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Kurtchen und der Bunker ( 1 )


An der Mauer links von dem Treppenaufgang, der zu dem halb zerbombten Hauseingang führte, stand ein kleine Gruppe von Jungens.
Der größte von den Vieren sprach ruhig aber eindringlich auf die drei anderen Jungen ein. Zwei nickten, der dritte schüttelte zweifelnd mit seinen Kopf. Kurtchen, so hieß der große Junge, sprach jetzt den kleinen Zweifler direkt an: „ Lass es uns wenigstens versuchen, wir können ja jederzeit umkehren!“
Der Zweifler hieß Clemens hielt Kurtchen entgegen: „Wenn meine Mutter davon erfährt, setzt es Hiebe und das nicht zu knapp!“
„ Braucht ja keiner erfahren!“ Sagten jetzt alle drei wie aus einem Munde.
„ Das sagt ihr so einfach, ihr wisst doch selbst, wie die Erwachsenen sind, irgendwie kriegen die doch alles raus!“ Clemens war schwer zu überzeugen.
Kurtchen, dünn wie eine Bohnenstange, der ständige Hunger hat sein Gesicht geformt, sah eindringlich in das genauso magere Gesicht von Clemens: „Wenn wir mit den Sachen nach hause kommen, bekommt kein Mensch den Asch voll gehauen!“
„Das stimmt, wenn ich etwas brauchbares nach Hause bringe, ist alles gut!“ Stimmte Clemens endlich zu.

Worum ging es Kurtchen eigentlich? Kurtchen war ständig auf der Suche nach etwas brauchbaren, vor allem aber etwas essbares. Dabei stöberte er in allen möglichen und unmöglichen zerbombten Häusern herum, strich wie eine Katze um jeden Bauernhof, versuchte es sogar bei den englischen Soldaten. Nicht immer erfolgreich, aber ab und zu brachte Kurtchen doch schon mal was mit nach Haus. Seine Mutter fragte schon lange nicht mehr, woher es hatte. Sein Vater war noch nicht aus dem Krieg zurück!

Diesmal hatte Kurtchen einen betonierten Gang entdeckt, der halb verschüttet unter den nahen Bahndamm führte. Auf einer Treppe voller Geröll ging es abwärts, das Tageslicht reichte durch die kleine Öffnung nicht sehr weit, schnell wurde es dunkel und Kurtchen hatte noch nicht ein mal das Ende der Treppe erreicht. Aber Kurtchen wusste sich zu helfen.

Er lief zu den Abstellgleisen der Bahn. Dort standen Unmengen von Waggons und Kurtchen holte sich die Petroleumlampe aus den Schlusslichtern eines Güterwaggons. Mit dem funzeligen Licht tappte Kurtchen weiter die Treppe hinunter.
Am Ende der Treppe knickte der Gang rechtwinklig nach links und Kurtchen sah in dem müden Licht einen langen Gang voller Geröll, das Ende war nicht zu sehen. Sehr vorsichtig tappte Kurtchen in dem Halbdunkel weiter und sah, das der Gang eine Abzweigung nach rechts hatte. Einen Moment überlegte Kurtchen, ob er weiter gerade aus gehen oder die Abzweigung erkunden sollte. Er entschied sich für den neuen Gang. Er drehte sich nach rechts und schrie etwas erschreckt auf, vor ihm lagen drei oder vier tote Soldaten!

Der Gang endete vor einer Wand, die aus sehr stabilen Holzbrettern bestand, Kurtchen fand die Tür, die sehr genau eingepasst war. Er drückte dagegen und lautlos öffnete sich die Tür. Die Holzwand trennte das letzte Stück des Ganges ab und dadurch entstand eine Art Unterstand, nein, mehr ein Zimmer. Kurtchen ging bis zur Mitte des Raumes und sah noch einen toten Soldaten, aber er sah auch ein Regal
voller Konservendosen! Konservendosen bedeutete fast immer Essen!

