kam Anna in ihr Büro, ließ sich erleichtert aber auch ganz schön stolz in ihren Schreibtischsessel fallen, rutschte mit ihrem Gesäß bis vor zur Kante und streckte ihre langen Beine wohltuend aus.

Es klopfte an ihrer Tür und sie konnte sich noch gerade so wieder richtig hinsetzten, als ihr Chef schon herein kam und fragte, ob sie für ihn eine Mappe mit den Unterlagen von ihrem Vortrag habe, er möchte alles noch mal durchgehen.

 

Anna reichte ihrem Chef eine Mappe mit den Unterlagen, der Mann bedankte sich und sagte beim hinaus gehen noch mal: „Gute Arbeit.“

Sie wartete einen Moment, bis sie sicher sein konnte, dass sie von ihrem Chef nicht mehr gehört werden konnte, stieß einen kleinen Jubelschrei aus, rutschte wieder mit ihren Hintern nach vorne und streckte ihre langen Beine aus und stieß beide Arme in die Luft.

Nach wenigen Augenblicken raffte sie sich wieder zusammen, stand auf, zog den Rock zu Recht und richtete die Kostümjacke, ging zum Aktenschrank und öffnete die Tür.

An der Innenseite der Tür war ein Spiegel angebracht, in dem sie sich fast ganz sehen konnte. Sie zupfte noch ein wenig den Knie kurzen Rock zu Recht, ordnete ihren BH und fuhr mit dem Zeigefinger zwischen ihren Brüsten, um sie wieder ordentlich in die Körbchen zu bringen.

Durch das Hochreißen der Arme ist ein wenig Unordnung darin entstanden. Anna schloss die Tür des Aktenschrankes, sah sich prüfend in ihrem Büro um, alles in Ordnung, ein ordentlicher, sachlicher Arbeitsplatz.

 

Anna stellte ihren Wagen vor ihrem Elternhaus ab und freute sich schon auf die überraschten Gesichter ihrer Eltern, wenn sie von der Einladung erfuhren.

Sie schellte und ihre Mutter öffnete mit einem Lächeln die Tür: „Komm herein Kind, komm herein!“ Anna hörte aus dem Wohnzimmer ihren Vater fragen: „Ist es Anna?“

„Ja, Papa, ich bin es!“ Antwortete Anna vergnügt, sie mochte diese kleinen, ständigen wiederkehrenden Handlungen, sie machen das Leben irgendwie sicher.

Anna ging ins Wohnzimmer und umarmte ihren Vater, zog dann ihre Mutter mit in die Umarmung und sagte zu ihren Eltern: „Heute Abend gehen wir lecker essen!“

 

Sofort wurde Anna mit Fragen bestürmt, wieso, warum, ist etwas passiert?

Anna konnte ihre Eltern mit ein paar schnellen Worten beruhigen.

Ihre Eltern verschwanden ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen, um sich fein zu machen für das Essen, wie sie es nannten.

Anna ging nach oben, wo sie ihr Zimmer hatte und zog sich ebenfalls um.

Sie wusste, dass es ihrem Vater gefiel, wenn sie ein Kleid trug.

Anna suchte im Kleiderschrank nach dem passenden Kleid. Zog das Kostüm aus und hängte es ordentlich auf einen Bügel, zog dann Strumpfhose, Slip und BH aus, ging in ihr kleines Badezimmer, um etwas frisch zu machen. Sie schminkte sich nur wenig, zog frische Wäsche an und streifte das Kleid über, zog passende Schuhe an.

Sie kam die Treppe herunter, als ihre Eltern aus dem Schlafzimmer kamen.

 

Es wurde einer dieser schönen, stillen und angenehmen Abende, die Anna mit Balsam für die Seele bezeichnete.

 

Nach einer herrlich erholsamen Nacht kam Anna unternehmungslustig in die Küche für ein schnelles Frühstück. Sie begrüßte  sah ihren Vater, der ihr schon Kaffee eingoss.

Anna bedankte sich mit einem Kuss bei ihrem Vater, sah sich auf dem Tisch um, Toast, Orangenmarmelade, eine kleine Schüssel mit Müsli, ein geviertelter Apfel, ein Glas Orangensaft, wie im Hotel freute sich Anna mit ihrem Vater.

