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1. Kapitel - Der Beginn

 

Gewöhnliche Stadt. Gewöhnliche Menschen. Alles so normal. Wer hätte schon gedacht, dass alles hier anfängt. Coburg, Franken, Bayern, Deutschland. Hier brach alles aus, alles begann, überall ist es in den Nachrichten, Millionen von Menschen starben. Und Andere leben weit, weit weg weiter als wäre nichts geschehen. Sehen zu wie die anderen sterben, ohne etwas zu unternehmen. Sehen zu, wie wir uns quälen, um zu überleben, während sie in ihren Häusern sitzen und alles vom Fernseher aus beobachten, oder auch nicht. Mein Bruder hat es schon immer gesagt „Irgendwann bricht ein Virus aus, oder sonst etwas, was uns alle zerstören wird.“. Er beschützt mich, hat er noch gesagt, und das tut er auch. Mich und meine Mutter, ohne ihn wären wir wahrscheinlich schon längst tot. Wir leben immer noch in unserem Haus, in dem wir, seit es meinem Bruder gibt, leben. Ich bin hier „geboren“ und aufgewachsen und werde wahrscheinlich auch hier sterben. Auch, wenn ich mir wenig Gedanken darüber mache, habe ich Angst. In so einer Welt würde ich nicht gerne sterben. Dieses „Virus“, diese „Seuche“ ist nicht aufzuhalten, sie verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Erst über das Land, dann über Europa und wer weiß, vielleicht wird das einzige Land, welches noch nicht bedroht ist auch einmal so enden, wie dieses hier - die USA. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Alle wollen dort hin, dort ist noch niemand betroffen, niemand. Wie schön das doch wäre... Kein Virus, keine „Menschen“ die dich umbringen wollen.

 

 

 

All meine Freunde habe ich wiedergesehen, aber infiziert. Und mein Bruder hat sie getötet, vor unserer Haustür. Anscheinend haben sie diese Informationen, dass ich hier lebe, in ihrem Langzeitgedächtnis gespeichert, sonst würden sie uns nicht so schnell finden, und nicht nur die, die uns kennen.

 

 

 

Unser Haus ist abgeschottet. Fenster und Türen voller Bretter. Leitungen sind tot, kein Telefon, kein Fernseher oder Internet. Wasser und Strom haben wir noch. Das einzige was wir tun können: DVD’s schauen, Musik hören oder über alte Zeiten reden, als alles noch so normal war. Man in den Supermarkt gehen konnte immer wenn man es wollte, Schwimmen gehen im Schwimmbad oder in unserem Garten, im Pool. Ins Kino gehen und die neusten Filme ansehen, in die Stadt gehen, Shoppen… Sich mit Freunden treffen. Alles war noch so „normal“. Dann, wie auch immer, vor allem in unserer Stadt, brach es aus. Es kam wie Aids. Wir waren unwissend, hatten nichts zur Heilung, Verbreitung durch „intensiven Körperkontakt“ – damit meine ich beißen, kratzen und Ähnliches - und es verbreitet sich immer mehr. Und man kann nichts dagegen tun. Auf einmal war es da, dieses todbringende Virus.

 

 

 

Die Stadt ist verwüstet, die Häuser kaputt oder voller hölzerner Bretter, Flüsse voller toter Menschen, oder voll denen, die man nicht mehr Mensch nennen kann. Willenlos, unintelligent, dreckig, hässlich, animalisch, untot und mit einem riesigen Hunger auf Menschenfleisch. Das ist es was sie wollen. Fleisch, von Menschen die noch nicht so sind wie sie. Sie veranstalten blutige, brutale Festmähler und streiten sich dabei wie Tiger um die Beute. Sie sind nicht unbedingt Rudeltiere, aber dort, wo es Fleisch gibt, sind auch die meisten von Ihnen. Selten trifft man sie auf offener Straße alleine an, doch in kleineren Supermärkten, Tankstellen, Restaurants oder ähnliches, sind öfters einige die alleine sind. Diese kann man ganz leicht ausschalten. Peng – Kopfschuss oder ein Mal gut mit der Axt ausgeholt und der Kopf rollt davon. Und um Zeit zu gewinnen einfach die Beine abhacken. Mein Bruder und ich haben schon längst aufgehört mitzuzählen, es sind schon zu viele Kerben in unseren Waffen und in den Äxten, es sind einfach zu viele von ihnen unterwegs, die wir töten.

