SITTENLOS (1)
wie alles begann
von Biggi Alexander
Kostenloses und frei kopierbares E-Book.
Download unter: www.sittenlos.de
Band 1 kann als E-Book nicht käuflich erworben werden, sondern ist kostenlos und frei kopierbar. Es darf und soll als E-Book auf Datenträgern, per Mail sowie im Internet (Foren, Blogs, Leserunden, Facebook usw.) frei kopiert, veröffentlicht und weiter gegeben werden, vorausgesetzt, der Inhalt bleibt unverändert.
Text und Cover
Copyright © 2014
Biggi Alexander
Alle Rechte vorbehalten.
biggi@alexanderstory.de
www.alexanderstory.de
www.sittenlos.de
Die Handlung der Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.
Inhaltsverzeichnis
Mai 2014
Liebevoll streichelte sie das Alcantara Lenkrad und spielte mit den beiden Schaltwippen dahinter. Links einen Gang runter und rechts einen Gang hoch, genau wie im Rennwagen, perfekt.
So muss ein Auto sein. Nein so muss mein Auto sein. Eine besondere Frau wie ich verdient schließlich auch ein besonderes Auto.
Sie lehnte sich entspannt im Schalensitz zurück und wartete darauf, dass endlich die Schranke des Porsche Werkes den Weg für sie und ihr herrliches neues Spielzeug freigab.
Vor zwei Stunden war sie mit dem ICE in Stuttgart angekommen und am Hauptbahnhof in die S-Bahn umgestiegen. Als Gepäck nur eine kleine Reisetasche, Neudeutsch Weekender, mit dem Nötigsten, was eine Frau für zwei Übernachtungen im Hotel brauchte und ein paar Nummernschilder mit dem üblichen Standardkennzeichen GL BB 100. Für den Rest würden ihre Platin Kreditkarten sorgen.
Fantastisches Wetter morgens um zehn in Stuttgart Zuffenhausen. Sonne satt, kein Wölkchen am Himmel und schon angenehme 23 Grad. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Besser konnte es gar nicht sein für die erste Ausfahrt im nagelneuen schneeweißen Porsche 911 Turbo S Cabrio.
Surrend öffnete sich das Verdeck ihres neuen Spaßmobiles. Endlich drang das herrliche Geräusch des aufgeladenen Sechszylinders ungefiltert an ihr Ohr. Frau gönnt sich ja sonst nichts. Der Job als Leiterin einer Corporate Finance Abteilung brachte ihr ein Jahresgehalt von inzwischen weit über 500000 Euro ein, von dem sich recht gut leben ließ. Wenn sie gut war, und das war sie bisher immer, kam einmal im Jahr eine üppige Bonuszahlung.
Die Letzte langte locker für diesen 560 PS Luxus und noch eine ganze Menge mehr.
Das war nicht immer so gewesen.
4 Jahre vorher
16. April 2010
Sie kniff missmutig ein Auge zu, schaute sich die Menschen durch ihr Champagnerglas an. Sie mochte diesen Tag nicht. Den Anfang schon, der war bisher okay, aber das Ende bestimmt nicht.
Freitage endeten fast immer schlecht. Nachher, wenn sie in der Villa in seinem Bett lag, dann würde es wieder passieren. Warum musste sie gerade jetzt an ›The same procedure as every year‹ denken? ›Dinner for One‹ lief zum Glück nur ein Mal im Jahr. Freitage bedeutend häufiger. Deswegen hasste sie Freitage.
Die anderen Tage mit ihm waren okay. Eigentlich mochte sie ihn sogar. Gebildet, charmant, humorvoll, halbwegs gut aussehend, zumindest in seinen perfekt geschneiderten Maßanzügen und ziemlich wohlhabend. Seit zwei Jahren gaben sie ein schickes Paar ab. Doktor Bernd Diepenbroich, 34, einer der größten Immobilien Magnaten von NRW und Barbara Bach, genannt Babs, 25, ebenfalls gebildet und verdammt gut aussehend. Wenn sie wollte, konnte sie durchaus charmant, manchmal sogar humorvoll sein. Nur das wohlhabend fehlte im Moment noch.
Ihren alten Spitznamen Eisfrau kannte hier niemand. Den gaben ihr vor Jahren Schulkameradinnen, weil sie so gut wie nie Gefühle zeigte. Emotionen blendeten den Geist und verhinderten logisches Denken. Darauf hörten nur Schwächlinge. Wer stark sein wollte und Babs wollte verdammt stark sein, der ignorierte Gefühle und verließ sich grundsätzlich auf seinen Verstand. Damit hatte sie es immerhin vom armen Würstchen bis hierhin in die High Society von Köln geschafft. Auch die Beziehung zu Bernd war, zumindest von ihrer Seite, keine Liebesbeziehung.
Sie schaute an sich herunter. Schwarzes Etuikleid von Miu Miu, abenteuerlich hohe Peep Toes von Gucci, Clutch von Prada, ein paar echte Perlenklunker am Hals und Handgelenk. An ihrem Körper hing mehr Geld, als sie in sechs Monaten verdiente. Alles mit seiner Kreditkarte bezahlt. Sogar die teure Spitzenunterwäsche lag außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten. Er hielt sie hundertprozentig aus. Ganz so weit hätte es allerdings nicht kommen dürfen. Ihr Verstand hatte sich zu sehr vom Luxusleben blenden lassen und eine früher völlig undenkbare Abhängigkeit von einem Mann zugelassen. Heute zahlte sie den Preis dafür. Sie hasste die Freitage in seinem Bett.