Kurtchen nahm eine Dose aus dem Regal, stellte die Petroleumlampe auf den kleinen Tisch und setzte sich auf den einzigen Stuhl. Er drehte die Blechdose in seinen Händen hin und her, aber er konnte über den Inhalt der Dose nicht erfahren. Kurzentschlossen nahm er sein Messer zur Hilfe, er setzte die Messerspitze auf den Dosendeckel und schlug mit der flachen Hand auf den Messergriff, gelblicher Saft floss aus der Öffnung und vorsichtig probierte Kurtchen. Ein seliges Leuchten erschien auf seinem mageren Gesicht, süß, so lecker süß! Kurtchen vergrößerte die Öffnung und setzte die Dose an den Mund. Als kein Saft mehr aus der Dose kam, hebelte Kurtchen mit seinem Messer den Deckel ganz auf und sah mit leuchtenden Augen – Pfirsiche!

Die Petroleumlampe begann zu flackern, der Junge drehte die Flamme kleiner, steckte zwei Dosen ein und machte sich auf den Rückweg. Seine Mutter öffnete eine Konservendose – Schweinefleisch, seine Mutter, seine Geschwister und er selbst freuten sich auf ein leckeres Abendessen.

Die vier Jungens verabredeten sich für den nächsten Tag und Kurtchen sagte noch: „ Bringt einen Sack oder so etwas mit für die Konservendosen!“ Zustimmendes Nicken.

Zum frühen Nachmittag trafen sich die vier, Kurtchen hatte für jeden eine gut gefüllte Petroleumlampe und alle zeigten ihre leeren Kartoffelsäcke vor.
„ Gut,“ grinste Kurtchen die drei an, „ dann lasst uns gehen!“ Die kleine Gruppe verschwand in dem kleinen Wald und standen dann staunend vor dem durch das Gebüsch verdeckten Eingang. Sie tappten die Treppe hinunter, erreichten den Quergang, Kurtchen hatte vorher die toten Soldaten mit alten Decken zu gedeckt. Er wusste das Gerd etwas schreckhaft war.
Staunend, mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen standen sie dann in dem Raum und dann verschwanden die Konservendosen Ruck zuck in den Kartoffelsäcken und keuchend schleppten die Jungens die schwere Last aus dem Bunker!

Am nächsten Nachmittag trafen sich die vier wie immer, nur diesmal war auf jeden Gesicht ein breites Lachen zu sehen, vergnügt stupsen sich die Jungen an, knuften sich in die mageren Seiten und Clemens brachte es auf den Punkt: „ Nächstes Mal gehe ich mit, ohne jede Frage, un dat kannsse glaum!“Ausgelassenes Lachen ließ für einen winzigen Augenblick die zertrümmerte Welt freundlich aussehen.


Kurtchen und die fetten Schweine ( 2 )

Kurtchen hatte die Schule für heute hinter sich, die Hausaufgaben erledigt und die Schulsachen ausgezogen. Jetzt stand er in den oft geflickten und gestopften Sachen vor seiner Schwester: „ Ich guck so herum, was es draußen so gibt.“
„ Bringst Du wieder etwas zu essen mit?“ Hoffnungsvoll sahen zwei Augen zu ihm hoch.
„Ich werde mich um sehen!“ Sacht strich seine Hand über den kleinen Kopf seiner Schwester.

Kurtchen ging diesmal trotz aller Hinweise, der Gegend zu meiden, aus welchen Gründen auch immer, Richtung Sandgrube, rutschte die Sandböschung hinunter, sah einen Moment den Arbeitern zu, die stöhnend und ächzend die mit Sand hoch beladenen Loren die Laderampe hoch schoben.
Kurtchen musste auflachen, mit den leeren Loren die Rampe hinter sausen macht viel mehr Spaß!

Der dünne, hochaufgeschossen Junge ging schräg durch die Sandgrube, kletterte die Böschung hoch und verschwand nach wenigen Schritten in dem dichten Wald.Nach wenigen Schritten stieß sein Fuß gegen etwas metallisches, dass scheppernd davon rollte. Kurtchen, neugierig wie nun mal war, lief hinterher und fand einen Stahlhelm, er sah sich den Stahlhelm gründlich und dann strahlte sein Gesicht, kein Einschuss oder etwas anderes, der Helm ganz, komplett ganz! Dieser Helm bedeutete mindestens zwei gute Mahlzeiten, die Frauen waren verrückt nach den Helmen, sie wurden als Kochtopf Ersatz benutzt.

