Prolog
"Ich will aber Geschichte studieren, Mama. Mich hat schon immer besonders die Wikingerzeit fasziniert. ... Ich weiß ... Ich weiß ... ICH WEIß. Ja, aber ich find auch so einen Job und kann mich selber finanzieren, auch ohne Mann. ... Nein, ich hab noch keinen Freund. ... Ich weiß, dass ich 25 bin, na und. ... Mama, ist schon gut." Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und hörte meiner Mutter weiterhin am Telefon zu. "... Du ich muss Schluss machen. ... Ja, aber ... MAMA, ich hab noch zu tun. Ich habe einen Job. ... Ja, ich habe dich auch lieb und werde bald wieder nach Hause fahren. ... Mama, bis bald. ... In Ordnung, bis Freitag."
Endlich. Die letzte Stunde hab ich versucht meine Mutter zu beruhigen, dass ich Geschichte wirklich studieren möchte und damit auch meinen zukünftigen Lebensunterhalt finanzieren konnte. Obwohl das Gespräch sehr einseitig verlief, weil sie mich kaum zu Wort gelassen hatte, schaffte ich doch ihr meine Sichtweise zu erklären und meinen Standpunkt zu verteidigen.
Schnell machte ich mich fertig und rauschte los. Mein Studium war an sich schon aufwendig genug und lies mir kaum eine Verschnaufpause, aber ich hatte mir eingeredet, dass ich mein Studium samt Wohnung und Essen selber finanzieren würde. Deswegen musste ich nun wirklich los.
Mit flotten Schritten ging ich bis zur nächsten U-Bahnstation und fuhr in die Arbeit. Ich war nur eine "Sekretärin", eigentlich musste ich nur alte Berichte sortieren und das Archiv im Keller verwalten. Selten hatte ich Kontakt mit meinen Arbeitskollegen. Doch nach fast zwei Monaten hatte ich eine Routine entwickelt und konnte während der Arbeitszeit unbemerkt für meine Studium lernen und sparte mir so einiges an Zeit.
Von meiner kleinen Mietwohnung bis zu meinen Arbeitsplatz brauchte ich nie länger als 30 Minuten, aber das Gespräch mit meiner Mutter hatte länger gedauert als erwartet und sie ließ sich nicht später vertrösten. Weswegen ich zu spät in der Arbeit erschien und fast fluchtartig ins Archiv stürmte. Im Büro, oberhalb des Archivs, entschuldigte ich mich für die Verspätung und versicherte, dass so etwas nicht noch einmal passieren würde und eilte weiter die Stiegen hinunter.
Bis zum Büro gab es einen Lift, doch um ins Archiv zu gelangen, musste man durch das Büro und einige Stufen hinunter. Die meisten Berichte dort waren nicht älter als 100 Jahre, doch es gab noch einige zusätzliche Aufzeichnungen aus früheren Zeiten. Wegen diesen hatte ich mich damals um diese Stelle beworben und tat alles um sie auch zu behalten. Naja, fast alles. Ich würde mich nie für einen Job verbiegen.
Schnell fing ich mit den neuen Berichten am Tisch an. Ich sortierte sie in die vorbestimmten Registerladen und trug sie anschließend im Computersystem ein, damit sie für jeden wiederauffindbar waren. Danach suchte ich einige Seiten raus, die heute noch benötigt wurden und trug diese ins Büro hinauf. Nach einen kurzen Gespräch, ob noch weitere Berichte benötigt wurden, ging ich wieder hinunter. Da nun alles erledigt war, hatte ich etwas Zeit für mich. Niemand wollte mich oben im Büro sehen, weswegen ich nie meine Hilfe anbot und nur hier unten blieb.
Zwar war der Raum dunkel und trübselig, aber dafür hatte ich keine nervtötenden Zicken um mich oder wurde ständig beobachtet.