Das könnte sich bald ändern. In der Bank wurde eine ziemlich gut bezahlte Stelle frei. Seit einer Woche lag ihre Bewerbung auf dem Tisch der Personalabteilung. Nächste Woche musste sie zur Geschäftsführung und begründen, warum ausgerechnet sie die Beste dafür sein sollte. Sie wusste warum. Die Schwierigkeit bestand darin, die anderen davon zu überzeugen. Gelang ihr das, konnte sie alle Bernds dieser Welt zum Teufel jagen.
In knapp zwei Wochen feierte sie ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag. Bernd plante irgendwas Besonderes für diesen Tag. Normalerweise konnte er nichts vor ihr geheim halten. Wenn sie etwas wissen wollte, dann bekam sie es auch heraus. Sie wusste bereits, es würde ein nagelneuer Audi TTRS für sie vor der Tür stehen. Ihren klapprigen Smart konnte sie dann endlich ausrangieren. Aber es braute sich noch etwas zusammen. Das merkte sie deutlich. Alle Versuche, das letzte Geheimnis ihres bevorstehenden Geburtstages zu erfahren, schlugen fehl. Bernd hielt eisern den Mund. Nichts außer vagen Andeutungen. Das beunruhigte sie. Jetzt musste sie aber erst einmal den heutigen Freitag überstehen. Seit drei Stunden langweilte sie sich auf dieser Vernissage. Irgendein aufstrebender Künstler stellte seine Werke aus. Bernd gehörte zu den bedeutendsten Kunstmäzenen und Kunstliebhabern von Köln. Er wurde auf so ziemlich jede Vernissage eingeladen, schließlich besaß er das nötige Kleingeld. Der Künstler erhoffte sich vermutlich ein paar seiner furchtbaren Werke, die hier überall an der Wand hingen, an ihn verkaufen zu können.
Von Beginn an hielt sie sich an ihrem Champagnerglas fest. Alle fünf Minuten nippte sie vornehm einen winzigen Tropfen daraus. Bei diesem Tempo würde das Glas noch recht lange reichen. Warum betrank sie sich eigentlich nicht? Da vorne standen noch genug volle Dom Perignon Flaschen herum. Dann wäre der Rest des Abends, bestimmt einfacher zu ertragen. Nicht nur später in der Villa, sondern auch jetzt. Aber erstens trank sie nie zu viel und zweitens musste sie nachher seinen nagelneuen Aston Martin One-77 fahren. Bernd hingegen genehmigte sich gerne ein paar Gläschen. Meistens mehr als seinem Führerschein und seinem ohnehin miserablem Fahrvermögen gut tat. Es gab nur eine Sache, die er noch schlechter als Autofahren konnte und genau das würde er ihr nachher wieder beweisen.
»Werden die Menschen durch den Champagner schöner?«, wurden ihre trüben Gedanken plötzlich von einer samtweichen Männerstimme unterbrochen. Sie drehte sich zum Ursprung um. Groß, breitschultrig, zu einem langen Pferdeschwanz gebundene glänzend schwarze Haare, und zwei dunkelbraune Augen, in denen das Feuer einer südländischen Sonne glühte. Das weiße Hemd fast bis zum Bauchnabel geöffnet, bildete den perfekten Kontrast zu seiner gebräunten Brust, voller kleiner schwarzer Locken, die förmlich dazu einluden, darin zu wühlen. Der Rest von ihm steckte in einer engen schwarzen Lederhose mit seitlicher Schnürung an den Beinen. Spanischer konnte kein Spanier aussehen. Sie hatte ihn vorhin kurz bei einem Gespräch mit Bernd gesehen, ihm aber keine sonderliche Beachtung geschenkt. Ein Fehler, wie sie jetzt feststellte.
»Nicht schöner, aber amüsanter«, antwortete Babs vorsichtig.
»Dann sollte ich es auch mal versuchen.« Der schöne Unbekannte hob sein Glas, kniff ein Auge zu und drehte sich ein Mal um seine eigene Achse. »Stimmt, Sie haben recht. Den Trick muss ich mir merken. So kann ich es noch eine Zeit lang hier aushalten.«
Babs schaute ihn fragend an.
»Ich hasse Vernissagen«, fügte er als Erklärung an.
»Unter den Voraussetzungen wäre ich an Ihrer Stelle gar nicht erst hergekommen.«
»Wenn das so einfach wäre.« Er schwieg einen Moment. »Außerdem hätten wir uns dann nicht kennengelernt.«
»Haben wir uns denn schon kennengelernt?«
»Oh, Verzeihung, wie unaufmerksam von mir. Sie haben natürlich recht. Gestatten, José Fernández, Beruf: Taugenichts und Lebenskünstler.«
Dabei sprach er das ›J‹ von José typisch spanisch, als raues ›CH‹ aus und fügte ein langes ›E‹ an das Ende. Irgendwie klang dieses ›Chosee‹ in Babs Ohren unerhört erotisch.