Sie bedanke sich für das Frühstück, diese ruhigen und stillen Momente mit ihren Vater waren schon immer etwas Besonderes für sie. Gruß und Kuss an Mama,

Anna winkte ihrem Vater zu, stieg in ihr Auto, sah im Rückspiegel ihren Vater immer noch vor der Tür stehen. Sie wusste, dass er dort stehen bleibt, bis er sie nicht mehr sehen konnte.

 

Anna war früh in der Firma, so konnte sie noch in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken.

 

Kurz vor acht steckte ihr Chef seinen Kopf in den Türrahmen: „Darf ich herein kommen?“

„Natürlich, bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie Kaffee?“

Ihr Chef winkte dankend ab: „Ich habe mir ihre Unterlagen gründlich angesehen, wenn sie damit einverstanden sind, gebe ich sie an die Konzernleitung weiter!“

Anna sah ihren Chef für einen Moment mit kugelrunden Augen an und nickte dann zustimmend

„ Sie müssen dann aber damit rechnen, dass sie ihren Vortrag vor dem Vorstand wiederholen müssen.“

„ Das geht in Ordnung.“ Anna hatte sich wieder gefangen.

Ihr Chef stand auf, dann gebe ich ihre Unterlagen weiter, schönen Tag noch.

„Wünsche ich ihnen auch.“

 

Beschwingt fuhr Anna nach Haus, das war doch mal ein toller Tag, selbst der Stau fand heute nicht statt. Anna schellte, die Tür öffnete sich und kaltes Entsetzen und Furcht griff nach ihr.

Anna starrte ihre Mutter an, die Tränen überströmt vor ihr stand.

„Was ist passiert, was ist los“, stammelte Anna, schnell griff sie ihre Mutter auf, die stumm zusammen sackte.

Anna brachte ihre Mutter in die Küche und setzte sie auf einen Stuhl, wischte mit einem Tuch über das nasse Gesicht. Leise, sehr leise kam es dann hervor: „Papa, Papa ist im Krankenhaus.“

 

 Panik brach bei Anna aus, ihr Vater krank, das gibt es doch gar nicht, was hat er denn, bitte, sag schon, was hat er denn?

„Schlaganfall, ganz schlimmen Schlaganfall.“ Wieder wurde ihre Mutter von wildem Schluchzen geschüttelt. Anna meinte, sie stürze in ein bodenloses, finsteres Loch.

Ihre kleine heile Welt zerbröselte zu Sand.

 

Routinemäßig versorgte Anna ihren Vater am frühen Morgen für den Pflegedienst, ihre Mutter ist seit dem Schlaganfall ihres Mannes fast weggetreten und war auch schon fast ein Pflegefall.

Ihr Vater erkannte sie nur noch selten und ihre Mutter lebte in ihrer eigenen Welt. Ihr großes Glück war ihre Tante, die jüngste Schwester ihrer Mutter, sie kümmerte sich tagsüber um ihre Eltern. So konnte sie ihren Beruf weiterhin ausüben, sie brauchte das Geld auch wirklich dringend.

 

Seit Tagen hing ihr Vater wieder am Tropf, völlig apathisch, bewegungslos, ohne jede Reaktion lag ihr Vater in seinem Bett. Nur ganz, ganz selten hatte ihr Vater einen wachen Moment, in der er sie erkannte und sie manchmal traurig anlächeln konnte, bevor er wieder in das Bodenlose versank.

In einem solchen Moment bewegte Ihr Vater seinen Zeigefinger der rechten Hand und Anna beugte sich zu ihm und ging mit ihrem Ohr ganz nah an seinem Mund.

Ihr Vater streichelte mit der Fingerkuppe ihre Wange, Anna riss ihre Augen auf und stellte sich gerade.

Mit tränennassem Gesicht sah sie ihren Vater an, der nickte ihr mit den Augen zu und ein winziges, ein erlöstes Lächeln erschien für den Hauch eines Augenblicks

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Klaus Blochwitz
Bildmaterialien: Klaus Blochwitz
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2014
ISBN: 978-3-7368-5183-2

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