Heute wollte ich aber nicht, wie sonst immer, lernen sondern ging zu meinen Lieblingskasten. Er war kleiner als die anderen, dafür aber voll mit interessanten Informationen über die Wikingerzeit in England. Berühmte Schlachten, bedeutende Männer und vielen Mythen und Legenden über diese Ära. Mit einem einzigen Handgriff fand ich meinen Lieblingsartikel. Es berichtete über den ersten Wikingerüberfall in der Geschichte:
Am 8. Juni 793 fand jenes Ereignis statt, das viele als den Beginn der Wikingerzeit sehen: Der Überfall auf das Kloster Lindisfarne im Norden Englands. Dieser war damals ein schwerer Schlag für das christliche Europa, denn man hatte überhaupt nicht mit einem Angriff - noch dazu von Heiden verübt - gerechnet. Die Kirche des heiligen Cuthbert wurde geplündert und zum Teil zerstört, Mönche erschlagen und alles Wertvolle mitgenommen. Der gesamte Überfall lief blitzschnell ab, so plötzlich wie die Drachenschiffe aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder. Die entsetzten Menschen befürchteten eine Strafe Gottes durch die Heiden; in der rund 100 Jahre später verfassten Angelsächsischen Chronik ist sogar von bösen Vorzeichen, wie zum Beispiel dem Auftauchen von Drachen und einer Hungersnot im Vorfeld des Angriffs, die Rede.
Jedes Mal überlegte ich mir, wie die Männer und Frauen aus dieser Zeit wohl waren. Ob ich mich besser als mit den Personen hier verstehen würde. Wie es wohl wäre, in diese Zeit zu leben, wo noch nicht ein Wort Gewicht hatte und man nicht über Ironie oder ähnliches nachdenken musste.
Kopf über in ein Abenteuer
Plötzlich fing sich der Raum an zu drehen und ich setzte mich wie selbstverständlich hin. Mein Kreislauf schien anscheinend wieder verrückt zu spielen und ich würde mich in den nächsten Minuten mit hängendem Kopf ausruhen und danach etwas Wasser zu mir nehmen.
Jedoch hatte diesmal der Plan einen kleinen Hacken. Der Lärm um mich herum entsprang bestimmt nicht meiner Fantasie, trampelnde Pferdehufe, Waffen schlugen klirrend aufeinander, einige Rufe, die ich nicht verstand und jede Menge anderes Gebrüll. Auch war die Luft nicht mehr so stickig sondern erfrischend rein.
Langsam hob ich meinen Kopf und schaute mir zögernd die Gegend an. Vor mir war ein Wald und ansonsten nur freies Gelände, welches leicht hügelig war. In der Ferne hörte ich die Brandung des Meeres, welche die Küste wahrscheinlich überflutete, so heftig schien sie zu sein.
Schnell zwickte ich mir in den Oberarm, doch außer einem baldigen blauen Fleck, schien sich nichts zu ändern. War dies nun alles Teil meines Traums oder war ich, so unwahrscheinlich es auch sein würde, im 9. Jahrhundert und saß nun mitten in einer Schlacht zwischen Wikingern und Angelsachsen.
Traum hin oder her, ich lief erstmals in den Wald und schaute mir von dort das Geschehen an. Wütende Männer schlugen mit riesigen Breitschwertern auf schmälere englische Schwerter ein. Riesige Schlachtröser schnauften und stampften kampflustig unter ihren schweren Reitern. An einigen Rücken sah ich riesige Streitäxte und an vielen Sätteln waren Bogen und ein Köcher mit Pfeilen gebunden. Jeder Mann mit einer Streitaxt hatte ein rundes Holzschild zum Schutz in einer Hand und in der anderen die Axt oder sein Breitschwert. Die zierlicheren Angelsachsen konnten sich der Übermacht kaum erwehren und zogen sich schon bald zurück. Einigen gelang die Flucht, der Rest wurde zum Opfer des einfallenden Heeres.
