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Kurtchen und der fremde Mann 



Mit der einen oder anderen Prügelei hatte sich Kurtchen Respekt verschafft. Jetzt ließen die anderen Kinder ihn in Ruhe. Den Ablauf des Unterrichtes hatte er schnell begriffen, oberstes Gebot war, bloß nicht unangenehm auffallen! Der Lehrer nudelte seinen Unterricht fast teilnahmslos herunter, aber die junge Lehrerin war in Ordnung! Bei ihr durfte sogar im Unterricht gelacht werden! Bei der Lehrerin war Kurtchen gerne, hier vergaß er sogar manchmal seine schäbigen Klamotten, lauthals sang der dünne Junge die soeben gelernten Lieder mit! Laut, voller Freude und völlig falsch.

In der großen Pause hielt die Lehrerin Kurtchen zurück und erklärte dem erstaunten Jungen, dass er die Lieder zu laut singe, so laut, dass von den anderen Kindern nur noch wenig zu hören war! Sie freue sich zwar, dass ihm das Singen so viel Spaß, aber etwas leiser wäre schöner. Kurtchen versprach der Lehrerin, zukünftig leiser zu singen.
So geschah es dann in der nächsten Musikstunde, Kurtchen sang, zum erstaunen aller leiser, dafür aber richtig!

Die Zeit ging dahin und die Schule wurde für den Jungen Routine. Wie jeden Tag, kam Kurtchen auch heute von der Schule heim und sah erstaunt einen fremden Mann in einer dunkelblauen Uniform nahe bei seiner Mutter stehen.Obwohl die Uniform arg zerschlissen war, konnte man noch gut das ehemals schwere Tuch erkennen. Mit einem seltsamen Lächeln kam seine Mutter auf ihn zu: „ Das ist Dein Vater!“
Kurtchen musste heftig schlucken, sollte es wirklich war geworden sein? Die Nachbarskinder haben schon gemunkelt: Dein Vater kommt nicht mehr zurück!
Der Junge sah dem Fremden etwas misstrauisch in das ausgemergelte Gesicht, so das ist also mein Vater! Der fremde Mann hockte sich vor den Jungen hin, legte beide Hände auf die schmalen Schultern und zog ihn an sich: „ Dann wollen wir uns mal kennen lernen!“

Kurtchen musste seinen Vater alles zeigen, wo er das Brennholz herholt, wo er die Stahlhelme gefunden hat, den Keller im großen Trümmerfeld, den versteckten Schweinestall im tiefsten Wald, den Kanalhafen und natürlich den Bunker. Sein Vater zeigte sich beeindruckt von dem Stapel Brennholz und Kurtchen freute sich.
Ganz prima fand Kurtchen die Hilfe von seinen Vater bei den Hausaufgaben, im Rechnen war sein Vater wirklich Spitze!

Und dann wurde es für sie alle schlagartig besser, sein Vater hatte Arbeit auf der Zeche gefunden!
Das Essen wurde um vieles besser, Holz und Kohle waren ausreichend vorhanden und er bekam endlich einen richtigen Tornister für die Schule!
Die großen Sommerferien kamen und sein Vater, kaum von der Maloche im Pütt zurück, strolchte mit ihm durch die Gegend! Nie kamen die beiden mit leeren Händen zurück und Kurtchen lernte schnell, was man mit was anstellen kann!

Nachdem alle drei Kinder ganz neu eingekleidet waren, fuhren seine Eltern in die Stadt, jetzt ist Mutter dran, winkte sein Vater vergnügt.
Beim Abendessen fragte Kurtchens Vater in die Runde und sah dabei richtig spitzbübisch seine drei Sprösslinge an: „ Wer will denn mal mit in den Pütt fahren?“ Verblüfftes Schweigen, Sekunden später kam es selbstsicher von Kurtchen: „ Ich komm mit!“ Sein Bruder und seine Schwester blieben lieber zu Haus.

Am nächsten Abend sagte Kurtchens Vater zu dem Jungen: „ Morgen früh geht es los, in Ordnung?“
Kurtchen nickte nur voller Begeisterung. Einen Vater haben, ist schon prima, dachte er kurz vor dem Einschlafen.