»Sehr angenehm Señor José Fernández.« Sie sprach seinen Namen ebenfalls perfekt spanisch aus. »Interessanter Beruf. Meine Vita fällt deutlich dagegen ab.«
»Keineswegs.« Wieder machte er eine kleine Pause. »Sie sind Barbara Bach, von Freunden Babs genannt, 25 Jahre alt und mit Abstand die attraktivste und erotischste Frau heute Abend.«
»Señor Fernández, warum drängen sich mir soeben heftige Zweifel an der Tugendhaftigkeit Ihrer Motive auf?«
Er lachte rau. »Ich habe nie behauptet, solche Motive zu haben.«
Babs war einen Moment ratlos. Die Unterhaltung, bis hierhin sehr amüsant, ging jetzt in eine Richtung, die ihr normalerweise missfiel. An einem Flirt fehlte ihr im Moment jegliches Interesse. Sie überlegte kurz, den merkwürdigen Spanier einfach stehen zu lassen und sich anderen Dingen zu widmen. Aber was? Der Typ stellte im Moment die mit Abstand interessanteste Zerstreuung dar. Außerdem merkte sie eine erstaunliche Reaktion in ihrem Körper. Es prickelte ganz leicht. Nicht irgendwo, sondern da, wo Bernd sich jeden Freitag erfolglos um genau dieses Prickeln bemühte. Sie beschloss, auf José Fernández dreistes Spiel einzugehen.
»Wie konnte ich auch nur so töricht sein, Ihnen edle Motive in Bezug auf meine Person zu unterstellen?«
»Sie tun mir Unrecht. Was gibt es Edleres für einen Mann, als einer Frau wie Ihnen die geheimsten Wünsche zu erfüllen?«
»Kennen Sie die denn überhaupt?«
Er trat überraschend einen Schritt auf Babs zu. Fast berührten sich jetzt ihre Körper. Babs spürte die Hitze seines muskulösen Körpers, roch sein herbes Aftershave. Er strahlte tatsächlich so etwas wie Erotik aus. Für einen kurzen Augenblick stellte sie sich lächelnd vor, wie es wäre mit den verführerischen Locken auf seiner Brust zu spielen.
Ihr Lächeln ermutigte ihn, noch frecher zu werden. Er legte die Hand unter ihr Kinn und zog es nach oben, sodass sie ihm direkt in die Augen schauen musste.
»Ich beobachte dich seit einer Stunde. Deine Bewegungen, deine Körpersprache haben mir schon so viel von dir erzählt. Jetzt sehe ich das lodernde Feuer in deinen Augen, die Sehnsucht nach Erfüllung. Du bist ein Vulkan, der nur darauf wartet, endlich auszubrechen. Jede Faser deines Körpers schreit danach.«
Babs lachte amüsiert über seine Worte, die jedem billigen Kitschroman zu Ehre gereicht hätten, stellte aber gleichzeitig mit Entsetzten fest, wie ihr Körper darauf reagierte. Das Vibrieren seiner samtweichen Stimme stieß tief in ihrem Inneren ein paar unbekannte Saiten an. Taute die Eisfrau etwa auf? Sie spürte beginnendes Verlangen zwischen ihren Beinen. Seine wenigen Worte erregten sie stärker, als es Bernd jemals mit seinen ungeschickten Fingern fertigbrachte. Was würde erst passieren, wenn seine Finger …? Besser nicht daran denken!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fuhr er fort: »Du brennst bereits lichterloh. Lass uns von hier verschwinden. Ich verspreche dir, heute Nacht werden deine geheimsten Wünsche erfüllt, auch die, von denen du selber bisher noch nichts geahnt hast. Vergeude dich nicht an einen Idioten.«
Seine Hand, die eben noch ihr Kinn hielt, streichelte kurz ihren Hals und schob sich unerhört zärtlich in ihren Nacken. »Ich sehe es in deinen Augen, ich kann deine Lust förmlich riechen.«
Babs Körper reagierte aus ihr unerfindlichen Gründen immer heftiger auf die erotische Ausstrahlung des merkwürdigen Fremden. Sie verspürte sogar eine gewisse Lust, sich an seine Brust zu lehnen und die weiteren Entscheidungen einfach ihrem Körper zu überlassen. Ihr immer noch hellwacher Verstand schüttelte entsetzt den Kopf und beschloss, dieser albernen Gefühlsduselei ein Ende zu bereiten. Sein Flirt war gut, aber nicht gut genug. Die Eisfrau schleppte niemand, nur mit ein paar heißen Worten, in die Besenkammer. Vor allen Dingen nicht, wenn ihr schönes Luxusleben auf dem Spiel stand. Außerdem hasste sie es, wenn sie ungefragt geduzt wurde.
»Ich stinke also?«, antwortete sie. »Wie peinlich.«
Er stockte einen Moment. »Stinken? … Nein, natürlich nicht. … Ähm … die Lust einer Frau ist wie ein fantastisches Parfüm …«
Babs lachte amüsiert auf. »Typisch Mann. Da studiert er mühselig eine perfekte Masche ein und lässt sich dann von einer einfachen kleinen Gegenfrage völlig aus dem Konzept bringen. Das mag für ein hirnloses Blondchen langen, aber nicht für eine halbwegs intelligente Frau.«
»Aber … ich … wieso Masche?«, stotterte er verlegen.
Babs beschloss, auf seine Duzerei einzugehen. »Nun hör schon auf mit dem Mist. Deine Show war gut, aber für blöd verkaufen solltest du mich nicht.«
»Okay, du hast gewonnen«, seine Stimme klang auf einmal gar nicht mehr so erotisch.