Die Szene war wie in einen echt guten Film, realistisch und schaurig faszinierend. Doch noch war mir schleierhaft, wie ich hierher kam. Bisher hatte ich noch nie einen so reellen Traum, obwohl meine Träume bisher auch nicht unrealistisch schienen. Jedoch war dies hier so gut wie echt. Langsam zog ich mich weiter in den Wald zurück und überlegte fieberhaft, wo ich nun war. Was Realität war und was nicht.
Plötzlich wurde ich von hinten aufgehoben und schwungvoll umgedreht. Atemringend lag ich über unglaublich muskulösen Oberschenkeln und versuchte nicht den Halt zu verlieren, weil das Pferd unter meinen unbekannten Entführer aus dem Stand angaloppierte. Schnell ergriff ich einen Stiefelschaft und klammerte mich ängstlich an das blutverschmierte Fell. Inzwischen rauschte das Blut in meinen Kopf und die Umgebung schemenhaft an mir vorbei.
Nach einigen Minuten wurde ich genauso schwunghaft abgesetzt, wie ich auf das Pferd befördert wurde. Doch mit der Wucht des Aufpralls verlor ich mein Gleichgewicht und viel nach hinten. Schnell blickte ich aufwärts und sah in das grimmige Gesicht eines Wikingers, dessen Helm den bekannten Nasenschutz aufwies und der in einer Hand immer noch sein Breitschwert und über den anderen Unterarm sein Rundschild hielt. Wie er so noch mit seinen Schenkeln das pechschwarze riesige Schlachtross auf mich zu lenkte wurde mir fast schlecht.
Irgendwie schien das alles kein Traum zu sein und ich war wirklich im 9. Jahrhundert angelangt und zwar ziemlich sicher am Anfang dieses bedeutenden Zeitalters. Weil anscheinend die Wikinger noch relativ unbekannt, angsteinflößend und siegreich waren.
Großartig, ich liebte zwar die Romane mit heißen Vampiren und mutigen Wikingern, doch ich wollte nicht wirklich ein Teil dieser Geschichte werden. Doch leider schien das Leben wiedermal seinen eigenen Weg zu gehen und das war nun wirklich keiner meiner Träume sondern pure Realität. Denn ich hatte nun wirklich Angst und normalerweise hatte ich im Schlaf überhaupt keine Angst, höchstens einen mehr oder weniger großen Nervenkitzel.
Hinter meinen Entführer wurde ein Zeltlager aufgeschlagen und die Drakars, die bekannten Drachenschiffe der Wikinger, waren am Strand angebunden und schaukelten auf den heftigen Wellen.
"Wer bist du und was willst du? Sind die Männer hier schon so ängstlich, dass sie ihre Frauen schutzlos zurücklassen. Dich mitzunehmen war zu leicht oder haben sie endlich auch Frauen in ihr Heer aufgenommen?", fragte mein Gegenüber mit rauer Stimme.
Was sollte man dazu sagen, ich zuckte lediglich mit meine Schultern und wollte aufstehen als ich die Spitze des Schwertes, welches er in einen Zug über den Hals seines Rosses schwang, auf meinen Hals direkt unter meinen Kinn. Verkrampft schluckte ich, lehnte mich langsam zurück und setzte mich bequem wieder hin. Langsam senkte ich meinen Kopf und lies meine langen Haare in mein Gesicht fallen. Was nun? Würde ich endlich aufwachen oder wirklich am Anfang des Wikingerzeitalters sterben?
Mit einer Wucht landete der Mann am Boden, hielt dabei jedoch immer noch das Schwert auf mich gerichtet. Vorsichtig ging er vor mir in die Knie und griff plötzlich nach mir. Mit Schwung stand er auf und ich hing vor ihm in der Luft. Gute zwanzig Zentimeter über den Boden. Ich wusste ich war keine kleine Frau, doch dieser Riese war sicher zwei Meter groß oder noch mehr und wog ziemlich sicher fast das Doppelte von mir. Panik ergriff mich und ich musste mich davon abhalten, dass dieses Gefühl mein Denken vernebelte. Ich brauchte mein Gehirn, denn nur so kam ich vielleicht heil davon.