Früh rüttelte ihn jemand wach und er sah in das grinsende Gesicht seines Vaters; „ Es geht los!“
Der Morgen dämmerte herauf und viele Männer strömten der Zeche zu, Kurtchen staunte bloß. Dass waren aber viele Männer. Schon stand er mit seinem Vater in der Reihe Männer vor dem Förderturm, eng war es in dem Drahtkäfig und dunkel und dann schrie Kurtchen auf, der Käfig sauste mit einer affenartigen Geschwindigkeit nach unten. Kurtchen war sich sicher, wenn sein Vater ihn nicht festgehalten hätte, klebte er jetzt an der Decke!

Die Kumpels verschwanden schnell in den vielen Stollen, Kurtchen, an der Hand seines Vaters, lief nur ein kleines Stück Weg in das Halbdunkel, dann schob sein Vater eine Holztür auf und knipste das Licht an. Die Helligkeit ließ die Augen knipsen, er war in einer Werkstatt!Sein Vater gab ihm einige Teile, sagte was zu tun war n
und dann waren nur noch die Arbeitsgeräusche zu hören.
Ein lauter Signalton ließ Kurtchen hochschrecken, sein Vater lachte ihn: „ Frühstückspause.“
Nach der Pause kamen Kumpels in die Werkstatt und fragten nach Ersatzteilen oder brachten defekte Teile von Maschinen zur Reparatur.
Wieder schrillte der Signalton durch die Stollen, sein Vater sagte ihm, dass Feierabend ist!

Auf dem Heimweg erfuhr Kurtchen von seinen Vater, dass die Werkstatt 400 m unter der Erde lag!
Booch! Staunte Kurtchen nur.
Wieder in der Schule, musste alle Kinder einen Aufsatz über das schönste Ferienerlebnis schreiben und Kurtchen erhielt für seinen Aufsatz über seinen Tag im Pütt die erste EINS!


Kurtchen und der Hühnerstall 

Kurtchen kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Sein Vater legte ein Tempo vor, dass war schon irre! Sobald sein Vater von der Schicht im Pütt nach hause kam, ging es in den Garten, der Gartenzaun war längst fertig und die Beete ordentlich angelegt. Kurtchen klebte seinen Vater an der Seite, platzend vor Neugier und schoss eine Frage nach der anderen ab. Geduldig antwortete sein Vater und erklärte alles sehr verständlich, das umgraben der Erde, das Furchen ziehen, welche Pflanzen fein krümelige Erde braucht und welche in gröbere gepflanzt werden konnten.

Kurtchen wusste dann, dass Kartoffeln gehäufelt werden mussten, Erdbeerpflanzen wurden mit Stroh unterlegt und mit Pferdemist gedüngt. Unkraut musste gejätet werden und alles musste regelmäßig gegossen werden.
Als der Garten soweit stand, begann sein Vater jede Menge Bretter mit zu bringen, auch Balken, kurze und längere Metallteile und Schrauben, jede Menge!
Kurtchen wurde rappelig, was wird das, warum grinst sein Vater bloß und sagt nichts?

Die Woche mit der Morgenschicht für seinen Vater kam und nach dem Essen, Kurtchen war gerade mit den Schularbeiten fertig, winkte sein Vater, los komm, wir wollen anfangen! Kurtchen platzte vor Neugierde und aufgeregt hüpfte er seinen Vater hinter her!
Sein Vater schlug Holzstücke in den Boden und verband diese mit einer Schnur, Kurtchen staunte bloß noch.
Dann hatte sein Vater doch ein Einsehen und erklärte seinen Jungen, dass sie beide hier von der Schuppenwand beginnend, einen Hühnerstall bauen. Kurtchen sah seinen Vater leicht verwirrt an, wieso Hühnerstall, wir haben doch gar keine Hühner! Sein Vater lachte dröhnend vor Vergnügen, erst den Stall, dann die Hühner! Das leuchtete Kurtchen schnell ein.

Löcher wurden ausgehoben und dicke Balken kamen hinein, Kurtchen hielt stolz das Lot. An den dicken Balken wurden dicke Bretter angeschraubt, eine Bretterwand außen, eine Bretterwand innen.
Sein Vater erklärte dem Jungen warum: „ Wir haben schlechte Zeiten und Hühner werden nun mal gerne geklaut!“ Das verstand Kurtchen sofort..
An der Stall Wand zum Garten montierte sein Vater einen breiteren Streifen dicken Maschendraht, damit die Hühner auch Licht haben, erklärte er seinem Sohn.

