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Anna wurde wach und hörte das Rauschen der Dusche, sie sah auf die Uhr, gerade mal sechs Uhr. Ein paar Minuten später sagte Karsten Bescheid: „Ich bin im Bad fertig!“ Anna küsste Karsten im vorbei gehen und verschwand im Bad. Sie hörte Karsten vor sich hin summen, sie hatte selten so einen ausgeglichenen und frohen Menschen gekannt. Anna kam aus dem Bad, Karsten stand ab fahrbereit im Wohnzimmer, er nahm Anna fest in seine Arme, ich melde mich. Dann war sie alleine, ein letztes Hupen noch. Anna machte sich für die Arbeit fertig, holte ihren Wagen aus der Garage und fuhr mit einem seltsamen, unbekannten Gefühl in die Firma.
Anna schaltete den PC ein und sah sich die Emails an, bis auf eines, gab sie die Mails an ihre Mitarbeiter weiter. Sie suchte die Unterlagen von dem Kunden heraus und sah sich den entsprechenden Vorgang an. Zwei Rückfragen bei den Mitarbeitern und Anna schickte dem Kunden die Antwort.
Aber Karsten meldete sich am Nachmittag wie versprochen und Anna wusste urplötzlich, dass es mit Karsten gut gehen wird. Ihre Arbeit lief plötzlich wie geschmiert, locker erledigte sie die restliche Post und fand auf dem letzten Schreiben in der bekannten grünen Tinte einen kurzen, knappen Vermerk von ihrem Chef: hinfahren!
Anna ließ sich mit der Firma verbinden und kündigte ihren Besuch für morgen an, der Chef zeigte sich davon sehr angetan.
Anna rief den Mitarbeiter zu sich, er solle zwei Übernachtungen blocken, verlangte noch zusätzliche Unterlagen und meldete sich ab. Zu Hause schickte sie Karsten eine kurze SMS, damit er über ihre Geschäftsreise informiert war. Anna war schon früh auf der Autobahn, sie wollte unbedingt pünktlich sein, obwohl sie den Termin vorsichtshalber auf den frühen Nachmittag gelegt hatte. Die etwas über zweihundert km schaffte Anna gut, so hatte sie noch Zeit für ein Mittagessen, bevor sie zu dem Kunden ging. Anna wurde von dem Empfang umgehend zur Geschäftsleitung gebracht, wo sie sehr erleichtert begrüßt wurde. Schnell kam Anna zur Sache und ihr gegenüber rief unablässig die verschiedensten Mitarbeiter dazu. Es wurde schon ruhig in dem großen Gebäude als Anna das Problem lokalisieren konnte. Erleichtert sagte ihr Kunde: „ Morgen gehen wir an die Lösung, einverstanden?“ Anna sah den Chef zustimmend an und packte ihre Unterlagen zusammen.
Auf der kurzen Fahrt zum Hotel, bekam Anna einen Anruf von Karsten, sie fuhr rechts heran und setzte das Headphone auf. Karsten fragte sie, in welchem Hotel sie übernachtet? Anna fragte Karsten erstaunt: „Wieso?“ und nannte den Namen des Hotels.
„Na, weil ich in der selben Stadt bin“, lachte Karsten durch Handy, „ und auch übernachten muss!“ Das Lachen brach in höchster Freude aus Anna heraus, das Leben kann so schön sein.
„ Wartest Du mit dem Abendessen auf mich? Ich bin gegen 20 Uhr 30 im Hotel.“ Fragte Karsten Anna.
„Sicher warte ich auf Dich mit dem Essen, dann kann ich mich vorher noch ein bisschen frisch machen.“ Antwortete Anna.
„Fein, dann bis gleich, ich freue mich sehr!“
„Ich freue mich auch.“ Kam es leise, aber sehr glücklich von Anna.
Anna checkte ein und fuhr mit dem Aufzug zu ihrem Zimmer hoch, hängte ihre Kleidung in den Schrank und stellte die Kulturtasche ins Bad. Sie sah auf die Uhr und ging schnell unter die Dusche.
In ihrem kleinen schwarzen fühlte sie sich richtig wohl und ging kurz vor halb neun Uhr in den Speisesaal. Sie hatte gerade den ersten Schluck getrunken, da sah sie Karsten auf sich zu kommen. Anna stand auf und ging dem Mann einige Schritte entgegen. Karsten breitete seine Arme aus und Anna schmiegte sich für einen Moment an ihm.