Die Schwertspitze drückte sich langsam in meine Haut und zwang mich zum Nachgeben. "Ich heiße Mia, ich weiß nicht wie ich hierhergekommen bin oder wie ich wieder zurück komme." Ein zweifelndes Schnaufen ertönte, doch kurz darauf flog ich erneut durch die Luft und landete Hart auf einer muskulösen Schulter und einen echt unangenehmen Kettenhemd. Doch wenigstens bekam ich nun weiterhin Luft. Ein Fortschritt.
Mit langen Schritten eilte der Mann mit mir zum Lager als würde ich nichts wiegen. Unterwegs überreichte er sein Pferd einem Jungen, der wahrscheinlich fast so groß wie ich war, was im Anblick der anderen Krieger noch klein erschien. Ein Zelt wurde mit einem Ruck aufgerissen und ich hörte das Rascheln des Stoffes bevor dieser mir ins Gesicht schlug und den Eingang wieder verschloss. Und erneut landete ich schwungvoll auf meinem Hinterteil und schaute nun fast liegend zu den Unbekannten auf.
Unterwegs hatten mich seine rauen Hände bereits auf Waffen abgetastete und mich zum Verzweifeln gebracht. Nun schien er zufrieden zu sein und legte sein Schild ab. Das Breitschwert steckte er sich nur in einen Gurt an seiner Hüfte. Der Helm landete klirrend neben mir und grüne Augen funkelten mich erneut wütend an.
"Was willst du wirklich? Ich hab noch nie eine Frau in Männersachen gesehen, die kein Krieger oder Spion war. Und überhaupt was ist das für ein Zeug?" Bei den letzten Worten wollte er an mein ärmelloses Jackett greifen und ich sprang panisch auf. Vorsichtig ging ich rückwärts bis eine riesige Truhe mich erneut in die Knie zwang und schaute nun wieder sitzend zu dem Mann auf. Langsam strich ich mir das Haar aus dem Gesicht und überlegte fieberhaft, was ich ihm sagen sollte. Wie sollte ich ihn meine Zeitreise begreiflich machen und nicht dabei von diesem Schwert oder der Streitaxt auf seinem Rücken erschlagen werden. Das Ganze war schwieriger als ein bloßfüßiger Jive auf einem scharfen Drahtseil über einen Becken voller hungriger Haie, die durch das Blut aus der eigenen Fußsohle aggressiver wurden.
In meinen Horrorszenario gab es wenigstens die Chance heil über das Seil zu gelangen. Doch hier schien alles auf den eigenen Tod zuzusteuern und ich wollte nicht sterben. Nicht jetzt und auch in naher Zukunft nicht. "Also, ..." setzte ich an, als plötzlich das Zelt erneut aufging und eine große, blonde Amazone hereinkam. "Ah, da bist du Bruder. Sie suchen dich schon und nur dein Pferd wurde gesehen. ... Wer ist das?" Mit einen Zucken seiner breiten Schultern antwortete er ihr und lies mich keine Sekunde aus den Augen.
Doch irgendwie war mir das Gesicht der Blondine bekannt. In einen Artikel vor 50 Jahren wurde eine ähnlich aussehende Frau als spurlos vermisst erwähnt. Ich zwang mein Gehirn mir das Bild heraufzubeschwören und verglich das Foto mit der Frau vor mir.