Am nächsten Tag kam das Dach auf den Stall, sein Vater legte in einigen Abstand Balken auf die Längswände und schraubte sie gut fest. Bretter auf die Balken und auf die Bretter kam Dachpappe.
Als letztes kam die Tür dran, Schwere Scharniere wurden angeschraubt, mit stabilen Riegeln konnte die Tür gut verschlossen werden. Sein Vater schien mit dem Ergebnis zufrieden, aber Kurtchen wusste nichts mit dem viereckigen Loch oben links an der Schuppenwand anzufangen.
„ Was ist mit dem Loch da oben?“ Fragte er seinen Vater.

Nachts müssen die Hühner in den Schuppen, damit sie nicht geklaut werden! Komm mal mit, sein Vater ging mit ihm in den Schuppen und da sah Kurtchen ein abgetrenntes Teil vom Schuppen, das wie ein kleinerer Hühnerstall aussah.
„ Jetzt bauen wir noch einen Laufweg für die Hühner vom Stall in den Schuppen und schon sind die Tiere sicher!“ Das sah Kurtchen ein und mit Feuereifer baute er mit seinem Vater den Laufsteg.

Zwei Tage später brachte sein Vater eine Holzkiste mit, stellte diese in den Hühnerstall im Schuppen und sagte zu Kurtchen: „ Morgen holen wir die Hühner!“
„ Und was ist mit der Kiste!“ Fragte Kurtchen und deutete auf die neue Holzkiste.
„ Darin sollen unsere Hühner ihre Eier legen!“ Grinste sein Vater vergnügt.
Kurtchen wurde zweimal von den Lehrern im Unterricht ermahnt, er solle besser aufpassen, aber es ging einfach nicht. Dauernd musste er an die Hühner denken, die er mit seinem Vater heute holt.

Nach dem Essen gingen Vater und Sohn zu einen nahe gelegenen Bauernhof, es dauerte eine Weile, bis sein Vater und der Bauer handelseinig waren. Sein Vater gab dem Bauer ein schmales Päckchen und erhielt dafür einen Drahtkorb mit Hühnern darin!
In dem Hühnerstall sah Kurtchen, dass es fünf Hühner waren und ein Hahn! Es dauerte nicht lange, da kratzten die Tiere schon im Boden und pickten hier und dort.

Kurtchen war nur noch am Hühnerstall zu finden und ein paar Tage später nahm sein Vater ihn geheimnisvoll tuend mit in den Schuppen....... und holte drei schneeweiße Eier aus der Holzkiste!
Staunend sah Kurtchen die Hühnereier in seiner Hand an, sein Vater rödelte im Schuppen herum und dann sah Kurtchen, dass sein Vater den alten Ofen angeheizt hatte und darauf dampfte ein kleiner Topf mit Wasser. Vorsichtig nahm sein Vater die drei Eier und gab sie in das kochende Wasser!

Wenig später aßen sie die frisch gekochten Hühnereier und Kurtchen war sich gewiss, noch nie köstlicheres gegessen zu haben!


Kurtchen und die Sommerferien 

Kurtchen wechselte nach dem vierten Schuljahr in das gewaltig große Schulgebäude auf der Waldstraße. Das riesige Gebäude erdrückte schier die Schulkinder. Hinter der großen, zweiflügeligen Tür war eine große Treppe über die ganze Breite des Treppenhauses. Auf der ersten Etage war gleich rechts von der Treppe, das große und düstere Büro von dem Rektor und zwei Klassenräume. Gegenüber der Treppe ging das Treppenhaus weiter hoch zu den anderen Klassenräumen, links der Treppe ging es in den Keller. Dort waren die Toiletten und Duschräume!
Es dauerte eine Zeit, bis Kurtchen in dem großen Gebäude Bescheid wusste.

