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Lisa: Voll verhext!

Band No. 01

 

»Wie alles begann …«

 

(Pilotgeschichte)

 

 

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte (Teil 1)

Vorgeschichte (Teil 2)

Vorgeschichte (Teil 3)

Vorgeschichte (Teil 4)

Vorgeschichte (Teil 5)

Der letzte (halbwegs) normale Abend

Ein Morgen wie kein anderer

Unglaubliche Erkenntnisse

Lisa's Einführung in die Welt der Hexen & Magier

Eine unerwartete Reise nach Bregenz (Teil 1)

Ein unvergesslicher Abstecher nach Markt Eisenberg

Eine unerwartete Reise nach Bregenz (Teil 2)

Die Geheimnisse von Area 51 & Cheyenne Mountain

Lisa zu Besuch in der 4. Dimension

Lisa's schönstes Geburtstagsgeschenk

Eine verhängnisvolle Reise in die Vergangenheit

Strafe muss sein!

Epilog

Quellenverzeichnis

Vorgeschichte (Teil 1)

Wie Poltergeister umschwirrten Lisa die Schuldgefühle: „Hüte dich vor den Iden des März!“ Diese Warnung war keine leere Floskel – sie kam von denen, die die Gefahren einer Zeitreise am eigenen Leib erfahren hatten.

 

Trotz aller Warnungen war der Ruf des Abenteuers lauter und verführerischer als jede Vorsicht. „Was soll schon schiefgehen?“, dachte Lisa unbeschwert. „Schließlich gehört den Mutigen die Welt!“, sagte sie und sprang ins Ungewisse.

 

Kaum war Lisa, nach ihrem Abenteuer in der Vergangenheit, durch’s Zeitportal zurück in die Gegenwart gesprungen, fand sie sich in einem verwüsteten Puchberg wieder!

 

Kein Lachen von Kindern zu hören, keine Einwohner und Touristen zu entdecken. Stattdessen Stille, unterbrochen vom Wind, der durch die Ruinen der Gemeinde heulte.

Cafés, Hotels, Restaurants, Geschäfte, Firmen, Museen – alles war zu Staub, Schutt und Asche zerfallen!

 

Der Teich im Kurpark ausgetrocknet, die Ruderboote verfaulten am Ufer. Vom Golf- und Spielplatz mit Klettergarten war nur noch eine Fläche der Verwüstung übrig. Alles war ausgelöscht!

 

Die Tränen kullerten Lisa über die Wangen, als sie realisierte, dass ihre Lust, ein Abenteuer zu erleben, das noch keiner gewagt hatte, diese Katastrophe ausgelöst hatten.

Die Worte der Altvorderen: „Was immer du tust: Sprich mit niemandem!“, hallten unerbittlich im Kopf wider. „Und schon gar nicht darfst du etwas in der Vergangenheit verändern!“

 

„Verdammt soll ich sein, in Ewigkeit!“ Ihre Schultern sanken herab. „Was hab‘ ich nur getan?“ Jeder Schritt, jede Entscheidung, jedes Gespräch hatten Auswirkung auf die Gegenwart gehabt. „Wenn ich könnte, würd‘ ich mich selbst an der Reise in die Katastrophe hindern!“ Alle Erkenntnis kam leider einen Hauch zu spät.

 

Ein Vulkan der Emotionen tobte in Lisa. Wie ein Tornado fegte sie durch’s Wohnzimmer, in Richtung ihres Refugiums.

 

3 Wochen Strafe waren für Lisa ein hartes Urteil – trotz der Umstände, dass sie mit ihrem Papa die Zeitlinie zurück, ins rechte Lot gerückt hatte. Puchberg am Schneeberg, jedenfalls, erstrahlte schöner als zuvor!

 

Polternd stieß sie die Tür auf – es bebte im ganzen Haus, als ob sie selbiges zum Einsturz bringen wollte. „Lisa-Marie: Wenn du schon Kleinholz aus unserer Bude machst“, klang‘s vorwurfsvoll aus der Küche ins Obergeschoss, „dann mach’s wenigstens ordentlich - ich bitte darum!"

„Ach, halt die Klappe, Mama – lass‘ mich in Frieden!“, ging’s ihr durch’n Kopf – vielmehr fegte sie durch’s stattliche Schlafzimmer – ihr Bett ins Fadenkreuz nehmend.

 

Mit entschlossenem Ruck warf sie sich auf die Matratze. Ein paar Minuten Ruhe zu finden, wär‘ ihr Geschenk des Himmels gewesen.

Statt göttlicher Ruhe entfachte sich ein weiteres Inferno: Das Ticken der Uhr klang unerbittlich: Es war viertel drei Uhr nachmittags, an diesem 05. Juli 2014.

 

Wo blieb Christina, ihre Schwester des Herzens, bloß so lange? Vor über einer Stunde hatte sie mit ihrer Freundin telefoniert und gebeten, so schnell wie möglich zu kommen.

„Wo treibt sich diese blöde Nuss wieder ewig herum?“, flüsterte Lisa. Mit zittrigem Griff schnappte sie sich ihr Smartphone, in der Hoffnung, Christina über WhatsApp zu erreichen. „Komm‘ schon, Chrissi; geh‘ ran …“, murmelte sie; das endlose Freizeichen dröhnte im Ohr, lauter als Donner.

 

Mit jedem weiteren Klingeln wuchs die Unruhe, wie ein dichter werdendes Netz um den Brustkorb. Schließlich sprang die Mailbox an. „Chrissi, wo bist du? Ruf‘ mich sofort zurück, hörst du?“ Ihre Stimme überschlug sich fast, ehe sie das Gespräch beendete.

Das Smartphone fiel auf die Bettdecke; Lisa sprang auf. Ohne groß weiter nachzudenken, stürmte sie aus’m Zimmer. Ihre Schritte hallten durch‘s Wohnzimmer, bis sie am Balkon stand und die würzige Alpenluft nach ihr schnappte.

 

Sie flehte, dass Christina jeden Moment mit dem Fahrrad um die Ecke biegen möge; dass alles in Ordnung wär‘. Doch nichts: Keine Bewegung, kein Geräusch; nur Stille, die sie wahnsinnig machte, war zu vernehmen.

 

Zur selben Zeit fegte die verloren geglaubte Schwester des Herzens durch die Straßen von Schneebergdörfl.

 

Wer Zeuge von Christina's Höllenfahrt war, würde vermuten, sie wolle einen neuen Rekord aufstellen, im Rennen: Christina VS. Vater Zeit. Und wer Sieger sein würde, nun ja, liebe Leser: Das wissen die Götter :-)

 

Jeder Tritt auf die Pedale war ein verzweifelter Schlag gegen die Gewissheit, viel zu spät dran zu sein. Alles verschwamm auf einen Punkt, der sich auf's Ziel Schneebergstraße 313, 2734 Puchberg am Schneeberg konzentrierte.

Plötzlich flammten ihre Augen auf: Die bevorstehende Standpauke von Lisa schien nix im Vergleich zu dem Wert, den ihre Freundschaft für sie hatte! Und wenn ihre Beine am Ende zittern würden, als wären sie aus Pudding, und ihre Lungen nach Luft ringen, als stünde sie am Gipfel des Mt. Everest – sie würde nicht aufgeben, bis sie ihr Ziel erreicht hatte!

Doch unverhofft kommt oft: Plötzlich meldete sich ihr Smartphone zu Wort!

 

„Ja, ja, dann kommen wir halt in die Hölle: Im Himmel kennt uns sowieso kein Schwein! Und wenn wir uns nicht bessern und so weiter tun, lässt uns der Petrus in den Himmel nie rein!“

„Ja, ja, dann kommen wir halt in die Hölle: Aber ehrlich gesagt, das stört uns gar nicht groß! Dort ist immer heiße Stimmung und da geht die Party ab: Rund um die Uhr, da ist der Teufel los!“

 

Ihr Klingelton – ein frecher Hit der Jungen Zillertaler – hallte durch die Gassen. Jener Soundtrack war der Spiegel ihrer rebellischen Einstellung: „Sollen doch alle hören, was sie wollen! Mir doch scheißegal, was der liebe Gott darüber denkt!“, pflegte sie trotzig zu sagen.

Oft genug versuchte nämlich die Dorfgemeinschaft, sie, die Tochter des Puchberger Pfarrers Guido Braun, in eine 0815 Schublade zu stecken, die besagte: >so und nicht anders habe sich eine brave Pfarrerstochter zu benehmen<!

 

Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, war der Höllenritt vorbei. Mit abruptem Ruck zog sie an den Bremsen: Das laute Quietschen der Reifen durchschnitt die Stille der Straße; hallte quer durch die Gemeinde.

 

Ihr Atem ging schwer, als sie das Mountainbike zum Stillstand gebracht; für einen Moment nur dastand, während ihr Körper vor Erschöpfung bebte.

 

„Und das Mädchen ohne Namen, das man heut’ Anna nennt, möchte einmal gerne Mutter zu dir sagen; denn das Mädchen ohne Namen, hat dir alles längst verzieh’n! Und sagt: Bitte melde dich; ich will doch wissen, wer ich bin! Bitte, bitte melde dich: Denn ich hab’ dich so sehr vermisst!“

 

Ihr 2. Klingelton – ein zu Herzen gehender Song der Kastelruther Spatzen – verriet, dass Lisa es nun über’s Handy versuchte, sie zu erreichen.