Kurtchen ging vorsichtig tiefer in den dämmrigen Wald und sah hier und da deutliche Spuren, die nur der Krieg hinterlässt. Eine grüne Tasche, die über einen trockenen Zweig hing, erregte seine Aufmerksamkeit, die Tasche war zwar leer, aber prima in Schuss! Kurtchen verstaute den Stahlhelm darin und hob dann lauschend seine Kopf. Das Grunzen und Quieken kannte er nur zu gut – Schweine, ganz sicher!
Kurtchen wurde nach vorsichtiger, er schlich wie auf Katzenpfoten und blieb wie angewurzelt stehen, Hundegebell! Hundegebell von großen und bösen Hunden! Er kannte sich mit Hunde und deren Gebell aus und das hier hörte sich gar nicht gut an! Der Junge sah sich nach einen geeigneten Baum um und sah dann von oben etwas unglaubliches!
Ein flaches Gebäude, fast schon von Pflanzen und Gestrüpp zu gewachsen, davor in dem Gehege
suhlten sich bestimmt an die zwanzig Schweine! Dicke, fette Schweine, auch ein paar Ferkels, rosarot noch, rannten herum! Kurtchen hatte mal davon gehört, dass schwarz schlachten streng verboten sein soll und jetzt das hier!

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, wie komme ich an die Schweine heran? Er hob plötzlich schnuppernd wie ein Hund seinen Kopf: das riecht, das riecht wie Würste riechen! Jetzt war der Junge nicht mehr zu halten, in einem leichten Bogen schlich er durch das dichte Unterholz um den Zaum herum. Durch das dichte Gestrüpp sah er, dass das Gebäude bis an den Zaun heran reichte.Schnell hatte er ein Fenster entdeckt und versuchte es auf zu drücken, fest verschlossen.
Kurtchen fand das nächste Fenster und das war nur angelehnt! Er hängte die Tasche in ein Gebüsch und kletterte den Maschendrahtzaun hoch und verschwand durch das Fenster. Als sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, wurde ihm fast schlecht von dem, was er sah. Unmengen von Würsten und Würstchen, Speckseiten und Schinkenkeulen. Gläser in den Regalen mit Fleisch darin.

Der Junge musste sich erst mal hinsetzen, sein Magen rebellierte und er verschluckte sich an der eigenen Spucke, so lief im das Wasser im Mund zusammen. Leise steckte er zwei kleinere Würste, eine größere und ein kleineres Stück Speck in sein Hemd, sah sich prüfend um, nichts verräterisches zu sehen. Sehr vorsichtig wand sich der Junge durch das Fenster, nahm die Tasche und steckte die Würste und den Speck hinein und machte sich davon.

Auf seinen schnellen Rückweg sah er dann, warum vor diesem Stück Wald immer wieder gewarnt wurde, er sah die sehr deutlichen Überreste eines schlimmen Gefechts. Verrostete Waffen lagen auf dem Waldboden, überall Bombentrichter und tote Soldaten oder besser, was von ihnen übrig geblieben war.

Kurtchen freute sich unbändig über seinen erfolgreichen Streifzug und noch mehr freute er sich darüber, dass er seine Schwester nicht, wie leider so oft schon, enttäuschen musste. Heute gab es mal ordentlich was zu futtern.


Kurtchen und der englische Soldat ( 3 )

Oft streifte Kurtchen bei den englischen Kasernen herum. Manchmal hatte er schon Glück gehabt und er durfte für die Soldaten kleinere Aufgaben erledigen wie Stiefel putzen oder die Wäsche zur

Wäscherei bringen. Einige wenige hatten eigene Autos und diese ließen sie schon mal von den Jungen waschen. Mal fiel eine Packung Zigaretten ab ( prima zum tauschen!) oder ein Päckchen Cakes, auch schon mal ein Kochgeschirr voll mit Essen aus der Küche, aber das war selbst für Kurtchen oft nur furchtbar und Kurtchen war ein absoluter Allesesser!