Dann gab es in den Pausen nur noch ein Thema, die Sommerferien, einige Schüler konnten sogar von Reisen erzählen, die sie mit ihren Eltern in den Ferien machen werden.
Kurtchen kam etwas missmutig von der Schule nach Haus und blieb auch während des Mittagessen sehr still.
Sein Vater kam von der Schicht und setzte sich an den Tisch, klopfte dem Jungen auf die Schultern, Kurtchen sah hoch und blickte fragend in das freundlich lächelnd Gesicht seines Vaters.
„ Du weißt doch noch, dass Oma soundso in Wilhelmshaven wohnt?“
Kurtchen nickte seinen Vater an; „ Ja, dass weiß ich noch.“
„ Gut, prima, dann packe morgen Deine Sachen zusammen, denn Du fährst für drei Wochen dahin!“
Kurtchen sah seinen Vater ungläubig an, es soll tatsächlich in den Ferien weg fahren!

Der Zug wurde von einer fauchenden, dampfenden Lokomotive in den Bahnhof gezogen. Die dunkelgrünen Waggons mit den schmalen Türen und Fenster rumpelten auf dem Gleis. Sein Vater sah nach einem bestimmten Waggon, machte die Tür auf und zeigte Kurtchen, das er einsteigen soll.
In dem Abteil waren links und rechts an der Wand Holzbänke, darüber jeweils ein Gepäcknetz.
Schnell ein Tschüss, auf Wiedersehen, gute Erholung und viele Grüße und schon setzte sich der Zug in Bewegung.

Nach einer langen Zugfahrt, zweimaligen umsteigen, kam Kurtchen in Wilhelmshaven an, nun stand er auf dem Bahnsteig und sah sich um, aber eine Oma konnte er nicht entdecken! Der Junge kratzte sich nachdenklich am Kopf, holte den Zettel mit der Adresse aus der Jackentasche und fragte den uniformierten Mann, wie er zu dieser Adresse kommt.
„ Ganz einfach, aus dem Bahnhof immer gerade aus, die dritte Straße links!“ Kurtchen bedankte sich und machte sich auf den Weg. Nach einen strammen Marsch erreichte er das Haus Nr. 89, fand das Namensschild, klopfte, nichts, klopfte noch einmal, wieder nichts. Kurtchen klopfte jetzt sehr kräftig an die Tür, es rührte sich nichts, aber die Tür ging auf. Der Junge ging vorsichtig in die Wohnung und sah eine Frau am Küchentisch sitzen, die Arme auf der Tischplatte gekreuzt, darauf lag ihr Kopf und sie schnarchte kräftig. Kurtchen sag den Wecker nahe dem Kopf de Frau, verschlafen, grinste Kurtchen, Oma hat verschlafen.
Kurtchen setzte sich an den Tisch und aß seinen letzten Proviant auf.

Am nächsten Tag ging seine Oma mit ihm zum Strand, zeigte ihm die Kaiser-Wilhelmbrücke, eine große Drehbrücke, die wurde früher für die großen Schiffe benötigt, erfuhr er. Die Strand Halle folgte, das Meerwasser Aquarium und der Fischereihafen. Die Fisch – und Krabbenkutter hatten es Kurtchen sofort angetan. Oma zeigte ihm auch die kleine Heuler-Station. Hier wurden die verstoßenen kleinen Seehunde aufgepäppelt! Auf dem Rückweg sah er die Meerwasser-Badeanstalt, den Marinehafen mit den grauen Kriegsschiffen und die Garnisonskirche mit den vielen Fahnen und davor das Geschützrohr, dass von einem Treffer beschädigt worden war. Zum Schluss noch der Friesenbrunnen und ab ging es nach Haus.

Am nächsten Morgen bekam Kurtchen ein Päckchen in die Hand gedrückt, Butterbrote, erfuhr er, dazu drei Groschen, du willst dir bestimmt noch einmal alles ansehen.

Etwas baff stand dann Kurtchen auf der Straße und überlegte, was er jetzt anstellen soll. Er drehte sich Richtung Strand und marschierte los, die Sonne schien und als er den Strand erreichte, legte er sich rücklings in das Gras und sah in die Wolken und auf das Wasser.Plötzlich stellte er fest, dass das Wasser immer weniger wurde und da fiel ihm das mit Flut und Ebbe wieder ein!
Er zog sich Schuhe und Strümpfe aus und lief herunter und stand auf dem matschigen Boden. Ich stehe auf dem Meeresboden und werde nicht nass! Kurtchen musste grinsen, dass glaubt mir in der Schule kein Mensch.

