Verloren in dem Bild das ich sah, verloren in der Zeit die verging. Suchte nach bekanntem, suchte nach etwas was ich schon des Öfteren sah. Ich blickte mich schüchtern um, versuchte meinen Kopf nicht zu drehen keine unnötige Bewegung zu machen, ich erkundete nur das was mir mein Blickwinkel eröffnete, durchforstete jede Kleinigkeit, jedes Detail. Denn so war ich am konzentriertesten. Aber nichts sagte mir etwas, nichts gab mir einen Hinweis. Sollte es vielleicht auch so sein? War so das normale Menschliche Gehirn?
Mit Sicherheit! Aber wie sollte man dann das erklären was ich gesehen hatte. Was ich immer sah, wenn diese Jahreszeit einbrach. Verschiedene Farben die herumflatterten, sich ihren Weg bannten und dabei ein wunderschönes Gemälde hinterließen. Die Farben spielten mit einander, sie umkreisten sich, sie wirbelten um einander herum, sie taten alles was man sich vorstellen konnte. Alles was ICH mir vorstellen konnte. Niemand konnte es sehen, außer mir. Mir stellte sich jetzt aber die Frage ob ich auch zu diesem Niemand geworden war, denn ich sah nichts genauso wie die anderen. Doch ich wollte nicht, ich wollte nicht Niemand sein! Ich wollte Sie sein! Sie die Sachen sah die nicht zu erklären waren, nicht zu begreifen waren, nicht zu verstehen waren. Denn etwas anderes war mir nicht mehr geblieben. Ich hatte nur noch meine Farben. Mein ganzes Leben drehte sich nur noch um die Farben. Wenn der Herbst kam sah ich sie, sie unterhielten mich, führten mich an Orte die sie noch schöner machten, zeigten mir die Welt in einem anderem Licht, sie hielten mich einfach am Leben. Und in den anderen Jahreszeiten überlebte ich mit der Erinnerung an sie, und mit dem Gedanken, dass sie wiederkamen. Aber was sollte ich jetzt tun wenn sie nicht mehr wiederkamen? Wenn sie sich mir nicht mehr offenbarten? Ich blickte auf meine Uhr hinab, auf die Sekunde schlug es 9 Uhr früh. Jetzt sollte es soweit sein, wenn sie jetzt nicht kamen, dann würden sie auch nicht mehr wieder kommen. Heftig schloss ich meine Augen, ich hatte Angst davor, dass ich sie nie wieder sehen würde. Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich daran dachte. Es fühlte sich an als würde mein Herz nicht mehr wollen, es gab sogar nur bei dem Gedanken daran auf. Ich verstand es, denn wenn ich die Farben nicht mehr sah, dann würde ich auch nicht mehr wollen. Aufgeben würde ich!
Doch ich hoffte, ich betete, ich flehte das ich nicht Aufgeben musste. Jedes Mögliche Gebet schickte ich an jede nur erdenkliche Götterarten die es gab, an alle Religionen der Welt, auch an die, die ich nicht kannte. Mit meinem Gewissen konnte ich es einfach nicht vereinbaren, die Farben nicht mehr zu sehen. Es wäre grausam und brutal. Niemand würde ich es wünschen die Farben gestohlen zu bekommen, wenn sie man erblickt hatte. Denn das Gefühl das sie einem gaben, man konnte es nicht beschreiben. Es war der Himmel auf Erden. Vielleicht war es sogar der Himmel, der einen Vorbereitet. Doch wieso sah ich die Farben seit Jahren? Entkam ich dem Tod? Und stand nun als Nummer Eins dort drauf? War genau das das Ende? Machte das Leben den Tod einem Schmackhaft? Ach was für ein Quatsch! Ich übertrieb, ich musste mich jetzt zusammenreisen und die Augen öffnen. Ich musste mich dem Stellen was geschah, ob ich die Farben nun jetzt sah oder nicht. Durch meine geschlossene Augen konnte ich nichts sehen, meine Angst die Augen zu öffnen erschütterte mich bis ins Mark, aber ich musste nun wissen ob mich die Farben verlassen hatten oder nicht.
Zögernd öffnete ich langsam die Augen, anfangs blinzelte ich noch, da ich genau in die Sonne sah, aber dann blickte ich mich hektisch um als ich mich an die Helligkeit gewöhnte. Am Rande sah ich etwas hervor blitzen. Meine Hoffnung wuchs ins unermessliche, Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn, meine Handflächen wurden nass und die Aufregung die sich in mir ausbreitete wurde zu einer unglaublichen Anspannung.
Von der Riesigen Eiche die hinter mir wuchs und nun Goldbraun war, anstatt eines satten Grüns, fielen Blätter hinunter. Ein wunderschönes goldenes Blatt mit einem Hauch von Rot schwebte in der Luft. Es fiel nur langsam, der Wind umhüllte es und ließ es wie eine Feder tanzen. Das Blatt gab mir nur einen kleinen Trost, den das wundervollste war nämlich nicht da. Ich fühlte wie etwas in mir brach, sogar starb. Denn nun war es vorbei, keine Farben, kein Ich!