Restlos zufrieden ging Anna mit Karsten zu den Aufzügen und fuhr mit ihm zu ihrem Zimmer hoch. Als sie feststellte, das Karsten sein Zimmer genau gegenüber ihrem Zimmer hatte, kniff sie ein Auge zu: „Das ist doch ganz sicher reiner Zufall?“
Karsten machte das Spielchen mit: „Absolut reiner Zufall!“ Anna nickte damit restlos einverstanden und schloss ihre Zimmertür auf: „Lass mir ein paar Minuten Zeit, okay?“
„ In Ordnung, ich klopfe dann bei Dir an!“ Karsten lachte Anna mit blitzenden Augen an.
Nach dem gemeinsamen Frühstück verabschiedete sich Karsten: „Ich melde mich bei Dir!“
Anna packte ihre Sachen zusammen und fuhr zur Garage herunter, legte ihr Gepäck in den Kofferraum ihres Wagens. Sie öffnete die Wagentür und sah beim einsteigen einen weißen Zettel unter dem Scheibenwischer. Mit vor Glück strahlenden Augen hielt sie den Zettel von Karsten in ihren Händen und las den kurzen Text immer wieder. Sie erschrak etwas, ob der fortgeschrittenen Zeit, steckte die Nachricht von Karsten sorgfältig in ihre Handtasche und startete den Wagen. Sie kam gerade noch so pünktlich in die Firma.
Zusammen mit ihren Gesprächspartner ging sie dann in den Konferenzraum. Anfangs musste sich Anna mächtig auf ihre Arbeit konzentrieren, aber dann war sie doch in dem Thema. Zu beginn der ersten kurzen Pause erhielt sie anerkennenden Applaus. Die drei leitenden Herren kamen zu ihr: „Sie haben das Thema hervorragend herüber gebracht, überzeugend und sachlich, wirklich gut.“ Anna bedankte sich bei den Männern und ging nach ein paar höflichen Worten zu ihren Unterlagen zurück. Jetzt ging es ums Geld, Kosten machten alle hellwach, es ging Schlag auf Schlag!
Anna war über die umfassenden Unterlagen heilfroh und konnte dadurch alle vorgebrachten Argumente widerlegen. Als die Mittagspause angesagt wurde, wusste sie, dass sie ihre Zuhörer überzeugt hatte, Investition, Kosten und Rendite waren knallharte Fakten. Nach dem angenehmen Mittagessen, Anna kannte das schon, sobald ein Ergebnis vorlag, eine Entscheidung getroffen worden war, entspannte sich die Situation sofort spürbar.
Der Nachmittag brachte für Anna den handfesten Erfolg in Form eines beachtlichen Vertrages! Sie erhielt von dem Kunden eine schriftliche Bestätigung über den Abschluss mit der Bemerkung. „ Die Verträge erstellen unsere Rechtsabteilungen!“
Noch eine Tasse Kaffee in aller Ruhe, dann verabschiedete sich Anna und vergnügt vor sich hin summend ging sie zu ihrem Auto.
Für die Heimfahrt war es noch früh genug und sie kam vor dem Feierabend Verkehr auf die Autobahn. Anna könnte vor Glück schreien, einen Super Auftrag heran geschafft und sie hatte Karsten, Leben, was kannst du schön sein! Zu hause ließ sich Anna von einem italienischen Pizza Service einen Salat bringen, nach dem Salat rief sie Karsten an, der sagte ihr nur knapp, ich ruf so schnell wie möglich zurück. Anna sah etwas konsterniert auf das Handy, was war das denn? Eine viertel Stunde später meldete sich Karsten und entschuldigte sich bei Anna, weil er so kurz angebunden gewesen war, aber er wäre beinah in einen Auffahrunfall verwickelt worden. Anna verschluckte sich beinahe vor Schreck. „Ist alles gut gegangen?“
„Ja“, kam die ruhige Stimme von Karsten durch das Handy, „das war ziemlich knapp, die Autobahn macht an der Unfallstelle eine Rechtskurve. Dadurch sah ich das Stauende erst sehr spät. Vor mir hat es fürchterlich gekracht. Es sieht aus, als ob vor mir Wagen brennen würden.“ Anna fragte noch mal Karsten: „ Mit Dir ist aber alles in Ordnung?“
„Ja wirklich, es ist gut gegangen. Dumm ist nur, dass ich die Autobahn nicht verlassen kann, ich stecke mitten im Stau.“ Ah, jetzt kann ich die Ausfahrt sehen! Ich melde mich bei Dir, sobald ich von der Autobahn herunter bin, okay?“
„Gut, Karsten, ich warte auf Deinen Rückruf.“ Anna war erleichtert, dass es mit Karsten gut gegangen war. Eine halbe Stunde später meldete sich Karsten bei Anna: „ Ich bin von der Autobahn herunter und fahre jetzt auf der Bundesstraße weiter nach Haus. Ich wünsche Dir eine gute Nacht. Ich melde mich bei Dir wegen des Wochenendes noch!“
Anna erledigte noch ein paar kleinere Hausarbeiten und legte sich dann doch recht müde ins Bett.