So auch heute, Kurtchen streifte wie eine streunende Katze um den heißen Brei in den Kasernen herum. Aus der Küche wurde er angerufen, Kurtchen verstand zwar kein Wort, aber er wusste sofort Bescheid! Diesmal mussten Küchenabfälle zu den Abfalltonnen gebrachte werden. Kurtchen schleppte die schweren Eimer mit der schwappenden Pampe vorsichtig, damit bloß nicht auf den Boden kleckert, dass mochten die Soldaten nicht. Der Junge schleppte mehrere Eimer mit den Küchenabfällen zu den Tonnen. Kurtchen nahm die Deckel von den Tonnen und fuhr entsetzt von dem Gestank zurück. Er holte tief Luft und hielt diese an, bis der erste Eimer ausgeleert war. Keuchend stellte er den leeren Eimer etwas entfernt ab und holte tief Luft für den nächsten Eimer. Die leeren Eimer spülte er an der Pumpe aus und trug die leeren Eimer zur Küche zurück. Die Frau sah sich die Eimer an und grinste Kurtchen an: „ Good Boy!“ Kurtchen verstand nur, dass die Frau zufrieden mit seiner Arbeit war und sah sie erwartungsvoll an. Sie drückte ihm etwas in Papier gewickelt unter den Arm und zeigte mit einer Handbewegung: „ Go home, go!“

Kurtchen lief los, um die Ecke von der Baracke und wurde von einer eisenharten Hand fest gehalten, erschreckt sah der Junge in das wirklich böse Gesicht eines sehr großen Soldaten, der fürchterlich herum schrie. Durch das laute Gebrüll kamen andere dazu, irgendwie begriff der Junge
blitzartig, dass der große Soldat annahm, dass er das Brot gestohlen hatte. Etwas entfernt sah er die Frau aus der Küche, die ihm mit dem Finger auf den Mund bedeutete, nichts zu sagen. Kurtchen wusste sofort, dass die Frau genau so viel Angst hatte wie er selbst.
Der große Soldat hatte ihm inzwischen das Brot weg gerissen und wollte ihm gerade einen ordentlichen Tritt verpassen. Aber Kurtchen war schneller, wie ein Wiesel flitzte er durch die Menge und er merkte, dass einige Soldaten unauffällig Platz für ihn machten.
Vor Wut und Enttäuschung kochend kam Kurtchen nach hause, seine Mutter verbot ihm, noch mal zu den Kasernen zu gehen.

Aber Kurtchen konnte die Ungerechtigkeit nicht vergessen und eines Tages kam ihm die Idee!
Mittlerweile kannte sich Kurtchen ja gut auf dem Kasernengelände aus. Er lief über die flachen Dächer der Baracken und fand die Unterkunft des Soldaten, der ihm das Brot weg genommen hatte.
Er lief zu den Abfalltonnen und suchte nach einem kleineren Behälter!
Plötzlich wurde er vorsichtig angerufen, Kurtchen machte sich vor Schreck fast in die Hose, aber es war nur die Frau aus der Küche, die die Abfalleimer heran schleppte. Der Junge duckte sich zwischen den Abfalltonnen, der Gestank brachte ihn fast um. Mit Händen und Füßen versuchte der Junge der Frau verständlich zumachen, was er vor hatte! Die Frau kapierte nach und nach was der Junge vorhatte und sagte dann sehr energisch: „ No, never!“ Kurtchen wollte auf mucken, aber die Frau bedeutete ihm, hier zu warten.

Die Frau kam zurück und aus dem leeren Eimer holte sie ein größeres Paket. Sie gab es Kurtchen und machte ihm klar, dass es auch kleines Danke für sein Schweigen sein sollte. Sie zeigte dem Jungen noch, er solle hinten herum verschwinden und ging zur Küche zurück.
Zu hause fand Kurtchen ein Brot und eine richtig große Wurst in dem Paket und darunter ein kleines Päckchen mit bunten Papier. Kurtchen öffnete es vorsichtig, etwas dunkelbraunes war darin und es roch herrlich.

Nach dem Abendessen legte Kurtchen die braune Tafel auf den Tisch. Alle schauten neugierig, nur seine Mutter sagte mit erstickter Stimme: „Mein Gott, dass ist Schokolade!“


Kurtchen und sein erstes Fahrrad ( 4 )

Kurtchen sah den Radfahrer so voller Sehnsucht nach, dass ihm der Bauch weh tat! Ein Fahrrad hätte er so gerne. Sein sehr vorsichtiges anfragen bei seiner Mutter endete in ein Fiasko. Ihm dröhnten noch die Ohren von dem Geschrei seiner Mutter: „ Wir haben kaum etwas zu essen oder etwas zum anziehen und da kommst du und fragst nach einem Fahrrad!“

Was seine Mutter nicht wusste, dass er schon eine Weile einen Fahrradrahmen versteckt hatte. Leider ohne Lenker, Sattel, keine Kette, kein Vorderrad und kein Hinterrad! Kurtchen stöberte in der Gegend herum, um etwas essbares auf zu treiben, aber einen Blick hatte er immer übrig, um irgendetwas für sein Fahrrad zu finden.