Der Junge ging durch den Matsch bis zum Fischereihafen und sah staunend, dass die Fischkutter alle ziemlich schräg auf dem Boden lagen, auch hier war das Wasser weg! Kurtchen lief hin und her und sah sich alles genau an. Erst ein gutes Stück weiter konnte er in der Fahrrinne ein wenig Wasser sehen!
In der Fischhalle war richtig Betrieb und neugierig ging der Junge näher und sah durch das offene Tor in die Halle. Hier wurden die Fische sortiert, mit Eis bedeckt und auf verschiedene Plätze verteilt.
Kurtchen sah die gekochten Granat ( Nordseekrabben) in den Kisten und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Eine dicke Frau fragte ihn. Ob er was kaufen will, Der Junge schüttelte mit dem Kopf und fühlte nach den drei Groschen in seiner Hosentasche. Die dicke Frau fragte, ob er den Granat puhlen kann, ja, kann ich und schon hatte er eine braune Spitztüte in der Hand und die Frau scheuchte ihn aus der Halle. Ein schnelles Augen zwinkern un weg war die Frau.

Selig ging Kurtchen zum Strand zurück, legte sich mit dem Rücken ins Gras, platzierte die Tüte auf seinen Bauch und puhlte genüsslich eine Granat nach der anderen.Die Schalen ließ er links und rechts neben sich in das Gras fallen. Schnell kreischten jede Menge Möwen über ihn, die Vögel wurden so frech, dass er den Platz räumen musste. Sofort stürzten sich die Möwen auf die Schalen von dem Granat.im Gras.
Die Sonne schien und Kurtchen lag satt und faul im Gras und sah zu, wie das Wasser langsam zurück kam. Plötzlich schreckte der Junge hoch, ich glaube, es wird Zeit, dass ich nach Haus gehe.

Am nächsten Morgen überraschte ihn seine Oma mit einem Turmbesuch. Kurtchen konnte sich keinen Reim darauf machen und so marschierte er mit seiner Oma los. Der Junge sah ein großes Gebäude mit einem hohen Turm in der Mitte, jetzt verstand er, was seine Oma gemeint hat.
„ Das ist das Rathaus von Wilhelmshaven.“ Klärte sie Kurtchen auf.
Sie stiegen die vielen Stufen hoch und seine Oma schnaufte mächtig. Oben hatte Kurtchen einen prächtigen Blick herüber zum Strand, er sah die Strand Halle, den kleinen Hafen und erkannte jetzt, dass die Stadt gar nicht an der Nordsee lag, sondern an einer Art großen Bucht, die sich Jadebusen nannte! Seine Oma zeigte ihm, sieh, dort ganz am Horizont, dass ist die Nordseeküste!

Die folgenden Tage verbrachte Kurtchen am Strand und im Fischereihafen, einmal konnte er sich einen Liter Granat kaufen und die dicke Frau machte die Tüte ordentlich voll. Mit einem nie gekannten Vergnügen puhlte der Junge die Granat und genoss den herrlichen Geschmack.
Abends sagte seine Oma, dass er morgen nach hause fahren muss und Kurtchen war so etwas von enttäuscht, dass die Zeit schon vorbei war.


Kurtchen und der Aufgesetzte! 

Eines schönen Tages fiel es Kurtchen auf, sein Vater , auch seine Mutter rödelten irgend wie stickum an irgend etwas herum. Geburtstag war keiner in Sicht, Weihnachten dauert noch, es war gerade Herbst geworden!

Das Vorratsfach im Boden der kleinen Kammer wurde ausgeräumt und sein Vater trug etwas unbekanntes herein. Es musste etwas lustiges sein, denn seine Eltern kicherten ständig leise bei dem herum hantieren. Kurtchen hörte, wie die schwere Klappe von dem Vorratsfach geschlossen wurde und dann war erst Mal tagelang Ruhe in der Hütte.