Anna war kaum in der Firma, wurde sie zu ihrem Chef gerufen. Die Sekretärin brachte Anna ins Chefbüro und Ihr Chef kam mit ausgestreckten Händen auf Anna zu: „ Nehmen Sie bitte Platz und berichten Sie.“ Anna bedankte sich und holte die Unterlagen aus dem Aktenkoffer. Reichte ihrem Chef die Auftragsbestätigung und sah, wie sich ein zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht breit machte. Er stand auf und beglückwünschte Anna: „ Einfach gut, fantastisch, dass haben Sie ganz prächtig hinbekommen!“ Annas Chef rief einige Mitarbeiter zu sich und informierte sie über den Auftrag: „ Beginnen sie sofort mit den Vorbereitungen!“
Der Vormittag war vorbei, als Anna in ihr Büro zurück kam. Ihr Büro war Sekundenschnelle voll mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Glückwunsches von allen Seiten. Anna gestand sich ein, da sie ein bisschen stolz auf sich war. Aber das behielt sie für sich und freute sich zusammen mit ihren Mitarbeitern. Ein paar Tage später erhielt Anna von ihrem Chef eine kurze Aktennotiz, Vertrag unter Dach und Fach, Glückwunsch!
Karsten fragte sie, ob sie Lust hätte, am Wochenende zu ihm zu kommen? Anna schwebte auf Wolke sieben.
Freitag, nach Feierabend, fuhr Anna los, das Navi sagte ihr, auf welche Autobahn sie fahren sollte. Sie staunte, dass Karsten ziemlich im Stadtzentrum wohnte. Aber dann zeigte das Navi eine Linksabbiegung an und Anna kam in eine ruhige Sackgasse, schön begrünt, an beiden Seiten nur wenige sehr unterschiedliche Häuser. In dem zweiten Haus auf der rechten Straßenseite wohnte Karsten. Anna stieg aus und ging zum Kofferraum, um ihr Gepäck heraus zu holen, als sie schon von Karsten angerufen wurde. Schon stand er neben ihr und nahm sie in die Arme: „Schön, dass Du da bist.“ Karsten nahm die Reisetasche und den Trolly von Anna und ging mit ihr zur Haustür. Der Aufzug brachte sie beide zur dritten Etage. Das Haus, der Eingangsbereich, der Aufzug, dass alles wirkte unaufdringlich chic, dachte Anna so. Der Aufzug bremste sanft ab und Karsten sagte zu Anna: „Nach links bitte.“ Karsten drückte die nur angelehnte Wohnungstür auf, ließ Anna eintreten und stellte die beiden Gepäckstücke ab. Bevor sich Anna in der geräumigen Diele umschauen konnte, wurde sie von Karsten heftig in die Arme genommen: „Ich freue mich so, dass Du gekommen bist! Ich hatte wirklich ein bisschen Angst, dass Du mit irgendeinem Grund absagen würdest.“ Anna drückte sich an Karsten, als wollte sie damit zum Ausdruck bringen, wie froh sie ist, bei ihm zu sein. Ganz tief in ihrem Inneren staunte sie, dass Karsten so ähnliche Gedanken und Sorgen hatte, wie sie selbst.