Beinahe ausgepowert lehnte Christina ihr Fahrrad gegen die Gartenmauer und sank auf die kühle, raue Oberfläche. Das Handy klingelte und vibrierte indes unaufhörlich in der Lenkertasche weiter: Es ging ihr so was von am Arsch der Welt vorbei, wie oft Lisa es noch versuchte, sie anzurufen. Ruhe & Erholung waren die magischen Worte, nach denen ihr jetzt der Sinn stand!

 

„Deine Eltern sind nicht deine Eltern; das erfuhr sie irgendwann. Damals war’n ihre Augen voll Tränen, aber 18 Jahre sind lang. Sie will dir nur einfach sagen, dass die Zeit die Wunden heilt! Mit dem Schuldgefühl zu leben, das war sicher auch nicht leicht.“

 

Und glaubt mir eins, liebe Leser: Ronald Neame’s Meisterwerk die Höllenfahrt der Poseidon war nichts im Vergleich zur Reise, welche Christina hinter sich gebracht hatte! Sie fühlte sich, als hätte sie den legendären Schneebergland-Marathon in Rekordzeit absolviert!

 

Plötzlich durchfuhr das Mädel ein Energieschub, als wär‘ alle Erschöpfung im Nu verflogen. „Servus, meine Teure!“, erklang Bobby’s mürrische Stimme. „Es wird ja höchste Eisenbahn, dass du endlich bei uns einreitest!“ Ein schwarzer Panther schritt stolz den Weg entlang.

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Bobby!“, rief sie freudig; sprang von der Mauer. „Schön, dich zu sehen, alter Mäusefänger! Wie geht’s, wie steht’s, Mausibär?“

 

Doch Bobby war weit entfernt von guter Laune. „Vor wenigen Minuten ging’s mir blendend“, knurrte er. „Aber seit du wieder deine depperten Witze reißt, bekomm‘ ich einen fürchterlichen Rückfall!“ Seine Laune war – wie gewohnt – im 3. Kellergeschoss, gleich unter der Tiefgarage.

Christina kicherte; Bobby platzierte sich auf seine 4 Buchstaben. „Einen fürchterlichen Rückfall?“ Ihr schelmischer Blick sagte alles. „Aber nicht so schlimm wie jener des Milliardärs Eduard von Magenbitter, wenn er Professor Pfiff’s Anwesenheit ertragen musste, oder?!“ Sie liebte es, Bobby zu necken und stets ins Schwarze zu treffen.

 

„Bei aller Liebe!“ Er funkelte sie böse an. „Der Protagonist heißt schon noch Eduard von Bittermagen, du Kernphysiker“, korrigierte er mit scharfem Ton, „und die göttliche Komödie mit Gunther Philipp, ein dicker Hund, ist ein Meisterwerk der Extraklasse von Franz Marischka!“ Doch plötzlich hielt er inne, als wär‘ er, wie einst Thunder Jack aus Talkeetna, Alaska, viermal vom Donner getroffen worden.

 

Bobby starrte zur anderen Straßenseite. Christina folgte seinem Blick, konnte aber nichts Besonderes erkennen. „Alles in Butter, Mausibär?“, fragte sie verwundert; ihre Augen glitten vis-à-vis über Casa de Rosenthal.

„Weißt du, du kleiner Teufelsbraten: Du solltest deinem Herrgott auf Knien danken“, schnaufte er ärgerlich, einen bedeutungsvollen Blick gen Himmel werfend, „dass heute nur Idioten unterwegs sind, die einem keinen Funken Spaß gönnen!“ Der Panther brodelte innerlich wie der Schneeberg, zuletzt vor 60.000 Jahren.

 

„Bobby, bitte, was ist los?“, rief Christina besorgt. „Du führst dich ja auf wie ’ne Mieze, der man den Futternapf weggenommen hat!“ Ihr Ton war göttlicher Mix aus Besorgnis und Galgenhumor.

 

„Vergiss es einfach! Du würdest es sowieso nicht checken“, erwiderte Bobby genervt. „Tu‘ mir stattdessen den Gefallen und lass‘ mich einfach in Ruhe! Haben wir uns verstanden?“ Sein Blick ließ keinen Widerspruch zu, wollte Christina nicht das 2. Mittagessen dieses Panthers werden.

„Wenn du meinst …“ Sie zuckte mit den Schultern, spürte aber, dass mehr hinter seinem Verhalten stecken musste, als sie zu sehen, oder hören imstande war.

Doch bevor Christina, Bobby weiter bedrängen konnte, sprang er elegant über‘s Gartentor, landete auf‘m Gehsteig und wandte sich zum Gehen.

 

Mit letztem, scharfem Kommentar entfernte er sich: „Himmel, Schimmel, weißes Pferd, noch eins!“ Es war Bobby vollkommen wurscht, was andere von ihm hielten.

 

„Frag‘ mich, was diesen gusseisernen Affen geritten haben mag, seinen Funken Menschlichkeit an diesen Giftpilz dort zu verschwenden?!“ Dominik Neubauer's Blicke (siehe Bild) sprachen Bände. „Himmelhur’ von Babylon; das muss ja mal gesagt werden dürfen!“ Bobby's Ausdrucksweise war eine Mischung aus Frustration und unverblümtem Humor. „Noch dazu“, grummelte er weiter, „weiß dieser blonde Giftzwerg nicht mal, wie gottverdammt wahr ihr Klingelton der Spatzen aus Südtirol nun mal ist!“

 

Christina überlegte krampfhaft, was sie von alldem hier halten solle. Dennoch: Die lähmende Stille schien sie zu erdrücken, als sie den Klingelknopf drückte und auf Reaktion wartete.

 

„Was, wenn Lisa nicht mehr so ist wie früher?“ Die Gedanken wirbelten durch den Kopf. „Was, wenn sie enttäuscht ist, weil ich zu spät komm‘?“ Christina seufzte. „Aber ich kann doch nicht einfach so tun, als wär‘ nix gewesen!“

Ein leises Surren durchbrach die Ungewissheit: Die linke Seite des Tors öffnete sich, als wär‘s von unsichtbarer Hand geführt. Zögernd schob sie ihr Fahrrad durch’s Tor und betrat das Grundstück. Jedoch die Angst abzuschütteln, es könnte was Gefährliches im Verborgenen lauern, war unmöglich.

 

Der Vorgarten präsentierte sich in farbenfrohem Schauspiel aus Blumenbeeten, saftigem Gemüse und prächtigen Obstbäumen – ein wahres Paradies der Natur.

 

„Wie immer“, dachte sie, „blüht hier alles in voller Pracht, während in meinem Kopf alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann!“ Bienen summten geschäftig von Blüte zu Blüte, und der Duft frisch gebackenem Brotes und Semmeln wehte verlockend aus der Küche. „So viel Leben um mich herum, und ich fühl‘ mich, als würd‘ ich ersticken!“

 

Mit jedem Schritt, den sie tat, spürte sie, wie die Leichtigkeit des Gartens in scharfem Kontrast zur inneren Unruhe stand. „Was, wenn sie mich nicht mehr sehen will?“ Christina wusste: In Lisa’s Elternhaus, ein Mekka der Hexerei & Magie, musste man täglich auf alles gefasst sein!

„Es wird alles gut, es wird alles gut“, murmelte sie fast unhörbar zu sich selbst. „Wenn‘s bloß so einfach wär‘, gäb' ich ein Fürstentum ...!“

 

Der Türgriff wirkte wie ein verheißungsvoller, beängstigender Schlüssel zu dem, was jenseits der Schwelle lauerte.

„Was wird Lisa meinen, wenn sie hört, warum ich mich so verspätet hab‘? Würde sie mir vorhalten, ich würde schon wieder auf Albert Schweitzer und Mutter Teresa machen?“

 

Plötzlich durchbrach eine Stimme ihre Gedankenwelt. „Servus, Christina – schön, dass du endlich hier bist!“, rief Robert Berger, Lisa’s Papa, mit charmantem Lächeln.

Christina zuckte zusammen, als hätte sie Lucas Fürst Sr. – den Erzengel Luzifer – persönlich erblickt.

Mit gequältem Lächeln reichte sie ihm die Hand zur Begrüßung; das Fahrrad lehnte sie an die Hauswand.

 

„Grüß Gott, Herr Oberstudiendirektor“, begann sie würdevoll, „es tut mir sehr leid, dass ich etwas zu spät dran bin“, bemühte sich um festen Ton. „Ich wurde leider dreimal am Weg hierher aufgehalten, müssen Sie wissen!“

 

„Ach, schon vergessen; Schwamm drüber“, antwortete er mit wegwerfender Handgestik. „Seit du unser Familiengeheimnis kennst, weißt du ja, dass nichts vor uns verborgen bleibt.“

„Stimmt“, erwiderte sie. „Aber ...“ Ihr Blick wanderte ins Vorzimmer, als würde sie dort die Büchse der Pandora mit allem Unheil wittern.