Kurtchen wurde von seinem Vater gefragt, ob er noch weiß, wo sein „Paradies“ sei und ob es da wohl Kirschen gibt? Kurtchen sah seinen Vater etwas irritiert an. Klar weiß ich noch, wo mein „Paradies“ ist und Kirschen gibt es da auch, aber nur noch saure! Na, prächtig, kam es sehr erfreut von seinem Vater, meinst Du, wir könnten da Mal zusammen hingehen?
Wieder sah Kurtchen seinen Vater etwas erstaunt an, klar können wir zusammen hingehen.

Gesagt, getan, ein paar Tage später marschierte Kurtchen mit seinem Vater los und wenig später erreichten sie sein „Paradies“. Ein großer Obstgarten mit vielen Bäumen und Büschen, aber total verwildert!
Kurtchen zeigte auf den Apfelbaum, an dem die Äpfel langsam gelb und rot wurden, an einem anderen Baum wurden Äpfel reif, die sich lange in den Winter hinein lagern ließen. Auch die Birnen färbten sich langsam goldgelb! Aber sein Vater war zu mindestens für diesen Moment nur an Kirschen interessiert!

Der Kirschbaum war mächtig groß und sein Vater stand staunend darunter, da sind aber viele Kirschen dran! Kurtchen freute sich für seinen Vater.
Jetzt müssen wir nur noch an die Kirschen heran kommen, zweifelnd sah sein Vater in die Höhe und schon war Kurtchen wie ein Affe in dem Baum verschwunden und veräppelte seinen Vater kichernd von oben aus dem Baum.
Der Junge holte aus seiner Hosentasche ein Knäuel Kordel und ließ das eine Ende zu seinem Vater herunter, der verstand sofort, was sein Junge vor hatte! Er knüpfte die Kordel an den Korb und Kurtchen zog ihn zu sich hoch. Es dauerte nicht sehr lange und der Korb war voll dunkel roter Kirschen.

Sein Vater leerte den Korb in einen weißen Sack und zeigte Kurtchen an, dass er den Korb noch einmal füllen soll. Der zweite und auch der dritte Korb war schnell voll Kirschen und sein Vater winkte Kurtchen von dem Baum.
Zu Hause teilte sein Vater die Kirschen in zwei gleiche Mengen auf. Die eine Hälfte nahm seine Mutter und begann die Kirschen sorgfältig zu waschen und sortierte dabei einige von den Früchten aus. Die andere Hälfte schüttete sein Vater vorsichtig in den Sack zurück und brachte sie zu dem Nachbarn gegenüber. Kurtchen bekam von seinem Vater drei silbern glänzende Markstücke in die Hand gedrückt, als er von dem Nachbarn zurück kam. Kurtchen bekam seinen Mund vor Staunen nicht zu und schon begann es in seinem Kopf zu rattern – der Baum hatte noch eine Menge Kirschen und jedes mal drei Mark! Sein Vater merkte sehr wohl, was seinem Sohnemann durch den Kopf ging, schüttelte verneinend seinen Kopf, wir machen es zusammen, in Ordnung!?

Wieder begann das geheimnisvolle herum hantieren von seinen Eltern und Kurtchen hatte immer noch nicht heraus gefunden, was da passierte.Er ließ es erst einmal gut sein, er wird schon dahinter kommen!

Der Handel mit den Kirschen aus seinem „Paradies“ und auch mit den Äpfeln und Birnen wurde für Kurtchen richtig lukrativ. In seiner Blechdose, die als Spardose herhalten musste, klimperten schon eine Menge Markstücke.
Es wurde langsam kalt und es roch sehr nach Winter, überall wurden Schweine geschlachtet, ( obwohl verboten ) auch Gänse, Enten und Hühner mussten dran glauben. Kurtchen flitzte von Schlachtung zu Schlachtung und verdiente sich mit Blut rühren manche Mark oder er bekam ein schönes Wurstpaket.

Jetzt kam Kurtchens Tag, mit einem Paket Wurst unter dem Arm kam er nach Haus und seine Mutter sagte zu ihm, leg es in das Vorratsfach, es ist noch offen. Blitzschnell war Kurtchen in der Kammer und da sah er es, ein großer Glasballon oder Flasche oder Krug, was auch immer, stand in dem Vorratsfach, halb verdeckt von einem Tuch. Kurtchen beugte sich vor und da sah er seine Kirschen im Wasser? schwimmen!
Der Junge schnupperte, Wasser, das war kein Wasser, was, verflixt noch Mal, war das für ein Zeug?
Seine Mutter rief und schnell kam Kurtchen in die Küche zurück.