Karsten öffnete die Tür zum Wohnzimmer: „Komm, Anna, komm herein.“ Anna staunte nicht schlecht, das war ein richtig großer Raum! Gegenüber der Tür ein riesiges Fenster von Wand zu Wand, unterbrochen von einer Terrassentür. Das Zimmer war ganz in weiß und marine blau gehalten, das maritime Flair wirkte diskret elegant. Die dunkelblaue Polstergarnitur vor der weißen Wand, unterbrochen von zwei etwas breiteren senkrechten blauen Streifen, zwei Bilder passend in dem Thema. Eine lockere Kombination von weißen Möbeln gegenüber der Sitzgruppe. Auf einem niedrigem Möbel ein großer Flachbildschirm, rechts und links je eine Lautsprecherbox. In dem Möbel sah Anna verschiedene Geräte. Der Boden war mit weißen Fliesen belegt, auch hier wieder nur ein Rahmen aus marine blauen Fliesen. Anerkennend nickte Anna: „Du hast einen guten Geschmack!“
Karsten öffnete die Terrassentür und ließ Anna auf die Terrasse treten. Anna staunte wieder über die Größe der Terrasse. Hier hatte Karsten mit viel Terrakotta und südeuropäischen Pflanzen eine fast südländische Atmosphäre geschaffen. Die Gartenmöbel passten ganz prima dazu. Karsten zog Anna in das Wohnzimmer zurück: „Komm, ich möchte Dir den Rest meiner Wohnung zeigen.“ Sie verließen das Wohnzimmer, Karsten zeigte Anna die Küche mit dem angrenzenden Esstisch, sein Arbeitszimmer, Schreibtisch, darauf ein LCD Monitor, neben dem Schreibtisch ein PC. Links von dem Schreibtisch ein Decken hohes Regal voller Aktenordner. Anna staunte über die vielen Bücher. Sie selbst hatte auch, bedingt durch ihr Studium, einiges an Büchern, aber so viele! Es folgte Badezimmer, Schlafzimmer und ein komplett leeres Zimmer! Auf Annas fragenden Blick hin, sagte Karsten lächelnd: „ Bügelzimmer, vielleicht mal irgendwann ein Kinderzimmer?“ Anna lächelte still: „Vielleicht?“

Karsten ging mit Anna zurück in die Küche und bat sie, am Esstisch Platz zu nehmen. Erwartungsvoll sah Anna Karsten zu, der jetzt sehr rührig in der Küche herum hantierte. Zwischendurch brachte er Anna etwas zu trinken und vergnügt schaute sie Karsten weiter zu. Karsten deckte den Tisch und Anna sah, mit welcher Sicherheit Karsten Servietten faltete, dass Besteck auf den Tisch legte, Gläser folgten, die Weinflasche im Kühler. Anna schnupperte den Duft aus der Küche und freute sich auf das Essen.

Der Samstagmorgen weckte sie mit dunklen Wolken, aus denen heftige Schauer gegen die Fensterscheiben klatschten. Anna zog die Bettdecke hoch und versteckte sich darin. Karsten lachte leise: „Das ist das richtige Wetter für Gemütlichkeit zu hause, stimmst?“ Anna sah Karsten nur an und nickte.
„ Magst du Frühstück?“
„Mm.“
„ Gebe mir einen Moment Vorsprung.“ Karsten ging ins Badezimmer, die Dusche rauschte, der Rasierapparat summte. Karsten steckte den Kopf durch den Türspalt: „ Ich bin im Bad fertig.“
„Ich komme.“ Anna schlug die Bettdecke zurück und verschwand unter der Dusche.
Frühstück war prima, in einer Regenpause ging Karsten auf die Terrasse und stellte einen umgefallenen Blumenkübel wieder auf. Das Regenwasser lief gut ab, der Boden war nur noch feucht. Anna kam auch auf die Terrasse, sie fragte Karsten nach den verschiedenen Pflanzen. Sie staunte, sogar ein Olivenbäumchen war dabei.
Karsten legte eine CD in den Player und Musik klang durch das große Wohnzimmer, Anna kuschelte sich in die Sofa Ecke und Karsten setzte sich daneben. Nach eine Weile fragte Karsten in die Stille: „Möchtest Du irgend wohin oder machen wir es uns hier gemütlich?“
„ Lass uns hier bleiben.“
Zum frühen Nachmittag klarte es auf und die Sonne schien vom Himmel, als wenn ein paar Stunden vorher nichts gewesen wäre!
Karsten nahm seine Anna und machte mit ihr einen Spaziergang durch den Ortsteil, in dem er wohnte. Hin und wieder grüßte Karsten Passanten oder wurde von Entgegenkommende gegrüßt. Es war, bis auf wenige kleine Geschäfte, ein griechisches Restaurant und zwei Imbissbuden, ein reines Wohnviertel. Aber schön zum bummeln, wenig Autoverkehr, spielende Kinder, viel Grünes, ein kleiner Park.
Anna winkte Karsten noch mal zu und fuhr dann langsam Richtung Autobahn.
Leise seufzte sie, war das ein schönes Wochenende gewesen, ruhig, erholsam und oh ja, ­­­das war auch sehr schön gewesen!
Sie kam früh nach Haus und hatte so Zeit genug, alles für die neue Woche vor zubereiten. Karsten rief an und fragte, ob sie gut nach hause gekommen sei?
Anna schilderte ihre ruhige Heimfahrt und Karsten versprach ihr, sich zu melden, aber sie dürfte ihn auch anrufen, bitteschön. Lachend sagten sich die Beiden tschüss.
Das kommende Wochenende war für einen Besuch bei ihrer Mutter verplant. Anna fuhr schon früh los, sie musste einiges für ihre Mutter erledigen. Ihre Tante hatte es ihr in den zurückliegenden Telefonaten erzählt. Anna erschrak, als sie ihre Mutter sah, sie war so klein und dünn geworden! Mit erschreckten Augen wurde Anna von ihrer Mutter angesehen, sie wurde von ihrer Mutter nicht mehr erkannt! Ihre Tante nahm sie zur Seite, es hat keinen Zweck, sie zum einkaufen mitzunehmen. Als Anna ihre Tante fragend ansah, erklärte die Frau ihr, dass ihre Mutter in Panik gerät, sobald sie die Wohnung verlässt.