 

 

 

Während mein Bruder und ich meistens Essen holen, oder einfach nur „Jagen“ gehen, wie wir es nennen, kocht meine Mutter daheim, wascht Wäsche oder überlegt sich Pläne von hier zu verschwinden. Oft erneuert sie auch die Bretter an Türen und Fenstern. Zum Glück haben wir noch Strom und Wasser. Wir können Licht an machen, wann wir es wollen, duschen, ja sogar Baden könnten wir, doch wir wissen nicht, wie lange wir Wasser haben. Einmal hatten wir zwei ganze Wochen kein Wasser, warum auch immer, aber es war grauenhaft. Wir saßen da, und haben gestunken wie die Pest. Daher habe ich viel Deo benutzt um den Geruch etwas zu übertünchen, brachte trotzdem nicht viel. Wir sahen jeden Tag nach ob wir wieder Wasser hatten und irgendwann kam es, das wohltuende Wasser, frisch aus der Leitung! Endlich wieder gekochte Kartoffeln, auch wenn es schon sehr lang keine Kartoffeln mehr gab und ich sie noch nie besonders mochte und Nudeln oder Reis, welcher nicht nach Limonade schmeckte. Ja, Limonade. Anfangs konnten wir nicht hinaus, wir wollten Wasser holen, aus Flaschen, doch das ging leider nicht, es waren zu viele von ihnen unterwegs. Da beschloss meine Mutter einfach Zitronenlimonade als Wasserersatz zu benutzen, da wir diese Limonade eh nicht so viel getrunken haben. Sie wollte sich sogar damit waschen, doch davon konnte ich sie zum Glück noch abhalten sonst hätte sie sich zwei Wochen mit Limonade gewaschen, da war mir stinken sogar lieber. Als wir dann wieder Wasser hatten, konnte mein Bruder und ich auch wieder raus gehen, jagen und einkaufen gehen, ohne zu bezahlen versteht sich. Wer braucht in dieser Welt Geld? Wozu? Was will man damit? Sich etwas Kaufen? Und wer kassiert? Es gibt niemanden mehr, der das könnte oder es sich trauen würde.

 

 

 

Zurück zum Einkaufen. Wir sind nämlich gerade dabei. Wir Fahren mit meiner Mutter ihrem VW-Bus immer zu dem Supermarkt in dem ich arbeitete, nicht weit entfernt, und parken es ganz sauber ein. Wir sehen uns noch einmal im Auto um, das auch niemand Anderes da ist, und wenn wir das gesichert haben, machen wir die Tür auf. Wir strecken uns aus der Tür hinaus und sehen uns um, noch einmal, mit dem Lauf der Waffe immer der Nase entlang. Woher mein Bruder die Waffen hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Als es ausbrach kam er gleich am ersten Tag an und hatte sie dabei. „Die Jagd ist eröffnet!“ war das einzige was er sagte während er die beiden Schrotgewehre in die Luft hielt. Er hatte auch noch drei einfache Pistolen, für jeden eine. Die Schrotgewehre sind ausschließlich für die Jagd, die Pistolen für den eigenen Schutz, schnell nachgeladen und auch schnell zu entsichern. Er hat auch genügend Munition in seinem Kellerzimmer gelagert, als hätte er gerochen, dass es bald ausbrechen würde, wie so ein Drogensuchhund auf dem Flughafen. Es ist mir auch egal woher er sie hat, wichtig ist nur, wir haben sie.