Weihnachten kam näher und aus dem Glasbehälter roch es stärker und stärker und dann war Kurtchen alleine, ganz alleine, alle waren weg. Die Klappe von dem Vorratsfach war Sau schwer, aber Kurtchen war zäh und wuchtete die Klappe hoch. Zog den Stöpsel aus die Öffnung und holte mit der schmalen Kelle ein paar Kirschen mit etwas Flüssigkeit heraus. Vorsichtig probierte Kurtchen, seltsam, ein bisschen süß, aber auch scharf, es brannte auf der Zunge, aber es schmeckte lecker.Die zweite Kelle schmeckte noch besser.....

Am nächsten Morgen wollte Kurtchen nur noch sterben!

Seine Eltern schimpften furchtbar mit ihm und mussten dennoch dabei lachen, was Kurtchen noch mehr leiden ließ.
Seit diesem Erlebnis hat Kurtchen eine gewisse Scheu vor Alkohol!


Kurtchen und der Rektor ( 15 )

wie alle anderen Kinder hatte Kurtchen auch eine Heidenangst vor dem riesigen, dicken und gemeinen Rektor der Schule. Jeden Morgen in der großen Pause das gleiche Schauspiel. Sobald dieser dicke Mann in seinem grauen Kittel aus seinem Haus kam und das kurze Stück bis zur Schule ging, schnaufte er schon gewaltig und der große Schulhof mit den vielen hundert Kindern war schlagartig mucks Mäuschen still. Selbst die frechsten Jungen verkrümelten sich in die hintersten Ecken des Schulhofes.

Wie auf Kommando öffnete sich die große Tür von der Schule und der Rektor verschwand in dem Gebäude.
Es dauerte es dauerte noch einen Moment, bis die Kinder den Schulhof wieder mit ihrem Lärm füllten! Die Glocke schrillte und zeigte das Ende der Pause an.Die Kinder stellten sich klassenweise in zweier Reihe auf und marschierten nach einander in die Schule und in ihre Klassenräume.

Die Angst und die Furcht vor dem Rektor war allgegenwärtig, wenn dessen unbeherrschtes Gebrüll durch das Treppenhaus dröhnte, wurden sogar die Lehrer blass..
Kurtchen war eines der vielen Kinder, die sich bei dem Rektor Griffel oder Buntstifte holen mussten.
Das war für die Kinder jedes mal eine Tortur, sie klopfen schon mit wilden Herzklopfen an die Bürotür und wenn kein herein zu hören war, klopften sie nochmal. Prompt dröhnte das Gebrüll von dem fetten Mann durch die Tür: „ Ich bin nicht schwer hörig, wenn du mein herein nicht gehört hast, musst Du Dir mal die Ohren waschen!“
Zitternd vor Angst standen dann die Kinder vor dem tobenden Koloss, mit vor Entsetzen weit auf gerissenen Augen, unfähig auch nur ein Wort heraus zu bringen, geschweige auf das Brüllen zu antworten.

Kurtchen hatte seinen „Besuch“ bei dem Rektor schon solange wie möglich hinaus geschoben, aber heute musste er hin, er brauchte dringen neue Hefte und einen Bleistift. Er fasste in der Pause all seinen Mut zusammen, ging zu seiner Lehrerin und meldete sich ab. Er fühlte im weg gehen die Hand der Lehrerin auf seinen Kopf, mit weichen Knien ging der Junge die große Treppe hoch, bog nach rechts und stand mit klopfenden Herzen vor der Bürotür. Er lauschte an der Tür, alles still dahinter, jetzt müsste er ja mein klopfen hören und der Junge klopfte mit den Knöchel gegen das dicke Holz.
„ Herein!“ Brüllte es sofort, dass Kurtchen vor Schreck einen Schritt zurück hopste, aber dann beeilte er sich, die schwere Tür zu öffnen.