Der Junge strich wie ein Kater auf der Baustelle herum, auf der Arbeiter dabei waren, den ganzen Bereich einzuzäunen. Sie schweißten große Gitterteile an hohe Pfosten, so entstand mit der Zeit ein hoher und stabiler Zaun. Kurtchen wusste, das die Arbeiter den Schweißdraht nahe an die Pfosten in den Boden steckten. So hatten sie den Draht für die Arbeit am nächsten Tag schnell zur Hand. Kurtchen wusste, dass der Knünggelskerl (Lumpensammler) den Schweißdraht gerne annahm.

Vorsichtig ging der Junge von Pfosten zu Pfosten und nahm immer nur einen Draht mit, so viel es den Arbeitern am nächsten Tag nicht auf. Kurtchen hockte sich auf den Baumstumpf und wartete auf den Knünggelskerl Schon hörte er den den Ruf: „ Lumpen, Eisen, Kaninfelleeeeee!“ Der Junge wartete, bis sich alle anderen verlaufen hatten und zeigte dann dem Lumpensammler seinen Draht.
Der schmuddelige Kerl beugte sich zu Kurtchen und flüsterte verschwörerisch: „ Von dem Draht kannst du so viel bringen wie du kannst, ich nehme dir alles ab!“
Bei Kurtchen klackerte es im Gehirn und er sagte genauso leise: „ Ich kann viel mehr von dem Draht bringen und ich möchte dafür etwas für mein Fahrrad haben!“
Der Knügngelskerl lachte dreckig: „ Du bist mir der Richtige, Lausebengel, du!“
Aber dann fragte der schmuddelige Kerl Kurtchen, was er noch für sein Fahrrad brauche und Kurtchen zählte alles auf. Der Knünggelskerl kletterte immer noch lachend auf seinen Wagen, kramte einen Moment darauf herum und hielt Kurtchen ein Vorderrad entgegen.

Selig schwebte Kurtchen nach Haus und legte das Vorderrad zu den Rahmen, es war ein schönes Rad, die Speichen funkelten und der Reifen sah noch fast neu aus und war prall voll Luft.
Nach und nach kam der Sattel, die Kette, der Lenker und das Hinterrad dazu, sogar eine Glocke hatte der Knünggelskerl besorgt. Kurtchen stand vor seinem Fahrrad, dass in Einzelteile vor ihm im Gras lag. Jetzt musste es nur noch zusammen gebaut werden. Vorderrad und Hinterrad und die Kette schaffte der Junge, dabei stellte er fest, dass das Vorderrad kleiner war als das Hinterrad. Aber den Lenker und den Sattel nicht, ihm fehlte nicht nur das Werkzeug, er hatte auch keine Ahnung von der Montage. Er brauchte Hilfe, stellte er fest.

Weit und breit war niemand, der ihm helfen könnte oder würde. Kurtchen hatte vor Wut und Enttäuschung oft Tränen in den Augen. So kam er auch verheult zu dem Knünggelskerl und der fragte ihn doch tatsächlich, was mit ihm los sei? Kurtchen erzählte von seinen Problem und oh Wunder, der schmuddelige Mann klopfte Kurtchen auf die schmalen Schultern: „ Dann zeig mir mal dein Fahrrad!“
Jetzt ging es ganz schnell, der Mann baute das Fahrrad ruck zuck zusammen und mit wilden Schreien drehte Kurtchen seine ersten Runden.

Ein paar Tage später nahm Kurtchen den Knünggelskerl mit und zeigte ihm etwas: „ Können Sie das gebrauchen?“
Dem Lumpenkerl gingen die Augen über, als er sah, was der Junge da gefunden hatte! Arm dicke, ungefähr einen Meter lange Kupferkabel! Der Mann hob das Gebüsch weiter an und ein Leuchten ging über das schmutzige Gesicht. Er drehte sich zu Kurtchen: „ Junge, dafür bekommst du nochmal ein Fahrrad!“
Der Junge winkte ab, jetzt habe ich ja eins, aber ich könnte..., Kurtchen flüsterte nahe dem Ohr des Mannes, der lachte, sollst du haben, sollst du haben!