„Keine Sorge“, unterbrach der Gastgeber. „Ich hab‘ dir schon oft genug gesagt: Du musst vor niemandem in unserer Familie Angst haben; nicht mal vor Bobby, diesem verhinderten Despoten!“ Er lachte schadenfroh.

Christina lachte ebenfalls. „Verhinderter Despot, der war gut!“ Doch die Anspannung, die sie fühlte, ließ in keiner Weise nach, trotz des blinden Vertrauens zu Lisa’s Eltern.

„Ist doch wahr!“ Robert lächelte. „Und ich wette, Lisa hat dir längst erzählt, warum!“

Christina nickte, obwohl sie’s bereute: Sie kannte Bobby’s düsteres Geheimnis; kämpfte, es zu verarbeiten. „Ich hoff‘ nur, Lisa ist mir nicht allzu böse, dass ich zu spät dran bin“, sagte Christina, während sie ins geschmackvoll eingerichtete Vorzimmer gebeten wurde.

„Keine Sorge: Du wirst’s überleben“, meinte Robert düster. „Aber, ob du ohne Standpauke wegkommst, die du nicht so leicht vergisst, ist ’ne andere Frage.“

„Wie meinen Sie das?“, wollte sie wissen, doch er war plötzlich verschwunden und die Tür schloss sich wie von Geisterhand.

Ein unheimliches Gefühl der Bedrohung überkam sie erneut. „Lisa kann impulsiv sein, und junge Hexen sind unberechenbar wie der Schneeberg …“

„Glaub‘ mir, Christina“, hörte sie Robert’s Stimme aus der Küche dringen. „Katzen, die fauchen, beißen nicht; und Lisa schon gleich gar nicht – vertrau‘ mir!“ Sein schelmischer Unterton war nicht zu überhören; ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. „Und du weißt doch, wo ihr Zimmer ist, oder?“, fragte er nun vom Keller herauf.

„Natürlich, sicher doch, Herr Oberstudiendirektor“, rief Christina würdevoll; versuchte, neuen Mut zu fassen. „Lisa ist zwar ’ne reichlich ungestüme Junghexe, aber ein Monster, das mich auffressen will, oder ein brodelnder Vulkan ist sie ganz sicher nicht!“

„Kein Monster“, stimmte er Christina zu, als er plötzlich vor ihr auftauchte und eine Dose Thunfisch samt Öffner ihr in die Hand drückte.

 

„Aber etwas Vorsicht schadet ja nie! Denn: Katzen steh’n tierisch auf Thunfisch! Vielleicht auch Tigerdamen wie Lisa?“ Sein Lachen brach durch die Anspannung; die Schadenfreude war ihm ins Gesicht geschrieben.

Christina konnte sich ein Augenrollen nicht verkneifen.

„Versuch’s doch bitte wenigstens, Lisa mit Thunfisch zu besänftigen“, sagte er und machte sich erneut magisch aus‘m Staub. „Denn mehr, als ein Schuss mit dem Ofenrohr ins Gebirge, kann’s doch sowieso nicht werden!“ Jetzt vernahm sie seine Stimme aus‘m Schlafzimmer im Erdgeschoss.

„Jesus im Himmel: In welchem Narrenhaus bin ich hier nur gelandet?“, rief Christina verzweifelt. Die Thunfischdose samt Öffner legte sie entschlossen zur Seite und betrat mit zittrigen Knien die Treppe ins Obergeschoss.

 

„Wenn ich diesen Tag heil überlebe, vermache ich mein Sparbuch der Mutter Kirche des Augsburger Bekenntnisses!“, schwor sie feierlich.

Die Stufen knarrten unter Christina‘s Fliegengewicht, während sie ins Obergeschoss schritt. An der Wand hingen Fotos von Lisa‘s Familie, deren Augen sie förmlich zu verfolgen schienen. Jedes Bild war eine Erinnerung an vergangene Urlaube: Australien, England, Hawaii, Karibik, Skandinavien, Ungarn, Italien, Frankreich, Irland, Amerika, Neuseeland, Malediven, Brasilien, Barbados, Kanada, Ägypten & Japan.

Sie war sich bewusst, dass Robert & Martina Berger mächtige Hexen und Magier des Wicca waren, deren Verantwortung schwer auf ihren Schultern lastete. Überdies war ihr klar: Sie, Christina Braun, die Pfarrerstochter von Puchberg, würde niemals in lebensbedrohliche Abenteuer verwickelt werden!

 

Trotzdem nagte die Angst vor‘m Unbekannten an ihr, wie die Termiten am Gebälk der evangelischen Kirche zur Heiligen Anna. Diese Furcht war ein Schatten der Erinnerung an den letzten Freitag, als ihr Papa, während einer Hochzeit durch den Kirchenboden brach. Die Worte des Zorns, die er sprach, hallten im Kopf wider; ließen ihr Herz rasen.

 

Als Christina das große Wohnzimmer im Obergeschoss betrat, umschlang sie sofort eine drückende Atmosphäre.

 

„Lisa, entschuldige bitte meine Verspätung! Ich hoffe, du kannst mir…“, begann sie, doch Lisa schnitt ihr scharf das Wort ab.

„Verspätung?“ Ihre Wut brodelte wie der Schneeberg kurz vor‘m Ausbruch. „Du bist gut, Chrissi! Über eine Stunde ist vergangen, seit du mir versichert hast …“

 

„Ja, ja, Lisa, ich weiß“, fiel sie ihr ins Wort. „Es tut mir ja unendlich leid!“ Ihre Nervosität legte sich wie ein lähmender Nebel des Grauens um sie.

Hastig bog Christina nach rechts ab. Das Badezimmer lag rechter Hand, links Lisa‘s Refugium, wo sie sich gern vor‘m Fernseher entspannte, mit Konsolenspielen die Zeit totschlug oder sich an ihren XXL-Puzzles erfreute. Und geradeaus, da lag ihr Schlafzimmer; einladend mit offener Tür. „Chrissi, Schwester meines Herzens“, begann Lisa. „Versprich mir eins - bei allem, was dir heilig ist!“

 

Christina blieb abrupt stehen; das Unbehagen war greifbar. „Was denn, Lisa?“

„Dass du keine depperten Fragen stellst, und, die Götter mögen mich schützen, keinen Nervenkoller bekommst!“

„Äh…“, stammelte sie irritiert, während sie Richtung Schlafzimmer weiterging.

„Was, äh? Bist du sprachlos, oder trällert bei dir bloß ein Systemfehler der Marke C-Format ein?“, fragte Lisa spöttisch; ein Hauch von Schadenfreude war unüberhörbar.

 

Vorsichtig schritt Christina zur Tür. Sie wusste, dass Lisa schnell zum Big Boy – ihr wisst schon, liebe Leser, jener legendären Atombombe – mutieren konnte, wenn ihr etwas so richtig gegen den Strich ging; vermied es tunlichst, jetzt falsche Worte im falschen Moment fallen zu lassen.

„Bereit oder nicht, ich komm‘ jetzt rein – verstanden?!“ Sie lugte um die Ecke, ihre Sinne geschärft; trotzdem konnte sie Lisa nirgends entdecken und durchsuchte systematisch deren Zimmer.

 

Die Suche führte sie schließlich zum Balkon; auch dort war die Freundin nicht auffindbar. Stattdessen entdeckte sie einen Tisch mit zwei Sesseln und die Schachtel des beliebten Schneebergland-DKTs, bereit, aufgebaut zu werden.

 

„Chrissi“, hörte sie Lisa‘s Stimme aus‘m Schlafzimmer dringen, „da draußen kannst du suchen, bis du schwarz wie’n Kongoneger bist! Sag‘ schon: Bin ich wirklich so schwer zu finden?“

Die Herausforderung in Lisa‘s Stimme ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie wusste, dass Lisa mit den vom Wicca gegebenen Hexenkräften unsichtbar werden konnte. „Lisa-Marie, bitte“, flehte sie, „ich mag’s nicht, wenn du auf große Magier Verschwindibus machst, und das weißt du auch!“

„Christina-Charlotte“, gab Lisa genießerisch zurück, „hierfür muss ich nun wirklich nicht meine Hexenkräfte bemühen! Putz lieber mal deine Brille; vielleicht findest du mich dann ja leichter!“

Lisa‘s Schadenfreude war grenzenlos.

„Und ich dachte, dein Nasenfahrrad vom Hartlauer Puchberg mit Schweizer Premium-Gläsern sei von einmaliger Qualität!“, kicherte sie. „Na ja: Teuer genug sollen sie ja gewesen sein, meinte dein Papa, nicht wahr?“

Vom heiligen Zorn gepackt marschierte Christina zurück ins Schlafzimmer, sah sich um und entdeckte etwas am Bett, das sie übersehen hatte. „Lisa-Marie“, rief sie überrascht, „bitte sag mir, dass ich träume!“ Ihr verschlug’s die Sprache; glaubte nicht, was sie sah.

Ein lebensechter Königstiger, beeindruckend wie Shir Khan, machte es sich am Bett gemütlich. Die Großkatze aus Indien starrte Christina mit hungrigen Augen an, während Lisa eisern zu schweigen pflegte.