Niedergeschlagen nahm Anna den Einkaufszettel und fuhr in die Stadt. Anfangs kam sie überhaupt nicht auf die Reihe, ihre Mutter ging ihr nicht aus dem Sinn. Position für Position hakte Anna auf dem Zettel ab, als letztes ging sie in das Sanitätshaus, der Einkauf fiel ihr besonders schwer. Damit wurde es endgültig gewiss, dass ihre Mutter nicht nur sehr krank, sondern auch ein Pflegefall geworden war. Sie lebte jetzt ganz in ihrer ganz eigenen Welt, blicklos sahen ihre Augen in das für sie längst vergangene Leben. Mechanisch verrichtete sie die einigen Dinge, die sie noch schaffte, ansonsten ließ sie beinah willenlos alles über sich ergehen.
Anna schämte sich, aber sie war froh, dass sie wieder nach hause fahren konnte. Die Situation mit ihrer Mutter hatte sie noch nicht verdaut.
Als erstes organisierte Anna einen Pflegedienst für ihre Mutter und wurde dabei von dem Verwaltungsaufwand fast erschlagen. Aber schließlich kam eine Pflegerin dreimal täglich und versorgte ihre Mutter und entlastete ihre Tante doch merkbar. Jetzt war Anna sehr erleichtert, dass das Geld aus dem Hausverkauf für die Pflege ihrer Mutter zu Verfügung stand.
Sehr nachdenklich stand Anna in ihrer Küche, immer wieder sah sie das leere Gesicht ihrer Mutter! Es ist doch wirklich zum Kreischen, jetzt habe ich soviel Glück mit Karsten und schon kommt der Nacken Schlag mit meiner Mutter.
Unruhig lief Anna in ihrem Haus herum, sie fand einfach keine Ruhe, sie setzte sich, stand auf, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Garten, wieder hinsetzen, TV Gerät einschalten und wieder war sie unterwegs.
Am Montagmorgen in der Firma musste sich Anna mächtig konzentrieren, bis sie wieder in ihrer Arbeit war. Tagsüber verloren sich die Gedanken etwas an ihrer Mutter, aber abends waren sie wieder mit voller Wucht da. Anna war heilfroh, als sie von ihrem Chef einen Reiseauftrag bekam. Sie sagte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was sie an Unterlagen benötigte.
Zuhause packte Anna ihre Sachen für die drei Reisetage zusammen und machte sich am frühen Morgen auf den Weg. Auf der Autobahn war mordsmäßiger Betrieb, der Annas ganze Aufmerksamkeit verlangte. Entnervt fuhr sie eine Raststelle für eine Kaffeepause an, vielleicht ist der Verkehr danach ruhiger. Anna fand in dem großen Gastraum einen ruhigen Platz am Fenster. Sie streckte die Beine aus und dehnte sich, der Kaffee war gut und ihr Handy meldete sich, Karsten! Mit einem Schlag wurde Anna ruhig, Karsten sprach ruhig und gelassen mit ihr, fragte nach ihrer Mutter. Anna schilderte kurz die Situation, Karsten bestätigte ihr, dass ihre Entscheidung mit dem Pflegedienst genau richtig war. Anna merkte, wie sie ruhiger wurde, die Anspannung fiel von ihr ab wie altes Laub von den Bäumen.
Auf Karstens Frage antwortete Anna, dass sie für ihre Firma unterwegs sei, sie hofft, dass sie wieder einen guten Auftrag abschließen kann.
„ Schade“, hörte sie Karsten durch das Handy sagen, „ich bin genau entgegen gesetzt unterwegs, hoch im Norden!“
„ Vielleicht schaffst du es, am Wochenende zu mir zu kommen?“ Fragte Anna hoffnungsvoll zurück.
„ Das müsste klappen, es kann Freitagabend allerdings spät werden“, antwortete Karsten, „ ich freue mich auf unser Wochenende!“
„Ich mich auch, sehr!“ Anna trank den Kaffee aus und ging zum Auto zurück.
Anna meldete sich in der Firma an und wurde wenig später von einer jungen Frau in den Konferenzraum geführt. Leider konnte sie den erzkonservativen Senior Chef nicht restlos überzeugen, etwas missmutig ging Anna ins Hotel.