Diese spürte die Musterung und ging um ihren Bruder herum. "Was schaust du mich so komisch an? Wir kennen uns nicht." "Nein, ich hatte nur kurz gedacht, dein Bild schon einmal gesehen zu haben. Doch dies kann mit Sicherheit nicht sein. Das wäre mehr als nur ein Zufall." Gleichzeitig stießen die Geschwister ein Brummen aus und die Frau verließ das Zelt während ich erneut meine Kopf hängen lies und nachdachte. Kurz darauf kehrte sie jedoch mit einer älteren Frau zurück, die anscheinend ihre Mutter war und mich nun wirklich an das Foto der Vermissten erinnerte. "Du kommst aus der Zukunft, oder? Du kennst mich."
Mir stockte bei ihren Worten der Atem und ich blickte sie nur verwundert an. "Ich heiße Niamh O'Fallon und bin bereits seit 30 Jahren hier. Du stammst doch auch aus der Zukunft oder?" Langsam nickte ich und lies dabei den Mann neben ihr nicht aus den Augen. "Ja, ich hab ihre Vermisstenanzeige im Archiv einmal gesehen. Ich arbeite nämlich in einen Bibliotheksarchiv. Wie sind sie hierhergekommen und wie kann man wieder zurück?" Bei meinen letzten Worten blitzten grüne Augen wütend auf und mir lief es kalt den Rücken hinunter. "Du kannst nicht mehr zurück mein Kind. Zumindest nicht ohne das diese Reise ein Leben kosten würde. Ich wurde damals gerufen, weil Achaius, mein Mann, mich irgendwie zu der Zukunft hierher gerufen hat. Mein Sohn hier heißt Leif und meine Tochter Blair. Wie heißt du?" "Mia", brummte Leif ihr zu. Aufseufzend stimmte ich ihm zu und wollte wissen, warum meine Heimreise ein Leben kosten würde. "Weil du von einem verzweifelten Mann hierher gerufen wurdest. Anscheinend einen Wikinger aus unserem Lager. Ansonsten wärst du nicht hier. Doch du musst selber herausfinden, wer dich so dringend braucht. Falls du nach Hause willst, findest du mit Sicherheit den Weg, doch sobald du die Heimreise antrittst wird der Mann sterben, weil du seine Seele mit in die Zukunft nimmst und ohne dieser kann er hier nicht überleben."
Großartig, das hörte sich verdammt nochmal wie ein Science-Fiction Film aus dem Fernsehen an und nicht wie eine traurige Tatsache aus dem wahren Leben. Erneut stand ich zögernd auf, doch diesmal wurde ich nicht durch ein Schwert gehindert. Mit neuem Mut ging ich langsam zum Zelteingang und blickte hinaus. Zahlreiche Krieger sammelten sich langsam im Umkreis und viele waren noch blutverschmiert oder stanken einfach nur bestialisch.
Erneut entfuhr mir ein Seufzer und ich blickte die drei Personen im Zelt an. Blair war eine nordische Schönheit, die etwas größer als ich war. Ihre Mutter war keine zwei Zentimeter kleiner als sie und war ihr ältere Version und ebenfalls eine Schönheit. Doch Leif war nichts anderes als faszinierend. Ohne Helm fesselten seine Augen nicht mehr so stark, doch das Grün schimmerte immer noch faszinierend. Ihm entging keine Bewegung und kein Laut. Breite Schultern, schmale Hüften und alles muskulöser als so mancher Fitnessheini. Doch immer noch wohlproportioniert. Trotz seiner finsteren Blicke fand ich ihn nur attraktiv.
Kopfschüttelnd ging ich wieder in ihre Richtung und dachte mir nur, was das Schicksal wohl von mir wollte. Warum war ich hier und wen sollte ich helfen, oder schloss dieser ganze Blödsinn sogar eine Heirat ein. Hoffentlich nicht. "Sagen wir mal, ich finde diesen Mann." Ein knurren ertönte. "Und ich helfe ihn, bei was weiß ich. Alles ist dann wieder in Ordnung. Kann ich dann nach Hause ohne seine Seele mitzunehmen?" "Nein, denn nur eine ewige Bindung zwischen dir und diesem Mann kann die einzige Lösung für sein Problem sein." "Großartig und wie soll ich ihn finden, damit ich wenigstens den Grund meiner Ankunft gelöst habe. Ansonsten bin ich doch eh für nichts gut." Erneut fuhr meine Hand durch mein Haar und ein Knurren unterstrich meine Frustration.