Zaghaft näherte sie sich und setzte sich neben dem Tiger auf‘s Bett. „Lisa, wenn du das bist, gib dich zu erkennen! Haben wir uns verstanden, Madame Junghexe?“

Doch die grazile Tigerdame blieb regungslos liegen. „Lisa“, begann sie zaghaft, „ich weiß schon lange, dass du Stofftiere sammelst; jetzt übertreibst du aber himmelhoch!“ Als Christina das Fell der Tigerin berührte, spürte sie, dass sich der Brustkorb hob und senkte: Großer Gott – der Tiger atmete!

 

Um Himmels willen, liebe Leser: In welche Gefahr hatte sich Christina da nur gebracht? Würde sie heil aus dieser Misere wieder herauskommen?

„Und, bist du nun zufrieden, mich endlich gefunden zu haben?“ Lisa wandte ihr den Blick zu und schaute böse drein.

Wie von der Tarantel gestochen sprang Christina hoch. „Großer Gott im Himmel, das darf nicht wahr sein!“, rief sie; schon ging Rums-die-Bums die Ladung los – dieser Schock war dann doch zu groß; kippte wie'n Sack Mehl um.

 

„Oh Mann, Chrissi, du elender Sturschädel“, fluchte Lisa, „und ich hab‘ dich noch gewarnt! Du gottverdammte hohle Nuss, eines Mädels, das ich über alles schätze und liebe, egal, wie oft du mich schon zum Wahnsinn getrieben hast – was tust du mir nur an?!“

Lisa-Marie Berger, ihre beste Freundin ever, war zum Königstiger geworden?! Großer Gott und Sakrament von Biberach: Liebe Leser, wie konnte ihr das nur passieren? Hoffentlich war's rückgängig zu machen!

Vorgeschichte (Teil 2)

In den Tiefen ihrer Bewusstlosigkeit wurde Christina in eine andere Welt gesogen: weich und vertraut; weit entfernt von der grausamen Wirklichkeit, die sie niedergestreckt hatte.

Plötzlich stand sie im Kindergarten, einer Zeit, in der alles heil war. Die Sonne malte goldene Muster auf den Boden, und sie sah sich und Lisa da vorn auf‘m Teppich sitzen.

 

Beide waren fünf, mit blonden Zöpfen, die fröhlich wippten, während sie von bunten Holzschienen und Holzeisenbahnen umringt waren.

„Los geht’s, Christina! Fahren wir nach Puchberg, um Mama und Papa zu besuchen!“, rief die kleine Lisa lachend, als sie einen Zug auf die Gleise setzte. Christina lachte mit; unbeschwert, ihre hellen Stimmen hallten in der Luft.

Doch mitten im Lachen spürte Christina ein Zucken der Luft – ein leichtes Flimmern, als würde die Realität um sie zittern. Für einen kurzen Moment wurde der Raum kühler und der warme Sonnenschein blasser. Ein Schatten, kaum wahrnehmbar, schlich über den Boden; schwer und drohend. Christina rieb sich die Augen, doch als sie wieder aufsah, war alles wie zuvor - fast alles. Irgendetwas in der Szene fühlte sich ... falsch an. Sie konnte nicht sagen, was es war.

Bevor sie‘s fassen konnte, veränderte sich schon alles – sie war jetzt acht.

Ihre Finger krallten sich ans raue Metall eines Klettergerüsts im Kurpark. Neben ihr schwang Lisa an einem Seil, mutig und energisch, während Christina zögerte, das Gleichgewicht zu halten.

„Komm‘ schon, Chrissi! Ich fang‘ dich auf!“, rief Lisa.

Christina stieß sich ab, und wie immer hielt sie ihr Versprechen: Christina landete sicher in ihren Armen; beide lachten – doch diesmal war das Lachen leiser. Gedämpft, als würde es aus einer anderen Welt kommen. Christina warf einen Blick über die Schulter – hinter dem Klettergerüst, am Rand des Parks, hing eine dunkle Wolke, die sich langsam auf sie zubewegte. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich das einbildete oder ob die Wolke wirklich da war.

 

Bevor sie genauer hinschauen konnte, verschwand das Bild, und mit ihm die Wolke.

Die nächste Erinnerung tauchte auf, wie ein Bild, das aus dem Wasser emporstieg. Sie und Lisa waren neun und saßen im Garten am knisternden Lagerfeuer. Der Duft von gegrillten Würstchen und Steaks erfüllte die laue Sommernacht.

Lisa hielt einen Stock mit gegrillten Würstchen hoch. „Grillwürstel! Ich könnte sie kiloweise verdrücken!“

 

Christina lachte und säbelte am Teller, an einem Stück Rindersteak herum, doch dieses Mal schmeckte das Fleisch anders – bitterer, verbrannter. Die Hitze des Feuers wurde unangenehm, zu heiß, als würde sie ihre Haut versengen. Christina rutschte unruhig auf ihrem Platz hin und her, während die Flammen hochschlugen, die Funken stoben, und sich das gemütliche Lagerfeuer in ein wütendes Inferno zu verwandeln schien. Sie blinzelte und plötzlich war es wieder ruhig; doch die Unruhe im Bauch blieb.

Die Sterne funkelten über ihnen; Lisa’s Augen strahlten im Schein des Feuers. Doch da war etwas in Lisa’s Blick, etwas Dunkles, das Christina noch nie zuvor gesehen hatte. Für einen Moment wirkte sie wie eine Fremde.

 

Und dann wechselte die Szenerie erneut. Der vertraute Schmerz des Wechsels durchfuhr sie wie ein Blitz: Schlagartig waren die beiden Mädels zehn, lagen am Ossiacher See im Gras, die Hände hinter‘m Kopf verschränkt. Der Mond hing schwer und silbrig am Himmel, beobachtete jede ihrer Bewegungen.

 

„Egal, was passiert,“ flüsterte Lisa, „wir bleiben immer zusammen!“ Christina nickte, ihre Finger streiften sich, aber diesmal fühlten sich Lisa‘s Hände kalt an; eiskalt! Christina zog ihre Finger zurück, erschrocken vom erlebten. Sie drehte den Kopf zur Seite und sah den Mond, der jetzt viel dunkler und bedrückender schien, als er sein sollte. Der Schein des Wassers wirkte wie pechschwarze Tinte, und der Wind trug ein Flüstern mit sich, das Christina frösteln ließ.

Die Wärme der Erinnerungen, die sie eingehüllt hatten, begann zu schwinden. Etwas war falsch – sie konnte es fühlen, tief im Inneren. Doch sie konnte nicht sagen, was es war.

Dann zerbrach die Szene mit scharfem Knall, fast wie Glas, das zu Boden fällt. Und aus den Scherben trat die bittere, kalte Realität hervor: Lisa war kein Mensch mehr – sie war zum bengalischen Königstiger geworden! Christina fragte sich bis zuletzt, wie ihrer besten Freundin bloß so ein Missgeschick passieren konnte?! „Hoffentlich“, dachte sie halb im Traum, halb erwacht, „lässt sich das wieder rückgängig machen!“

 

Langsam kehrte Christina ins Hier und Jetzt zurück. Ein feuchtes, kratziges Etwas glitt über ihr Gesicht. Angewidert verzog sie die Miene und fluchte: „Himmel, Scheich und Wolkenbruch!“ Ihre Gedanken taumelten wild umher. „Was zum Teufel stinkt hier so bestialisch nach Thunfisch?“ Angeekelt hielt sie sich die Nase zu. „Das hält ja keiner aus!“

„Mann, oh Mann, Dornröschen wacht endlich auf!“ Minutenlang hatte sie alles versucht: vom sanften Anstupsen mit ihren Tigerpranken bis zu ausgiebigem Ablecken, um Christina zurück in die Welt der Lebenden zu holen.

Mit halb geöffneten Augen erblickte sie smaragdgrüne Augen, umrahmt vom bulligen Kopf einer Tigerdame. Für einen Moment dachte das Mädel, im tiefsten Albtraum ever gefangen zu sein!

 

„Und, Schwester meines Herzens? Geht’s dir wieder gut?“ Lisa‘s vertraute Stimme drang aus dem Maul des Tigers, der synchron die Lippen bewegte.

Christina fühlte sich wie im Rausch der Emotionen – riss die Augen auf wie‘n Scheunentor und schrie, als würde Lisa über sie herfallen!

„Großer gegrillter Käsegeist des Sommerlandes!“, brüllte Lisa wiederum. Diese nur zu menschliche Antwort wirkte auf Christina‘s Hysterie wie der 100-Oktan-OMV-Premiumtreibstoff. „Gottvater, der Gehörnte, noch mal“, schickte sie ein Stoßgebet gen Wicca-Himmel, „das hält doch keine Sau dieser Welt aus!“ Lisa legte erneut los; brüllte so tigerhaft, dass bei Christina ein weiteres Mal die Lichter ausgingen.

Zutiefst erleichtert, dass endlich Ruhe einkehrte, atmete Lisa tief durch. „Ich wusste ja, dass die blöde Nuss nervlich nicht die Stabilste ist, aber dass ...“

„Sie auf Feuermelder à la Armageddon macht, war doch überraschend!“, schnitt Bobby unerwartet ihren Satz ab.