Tränen kämpfen sich den Weg aus meinen Augenwinkeln und ich ließ sie zu, denn ich wollte nicht gegen sie kämpfen, es war ein aussichtsloser Kampf. Eine gebrochene Person hatte keine Chance gegen seine eigenen Tränen. Das Blatt tanzte immer noch und ich konnte erkennen dass, das Blatt es genoss. Doch dann wurde das Wunder erweckt, von allen Seiten, in allen Farben der Welt, kamen Stränge und zielten auf das Blatt. Anfangs sah es so aus als würden sie das Blatt zerstören wollen, doch dann als sie das Blatt grade erreichten wirbelten sie um das Blatt herum, bildeten ein wunderschönen Kranz um das Blatt. Das was der Wind anfangs getan hatte, taten nun die Farben sie ließen es drehen, fallen, schwirren. Die Farben spielten mit dem Blatt und mein Herz breitete sich aus. Die ganze Angst die ich empfunden hatte war davon geflogen. Von gebrochen zu endlos Glücklich ändertet sich meine Stimmung. Ich konnte es nicht glauben, die Farben hatten mich nicht verlassen gehabt!
Sie hinterließen ein Meisterwerk der Kunst, niemand konnte sich so etwas vorstellen. Es war unbegreiflich schön. Eine Art von Kunst die niemand kannte, Kunstliebhaber würden sich den Mund fusselig reden bei solchem Anblick, und keine Kunstliebhaber hätten keine Worte um das Gesehene zu beschreiben.
Ich blickte umher, sah den Farben zu wie sie durch die Gegend flossen wie sie mit einzelnen Blättern spielten und wie sie mit sich selber spielten. Als eine Frau mit einem Kinderwagen mir entgegenfuhr konnte ich sehen wie der kleine Junge der in dem Kinderwagen saß, in den Himmel sah. Lächelnd hielt er die Hände in die Luft und die Farben flossen zu dem Kind, sie umhüllten ihn wie ein Lacken tätschelten seine Haut und der kleine Junge bemerkte es. Er sah seine Hände fasziniert an und lachte als die Farben in kitzelten. Freudig sah ich zu, ich fand es bemerkenswert wie weich die Farben waren und wie vorsichtig sie spielten. Kleine Erinnerungsfetzen kamen in meinem Kopf zum Vorschein, ich erinnerte mich daran als kleines Mädchen mit den Farben gespielt zu haben, genauso wie dieser kleine Junge. Es war unglaublich in einem Schlag verstand ich das jedes kleine Kind die Farben sehen konnte! Es war so dass, wenn man erwachsen wurde, die Farben verschwanden und zu andere Kinder übergingen. Als mein Mann starb mutierte ich wieder zu einem Kind. Ich hatte mich hilflos gefühlt und sah keine Zukunft mehr, genauso wie ein Kind und so wurden die Farben für mich wieder sichtbar. Ich glaubte die Farben nun zu verstehen. Sie halfen einem das Leben zu überstehen, den Kinder halfen sie die Welt kennen und lieben zu lernen und mir nach einem Schicksalsschlag halfen sie mir aus den Depressionen und aus meinen Inneren Kämpfen
Dankbarkeit erfüllte mein ganzes Wesen und es fühlte sich nach flüssigem Gold an der meinen ganzen Körper umhüllte. Man fühlte sich sicher und beschützt. Niemand konnte einem was anhaben, denn die Farben würden kommen und einen neuen Weg zeigen und sie würden einen Unterhalten. Nachdem die Farben mit dem Kind gespielt hatten kamen sie zu mir, ich sah die Farben nun schon Jahrelang aber niemals hatten sie mich berührt wie zuvor das Kind. Und doch schlossen sie sich um meine Hand. Sie kribbelte und pikste, streichelte und stach. Verlegen sah ich zu dem kleinen Jungen hinüber, ich hatte das Gefühl das ich ihm die Farben geklaut hätte, doch der kleine Junge lachte und klatschte sich niedlich in die Hände. Er fand es schön zu sehen dass, auch die Farben mit den Erwachsenen spielten.
Meine Hand war unglaublich schön, Farben in Violett, Himmelblau, Korrale und Schneeweiß legten sich auf meine Handfläche als wären es Gegenstände.
Und nun wusste ich dass die Farben sich von mir verabschiedeten. Sie gaben mir ein letztes Mal Kraft, denn sie wussten dass ich nun alleine zu Recht kommen würde. Doch ich war nicht Traurig als mir das Bewusst wurde, denn ich wusste das die Farben weiter ziehen mussten, sie mussten kleinen Kindern helfen und auch anderen Erwachsenen wie mir. Sie taten eine gute Sache und ich würde den Farben nicht hinterher trauern. Ich würde jetzt mein Leben leben, und zwar so dass die Farben auf mich stolz sein könnten. Niemals würde ich sie vergessen, Lebenslang speicherte ich sie in meinem Kopf ab. Der Herbst würde nun für immer meine Lieblings Jahreszeit sein. An jedem Herbstanfang würde ich hier rauskommen und mich an die Farben erinnern, wie sie mich wieder zusammengeflickt haben und ihnen danken.
„Auf Wiedersehen Farben, ihr habt mich wieder belebt. Und ich danke euch dafür.“
Nun spielten die Farben nicht nur mit meiner Hand sondern mit meinem ganzen Herz und ich brauchte nichts mehr zu sehen. Denn als ich meine Augen schloss sah ich sie vor mir wie sie mit meinem Körper und mit meinem Geist spielten.
Ein Spiel das niemals enden würde!
Tag der Veröffentlichung: 22.10.2011
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