Schnell rauschte Blair aus dem Zelt und zog ihre Mutter mit sich. Zurück blieb ich mit einen erzürnten Wikinger. "Was nun?" Seine Schultern zuckten erneut und ich gab auf. Kurz blickte ich mich im Zelt um. Eine Schlafstätte aus Fellen, eine Kiste davor und eine Schale mit Wasser. Daneben lag noch immer sein Helm. Mehr schien es jedoch hier nicht zu geben und ich bezweifelt, dass draußen mehr zu finden war.
Aus der Ferne hörte ich erneut Waffen aufeinander klirren. "Training." Nickend überlegte ich, was ich nun machen sollte. Leif schien mich anscheinend zu verabscheuen, weswegen er nicht mich gerufen hat. Doch ohne seine Zustimmung konnte ich das Zelt nicht verlassen, geschweige denn das Lager begutachten. "Wie viele Leute sind hier?", fragte ich ihn. "Was interessiert es dich?" "Hör mal, ich will ja nicht nerven, aber wenn ich hier bin um das Leben irgendeines Typen zu retten, sollte ich mich dann nicht auf die Suche nach ihm machen? Und knurr mich ja nicht an. Das ist sowieso nichts als nervenaufreibend." Bei meinen letzten Worten schossen zwei Augenbrauen in die Höhe und erhielt erstmals seine gesamte Aufmerksamkeit.
„Weib, pass besser auf.“ Bei diesen Worten sank seine Stimme noch tiefer. Doch ich hatte dennoch keine Angst vor ihm. Schließlich hatte er genug Möglichkeiten gehabt mich umzubringen, jedoch die Tatsache, dass ich immer noch lebte, sprach Bände. Er würde mir jetzt nichts mehr machen, also beruhigte ich mich endlich und schaute ihn einfach nur an.
Inzwischen dämmerte es draußen bereits und ich beschloss morgen das Lager auszukundschaften. Innerlich lächelnd ließ ich mich auf dem Felllager nieder. Schnappte mir eine der Felle und deckte mich damit zu. Endlich wurde mir wieder warm. Meine Ängste waren verschwunden und das Lager war kuschlig. Erst als sich ein schwerer Körper neben mir niederlies, schreckte ich zum letzten Mal für diesen Tag auf. „Schlaf, ich tue dir nichts.“
Am nächsten Morgen weckte mich der Klang von Waffen und der Platz neben mir war eingedrückt und leer. Helm und Waffen waren verschwunden. War wieder ein Training angesetzt oder war der Kampf in Richtung Lager gewandert. Noch während ich überlegte, trat Blair ins Zelt und nahm mich mit. „Schnell auf das Pferd. Der Kampf ist bald hier.“ Ohne zu zögern sprang sie auf ihr Schlachtross und bot mir eine Hand an, damit ich schnell auf das Pferd kam. Kaum saß ich hinter ihr, preschte sie los und ich konnte mich nur mühsam hinter ihr festhalten.
Sie ritt zum Wald und ihr Pferd wand sich in einem Höllentempo zwischen den Bäumen hindurch. „Wo wollen wir hin?“ „Weg von hier. Die anderen Frauen, die nicht kämpfen, sind bereits aufgebrochen. Ich bin ihr Geleitschutz.“ Stolz schwang in ihrer Stimme mit und ich fand keine Spur von Panik oder Angst. Sie war eine echte Amazone, eine Wikingerkriegerin, ein Schildmädchen aus den alten Legenden. „Kann ich dies was fragen, Mia?“ „Sicher, was ist?“ „Um wen hast du jetzt Angst während die nächste Schlacht andauert?“ Spontan sagte ich nur, dass ich um ihren Bruder Angst hatte.