„Bobby“, fauchte Lisa genervt, ihre Augen funkelten wie Sterne am Nachthimmel, voller Ärger und Anspannung. „Musst du dich immer so anschleichen?“ Sie ließ ihren Blick zu ihm wandern, als würde sie ihn mit den Augen erdolchen. „Sag’ schon, Opa: Hast du wieder literweise Yohimbe-Tee gesoffen und bist stundenlang in Stargate SG-1 auf Disney+ versunken?“

Bobby, Lisa’s Opa – aber das werdet ihr, liebe Leser, noch früh genug erfahren – trat sachte näher. Sein Blick huschte zwischen der ohnmächtigen Christina am Boden und der zornigen Lisa, die wütend auf ihrem Hinterteil saß, hin und her.

„Sonst geht’s dir aber gut, ja?“, fragte er skeptisch und hob eine Augenbraue. „Was kann denn ich dafür, dass mir Thor und die Asgard so sympathisch sind? Und sag‘ schon: Ist’s denn ein Verbrechen, diese Serie mit Richard Dean Anderson leiwand zu finden?“ Wenn Blicke töten könnten, hätte Lisa jetzt keine Sorgen mehr.

 

„Dann dampf‘ doch ab ins Sternbild des Pegasus, wenn du dich so nach den Asgard und ihren Feinden, den Goa’uld, sehnst!“, fauchte sie bedrohlich, bereit, sich in den Kampf zu stürzen. „Oder kündige dich zumindest das nächste Mal wie ein normaler Besucher der Erde an!“

Bobby trat näher und legte seine schwarze Pfote auf Lisa’s Tigerbrust; betrachtete sie mit treuen, ernsten Augen. „Lisa, willst du wissen, warum ich noch immer hier verweil‘?“ Sein Blick war fast verletzlich.

 

Sie schaute ihn skeptisch an, nicht bereit, die Mauer zwischen ihnen einfach so einzureißen.

„Weil ich’s nicht ertragen könnte, wenn dein kleines Herz brechen würd‘ – deshalb!“ Seine Stimme wurde leiser, fast flüsternd, als könnte das Geständnis das Gewicht der Welt auf seinen Schultern verlagern. „Aber das bleibt bitte unser Geheimnis, ja?“ Fürbittende Blicke trafen Lisa.

„Und warum?“, fragte sie scheinheilig, obwohl die Antwort offenkundig war.

„Kreuz, Birnbaum, Hollerstauden noch eins!“, entfuhr’s Bobby deftig. „Weil ich lieber als das egoistische Aas gelte, das jeden niederbrüllt, der ihm in die Quere kommt – darum! Und sag‘“, fuhr er nahtlos fort, seine Augen loderten vor Zorn, „hast du’s jetzt endlich kapiert oder spielst du bloß wieder die Depperte vom Schneebergland?“

„Schau an“, grinste Lisa geheimnisvoll; die Spannung zwischen ihnen war greifbar. „Du hast ja Seiten an dir, die ich noch gar nicht kannte!“ Neugier blühte auf, wie eine seltene Blume im Frühling.

Bobby wurde plötzlich verlegen, blickte zu Boden und murmelte: „Prinzessin meines Herzens. Edle Zaubermaus, glaub‘ mir: Ich weiß genau, dass ich kein Guter bin! Denn ich hab’ viele Fehler in meinem Leben gemacht – viel zu viele!“ Sein Kampf mit den Emotionen war unübersehbar. „Und du weißt, dass ich, wenngleich’s im Auftrag des Kaisers war, einen Mord beging und nur deswegen straffrei ausging damals!“ Er schüttelte den Kopf, als hätte er einen zentnerschweren Semmelknödel verschluckt. „Aber ja ...“, er schluckte heftig, „es klebt das Blut eines Verräters an meinen Pranken!“ Bobby zögerte, die Unsicherheit umhüllte ihn wie der Nebel des Grauens. „Gibt’s da was, das ich dir noch nie erzählt hab‘!“

Lisa horchte auf und warf einen kurzen Blick auf Christina. Ihre Neugier wuchs ins Unermessliche: Was könnte Bobby ihr anvertrauen wollen, das so wichtig für ihn war?

„Jetzt, wo dein Armleuchter von Papa nicht da ist, erzähl’ ich dir, was mir schon lang‘ auf meiner negerschwarzen Seele brennt!“ Er holte tief Luft, bevor er fortfuhr: „Ob du’s mir nun glaubst oder nicht …“ Bobby druckste herum, als ob die Worte schwerer wären als die Schwärze der Nacht. „Es bleibt dir überlassen! Aber … ich … ich weiß nicht … wie ich’s ausdrücken soll …“ Er würgte, als würd‘ er an einem Berg Semmelknödel ersticken. „Weißt du, Lisa …“, nahm er einen neuen Anlauf, „ich will diesem alten Hornochsen, zu dem du offenbar mit Stolz Papa sagst, schon seit Ewigkeiten um Verzeihung bitten!“

Lisa konnte kaum glauben, was sie da hörte! Ihre Augen weiteten sich, und ihr Herz setzte für einen Moment aus. Sie kannte ihren Opa gut genug, um zu wissen, dass das entweder nicht ohne Grund geschah oder es schlimmer um ihn stand, als sie annahm!

„Aber dein übermächtiger Stolz hält dich davon ab, richtig?“, meinte sie; herausfordernd sah sie ihn an.

„Wahre Worte!“ Ein bitteres Lächeln huschte über Bobby’s Gesicht; seine Augen schimmerten verdächtig feucht. „Aber, Lisa, so wahr ich Generalhofmarschall seiner Hoheit, Kaiser Gregor V. von Österreich-Ungarn bin - du erzählst das keinem weiter, was ich dir gleich gestehen werde! Haben wir uns verstanden?“ Sein Blick ließ kein Wenn und Aber zu!

„Keine Sorge, Opa“, erwiderte Lisa tief gerührt; wischte sich eine Träne aus den Augen. „Dein Geheimnis ist bei mir, et nunc, et semper, sicher verwahrt!“ Zum Schwur hob sie die linke Pfote.

Er holte tief Luft. „Jeden Tag denke ich an den 21. August 1401 zurück!“, begann seine Erzählung. „Es war der Tag, an dem mein Sohn den 12. Geburtstag feierte und zugleich der Tag anbrach, an dem wahr wurde, was die Kastelruther Spatzen treffend besingen: Schatten über’m Rosenhof – wenn Sucht zum Schicksal wird und ein Kartenspiel entscheiden muss, ob man Haus & Hof verliert!“

Bobby unterbrach sich für einen Augenblick: Es war ihm, als würde er in einen Heulkrampf ausbrechen.

 

„Der 21. August 1401: Der Tag, an dem ich den größten Fehler meines Lebens machte!“, sprach er weiter, als er sich einigermaßen gefangen hatte; nervlich wie seelisch.

Lisa spürte, wie ihr Herz schwer wurde. Sie kannte die Geschichte - hatte sie oft genug gehört. Aber heute schien sie anders, viel realer. „Opa, das ist …“

„Warte, lass mich ausreden“, unterbrach er sie sanft; seine Stimme zitterte. „Ich hatte immer geglaubt, es sei die Schuld meines Sohnes, dieses alten Armleuchters, dass alles so endete! Ich hatte ihm Jahrhunderte hindurch die Verantwortung aufgebürdet, als ob er die Macht hätte, das Schicksal zu ändern! Aber jetzt … jetzt sehe ich klarer, glaub‘ mir: Ich hab‘ den Fehler begangen, nicht er – nicht Robert, mein ganzer Stolz!“

Die Worte schmerzten wie ein Schlag ins Gesicht. Lisa spürte, wie Tränen in den Augen brannten. „Opa, es ist nicht deine Schuld! Ihr habt gekämpft; habt alles versucht!“

„Aber ich hätte anders handeln müssen“, sagte er; seine Stimme so leise, dass sie ihn fast nicht hörte. „Ich hätte ihm die Wahrheit sagen, ihn nicht mit meiner Verzweiflung belasten sollen! Stattdessen hab‘ ich ihn aus der Ferne beobachtet, wie er unter‘m Druck beinahe zerbrach! Glaub‘ mir: Es brach mir das Herz, dass ich nicht für ihn da war, als er mich am meisten gebraucht hätte!“

Bobby senkte den Kopf, und Lisa konnte die Scham in seinem Gesicht sehen. Sie stand auf, ging zu ihm und setzte sich auf den Boden neben ihn. „Opa, du hast dein Bestes gegeben! Du warst da, als es zählte, auch wenn du‘s nicht so siehst. Du bist nicht allein! Wir können das zusammen durchstehen!“

Er sah sie an, und in seinen Augen funkelten die Tränen, die er zurückzuhalten versuchte. „Aber ich kann nicht vergessen, was passiert ist! Dieses Wissen verfolgt mich Tag für Tag! Dieser gottverdammte Wutausbruch, der mich überkam, an jenem Tag in der Scheune, als Robert sich so deppert angestellt hatte! Und dann der Moment, als Willy Sommer, mein treuester Knecht, sich als Judas, der Verräter, entpuppte!“

„Daran kannst du nichts ändern, Bobby!“, stellte Lisa klar. „Aber du kannst für ihn da sein, ihm helfen, wenn er fällt! Sei der Papa, der du für ihn sein solltest! Sei bitte sein Vorbild, das er sich schon so lange gewünscht hatte!“

Bobby nickte langsam, und ein Hauch von Hoffnung kehrte in seine Augen zurück. „Ich werd‘s versuchen, Lisa. Ich versprech‘ es dir!“

Lisa, tief berührt vom Vertrauen, das Bobby in sie setzte, wurde plötzlich von einer Mischung aus Angst und Schadenfreude übermannt. Hinter ihm hatte sich nämlich ein stiller Zuhörer positioniert, der über seine Worte nicht schlecht staunte!