»Fallen viele darauf rein?«
»Die Quote ist nicht schlecht«, antwortete er mit einem offenen Lächeln. »Ist auf jeden Fall meine bisher erfolgreichste Masche. So schnell wie du ist noch keine dahinter gekommen.«
»Danke, das war dann wohl das erste ehrliche Kompliment von dir, oder?«
»Jetzt tust du mir wirklich Unrecht. Außer dem erotischen Gesülze rundum war alles andere ernst gemeint.«
»Versuchst du es schon wieder?«
»Ich habe nie aufgehört. Aber Spaß beiseite. Ich habe dich wirklich die ganze Zeit beobachtet und fand dich super.«
»Kann ich verstehen, ich finde mich ja auch super«, lachte Babs. »Wie hast du meinen Namen und mein Alter erfahren.«
»Das war einfach. Da hinten, die Blonde, mit dem grünen Kleid und den roten High Heels. Der habe ich einfach erzählt, dass ich glaube, dich zu kennen und mit dir in die Schule gegangen bin. So ganz auf die blöde Tour. … Die heißt doch Marianne Schmitz. … Nein, Barbara Bach. … Ach ja stimmt. 24 müsste die jetzt sein. … Nein, die wird nächste Woche 26. … Hatte die nicht auch einen Spitznamen? … Ja, klar, wir sagen alle Babs zu ihr. … Und so hat sie mir alles über dich erzählt.«
»Tina? Dieses selten blöde Huhn. Mit der werde ich ein ernstes Wörtchen reden.«
»Bitte tu es nicht. Sie ist geistig einfach gestrickt. Sie kann nichts dafür.«
»Na gut. Mein Name ist echt. Wie sieht es mit Señor José Fernández, Taugenichts und Lebenskünstler aus? Ist der auch echt?«
»Der Name ist auch echt. Von Beruf Künstler und damit wären wir wieder beim Taugenichts.«
»Hallo José, ich bin die Babs, nett dich kennenzulernen.« Babs streckte ihm freundschaftlich die Hand entgegen.
José schüttelte erleichtert ihre Hand. »Nenn mich einfach Jo. Den José kann hier eh kaum jemand richtig aussprechen. Jo passt auch viel besser zu ne kölsche Jung wie mir.«
»Hallo Jo«, wurde er da plötzlich von einer älteren Dame mit Stock im teuren Chanel Kostüm unterbrochen. »Ich suche Sie schon überall. Sie haben doch bestimmt einen Moment Zeit für mich?«
»Sorry, um die Lady muss ich mich kümmern. Die will heute hoffentlich einen ziemlichen Batzen Geld ausgeben und der sollte in meiner Tasche landen. Wir sehen uns noch«, flüsterte er Babs ins Ohr.
Jo hakte die alte Dame ein und zog mit ihr davon. Babs lächelte ihm noch einen Moment nach, dann kamen prompt ihre trüben Gedanken zurück. Sie widmete sich wieder ihrem Sektglas und versuchte die nächsten 15 Minuten recht erfolglos ihre Langeweile zu bekämpfen.
»Na, noch böse auf mich?« Zum zweiten Mal wurden ihre trüben Gedanken von Jos samtweicher Männerstimme unterbrochen.
»Versucht etwa Señor José Fernández, der Taugenichts und Lebenskünstler, schon wieder unschuldige junge Mädchen zu verführen?«, antwortete sie ohne sich umzudrehen.
»Aber Señorita Barbara Bach! Wo denken Sie hin? Ich würde nie meine Hand an Ihr unschuldiges zartes Fleisch legen. … Wobei ich da so ein paar Zweifel habe.«
»Doch nicht etwa, ob es wirklich zart ist?«
»Oh nein, niemals. Davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Ach! Von meiner Unschuld aber nicht?«, jetzt drehte sich Babs lächelnd zu ihm um. Erstaunlich, wie er es schaffte, mit ein paar Worten ihre trübseligen Gedanken zu vertreiben und stattdessen, ein wohliges Kribbeln im Unterleib zu erzeugen. »Mon Dieu. Ich fasse es nicht. Wie kann ein wirklicher Edelmann nur an meiner Unschuld zweifeln?«
»Mon Dieu ist aber Französisch und nicht Spanisch.«
»Kannst du etwa kein Französisch.«
»Verdammt gut sogar. Nur sprechen kann ich es nicht.« Er grinste sie frech an. »Würde ich dir gerne mal beweisen.«
»Du Ferkel.«
»Was? Ferkel? Du hast ganz schön merkwürdige Ansichten.«
»Ich bin halt eine anständige Señorita.«
»So siehst du aber gar nicht aus.«
»Vorsicht Jo! Es langt jetzt. Du spielst mit dem Feuer.«
»Damit kann ich umgehen. Komm mit und ich zeige es dir.«
»Du solltest dir langsam etwas anderes ausdenken. Die José Fernández Masche taugt nichts.«
»Zumindest hat sie es geschafft, dass ich seit gut fünf Minuten mit der attraktivsten und erotischsten Frau des ganzen Abends flirte. Vielleicht schaffe ich damit ja auch noch den Rest meines Planes.«
Ihre Freude über die willkommene Abwechslung mit Jo schlug langsam in Ärger um. Glaubte der Einfaltspinsel wirklich, sein Gesülze langte, eine Frau wie sie zu erobern? Er fing an, ein wenig zu nerven. Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab: »Und wie sähe der weitere Plan aus?«
»Wir verschwinden. Machen einen kleinen Spaziergang in eine gemütliche Bar. Dann lade ich dich zu einem Kaffee bei mir ein und zeige dir meine Briefmarkensammlung.«
Babs zeigte auf ihre High Heels. »Damit gehe ich garantiert nicht spazieren?«
»Na gut. Streichen wir einfach Bar, Kaffee und Briefmarkensammlung. Ich wohne direkt hier oben drüber. Es gibt sogar einen Aufzug im Haus, wenn auch einen ganz langsamen. Bis wir oben sind, hast du garantiert nichts mehr an.«
»Und wovon träumt mein Möchtegern Don Juan nachts?«, lachte Babs. »Erzähl ruhig weiter.«
»Du kannst wählen zwischen Schlafzimmer oder Küchentisch. Ich werde jeden Zentimeter deines Körpers erkunden. Mit meinen Händen und meinem Mund. Wenn du willst, werden heute deine geheimsten Wünsche wahr.«
Babs spürte erneut leichte Hitze aufsteigen. Das ärgerte sie. Sie hasste Reaktionen ihres Körpers, die nicht im Einvernehmen mit ihrem Verstand passierten. Zeit also, das Spielchen endgültig zu beenden.