Der Junge sah den riesigen Rektor hinter seinen Schreibtisch, schluckte vor Aufregung und sagte dann sehr schnell guten Morgen, ich brauche bitte ein Schreibheft und ein Rechenheft und einen Bleistift.
Stumm zeigte der Mann auf ein Fach in dem Regal und Kurtchen holte sich die Hefte und den Bleistift aus den Kartons, drehte sich um und zeigte dem Rektor die zwei Hefte und den Bleistift.
Wortlos zeigte der Mann mit einer Handbewegung an, dass er verschwinden soll.
Nassgeschwitzt zog Kurtchen die schwere Tür zu und lehnte sich einen winzigen Moment gegen die Tür, wütend auf sich, dass er immer noch diese Wahnsinn Angst vor dem Rektor hatte. Der Riesenkerl ist aber auch zum fürchten.

Die anderen Kinder kamen zurück, die Pause war zu Ende und Kurtchen reihte sich in seine Klasse ein.
Leise lästerten einige Jungen, na, lebste noch oder tusse bloß so?
Halbtot. grinste Kurtchen schief, bloß halbtot, ich freue mich schon, wenn ihr dran seit und sofort wurde es still.

Und dann erlebte Kurtchen etwas sehr schreckliches. Er musste während des Unterrichtes zur Toilette und rutschte natürlich wie alle, dass Treppengeländer herunter. Er erreichte die erst Etage und bremste heftig, das Geräusch kannte er nur zu gut.Die Bürotür von dem Rektor wurde geöffnet! Der Junge versteckte sich hinter das Treppengeländer, er wollte lieber warten, bis der Rektor gegangen war. Er riss vor Schrecken und Erstaunen seine Augen weit auf, als er sah, dass zwei Männer den Rektor helfen mussten, die Treppe herunter zu kommen! Jammer voll stöhnend und keuchend ging es von Stufe zu Stufe abwärts. Blitzartig schoss es Kurtchen durch den Kopf, dass der Rektor so dick ist, dass er die Treppe nicht mehr alleine schafft und deswegen kommt er auch immer erst in der großen Pause in die Schule, damit niemand sieht, dass er die Treppe nicht alleine hoch kommt!

Nachdenklich rutschte Kurtchen das Treppengeländer bis in den Keller hinunter und ging in die Toiletten. Natürlich wurde er von seiner Lehrerin gefragt, warum das so lange gedauert hat. Sehr leise sagte Kurtchen zu der Lehrerin, dass der Rektor aus seinem Büro gekommen ist..Die Lehrerin winkte sofort ab, halt bloß Deinen Mund darüber. Kurtchen nickte bloß.

Ein paar Tage vor den großen Ferien schickte ihn seine Lehrerin ins Büro von dem Rektor. Kurtchen stand still vor dem Mann und bekam dann vor Staunen den Mund nicht mehr zu. Der Rektor sprach ganz normal zu ihm!
Ich habe gehört, dass Du gerne Bücher liest, Kurtchen nickte stumm, ich will in den Ferien meine Bücher ordnen und könnte dabei Hilfe gebrauchen, Kurtchen nickte wieder, gut, dann kommst Du am ersten Montag in den Ferien.

Kurtchen stand wie bedeppert im Treppenhaus und kapierte gar nichts mehr.

Pünktlich stand Kurtchen vor der Haustür und schellte, eine kleine zierliche Frau öffnete und brachte ihn zum Rektor. Kurtchen staunte Bauklötze, ein Riesen großes Zimmer voller Bücher bis unter die Decke, er sagte guten Morgen zu dem Rektor, der in einem seltsamen Gestell stand? Und sah dann noch zwei weitere Jungen und ein Mädchen. Der Rektor erklärte den Kindern den Ablauf und schon ging es los. Bücher dorthin, Bücher dahin, Bücher auf den Stapel, Bücher von dem Stapel weg. Die kleine Frau brachte Butterbrote und Milch und die vier Kinder schleppten Bücher.

Nach drei Wochen war alles zur Zufriedenheit des Rektors und der riesige, dicke Mann in dem seltsamen Gestell bedanke sich bei den Kindern und drückte jedem einige Bücher in die Hand.

Aber das allerbeste war für Kurtchen, dass er keine Angst mehr vor dem Rektor hatte.

 

 


Lesen Sie auch bitte Kurtchen, ein Junge will überleben. Teil IV

 

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Tag der Veröffentlichung: 21.09.2010

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