„Zum Glück hat Opa hinten keine Augen!“, dachte sie schelmisch. „Sonst wüsste er nämlich, dass Papa alles mitangehört hatte.“ Ein echtes Gefühl der Angst überkam sie, und kämpfte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. „Hoffentlich geht er nicht wie der Schneeberg zu besten Zeiten hoch!“

 

Doch Bobby hatte mehr aus ihrem Mienenspiel herausgelesen, als ihr lieb war. „Was ist los, Lisa? Sag‘ schon!“, rief er empört. „Du hast schon wieder dieses Glitzern in den Augen!“ Er war kurz davor, sie anzuspringen. „Ich kenn’s zu gut: Es gleicht dem mörderischen Blick des gefühlskalten Wahnsinnigen Igor Morovich vom KGB!“ Er drehte sich blitzartig um, doch hinter ihm war niemand. „Muss wohl an meinen Nerven liegen …“

 

„Oder am übermäßigen Kaffeegenuss!“, lachte Lisa schelmisch, um ihre Angst kleinzuhalten, dass Bobby explodieren könnte. „Während du dir den Klassiker Condorman mal wieder zu Gemüte führst, nicht wahr?“

„Sehr witzig, du zu groß geratene Miezekatze!“, brummte er verärgert.

Zugegeben, liebe Leser: Bobby war zwar ein verurteilter Hexenmeister, aber noch lange nicht auf den Kopf gefallen!

„Das sagt der Richtige“, lachte Lisa erneut. „Aber was machen wir jetzt mit unserem Dornröschen hier?“ Ratlosigkeit überkam sie, ihre Gedanken wirbelten durcheinander.

Bobby schritt entschlossen auf Christina zu, die noch immer reglos am Boden lag. „Was wohl?“ Er hockte sich auf seine vier Buchstaben und begann, in seinem magischen Fell zu kramen, in dem er Unmengen nützlicher Dinge verstauen konnte – für den Fall, dass er sie mal brauchte.

„Eins steht fest: Du erstaunst mich von Mal zu Mal mehr, Opa – weißt du das?!“

Bobby blickte verwirrt auf. „Wie meinen, Prinzessin?“

„Ich mein‘, dass du auf die Idee kamst, dir ein magisches Fellkleid zuzulegen, das dieselben Eigenschaften hat wie die Handtasche von Agatha Cromwell aus Halloweentown!“

Jetzt verstand er, was seine Enkeltochter meinte, und antwortete gelassen: „Ach, das“, grinste er schelmisch, „das musste ich mir nicht extra zulegen; das war eine der Gnaden, die mir mein Rechtsverdreher vor 100 Jahren erstritten hatte!“

Und, liebe Leser, ihr fragt euch sicher, was Bobby damit meinte, oder? Aber gemach, meine Guten, ihr erfahrt es noch früh genug; dann werdet ihr angenehm überrascht sein – versprochen!

 

Letztendlich dauerte seine Suchaktion über 20 Minuten. Dabei zauberte er Unmengen an Dingen hervor: eine Sonnenbrille, zwei Kaffeetassen, einen Kaffeevollautomaten, eine Packung Kaffeebohnen aus Brasilien (selbstverständlich BIO-Qualität), einen solarbetriebenen Ventilator, einen Kugelschreiber, einen kleinen Backofen für Semmeln und Kornspitz, einen Wasserkocher, einen tragbaren Fernseher mit DVD-Laufwerk sowie ein Selfie mit David Hasselhoff und K.I.T.T., dem Wunderauto, und noch viel mehr Dinge, von denen man kaum glauben konnte, dass er dafür eine Verwendung fand.

 

Lisa konnte kaum glauben, was sie sah.

 

Griff nach einem Foto einer fliegenden Scheibe und betrachtete es fasziniert. „Opa“, rief sie erstaunt, „jetzt sag‘ bloß, du warst, wie ich mit Papa vor ein paar Tagen, in der Area 51 und hast das legendäre UFO der Nazis, die Glocke, gesehen?!“

Bobby unterbrach seine Suche und grinste verschwörerisch. „Hab’ ich, meine Kleine!“ Sein Blick verriet alles. „Und die Glocke – also das Nazi-UFO – ist ja noch gar nichts! Aber was soll ich dir erzählen? Du warst doch selbst dort und weißt, was die idiotensichere U.S.-Air-Force dort alles treibt! Vor allem“, fügte er mit verschwörerisch kichernd hinzu, „wo sich der echte Heilige Gral befindet! Nämlich, dass sich die Amis die heilige Lanze, die Bundeslade und das echte Kreuz unter den Nagel gerissen haben, ist ja wohl Sakrileg genug!“

„Der Aufbewahrungsort des Heiligen Grals: Die Wehrkirche von St. Laurentius am Steinberg, und dass Pfarrer Bertram Schober ihn zufällig beim Abstauben der Marienstatue unterhalb der Kanzel fand, hat selbst mich aus den Galoschen gekippt!“, gestand Lisa, während Bobby weiter in seinem reichhaltigen Sammelsurium kramte.

Aber schließlich fand er doch, wonach er gesucht hatte. „Ha!“, rief er triumphierend. „Ich wusste ja, dass ich ihn hier irgendwo verstaut hab’, von meinem letzten Besuch in Belgien!“ Bobby setzte sich eine große Wäscheklammer auf die schwarze Nase. „Sicher ist sicher! Du weißt ja, dass man mit Chemiewaffen vorsichtig sein muss!“ Dann warf er ihr ebenfalls eine Wäscheklammer zu.

„Bobby, bitte …“, rief Lisa entsetzt. „Das kann doch unmöglich dein Ernst sein, oder?“ Sie glaubte, ihr Opa dreht jetzt völlig ab – hat nicht mehr alle Tassen im Schrank!

„Sag‘ schon, Sweetheart: Wie willst du diese blöde Nuss denn sonst wach kriegen?“ Bobby hielt ein Prachtexemplar stinkenden Limburger Käses unter Christina‘s Nase.

 

Und siehe da, es wirkte: „Himmel, Herrgott, scheiß die Wand an!“, fuhr das Mädel kreischend hoch. „Ein Angriff mit Chemiewaffen!“, schrie sie und fegte kreidebleich aus‘m Zimmer.

„Mah“, schwärmte Bobby, während er den Käseduft genüsslich einatmete, „dieser Kriegsschrei hätte dem legendären Crazy Horse bei der Schlacht am Little Bighorn alle Ehre gemacht! Glaub‘ mir: Dann wär’ ihm der Sieg gegen die Weißen sofort gewiss gewesen und nicht nach Stunden!“

 

„Mein Gott, Opa!“, prustete Lisa vor Lachen. „Du bist unmöglich!“ Sie griff sich an den Kopf; schüttelte Selbigen lachend. „Aber bei dir wundert mich ja gar nix mehr!“

Bobby grinste selbstzufrieden, als er zurückblickte, um sicherzustellen, dass Christina wirklich weg war. „Glaub‘ mir, Kleine: Hannibal Smith vom A-Team hat recht - ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“

 

 

Anmerkung des Autors: Kapitel 2 wird aktuell ein weiteres Mal korrekturgelesen!

Vorgeschichte (Teil 3)

Christina stürmte wie ein ÖBB-Railjet ins Badezimmer, um sich von Panther Bobby’s üblem Limburger-Käse-Anschlag zu erholen.

 

Doch ihre Erleichterung währte nur kurz.

Kaum war sie aus der vermeintlichen Oase der Sinne zurück, fegte sie wie ein F5-Tornado über den Flur und schrie: „Bobby, du verhinderter Despot eines Panthers!“

 

Ebenjener ahnte Schlimmes; sein Blick sprach Bände.

„Mir scheint, du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ Christina's Wutgeschrei durchdrang jede Ecke des Hauses. „Was zur Hölle ist in dich gefahren, mich mit diesem perversen Limburger-Käse vergiften zu wollen?“

Wie der Racheengel mit Flammenschwert stand sie in der Tür; wechselte stechende Blicke zwischen Bobby und Lisa, die sich, aus bekannten Gründen, in einen Königstiger verwandelt hatte.

 

„Wenn du mich schon terminieren willst, dann mach’s wenigstens ordentlich mit Grabstein: Hier liegt Christina-Charlotte Braun, vergiftet durch Limburger in der Blüte ihrer Jahre, im Alter von 11!“ Ihr Sarkasmus war unüberhörbar.