Kurtchen und der Knüngelskerl ( 5 )

Bestaunt von den vielen Kindern in den Notunterkünften und mit neidischen und auch giftigen Blicken verfolgt, sauste Kurtchen mit seinen Fahrrad durch die engen Gassen zwischen den armseligen Hütten,
Wem störte schon das kleinere Vorderrad und das der Freilauf nicht mehr richtig funktionierte, Kurtchen schrie sein Glück hemmungslos in die graue Welt!

Der Knüngelskerl ( Lumpensammler) rief lautstark seine Ankunft in die Siedlung: „ Lumpen, Eisen, Kaninfelleeeeeee !“
Kurtchen wartete abseits wieder, bis die Menschen , die etwas für den Lumpensammler hatten, weg gingen und ging dann zu den Wagen mit dem klapper dürren Gaul davor. Aber der Junge sah schon beim näher kommen an den Gesicht des Mannes, dass er auch diesmal wieder nichts für ihn hatte.
Kurtchen fragte den schmuddeligen Mann, wann er denn endlich das vereinbarte bekommt? Der Mann beruhigte den Jungen: „ Du bekommst es, wie besprochen, aber ich muss es ja erst mal selber auftreiben! Du brauchst keine Sorge haben, abgemacht ist abgemacht.“

Der Knüngelskerl lenkte seinen Pferdewagen vorsichtig in die Nähe des Verstecks der Kabelstücke und Kurtchen sah, dass der Mann äußerst vorsichtig vorging. Mit einen derben Sack verschwand er in dem Gebüsch, Kurtchen hörte den Mann in den Gebüsch hantieren und schon kam dieser wieder äußerst vorsichtig zurück, verstaute den Sack mit den Kabelstücken unter anderen Gerümpel auf den Wagen, winkte Kurtchen kurz zu: „ Mach Dir keine Sorgen!“

Als der Wagen verschwunden war, ging Kurtchen in das Gebüsch und nickte zufrieden, der Mann war wirklich vorsichtig, es waren keine Spuren zu sehen. Der Junge schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr zu den Kasernen der englischen Soldaten. Die beiden Wachsoldaten grinsten Kurtchen freundlich an und zeigten Richtung Küchenbaracke. Erleichtert fuhr Kurtchen weiter, dass könnte mit etwas Glück etwas essbares bringen.

Sorgfältig klemmte Kurtchen das in öligen Papier eingewickelte Päckchen auf den Gepäckträger und strampelte irgendwie erleichtert nach hause. Heute Abend gab es wieder mal etwas satt zu essen.
Ein paar Tage später winkte der Knüngelskerl Kurtchen schon von weiten, heiß vor Erwartung stieg es in Kurtchen hoch. Er fuhr den Wagen entgegen und laut lachend holte der schmuddelige Mann etwas in einer Decke gewickelt vom Wagen.

Kurtchen bekam große Augen, genauso hatte er sich den Puppenwagen für seine Schwester vorgestellt, aus Korb geflochten, das Verdeck war verstellbar und über den Rädern waren glänzende
Abdeckungen! Sogar eine Decke lag noch in den Puppenwagen. Der Mann hielt Kurtchen seine große, harte und schmutzige Hand hin: „ In Ordnung?“ und lachte breit über das ganze Gesicht.
Kurtchen konnte nur stumm nicken und legte seine Hand in die Hand des Knüngelkerls.
Der Mann band den Puppenwagen an dem Gepäckträger des Fahrrads fest: „ So bringst du den Wagen heil nach hause!“ Wieder ein fröhliches Lachen von dem Mann und dann fuhr er weg.

Für einen Moment stand Kurtchen noch wie betäubt, aber dann kam ein Lachen in ihm hoch, das er nicht halten konnte. Laut lachend kam er nach hause und rief seine Schwester, ängstlich sah das kleine dünne Mädchen durch den Türspalt. Ausgelassen hopste Kurtchen um den Puppenwagen und rief immer wieder seine Schwester: „ Komm, es ist Dein Puppenwagen, komm!“

Lesen Sie bitte auch: Kurtchen, ein Junge will überleben II

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Tag der Veröffentlichung: 20.09.2010

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