Erschrocken fuhr ich auf. Wie kam es das ich mich bereits jetzt um diesen griesgrämigen Kerl sorgte. War ich vielleicht doch seinetwegen hier? War das überhaupt möglich? Der Lärm wurde immer leiser und ich hörte die Stimmen der anderen Frauen vor uns. Kurz darauf sah ich bereits die Kochfeuer und Wäscherinnen am nahen Fluss.
Alle begrüßten Blair freundlich, aber respektvoll, fast ehrfurchtsgebietend. „Bist du mehr als eine Kriegerin?“ „Ja, ich bin die Tochter des Lairds, des Anführers. Obwohl Leif bereits der neue Laird ist.“ Erschrocken fuhr ich hinter ihr hoch und brachte so das Ross zum Steigen. Schnell brachte Blair ihr Pferd wieder unter Kontrolle und befahl mir abzusteigen. „Bau mal sein Zelt hier auf.“, befahl sie mir und war mir ein Bündel Stäbe und eine Zeltplane zu. „Er wird bald zurückkehren.“
Trotz aller Ereignisse klammerte ich mich an ihre Worte und versuchte das Zelt aufzubauen. Was anderes konnte ich ja jetzt nicht machen. Aus Mitleid halfen mir einige andere Frauen und schon bald standen mehrere Zelte. Ein paar Frauen gingen im Wald auf Laub- und Zweigsuche und als ich dies bemerkte, schloss ich mich ihnen wortlos an. Erst in der Abenddämmerung war das neue provisorisch Lager fertig und ich legte mich erschöpft auf mein errichtetes Ruhebett. Ich war so erschöpft, dass ich nicht einmal bemerkte, wie sich jemand neben mich legte. Doch wurde ich irgendwann in der Nacht wirklich ruhig und die Alpträume hörten auf.
Erst wie eine Hand zärtlich über meine Wange strich, wachte ich auf und schaute in ein paar grüne Augen. „Guten Morgen“ hörte ich nur bevor sich fremde Lippen meines Mundes bemächtigten. Aufstöhnend drehte ich mich in die Umarmung und erwiderte mit erwachender Leidenschaft den Kuss. Hier gehörte ich hin, dass wusste ich jetzt. Doch den Morgengruß konnte ich erst nach langer Zeit erwidern.
„Wir müssen weiter.“ meinte Leif nur, bevor er mich beim Aufstehen mit hochzog. Leicht verwirrt schaute ich zu ihm auf, jedoch fasste ich mich schnell. Die Krieger waren heimgekehrt, doch der Krieg war mit Sicherheit noch nicht vorbei. Dennoch wusste ich jetzt, warum ich hier war. Der stolze Wikinger an meiner Seite gehörte mir und er würde mich nie mehr loslassen.
Gemeinsam gingen wir aus dem Zelt und stellten uns seinem Clan. Er war nun mal der Laird, doch ich war nicht mehr die Fremde sondern ein Teil des Clans. Langsam begann ein Lächeln über mein Gesicht zu gleiten bis ich vor Freude strahlte. Ich war nicht mehr eine Einzelgängerin sondern ein Teil eines Ganzen. Das Leben hier würde rau und hart sein, doch Leif würde mir helfen und Blair würde mir schon bald den Gebrauch der Waffen beibringen. Niamh und ich würden uns über unsere Vergangenheit, die eigentliche Zukunft unterhalten, und wir alle zusammen würden Geschichte schreiben.
Schnell küsste ich Leif auf sein Kinn, dreht mich etwas um frei zu kommen und lief davon. Blair wartete bereits mit zwei Pferden auf mich. Nun war letztendlich alles wie es sein sollte.
Tag der Veröffentlichung: 07.01.2012
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