Der neue Tag begann für Anna wesentlich besser, der Senior Chef wirkte jetzt ihrem Thema gegenüber offener und als sie Kostenbeispiele auf den Bildschirm zeigte, wurde der alte Herr plötzlich sehr hellhörig und als er dann erfuhr, welche Ersparnis an Kosten mit dem neuen Energiekonzept erzielt werden konnte, hatte Anna gewonnen. Zum Schluss ließ es sich der alte, knorrig wirkende Chef nicht nehmen, Anna zu fragen, wieso sie wusste, dass er durch die Kostenfrage überzeugt werden konnte. Anna lächelte den Senior Chef freundlich an: „ Sie sind noch ein Unternehmer der alten Schule, Sie wissen genau, wann eine Entscheidung getroffen werden muss.“ Der alte Herr nahm Annas Hand für einen kurzen Moment, tätschelte sie leicht: „ Tüchtiges Mädchen, so jung und schon so klug!“
Im Hotel aalte sich Anna voller Wohlbehagen in der großen Wanne, Berge von Schaum türmten sich auf dem warmen Badewasser. Tief zog Anna den Duft von dem Schaumbad ein. Sanft fuhren ihre Hände über ihren Körper und ihre Gedanken waren bei Karsten.
Die Nacht schlief Anna tief und fest.


Der Vormittag verging rasch durch die vielen technischen Einzelheiten des Angebotes. Kurz vor Mittag erhielt Anna den Auftrag von dem Senior Chef mit dem Hinweis, dass der Vertrag von den Rechtsabteilungen erstellt wird. Anna bedankte sich artig bei dem alten Herrn.
Frohgelaunt fuhr Anna nach Haus, sortierte ihre Sachen aus dem Koffer, rief einen Pizza Service an. Das Handy meldete sich und erstaunt nahm Anna den Anruf von der Bauersfrau aus dem kleinen Dörfchen entgegen. Die Frau meldete sich mit Thea, etwas nervös sagte sie zu Anna, Sie sagten zu mir, wenn ich mal reden möchte, darf ich sie mal anrufen?!
„Klar doch, kein Problem Thea.“ Anna setzte sich gemütlich hin und hörte der Frau zu. Anfangs kam es etwas ungestüm durch das Handy, aber dann wurde Thea ruhiger und erzählte Anna von ihrem eintönigen Leben auf dem Bauernhof in ihrem Dorf. Während des Gespräches kam Anna eine Idee und sie fragte Thea, ob sie nicht mal Lust hätte, sie zu besuchen? Einen Moment herrschte Stille, dann Thea ganz aufgeregt: „ Meinen Sie wirklich..? Das würde ich ja so gerne mal machen!“
„Gut, prima Thea, sagen Sie mir einfach, wann Sie kommen können, dann regeln wir das schon.“ Thea bedankte sich aufgeregt: „Ich melde mich, ganz bestimmt tue ich das!“
Anna notierte sich den Anruf mit dem Vermerk, Besuch möglich.
An der Haustür stand der Pizzabote und Anna nahm ihren Salat entgegen. Kurz nach ihrem Essen meldete sich Karsten und teilte ihr mit, dass es tatsächlich so spät werden wird, wie er ihr schon gesagt hatte.
„ Spielt keine Rolle, wie spät es wird, komm einfach, ja?“ Anna hörte Karstens leises Lachen durch das Handy: „Ich komme, bis nachher!“
Anna sah auf die Uhr, bis Karsten eintrudelt, wird es nach Mitternacht werden, sie setzte sich an ihren Schreibtisch und bereitete einige ergänzende Details für ihren heutigen Auftrag vor. Nach Fertigstellung scannte sie alles in den PC, speicherte es unter dem Firmennamen und druckte alles aus. Sie heftete alles säuberlich in einem Hefter ab und steckte diesen schon in ihre Tasche. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass immer noch viel Zeit ist, bis Karsten kommt. Unschlüssig blätterte Anna in der TV Zeitung, legte diese dann zur Seite und schaltete die HiFi – Anlage ein, leichte Musik füllte ihr Wohnzimmer. Anna legte die Beine hoch und wartete auf Karsten.
Das Klingeln von Karsten an ihrer Haustür weckte sie auf, verschlafen öffnete sie die Tür und Karsten nahm sie tröstend in die Arme: „Tut mir leid, es ist doch noch später geworden.“ Leise fragte Anna, ob er etwas essen möchte, aber Karsten winkte dankend ab: „Wenn es Dir recht ist, gehen wir ins Bett. Ich bin etwas geschafft.“ Damit war Anna sofort einverstanden, sie war auch Hunde müde!
Während des Frühstücks fragte Karsten Anna, ob er ihr mal eines seiner Hobbys zeigen dürfte? Neugierig sah Anna Karsten an: „Welches Hobby hast Du denn?“ Karsten lächelte Anna geheimnisvoll an: „Lass Dich mal überraschen, ja?“
„Gut, ich liebe Überraschungen, ich bin eine Frau, weißt Du!“ Anna strahlte Karsten mit ihren pechschwarzen Augen an.