»Hast du dir aber wieder fein ausgedacht. Hat nur einen gewaltigen Schönheitsfehler.«
»Welchen?«
»Du und dein Küchentisch müsst weiter von mir träumen. Ich werde nachher mit einem Mann im Bett liegen, aber bestimmt nicht mit dir.«
»Hoffentlich ist er so gut wie ich«, antwortete Jo traurig. »Du hättest es verdient.«
Autsch. Jo hatte tatsächlich genau ins Schwarze getroffen. Das tat weh. Babs spürte den Stich im Herzen, antwortete aber trotzdem kalt lächelnd: »Verlass dich drauf.«
»Babs, da bist du ja«, hörte sie in dem Moment Bernds vertraute Stimme. »Ich habe dich schon überall gesucht.«
Er kam von der Seite auf sie beide zu, wie immer mit einem gefüllten Glas in der Hand. An seinem Gang erkannte sie, dass er heute bereits einige gefüllte Gläser hatte.
»Ach ihr kennt euch schon?«, fragte er verwundert.
»Hallo Herr Doktor Diepenbroich«, antwortete Jo. »Wir sind zufällig ins Gespräch gekommen und haben ein wenig geplaudert. Kennen Sie Frau Bach ebenfalls?«
»Kennen ist gut.« Bernd lachte laut auf und nahm Babs in den Arm. »Na Schatz, gefallen dir seine Bilder? Sag mir welche und ich schenke sie dir. Ich habe zwar schon einige davon gekauft, aber auf ein paar mehr kommt es mir nicht an.«
Babs erkannte aus den Augenwinkeln, wie Jo erbleichte. Er hatte versucht, die Freundin seines wichtigsten Mäzens abzuschleppen und das auch noch auf eine ziemlich blöde Art. Wenn Bernd das heraus bekäme, wäre es aus mit seiner Künstlerkarriere.
Jetzt macht sich der Feigling fast in die Hose. Na Jo, wo sind deine markigen Sprüche von eben? Ich soll mich nicht an einen Idioten verschenken? Wollen wir Bernd mal fragen, was er von dem angeblichen Idioten hält?
»Liebling, ich habe dich so vermisst«, gurrte sie zuckersüß, gab Bernd einen leidenschaftlichen Zungenkuss und drückte ihr Becken heftig gegen ihn. Sie hasste solche nassen Küsse und vermied sie nach Möglichkeit. Aber das hier rechtfertigte eine Ausnahme. Diesmal musste es sein. Sie wollte Jo eine gute Show bieten und irgendwie machte ihr sogar die Beckenaktion Spaß. Das Prickeln verstärkte sich spürbar. Sie hatte Lust auf Bernd! Das gab es noch nie. Wenigstens etwas, das Jo mit seiner erfolglosen Anmache gelungen war. Vielleicht würde der Freitag heute viel besser als erwartet werden.
»Du hast bestimmt die Richtigen gekauft. Mit schönen Dingen kannst du doch umgehen.«
Babs wusste, wenn Bernd etwas getrunken hatte, neigte er zu leichten Anzüglichkeiten. Sie gab ihm gerade die perfekte Steilvorlage dafür.
»Ach, mein kleines Wildpferd. Kannst es kaum erwarten, bis wir endlich zu Hause sind. … Du darfst bestimmen, wo wir seine Bilder hinhängen.«
»Dann in die Garage«, platzte es aus Babs heraus.
Jo schaute sie wütend an.
Bernd lachte schallend. »Gefallen sie dir nicht oder hat er dich geärgert?«
Sogar Jo erkannte den gefährlichen Unterton in seiner Stimme. Er schaute Babs flehend an. Betrunken oder nicht, Bernd war immer noch der clevere und skrupellose Geschäftsmann.
»Spielt das eine Rolle?«, fragte sie mit Unschuldsmiene, obwohl sie die Antwort genau kannte.
»Natürlich mein Engel. Niemand darf dich ungestraft ärgern … außer mir natürlich. Also sag schon, ob ich ihn einen Kopf kürzer machen soll.«
»Die Bilder sind hässlich.«
»Findest du wirklich?«
»Das Schönste, was hier an der Wand hängt, ist das da.« Dabei zeigte sie böse grinsend mit dem Finger auf eine Stelle an der Wand.
»Das ist der Feuerlöscher«, warf Jo entsetzt ein.