 

Wir sichern also wieder unsere Umgebung, schauen zur Seite, nach vorne und auch nach hinten. Vielleicht kommen sie ja aus dem Hinterhalt. Einer von uns steigt aus, was meistens mein Bruder ist, um noch einmal ganz sicher zu gehen, dann darf ich aussteigen und wir schließen die Tür. Wir sperren das Auto nicht ab, wozu? Als ob diese Wesen genug Hirn hätten es zu stehlen. Denen guckt es ja manchmal sogar halb heraus!

 

Auf jeden Fall gehen wir dann durch die Tür des Supermarktes, die wir einst leider notgedrungen kaputt machen mussten, da sie einmal nicht auf ging. Wir stellen uns Rücken an Rücken, ich schau die Straße an, er den Laden. Genau an dieser Stelle sind wir auch gerade. Bevor ich überhaupt irgendetwas machen kann, höre ich meistens schon einen Schuss den mein Bruder fallen lässt. PENG – da war er. Irgendwie scheinen diese Biester aus alter Gewohnheit immer wieder hier her zu laufen. Wie ich einkaufen hasse und gleichzeitig liebe. Er läuft weiter, das heißt ich kann mitlaufen, immer noch Rücken an Rücken, den Lauf auf eventuelle Ziele gerichtet. Wenn wir erst mal komplett drin sind, holen wir sofort unsere Vorrichtungen, welche wir einst gebaut haben, als wir keine Lust hatten nach hause zu gehen und dachten, wir könnten etwas Hilfreiches aus Einkaufswägen bauen, und schieben die meterhohe, und meterlange Bahn an Einkaufswägen vor die Türen. Jetzt haben wir fast schon freie Bahn!

 

Wir gehen an dem Bäcker vorbei, der eigentlich nur noch eine einzige Schimmelfarm ist, außer diese Aprikosentorte… die sieht vertrocknet aus und das Gelee eher wie ein grüner Wackelpudding, aber trotzdem noch genießbar und das finde ich ziemlich seltsam. Was da wohl drin ist? Anscheinend über eine Tonne Zucker, Zusatzstoffe und irgendwelche Emulgatoren - Dann gehen wir an den Kassen vorbei und schauen in jeden Gang hinein. Mein Bruder nimmt eine Dose, welche auf einem Aufsteller steht - und zwar immer - in die Hand, und wirft sie auf dem Boden. Nichts passiert. Noch einen Schuss lassen… wieder nichts. Er hebt die Dose auf und stellt sie wieder sorgfältig an ihren Platz. Jetzt kommt der spaßige Teil! Ich stürze mich gleichzeitig mit meinen Bruder bis ans ende des Ladens.

 

„Diesmal will ich den Rolli!“ schreie ich meinen Bruder an

 

„Dann beeil dich! Ich bin sowieso schneller dort, nimm den Wagen!“ Lacht er zurück.

 

Jedes mal wenn wir nach dem Einkaufen nach Hause gehen wollen und gerade dabei sind den Laden zu verlassen, stellen wir einen Rolli - Einen mannshohen Wagen mit Gitterwänden rechts und links – und einen normalen Einkaufswagen bereit für das nächste mal. Das schöne an dem Rolli ist, das du dich darauf stellen kannst und ihn wie ein Skateboard benutzen kannst, somit ist man wesentlich schneller und mehr Platz für Waren hat man auf dem Ding auch noch.

 

Ich versuche Dosen auf meinen Bruder zu werfen, Nudeln, Streichhölzer, einfach alles was ich in die Finger bekomme, aber er ist einfach schneller als ich! Und da hat er auch schon den Rolli in den Händen und fährt davon.

 

„Du Arsch! Ich wollte auch mal den Rolli. Ich hatte ihn fast nie!“

 

„Hast ja noch lange Zeit, kleine Schwester“

 

Ich hoffe inständig, wir haben noch lange Zeit…

 

„Na und!“

 