„Ich kann Dir versichern, dass ich das inzwischen schon gemerkt habe!“
„Bloß so gemerkt, das ist alles.“ Empörte sich Anna übertrieben und funkelte Karsten heraus fordernd an.
„Na ja, da wären zum Beispiel Deine tollen Beine, Deine.. „ Anna unterbrach Karsten lachend: „In Ordnung, in Ordnung, ich merke, Du hast genau hingesehen!“
„ Was ist jetzt mit meinem Hobby gucken?“ Fragte Karsten.
„ Los zeig mir Dein Hobby!“ Forderte Anna Karsten auf.
„Wir müssen ein Stückchen fahren.“
Jetzt sah Anna Karsten wirklich sehr neugierig an.
„Wenn es Dir Recht ist, fahren wir nach dem Frühstück los. Wir brauchen ca. eine Stunde mit dem Auto.“ Karsten sah Anna fragend an.
„Gut, machen wir uns fertig.“ Anna stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Das Geschirr verschwand in der Spülmaschine, Karsten stellte die Lebensmittel in den Kühlschrank zurück. Herum albernd ging Anna und Karsten ins Schlafzimmer, um sich anziehen.
Karsten hielt Anna die Wagentür auf, Anna mochte den Geruch von Leder. Wie immer war der Wagen von Karsten peinlich sauber, kein Krümel, kein Papierschnipsel. Karsten fuhr auf die Autobahn, Anna genoss die ruhige Fahrt, samstagmorgens war wenig Verkehr auf der Autobahn. Karsten hatte mit seiner Zeitangabe Recht, nach einer Stunde fuhr Karsten seinen Wagen einen kleinen Hügel hinauf und stellte ihn in der Reihe der anderen Autos ab. Anna sah sich um und verstand nur noch Bahnhof. Was wollte Karsten hier?

Karsten griff nach Annas Hand und ging mit ihr auf ein kleines, flaches Gebäude zu. Hier wurde er mit großem Hallo empfangen, schön, Dich zu sehen, kam es von allen Seiten! Karsten grüßte grinsend zurück und stellte den Männern Anna vor. Und dann sah Anna zwei Männer, die ein Gestell aufnahmen, dass mit einem bunten Tuch bedeckt war. Sie hielten das Gestell über sich und rannten den kleinen Hügel hinab und flogen, flogen in den blauen Himmel!
„Drachenfliegen, ist das Dein Hobby?“ Fragte Anna verblüfft Karsten. Mit leuchtenden Augen nickte Karsten ihr bestätigend zu. Er zog Anna in das Gebäude, öffnete eine Tür und zeigte auf ein größeres Paket: „ Das ist für Dich.“ Anna öffnete den großen Karton und sah verständnislos hinein. Karsten sah es und lachte schallend: „ Das ist Deine Kombi.“ Anna guckte immer noch wie von der Rolle. Karsten trat zu ihr und nahm sie in seine Arme,
wir werden jetzt gemeinsam einen schönen Rundflug machen. Anna sah Karsten mit großen Augen an: „ Ich bin noch nie mit so einem Drachen geflogen!“
„ Das macht nichts, ich kann das und den Rest zeige ich Dir beim Fliegen.“
Etwas skeptisch blickte Anna doch noch, aber sie zog die Kombi an, zog den Reißverschluss zu bis unters Kinn, schloss die Bündchen an den Armen und Beinen. Sie setzte sich hin und wechselte die Schuhe. Sie sah hoch und sah, dass Karsten schon bereit war.
Auf dem Weg zu dem Startplatz erklärte Karsten Anna die wenigen Dinge, die sie wissen musste und schon hob er einen Drachen hoch. Er hängte Anna und sich ein und sagte zu Anna: „ Auf los laufen wir den Hügel herunter, okay?“ Anna nickte mit einem etwas flauen Gefühl im Magen. Sie liefen los und Anna spürte, wie sie den Boden unter den Füßen verlor – sie flogen. Nach anfänglicher Unsicherheit, stieg bei Anna ein unbeschreibliches Gefühl hoch, sie schrie ihre Freude in den blauen Himmel. Karsten lachte ihr freudestrahlend zu: „Ist das nicht einfach herrlich?“ Völlig überwältigt konnte Anna nur mit strahlendem Gesicht zu nicken. Karsten flog eine weite Schleife, die Thermik meinte es gut mit ihnen, Karsten konnte eine weitere Runde fliegen. Anna war restlos weg, dieses schwerelose dahin fliegen, das Land unter sich, der Himmel darüber und sie mit Karsten dazwischen, wieder schrie Anna ihr Vergnügen in die Welt hinaus. Karsten freute sich mit Anna und er freute sich natürlich sehr darüber, dass Anna Gefallen an seinem Hobby fand.