»Ich weiß«, antwortete Babs trocken.
»Also dann doch in die Garage.«
»Da haben sie aber schon harte Konkurrenz.«
»Konkurrenz in unserer Garage«, fragte Bernd ungläubig. »Wieso?«
»Da hängt auch ein Feuerlöscher.«
Bernd hielt sich den Bauch vor Lachen.
Babs schlang die Arme um Bernd und schmiegte sich an ihn. »Liebling, ich will nach Hause, ins Bettchen«, gurrte sie lüstern. »Hier ist alles so langweilig.«
Sie schaute Jo grinsend an und zeigte ihm hinter Bernds Rücken den ausgestreckten Mittelfinger.
»Gleich Schatz. Ich muss noch mit ein paar Leuten reden. Höchstens 15 Minuten. Versprochen.« Bernd verschwand wieder in der Menge.
»Das war nicht nett von dir«, warf ihr Jo leise vor.
»Ich weiß.« Babs zuckte gleichgültig mit den Schultern und beachtete ihn nicht weiter. Sie ärgerte sich maßlos über Bernd. Endlich einmal war sie scharf auf ihn, da musste er unbedingt noch mit ein paar Leuten reden. Bis dahin würde bei ihr alles wieder eingeschlafen sein und es gab nachher doch nur eine weitere Folge ›Dinner for One‹.
»Du hättest mir fast mein Geschäft kaputtgemacht«, machte sich Jo wieder bemerkbar.
»Halb so wild. In seinem Keller liegen eine Menge schlechte Bilder. Das ist ihm völlig egal. Von Kunst hat er sowieso keine Ahnung.«
»Sind meine Bilder denn wirklich so schlecht?« Jos Stimme klang enttäuscht.
»Woher soll ich das Wissen. Müsste ich mir erst mal anschauen. Welche sind denn von dir?«
»Na alle. Das ist meine Vernissage.«
»Deine Vernissage? Wusste ich nicht.«
»Stand aber auf der Einladung.«
»Einladung habe ich keine bekommen.«
»Natürlich nicht. Betthäschen stehen nicht in meinem Adressbuch.« Diesmal lachte er schadenfroh.
Babs fuhr auf dem Absatz herum. »Pass mal auf, du kleiner Wicht, noch so ein Spruch und du kannst dir deine Bilder aufs Klo hängen«, zischte sie ihm wütend zu.
»Ist schon gut. Reg dich wieder ab. War nicht so gemeint.«
»Das will ich schwer hoffen. Ich bin nicht sein Betthäschen. Wir sind seit zwei Jahren fest zusammen.«
»Liebt er dich?«
»Ich glaube schon.«
»Liebst du ihn?«
Du ahnungsloser Scherzkeks. Ich weiß gar nicht, wie das geht. Ich mag ihn irgendwie, aber mehr nicht. Und sein Geld mag ich noch viel mehr. Sonst wäre ich schon längst weg. … Wenn ich das jetzt zugebe, dann hat Jo recht mit dem Betthäschen. … Hm, wenn ich es nicht zugebe, dann hat Jo doch trotzdem recht, er weiß es nur nicht. … Ich aber schon. Scheiße. Ich bin ein geldgeiles Betthäschen und ein Schlechtes noch dazu.
Babs antwortete: »Das geht dich nichts an.«
»Hält er dich aus?«
»Nein!«
»Ach? Kleid, Schuhe, Tasche, Uhr und Schmuck sehen verdammt teuer aus. Alles selber bezahlt?«
Babs zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. »Klar habe ich dafür bezahlt.«
Jo trat direkt vor sie und flüsterte ihr zu: »Ich weiß auch womit. Du bist keinen Deut besser als ich. Ich zieh ihm sein Geld mit meinen Bildern aus der Tasche und du lässt dich dafür vögeln.«
Das hätte er nicht sagen dürfen. Sie legte fast liebevoll einen Arm in seinen Nacken. Ganz so, als wollte sie ihm gleich etwas besonders nettes ins Ohr flüstern. Dann zog sie blitzschnell ihr Knie an und rammte es Jo in den Unterleib. Ächzend sackte er zusammen. Sofort griff sie zu und hielt ihn notdürftig auf den Beinen. Ein unauffälliger Blick in die Runde. Niemand nahm Notiz von ihnen. Leise flüsterte sie ihm ins Ohr: »Armer Jo, das tut bestimmt höllisch weh. Und ab jetzt für dich wieder Frau Bach. Verstanden?«
Als Jo nicht sofort antwortete, griff sie mit der rechten Hand seinen kleinen Finger und bog ihn nach hinten. »Verstanden?« Sie verdeckte den verbogenen Finger geschickt mit ihrem Körper. Niemand konnte sehen, was sie mit Jo anstellte. Er hingegen hatte keine Möglichkeit sich dagegen wirkungsvoll zu wehren, ohne dass es Aufsehen erregt hätte.
»Bist du verrückt!«, stöhnte Jo mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Autsch! Das tut weh.«
»Ob du verstanden hast, will ich wissen.« Babs bog noch etwas stärker.
»Scheiße, lass den Finger los!«
»Hast du verstanden?« Sie bog den Finger noch weiter.
»Ja du Miststück, ich habe verstanden?«
»Anscheinend nicht. Wie heiße ich?« Babs drückte noch fester zu.
»Ja, Frau Bach, ich habe verstanden«, presste er mühsam hervor.