Ich schwinge mich auf meinen Einkaufswagen und rase durch den Laden. Erstmal zum Knäckebrot! Das hält sich wenigstens. Gleich Mal 5 Packungen mitgenommen, dann ab zu den Backmischungen und Brot holen. Dafür braucht man ja zum Glück nur Wasser, also können wir auch Brot backen. Das könnten wir zum Glück auch ohne elektrischen Ofen, da wir einen Kachelofen im Haus haben und das auch so hinbekommen würden – da sind wir glücklicherweise sehr erfinderisch. Während ich mich um das Essen kümmere, sorgt mein Bruder für die Getränke. Ich nehme gleich 10 Packungen Brot mit, dann muss ich die nächsten Male nicht so viel mitnehmen. Ich düse mit meinem Einkaufswagen zu den Kühlregalen, von denen manche immer noch kühlen. Mal sehen ob dort noch etwas Haltbares ist, wenn nicht muss ich mal ins Lager sehen, in die Tiefkühlräume. Lachs wäre schön… oder mal wieder Schinken, Salami oder sonst Etwas. Ich schau zwar alle Packungen durch, aber leider nichts gefunden. Alles vergammelt. Wieso hält das nicht wenigstens ein Jahr? Da fällt mir auf, in die Tiefkühltruhen habe ich auch schon ewig nicht mehr gesehen.

 

Türe aufschieben und mal sehen. Pizza, Pizza, Pizza, Fisch, Geflügel, Kartoffelprodukte, Backwaren, Kuchen, Gebäck, Donuts! Noch genau einen Tag haltbar! Die müssen einfach mit! Kuchen… oh ja.. aber die halten noch länger, Donuts sind erst einmal in Ordnung. Kuchen beim nächsten Mal. Hm, was könnten wir noch gebrauchen? Hühnchen! Ich drehe mich zur Geflügeltruhe um, mein Herz blieb einen kurzen Augenblick stehen und ich stand nun da wie gelähmt. Die Augen weit aufgerissen und den Mund halb offen bei dem Anblick eines halb verwesten Menschen der sich trotzdem noch bewegt. Zombie! Vor etwa einer Minute stand er noch nicht da, wieso jetzt auf einmal? Kann der sich nicht einfach verdrücken? Ich mein, was bringt’s ihm, mich angreifen zu wollen, ich kann ihn ohne weiteres erschieß-…. Meine Waffe… Wo ist meine Waffe? Verdammt… ich muss sie fallen lassen haben als ich los gerannt bin. Nicht bewegen. Vielleicht sieht er mich nicht.

 

 

 

Zombies, wir alle kennen diese Filme, mit den „Zombies“. Die Toten, die leben. Und genau so stellt man sie sich vor, einfach nur hässlich, blutverschmiert und wild. Dieser, sieht stark aus von der Statur, da sollte ich mich wirklich in acht nehmen… aber gut zu sehen scheint er nicht, seine Augen sind leicht weiß unterlaufen. Er sieht mich direkt von der damaligen Fleischtheke an, ohne sich zu bewegen, außer die normale widerliche Bewegung beim Atmen, die sie machen. Beim einatmen, Brust weit raus strecken, beim ausatmen die Schultern so weit wie möglich runter beugen, ohne den Kopf dabei viel zu bewegen. Es sieht nicht schön aus, gequält von Hunger. Aber da habe ich kein Mitleid, uns geht es oft nicht anders.

 

Ganz langsam versuche ich mich zu bewegen, nach unten, in den Schutz der Kühltruhe, während ich mir selbst eine Standpauke halte wie ich so dämlich sein konnte meine Waffe zu vergessen. Das ist mir noch nie passiert... Bin ich mir denn wirklich schon so sicher in dem, was ich tue?ist es denn wirklich schon so lange so? So sicher was WIR machen?

 

Langsam, langsam… langsam, doch dann - Ich dachte es wäre langsam genug… doch er hat sich bewegt. Sein Kopf schnellt ruckartig in meine Richtung, er sieht mir direkt in die Augen! Ich bin starr vor Schreck. Er schreit, ein schrilles unerträgliches Schreien, wie das eines Tieres, ein Jagdruf.

 

„WOLFGANG!“

 

Ich schreie und renne gleichzeitig durch den Laden ohne mich umzudrehen, immer weiter rennen, ganz viele Kurven laufen…!