Nach einer weiteren weiten Schleife, steuerte Karsten auf den kleinen Hügel zu, während des Fluges erklärte Karsten Anna den Landeablauf. Anna hörte konzentriert zu und nickte bestätigend. Langsam sank der Drachen und Anna fühlte Boden unter ihren Füssen und hörte Karsten rufen: „Laufen!“ Nach einer kurzen Strecke blieben sie stehen und Karsten legte den Drachen vorsichtig ins Gras. Anna fiel Karsten jubelnd um den Hals: „ Du hast ein herrliches Hobby!“ Langsam gingen sie zu dem kleinen Gebäude zurück und die Männer, die davor standen, klatschten Beifall: „ Gut gemacht, prima Flug!“
Anna bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln und spürte, wie der eine oder andere Mann sie sehr interessiert ansah.

Karsten ging mit ihr in das Gebäude, ging rechts den schmalen Gang, öffnete die Tür und Anna sah einen kleinen, gemütlichen Gastraum. Links eine kleine Theke, hinter der eine hübsche, sympathische Frau hantierte. Anna setzte sich an einen der Tische und Karsten ging zur Theke. Anna hörte die Frau lachen und Karsten kam zurück: „ Also, die Küche hat Steak mit Pommes und Salat, Steak mit Salat und Pommes oder Steak mit…“ Anna unterbrach Karsten lachend: „Ich nehme Steak mit Salat und etwas zu trinken, bitte.“ Karsten gab die Bestellung weiter und wenig später brachte die Frau die Getränke, schnell folgte das Essen. Anna sah mit großen Augen auf die Teller: „Das sind ja mal große Steaks!“
„ Nur für Mitglieder!“ Lachte Karsten.
„Aber ich bin noch kein Mitglied!“ Lachte Anna zurück.
„Glaubst Du.“ Karsten schob Anna lachend einen Bogen Papier zu. Anna staunte nicht schlecht, dass war ihr Antrag auf Mitgliedschaft!
„Woher wusstest Du, dass mir Drachenfliegen gefallen würde?“
„ Es passt zu Dir, da war ich mir ganz sicher.“
„ Du hast Recht, es hat mir einen Riesenspaß gemacht.“ Anna mopste von Karstens Teller ein paar Pommes und Karsten fragte sie, ob er ihr Pommes bestellen soll. Dankend winkte Anna ab.
Mit dem Kaffee gingen sie wieder nach vorne zu den anderen Männern und noch mal klang Beifall für Anna auf und als Karsten verkündete, dass Anna Mitglied ihres Clubs wird, griffen die Männer zu und warfen Anna hoch in die Luft. Sie landete mit dem Rücken auf die Hände der Männer und wieder wurde sie hoch geworfen.
„ Herzlich willkommen.“ Ein großer schlanker Mann beugte sich vor und küsste Anna auf beide Wangen, alle anderen machten es dem Mann nach! Später erfuhr Anna, dass sie die erste Frau in dem Club ist. Anna genoss in vollen Zügen die ungezwungene Atmosphäre zwischen all den Männern, es war richtig schön, als einzige Frau Mittelpunkt von dieser prachtvollen Männerrunde zu sein.
Auf Rückfahrt unterhielten sich Anna und Karsten sehr angeregt über das Drachen fliegen. Von Karsten erfuhr Anna, dass der Club Fahrten zu ganz speziellen Orten organisiert, die besonders prädestiniert für das Drachen fliegen sind. Anna fragte Karsten nach diesen Orten und warum die so besonders geeignet sind?
„Wir waren schon in Marokko, auf Sizilien, Irland hat ein paar prächtige Plätze, auch in Südfrankreich, die Pyrenäen sind hervorragend geeignet und Australien ist unser aller Traum, an diesen Orten gibt es fast ständig eine hervor ragende Thermik!“ Beantwortete Karsten Annas Frage.
„Machen wir da auch mal mit?“ Anna war richtig gefesselt von Karstens Hobby.
„Dafür müssen wir aber ein paar Tage von unserem Urlaub opfern, Wochenenden sind zu kurz für so einen Trip.“
„Lass uns das mal mitmachen, bitte, mit dem Urlaub kriege ich das schon hin!“
„Gut, ich werde mich erkundigen, was als nächstes geplant ist und dann sage ich Dir Bescheid. Aber in Kürze bekommst Du ja jetzt als Mitglied auch die Clubnachrichten.“

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Tag der Veröffentlichung: 05.04.2011

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