»So ist es brav, war doch gar nicht so schwer, oder?« Sie ließ nun endlich seinen Finger los. Jo hielt sich den schmerzenden Finger. Seine Beine trugen ihn wieder, nur der Schmerz wirkte noch etwas nach. Babs Tritt würde er so schnell nicht vergessen. Aber Jo war ein Muskelberg von fast neunzig Kilo. Nachdem er seinen Finger endlich zurückhatte und die schlimmsten Schmerzen in seinen Weichteilen ebenfalls nachließen, beschloss er, Babs mit gleicher Münze eine Lektion zu erteilen. Er drehte sich etwas zur Seite. So bot sein Unterleib Babs Knie kein lohnendes Ziel mehr. Dann griff seine rechte Hand beherzt zu und legte sich wie ein Schraubstock um Babs rechten Unterarm. Sie schaute ihn verwundert an. Er lächelte siegessicher zurück und drückte mit aller Kraft zu. Niemand rundum würde bemerken, welche Schmerzen er Babs damit zufügte. Seine Erwartung wurde jedoch komplett enttäuscht. Kein Schmerzenslaut von ihr, kein Wimmern und kein Stöhnen. Er spürte unter seiner Hand nur ihre erstaunlich harten Muskeln.
Babs schüttelte mitleidig lächelnd den Kopf und sagte: »Also doch nicht verstanden.« Im gleichen Moment schnellte ihre linke Hand vor und traf mit dem Handballen genau auf seinen Solarplexus. Jo blieb sofort die Luft weg, alles drehte sich um ihn, dann wurde ihm für einen kurzen Moment schwarz vor Augen und er schwankte bedenklich. Wieder hielt ihn Babs notdürftig auf den Beinen. »Na komm schon Jo. Reiß dich ein bisschen zusammen. Du willst doch nicht auf deiner eigenen Vernissage zusammenklappen. Was sollen denn deine Kunden von dir denken? Versuche zu entspannen und dabei ganz ruhig atmen, dann geht es dir gleich wieder besser.«
»Bist du wahnsinnig, so zuzuschlagen«, japste Jo entsetzt. »Wolltest du mich etwa umbringen?«
»Quatsch! Dann wärst du jetzt auch tot. Der Schlag war ziemlich harmlos. Eher so ein Klaps unter Freunden. Also stell dich nicht so mädchenhaft an.«
In dem Moment hörten sie Bernds Stimme. »Schatz, ich bin fertig … Oh Gott, was ist denn mit Fernández los? Der ist ja kreidebleich und sieht aus, als wollte er gleich umfallen.« Er griff Jo sofort unter die Arme. Gemeinsam hielten sie jetzt den immer noch leicht schwankenden Jo.
»Ich glaube, er hat zu viel getrunken«, erklärte ihm Babs mit Unschuldsmiene. »Plötzlich wurde ihm schlecht.«
»Typisch Künstler. Malen scheiß Bilder und besaufen sich sinnlos, wenn ich ihnen den Mist auch noch abkaufe.«
Immer noch hielten sie Jo gemeinsam. Langsam erholte er sich. Endlich stand er wieder auf eigenen Beinen. Er warf Babs einen zornigen Blick zu, hielt sich den kleinen Finger und murmelte leise: »Danke Frau Bach, es geht schon wieder.«
Bernd stützte Jo noch ein paar Minuten, bis er zusicherte, er wäre wieder völlig okay.
Bernd gab ihm zum Abschied den Tipp, zukünftig ein bisschen vorsichtiger mit Alkohol zu sein, dann machten sich beide auf den Heimweg.
Wie immer, wenn Bernd zu viel getrunken hatte, saß Babs am Steuer des Aston Martin.
Im Auto sprach Bernd nochmals den Vorfall an. »Sag die Wahrheit Babs. Vorhin mit Fernández, das warst du doch.«
Babs schaute ihn grinsend an. »Wie kommst du denn da drauf.«
»Der hatte den ganzen Abend keinen einzigen Tropfen getrunken. Das weiß ich zufällig. Ich bin zwar ein bisschen blau aber nicht blöd. Dem ist nicht einfach so schlecht geworden. Du hast bestimmt irgendeinen von deinen Kickbox- oder Karatetricks bei ihm gemacht.«
»Kann schon sein.«
»Was hat der arme Kerl denn angestellt, dass du ihn direkt so zurichten musstest?«
»Das Übliche.«
»Der wollte dir an die Wäsche? Im Ernst?«
»Ja.«
»Na ja, wer will das nicht. Du siehst halt scharf aus. Außerdem hatte der bestimmt keine Ahnung, dass du mir gehörst.«
»Ich weiß nicht. Der wusste eigentlich alles über mich, meinen Namen, mein Alter, dass ich Babs genannt werde und so weiter. Und dann soll der ausgerechnet von dir nichts gewusst haben? Glaubst du doch selber nicht.«
»Hm, hört sich an, als wenn du recht hättest. Spinnt der, sich einfach an meine Freundin ran zu machen?«
»Er meinte, seine Wohnung ist direkt oben drüber und du würdest schon nichts merken, wenn wir mal eben nach oben verschwinden. Da war ich so sauer drüber, weil du ihm ja seine scheußlichen Bilder abkaufst, dass ich ihm sofort eine gelangt habe. Und dann bist du schon dazu gekommen.«
»Nett von dir, aber besser hättest du es einfach mir erzählt.«
»Dann hättest du doch bestimmt alle Käufe rückgängig gemacht und dann wäre er bald pleite.«
»Und genau das werde ich jetzt tun?«
»Muss das wirklich sein? So schlimm war es doch gar nicht.«
»Ja, muss sein, auch wenn du mit deiner Gutmütigkeit es nicht willst. Und damit Ende der Diskussion.«
Bernd konnte in dem dunklen Auto Babs schadenfrohes Grinsen nicht sehen.