 

„WOLFGANG! WOLFGANG HILFE! HILFE!“

 

„Jess! Wo bist du?!“

 

Die Stimme ist so weit entfernt… Rennen, einfach rennen… ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr rennen, oder reden, ich kann nicht mehr. Nicht mehr davonlaufen… Ich habe zu viel Angst oder sollte einfach das Rauchen aufgeben, oder ein Asthmaspray besitzen… eins von Beiden wäre wirklich nicht schlecht, aber darüber nachzudenken habe ich jetzt keine Zeit! Rennen. Immer denke ich nur an rennen. Rennen um zu überleben.

 

Und PENG und noch einmal PENG, PENG, PENG, und ein letztes Mal PENG… Fünf Schüsse, fünf. Es war nicht nur einer, denn mein Bruder verfehlt nie einen Schuss. Nie. Ich renne weiter, auf der Suche nach ihm, doch dabei höre ich noch mehr Schreie, Schreie die schlimmer sind als der Klang einer Tafel, welche man mit den Fingernägeln hinabfährt. Schlimmer als alles, was ich je hörte. Sogar schlimmer als Hip Hop. Ich renne weiter, doch Wolfgang rennt an mir vorbei.

 

„Jess! Renn! Ich hab deine Waffe!“

 

Ich höre auf ihn. Ich höre immer auf ihn, drehe mich um 180 Grad und renne ihm hinterher ohne zu schauen. Ich sehe nicht zurück, doch dann sehe ich die Süßigkeiten. Wir müssen zwar weg rennen, aber haben nichts zu essen daheim… Ich bleibe stehen, den Blick kurz nach hinten gelassen. Es müssen mindestens 20 sein… wenn nicht sogar mehr… was wollen die hier, es waren noch nie so viele auf einmal in diesem Laden. Ich habe Glück, mein Bruder hat Regale umgeworfen, also werden sie etwas aufgehalten und mir bleibt Zeit, nicht viel aber wenigstens etwas. Ich schau auf die Chips, drei Tüten schnapp ich mir, renne zu den Keksen, zwei Packungen lasse ich mitgehen. Zur Schokolade, ich nehme eine Hand voll mit, keine Ahnung welche Schokolade oder wie viel. Zu den Bonbons, Eine Packung, zu mehr fehlt mir die Zeit. Beim rennen zum Auto - zum Glück hat Wolfgang die Einkaufswägen schon weg geschoben - verliere ich leider eine Tüte Chips, aber das ist schon O.K., wir haben ja noch zwei. Rennen, rennen, rennen. Er hat die Tür schon für mich auf gemacht. Ich renne so schnell ich kann,

 

„Au!“ und falle hin.

 

 

 

Nein. Bitte nicht. „Verschwinde Wolfgang, Sie kommen!“

 

Ich sehe mich nach hinten um, sie sind fast da… Ich klammere mich an meine Chips, die Kekse, die Schokolade und die Bonbons. Hätte ich sie nicht mitgenommen, würde ich jetzt nicht mit ihnen auf meinen Tod warten. Sie kommen näher, alles ist in Zeitlupe. Ich sehe die Gesichter, ich kenne sie nicht, nicht einen einzigen, aber alle sehen gleich aus. Blutverschmiert, dreckig, zerfetzte Klamotten, die Zähne gefletscht und die Gier nach mir in den Augen. Sie kommen näher und näher. Sie sind so nah. Und da fällt mir zum ersten Mal auf: würden sie mich bekommen, würde ich auch so werden… mit derselben Gier und demselben Aussehen nach Verwahrlosung und hässlich wie die Seuche! Ich sehe mich mit ihnen rennen, auf meinen Bruder zu. Ich würde es mir nie verzeihen, würde ihm etwas geschehen, oder würde ich ihm etwas antun wenn ich so wäre. Plötzlich packt mich die Angst, der Mut und die Sehnsucht nach meiner Mutter, die mich dazu bringt aufzustehen. Und das tu ich auch. Ich stehe auf, laufe weiter zum Auto, hechte hinein und hab dabei nicht eine einzige Tafel Schokolade fallen lassen. Ich werde leben. Ich werde für meinen Bruder und meine Mutter da sein. Ich werde sie beschützen. Ich werde überleben!