Bobby ließ sich gemütlich nieder. „Von einem Giftanschlag kann kaum die Rede sein, meine Teure!“ Christina's Zorn traf ihn wie brennende Pfeile.

 

„Ich wollte dich nur zurück ins Leben holen; und das ist mir ja erstklassig gelungen – nicht wahr, Dornröschen?“ Bobby grinste frech. „Denn du weißt ja: Die Toten schlafen unter der Erde!“ Er deutete sarkastisch zum Boden.

Christina ballte die Fäuste. „Panther Bobby“, begann sie episch, „deine Boshaftigkeit wird dir eines Tages einen Freifahrtschein zur Verbannung bescheren oder gleich den Tag der offenen Tür ins Gebeinhaus!“
„Oh, ho, ho, hab’ ich Angst vor dir, Kleine!“ Bobby konnte es nicht lassen. „Du hast ja …“

Weiter kam er nicht, denn Lisa sprang auf und brüllte so laut, dass selbst Shir Khan den Schwanz eingezogen hätte.

„Hey, Freunde des guten Streitgeschmacks!“ rief Lisa zornerfüllt. „Beruhigt euch mal wieder, ja? Bobby hat’s nur gut gemeint!“ Sie schaute Christina giftig an und drohte mit erhobener Tigerpranke.

Bobby wollte etwas erwidern, doch Lisa schnitt ihm das Wort ab: „Und du, meine Schwester im Herzen, kennst diesen schwarzen Kater nicht so, wie ich ihn kenn‘!“ Vielsagende Blicke trafen Christina. „Denn tief in seiner Seele ist er mein Opa – ein Mensch, zu dem ich voller Respekt aufgeschaut habe!“

„Lisa“, begann Christina zaghaft, „es tut mir leid wegen meiner Reaktion! Aber wie hättest du an meiner Stelle reagiert?“

Keine Antwort - nur vielsagende Blicke. „Und, Bobby? Hast du auch was dazu zu sagen?“

Er kämpfte mit seinem Gewissen. „Bobby, du willst ein Panther sein? Zeig‘ ihr, wer der Herr im Haus ist! Oder hast du nicht den Mut, du abgehalfterter Räuberhauptmann des Neunkirchner Föhrenwaldes?“

Sein guter Engel auf der linken Schulter meldete sich nun zu Wort: „Bobby, mach' nicht das Verkehrte; jeder weiß, wie viel Gutes in dir steckt!“

 

Christina und Lisa erlebten Bobby's innere Zwiesprache hautnah mit. Beide wussten, dass er sich zu gern auf die Seite des Teufelchens schlug – aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, oder?

Bobby blickte von Christina zu Lisa und zurück. Die Spannung im Raum war greifbar. Schließlich atmete er tief durch und erhob sich langsam. „Christina“, begann er sanft, „ich weiß, dass mein Scherz über die Stränge geschlagen war! Manchmal vergess‘ ich, dass nicht jeder meinen Humor teilt!“

 

Er machte eine kurze Pause. „Ich wollte dir nicht schaden, nur ein bisschen Schwung reinbringen!“

Christina öffnete den Mund, doch Bobby hob die Pfote, um sie zum Schweigen zu bringen. „Lass’ mich ausreden – bitte!“

„Das Engelchen hier“, er tippte sich auf die Schulter, „hat mir klargemacht, dass ich manchmal zu weit gehe. Ja, ich hab’ Mist gebaut! Aber das ist Stoff für eine andere Geschichte!“

Er trat einen Schritt auf Christina zu und hob beschwichtigend die Pfote. „Ich entschuldige mich aufrichtig! Es war falsch von mir, und ich versteh‘, dass du wütend bist! Lass uns Frieden schließen, Herzblatt! Unsere Freundschaft ist mir zu wichtig!“

Christina's Zorn schien zu schwinden. Sie blickte zu Lisa, die ermutigend lächelte. Schließlich ließ sie die Schultern sinken und nickte. „Okay, Bobby. Aber denk' das nächste Mal zweimal nach, bevor du so einen Schwachsinn machst – okay?!“

Bobby lächelte erleichtert und streckte die Pfote aus. „Deal or No-Deal, Christina?“

Das Mädel zögerte; schlug dann aber ein: „Wir haben einen Deal, Bobby!“

Lisa atmete erleichtert auf und schloss die beiden in eine Umarmung ein. „Gut, dass ihr euch wieder vertragt! Jetzt können wir den Tag genießen, ohne uns an die Gurgel zu gehen! Was meint ihr?“

Doch unverhofft kommt oft: Plötzlich flatterte ein magischer Briefumschlag durch die offene Balkontür ins Zimmer! Christina reagierte überrascht, während Lisa und Bobby wussten, was das bedeutete. Der Umschlag landete direkt vor Bobby's Pfoten, der ihn mit hochgezogener Augenbraue öffnete.

„Typisch: Diese 3 Idioten bekommen ja alles mit!“, murmelte er, als er las, was am Umschlag stand: „Zu Pfoten von Panther Bobby – diesem verhinderten Despoten!“

 

Jener fuhr mit dem eigentlichen Inhalt fort: „Schau an, du verhinderter Despot: Siehst du endlich ein, was du vor 100 Jahren getrieben hast? Wenn du dich weiterhin gütig zeigst, schaut ein Gespräch beim Richter Dr. Martin Eulenberg für dich heraus! Was ist, du alter Heuchler: Haben wir einen Deal oder haben wir einen Deal? Beste Grüße von Dominik, Roman & Simon Neubauer!“

Bobby lächelte schelmisch, als er den Brief beiseitelegte. Mit eleganter Geste zauberte er eine silberne Gabel und ein Messer aus seinem magischen Fellkleid hervor, nahm den Brief wie eine delikate Mahlzeit zwischen die Bestecke und begann ihn genüsslich zu „verdauen“.

„Ah, köstlich, Mädels: Ein Menü, das eines Kaisers würdig wär‘!“, murmelte er mit vollem Mund und Augenzwinkern zu Christina und Lisa. „Nicht nur magische Briefe flattern durch offene Balkontüren, auch unliebsame Erinnerungen an vergangene Zeiten. Aber nach so einem Mittagessen erhol‘ ich mich jetzt erst einmal – nach einer kleinen Happenpause!“

„Oh Gott“, seufzte Christina und schüttelte den Kopf, „wer sich mit einem magischen Panther anlegt, muss auf alles gefasst sein!“ Sie konnte nicht anders, als zu lachen – die Harmonie in Casa de Berger war wiederhergestellt.

Vorgeschichte (Teil 4)

Bobby wollte sich gerade aus‘m Staub machen, als er abrupt vor der offenen Zimmertür stoppte.

 

Mit gesunder Mischung aus Neugier und Besorgnis wandte er sich an Lisa und Christina. „Und? Was habt ihr beiden jetzt vor? Ich meine“, fuhr er mit forschendem Blick fort, „jetzt, wo du, Christina, den gröbsten Schock verdaut hast, hast du sicherlich einen großen Wunsch auf Lager, oder?“ Ein schelmisches Grinsen huschte über sein Gesicht.

 

Christina errötete und schaute verlegen zu Boden; ihre Wangen brannten. Sie wusste, dass Bobby sie zu gut kannte und dass sie etwas auf'm Herzen hatte; sich aber schämte, es auszusprechen.

Er lächelte liebevoll und sagte: „Mach‘ dir keine Gedanken, meine Liebe: Du bist hier unter Freunden. Du musst dich für nichts – aber auch gar nichts – schämen!“

Lisa nickte energisch. „Genau! Ich bin, wie früher auch, für jede Schandtat bereit, egal wie verrückt sie sein mag!“

Mit einem tiefen Atemzug sammelte Christina ihren Mut. „Also ich … ich hab‘ da schon lang‘ einen großen Wunsch“, begann sie zögerlich, ihre Stimme wurde leiser. „Ich wollte einmal mit einem Tiger draußen spazieren gehen.“

Bobby und Lisa schauten sich überrascht nur an. Christina hielt den Atem an, hoffend, dass sie nicht über sie lachen oder sie für verrückt halten würden.

Doch zu ihrer Erleichterung brach Lisa in schallendes Lachen aus. „Chrissi, glaub‘ mir: Das klingt nach einem Riesenspaß! Solang‘ ich meine Strafe als Königstiger ertragen muss, mache ich da nur zu gerne mit!“

Mit breitem Grinsen fiel Christina abwechselnd Lisa und Bobby um den Hals; ihre Verlegenheit schien wie weggeblasen. Die Freude im Herzen war spürbar, doch ein Schatten schlich sich schnell zurück: Die Sorge um den schießwütigen Jäger, Bruno von Falkenhorst, nagte an ihr wie Termiten am Holz!

„Und was ist mit Bruno?“, flüsterte sie besorgt. „Ihr wisst schon: Dieser selbst ernannte Wildschütz ist ja dafür bekannt, alles und jeden erlegen zu wollen, der ihm vor die Flinte läuft!“ Ihre Stimme zitterte vor Angst. „Und einen Tiger, wie dich, lässt er sich sicher nicht entgehen!“

Lisa schüttelte energisch den Kopf. „Ach, der Idiot von Falkenhorst kann‘s gern versuchen! Ich, Lisa-Marie Berger, eine stattliche Königstigerin, werd‘ ihm schon zeigen, wo der Bartel den Most holt!“ Sie strahlte vor Siegesgewissheit. „Glaub‘ mir: Das wird eine Lektion, die er nie vergessen wird!“ Schelmisches Lachen folgte auf’m Fuß.