Kurz darauf rollte der Aston Martin in die Garage von Bernds Villa. Jetzt begann bald der unangenehme Rest des Abends.
Von Sonntag bis Freitag schlief sie alleine in ihrem kleinen 2-Zimmer-Appartment. Am Freitag fuhr sie nach der Arbeit sofort zu Bernd. Sie brauchte nichts mitzubringen, außer sich selber. Kleidung, Kosmetik und was sie sonst noch so benötigte war alles in der Villa reichlich vorhanden.
Bernds gut gefüllter Terminkalender ließ ihm in der Woche kaum Zeit für private Angelegenheiten. Sein Arbeitstag begann in der Regel morgens um sechs und endete selten vor dreiundzwanzig Uhr. Er verdiente sein Geld nicht im Schlaf, sondern musste dafür hart arbeiten, wenn auch mit einem extrem hohen Stundenlohn. Sein boomendes Geschäft ließ ihm inzwischen immer weniger Zeit für seine eigene Fitness, auf die er früher einmal enormen Wert legte. Bis vor anderthalb Jahren ging er mindestens drei Mal pro Woche ins Fitnessstudio, in das Gleiche in dem auch Babs seit Jahren als Aushilfe arbeitete. Eines Tages kamen sie rein zufällig ins Gespräch. Er war sehr angetan von ihr und lud sie zu einem kleinen Imbiss nach dem Training ein. Der kleine Imbiss entpuppte sich als Sternerestaurant mit 5-Gang-Menü und die Fahrt dahin, im 12-Zylinder Lamborghini Murciélago, beeindruckte Babs ganz besonders. So wurden sie ein Paar.
Inzwischen wusste Bernd fast nicht mehr, wie eine Hantel aussah. Als Ergebnis musste ihm sein Schneider in immer kürzeren Abständen neue Maßanzüge und Maßhemden liefern. Jedes Mal eine Idee weiter in der Bauchgegend und als Ausgleich mit etwas mehr Schulterpolstern.
Wie immer lag Babs schon ein paar Minuten vor Bernd nackt im Bett. Das, was jetzt wie fast jeden Freitag passierte, mochte sie kaum im Dunkeln und noch viel weniger im Hellen. Das Licht im Schlafzimmer daher stark gedimmt. Gerade noch die Hand vor Augen erkennbar. In der obersten Schublade ihres Nachtisches lagen wie üblich drei Blätter einer Rolle Küchentücher. Babs horchte gespannt ins Bad. In ihrer Hand eine Tube Gleitcreme. Sie wartete auf das Rauschen der Toilettenspülung. Bernds letzter Akt, bevor es losging. Im Moment lief die elektrische Zahnbürste. Wenigstens putzte er sich die Zähne, bevor er ihr seine Zunge in den Hals steckte. Die Bürste schwieg und 30 Sekunden später hörte sie das verhasste Rauschen. Damit startete jetzt der Vorspann von ›Dinner for One‹. Sie öffnete schnell die Tube, strich sich eine ordentliche Menge Gleitcreme zwischen die Beine und versteckte die Tube sofort wieder in ihrem Nachtisch. Bernd löschte das Licht im Bad und öffnete die Tür. Früher, als er noch regelmäßig ins Fitnessstudio ging, war die Reihenfolge andersrum. Jetzt stand er mit seinen Fettpölsterchen lieber nackt im dunklen Türrahmen. Babs hörte seine Schritte auf dem weichen Teppichboden. Sie spürte wie ihre Decke, und damit ihr letzter Schutz, angehoben wurde. Bernd kroch zu ihr unter die Decke. Jetzt würde er sein Freitagsprogramm abspielen. Immer das gleiche Drehbuch. Seine Hand legte sich auf ihren Bauch und glitt langsam nach unten zu ihrem feuchten Dreieck. Seine Finger glitten in die Nässe und spielten zwischen ihren Schamlippen. Gleich würde sein üblicher Freitagssatz kommen.
»Mein kleines Wildpferd«, hörte sie auch schon seine lüsterne Stimme. »Du bist ja schon wieder ganz feucht. Konntest deinen Hengst wohl kaum erwarten?«
»Und wie scharf ich auf ihn bin«, ihre übliche Antwort.
Immer der gleiche Mist. Was du für Schärfe hältst, ist in Wahrheit Bio-Gleitcreme aus der Apotheke für 9,50 die Tube. Irgendwann würde ich dir das gerne Mal ins Gesicht sagen.
Bernd spielte immer noch mit seinen Fingern ziemlich planlos in ihrem Lustgarten. Babs stöhnte leise, passend zum Takt seiner Bewegungen und streckte ihm verlangend ihr Becken entgegen. Alles täuschend echt gespielt. Sie hatte ja viele Freitage zum Üben gehabt.
Wenn er ein bisschen geschickter wäre, könnte sogar irgendwann was daraus werden. Ab und zu traf er tatsächlich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 17.07.2015
ISBN: 978-3-7396-2333-7
Alle Rechte vorbehalten