 

 

 

Jetzt geht alles wieder ganz schnell, Wolfgang macht die Tür zu, das Fenster einen Spalt auf, das daneben auch und Schießt los. Die Zombies knallen an das Auto und werfen es dabei fast um. Das ist uns schon mal passiert, und das war wirklich nicht schön. Das Blut von den Erschossenen spritze uns entgegen, und wir durften es nicht in den Mund, in Wunden, in die Augen oder andere Körperöffnungen bekommen, denn sonst, werden wir diejenigen sein die bald erschossen werden.

 

Schon jetzt war der Parkplatz voller Blut, und es waren immer noch zu viele für Wolfgang alleine.

 

„Jetzt hilf mir doch! Sitz da nich’ rum! Krieg dich wieder ein verdammt!“

 

Nach einem Bruchteil einer Sekunde komme ich zur Vernunft, schnappe mir meine Waffe, gehe zum anderen Fenster und schieße los. Eins, zwei, drei, vier… zu viele, die ich töte, aber bei Zombies können es nicht genug sein. Wir löschen das Virus einfach aus. So ist unser Plan.

 

 

 

 

 

 

 

Mein Bruder war stinksauer auf mich, aber heute ist alles wie immer. Er sieht auf die Zukunft und merkt, dass ich eine große Hilfe bin. So ist es immer wenn mir so etwas passiert, doch dieses Mal war es schlimmer. Sie hätten mich um ein Haar bekommen. Mama weiß nichts davon… zum Glück. Es hat Ewigkeiten gedauert bis er mich zum ersten Mal mitnahm, genau drei Monate. Er brachte mir von zuhause aus das Zielen und Schießen bei, immer in den Kopf. Er ist ein so guter Schütze und konnte es mir auch sehr gut beibringen. Als er mich mitnahm, war ich so aufgeregt. Ich habe viele Fehler gemacht, aber da hat er drüber hinweg gesehen, ich war ja neu in dieser Branche. Seither bin ich immer besser geworden, immer zielsicherer und brutaler. Inzwischen ist er immer öfter stolz auf mich, aber nicht, wenn ich es so verbocke und auch noch meine Waffe vergesse… „NIE! Niemals darfst du deine Waffe nicht bei dir haben! Diese Dinger sind schneller als du denkst!“. Ja Papa. Ja Mama. Tut mir leid, ich wollte mich nicht in Gefahr bringen und schon gar nicht euch.

 

 

 

Ich komme mal auf meine Familie zu sprechen, hab gerade eh nichts zu tun. Zur Strafe nimmt er mich heute nicht mit auf die Jagd, und meine Mama will meine Hilfe nicht, sie meint nur, ich kann ihr nicht helfen, ich stünde ihr nur im Weg.

 

 

 

Meine Mutter. Dünnes Ding für ihr alter, ein paar Falten aber das ist schon okay. Blond gefärbtes schulterlanges Haar, so ca. 1.70m groß und hat grau-grüne Augen. Sie ist lustig, nett, gut, niedlich, süß, unausstehlich, zickig, dickköpfig, freundlich, hilfsbereit, lebensfroh, besserwisserisch, stur, anstrengend, stressig, künstlerisch, bestimmend, chaotisch, aber doch sauber, nervig, peinlich, cool, sportlich, faul, selbstständig, bodenständig, emotional, engagiert, die beste Mama die man sich vorstellen kann, eine echte „Übermama“ - da sie einfach alles kann - eine Freundin, eine Romantikerin, eine Handwerkerin, eine Partymaus, eine schlechte Köchin und in Männeraugen für eine 46-jährige Frau sehr attraktiv. Früher war sie der Traum aller Männer, ich kann mich nur zu gut erinnern, aber für sie gab es immer nur ihren Freund. Doch wenn wir zu Fasching feiern waren, war Fremdküssen erlaubt, und das nutze sie aus, da sie eben so begehrt war. Wer würde das nicht ausnutzen? Ich zum Beispiel.