Diese Feststellungen waren wie eine Beruhigungspille für Christina. Mit neuer Entschlossenheit erhoben sich alle drei, vereint im Gefühl von Freundschaft und Abenteuerlust.

Gemeinsam verließen sie Lisa’s Zimmer, marschierten ins Wohnzimmer im Obergeschoss und schritten die Stufen ins Erdgeschoss hinunter – dem Vorzimmer entgegen, bereit, das Unbekannte zu erobern.

 

Als Lisa, Christina und Bobby fröhlich das Vorzimmer betraten, strahlte die Vorfreude auf’s Abenteuer heller als der Abendstern am Himmelszelt.

Bobby hob seine schwarze Pfote und verkündete: „Mädels, ich verschwind‘ mal in die Küche – hab’ gewaltigen Kohldampf, dass ich einen Elefanten verputzen könnte!“ Er lachte schelmisch beim Gedanken.

Lisa blickte zu Christina, und mit entschlossenem Nicken sagte sie: „Komm, lass uns endlich das Haus verlassen!“

Doch plötzlich erschien auf magische Weise die Dame des Hauses, Martina Berger, im Raum. Lisa hielt inne und deutete das Auftauchen ihrer Mama falsch.

„Na toll!“ Lisa rollte mit den Augen. „Mama, bitte: Du gönnst uns wohl gar keinen Spaß mehr, oder wie seh‘ ich das?!“, rief sie verärgert.

Christina zuckte zusammen und murmelte ängstlich: „Oh nein: Du weißt doch, wie sie ist, deine Mama, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat!“

Lisa war unbeeindruckt und unterbrach ihre Mama mutig: „Bei aller Liebe: Aber, wir wollen doch nur einen kleinen Spaziergang durch die Gemeinde machen! Sag‘ schon, Mama: Ist das wirklich das Weltverbrechen der Nation, das Opa einst vor 100 Jahren begehen wollte?“

 

„Das hab’ ich gehört, du kleiner Giftzwerg!“, dröhnte es zornig aus der Küche.

Martina warf ihrer Tochter in Tigergestalt ein sanftes Lächeln zu, doch diese redete einfach weiter.

„Und was die Nachbarn betrifft: Wer sagt denn, dass die Angst vor mir haben müssen? Hab’ ich denn jemals jemandem ein Haar gekrümmt in den letzten zwei Wochen?“

„Und was war mit den 100 Cheeseburgern, die du gestern zum Abendessen verputzt hast, kleiner Königstiger?“, ertönte es erneut, diesmal schelmisch, aus der Küche.

„Sehr witzig, Opa!“, gab Lisa bissig zurück.

Doch Lisa’s Mama – nicht umsonst Madame Martina, die Hellseherin genannt – wusste längst, wie diese Szene enden würde, wenn sie nicht eingriff.

Mit einem kleinen Augenzwinkern zauberte sie einen magischen Bann herbei, der Lisa sanft zum Schweigen brachte.

„Lisa-Marie, Goldstück meines Herzens“, begann sie milde lächelnd, „ich wollte dir nur sagen, dass ich keine Sekunde etwas dagegen hab‘! Aber du redest dich schon wieder um Grab und Gruft!“ Sie warf ihr deutliche Blicke des Vorwurfs zu. „Ich wollte dir lediglich mit auf‘n Weg geben, dass ihr zwei, falls ihr jemandem Unliebsamen begegnet, es nicht zu bunt treiben solltet!“

Endlich hob Martina den Bann auf, und Lisa platzte heraus: „Das hättest du auch gleich und direkt sagen können, Mama!“ Ihr drohendes Brüllen und Fauchen juckte Mama Martina keine Sekunde – auch das wusste sie wegen ihrer Fähigkeiten schon lange im Voraus!

„Ich hoff‘ aber nun wirklich, wir treffen niemanden, den ich nicht leiden kann!“, fügte Lisa nach kurzer Pause hinzu. „Denn ich kenn‘ mich zu gut: Mein Temperament kocht schnell hoch, und ich will mich nicht mit den Brüdern Neubauer des Hexenrats anlegen – die können – nicht wahr, Opa“, rief sie neckisch in die Küche, „mühelos aus 3 Wochen, 300 Jahre Strafe einem einbrocken!“

„Elisabeth-Marie Berger“, fauchte Panther Bobby, „ich glaube, du spielst mit deiner Gesundheit – nicht wahr?“ Doch weiter kam er nicht - denn er wurde jäh von seiner Schwiegertochter rüde unterbrochen.

„Robert-Alois Berger Sr.“, rief diese nun und verschwand auf magische Art und Weise in die Küche, um diese Angelegenheit zu klären.

„Typisch, Bobby“, lachte Lisa, „hält mal wieder die Wahrheit nicht aus, der alte Sauertopf!“

Abermals dröhnte es aus der Küche: „Sauertopf? Ich geb’ dir gleich Sauertopf, du missratene, bestrafte Junghexe von 12 Jahren!“

„Großer gegrillter Käsegeist“, fluchte Lisa, die Schlimmes ahnte. „Jetzt ist‘s wohl an der Zeit, dass wir unsere Flucht nach vorn antreten, oder, Chrissi?“ Sie wandte sich ihrer Freundin zu.

„Weisere Worte gibt’s wohl kaum!“, erwiderte diese und riss die Haustür auf. Beide stürmten auf den Kiesweg hinaus, und Christina warf polternd die Tür hinter sich ins Schloss.

Im selben Moment schoss Bobby mit einer Intensität, die jenseits von gut und böse lag, aus der Küche und stürmte auf die Tür zu.

„Großer Gott im Himmel: Ich kann dieses Unglück nicht mit ansehen“, rief Jerry-Maus, die vorwitzig vom Wohnzimmer heranmarschiert kam.

Ein grauenhaftes Poltern war im gesamten Haus zu hören, und Jerry, die Hausmaus von Casa de Berger, rief schadenfroh: „Tja, wie heißt’s doch so schön: Marmor, Stein und Eisen bricht; doch Bobby‘s weiche Birne – nicht!“

Nun ja, liebe Leser: Hätte die gute Jerry-Maus das mal unterlassen! Bobby klebte zwar wie ein Abziehmännchen an der geschlossenen Haustür, dennoch rief er inbrünstig: „Jerry, du gottverdammter kleiner Käsedieb!“, und löste sich langsam von der Holzkonstruktion. „Das war dein letzter Streich – das schwör’ ich dir!“

 

„Oh, oh“, erwiderte Jerry, „da ging ich wohl eine Spur zu weit!“ Der Schrecken stand dem kleinen Mäuserich ins Gesicht geschrieben, ehe er geschwind, wie Speedy Gonzales - die schnellste Maus von Mexiko, sein Heil in der Flucht in die Küche suchte.

Und Bobby, der wechselte in Sekundenschnelle seine Größe: vom großen Panther zum kleinen, niedlichen schwarzen Zimmertiger und stürmte Jerry-Maus nach, um ihn zu fangen.

Aber ob's diesmal was würde, mit Mäusebraten á la Chefkoch-Bobby stand in den Sternen! Lediglich Madame Martina kannte die Antwort, und die schwieg und genoss das kurzweilige Spiel Katz' & Maus - ich jag' dich durch's Haus.

 

Wichtige Anmerkung des Autors: Kapitel 4 wird natürlich noch fortgesetzt und ist in der jetzigen Form in der Beta-Phase!

Vorgeschichte (Teil 5)

Der letzte (halbwegs) normale Abend

Ein Morgen, wie kein anderer

Unglaubliche Erkenntnisse

Lisa's Einführung in die Welt der Hexen & Magier

Eine unerwartete Reise nach Bregen (Teil 1)

Ein unvergesslicher Abstecher nach Markt Eisenberg

A

Eine unerwartete Reise nach Bregenz (Teil 2)

Die Geheimnisse von Area 51 & Cheyenne Mountain

Lisa zu Besuch in der 4. Dimension

Lisa's schönstes Geburtstagsgeschenk

Eine verhängnisvolle Reise in die Vergangenheit

Strafe muss sein!

Epilog

Quellenverzeichnis

Impressum

Texte: Copyright by Robert Berger
Bildmaterialien: Image Creator by Microsoft Designer
Cover: Mysticsartdesign: www.pixabay.com
Lektorat: Robert Berger & OpenAI's ChatGPT
Korrektorat: Robert Berger & OpenAI's ChatGPT
Satz: Robert Berger
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2024

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diese Geschichte widme ich allen Träumern & Abenteurern, die sich nach einer Welt voller Magie, Hexerei, Wunder und Abenteuer sehnen. Möge euch Lisa's Geschichte inspirieren, an die Kraft der Freundschaft und der Magie, die in jedem von uns steckt, zu glauben. Viel Spaß beim Lesen wünscht euch Robert Berger

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