 

 

 

Ich, 1,60m klein, braunes Haar, welches mir bis unter die Brust reicht, dünn würde ich nicht sagen, aber normal. Ich wiege 50 Kilo. Ich habe sehr lange Finger, alle meinten damals „Perfekte Finger zum Klavier spielen!“, aber für mich gab es nur den einen der das wirklich beherrschte. Meine Augen sind auch grau-grün, wie die meiner Mutter und die meines Vaters. Ich bin nicht gut auf meinem Vater zu sprechen, tut mir leid. Was soll ich noch sagen… Ich habe, zumindest sagen das immer alle, ein bildhübsches Gesicht, auch wenn ich das, was sie meinen, nicht sehe, leider. Für mich klingt das auch immer so, als wäre mein gesicht noch das erträglichste an mir. Ich weiß nicht wie ich mich beschreiben soll… Ich habe viel Dummes in meinem Leben gemacht, doch dafür habe ich die Zeit nicht mehr. Ich kann es mir nicht erlauben immer über alte, vergangene Zeiten nachzudenken und doch tu ich es jeden Abend, genau dann immer denke ich über meine glücklichste Zeit nach…. Ich will nicht wieder weinen, Thema wechseln. Ich liebte hohe Schuhe und ausgefallene Kleider! Dafür konnte ich schon mal knapp hundert Euro hinblättern, Hauptsache es gefällt!

 

Nun zu meinen Klamotten. Ich habe viele, viele schwarze Sachen, doch nicht so viele wie mein Bruder, sein Schrank ist fast nur Schwarz eingerichtet. Ich habe aber auch viel Graues, etwas braun dabei, etwas rot, z.B. zwei meiner Röcke und noch andere bunte Sachen. Sogar grün und blau! Eigentlich mag ich bunte Klamotten… nur irgendwie stehen sie mir nicht so gut wie ich immer denke. Ich ziehe zu gerne Röcke oder Hot Pants an, entweder über eine Strumpfhose, oder wenn es warm genug ist auch ohne, aber davor muss ich mir immer die Beine rasieren, das nervt. Mädchen haben es manchmal echt nicht leicht. Immer müssen wir gut aussehen wollen für die Männerwelt, dabei habe ich es jetzt doch gar nicht mehr nötig. Trotzdem schminke ich mich noch manchmal und achte fast immer auf meine Klamotten. Ich möchte für mich gut aussehen und mich nicht gehen lassen, nur weil da ein paar Zombies draußen herum laufen. Ich mag es wenn ich gut aussehe, dann fühle ich mich auch viel besser. Und ich mag es auch, obwohl es niemanden mehr interessiert, Parfum zu tragen und Deos zu benutzen. Wir drei duschen zwar fast jeden Tag, dennoch schwitze ich auf der Jagd oftmals, da finde ich ein Deo ziemlich nützlich. Ich rieche gut, und schwitze weniger, doppelt gut. Na gut, genug von mir… ich erzähl mal ein wenig über meinen Bruder…

 

 

 

Mein Bruder: Seine Haare gelt er immer wuschelig, zackig, sie sind auf der einen Seite weiß/blond, auf der anderen Seite schwarz wie die Nacht, wobei das blond inzwischen schon fast herausgewachsen ist. Wolfgang ist stark, normal von der Statur her und groß. Irgendwas 1.80m oder so, ich weiß es nicht genau. Er ist lustig, mit ihm habe ich immer viel Spaß, er versüßt uns das Leben hier. Er lässt nichts zu nah an sich ran, weil er für uns mit stark sein möchte. Er ist so tapfer, klug und hält sehr wenig von Politik oder Religion. Anarchist ist er nicht wirklich… ein paar Regeln, bzw. Gesetze müssen schon da sein meint er, sonst versinkt die Welt im Chaos. Aber seit einem Jahr ist das ja egal. Er ist außerdem sehr nervig, arrogant, will immer Recht haben, leicht zu verärgern und er hat ein sehr böses, aber doch liebenswertes Gesicht. Ziemlich seltsam dieser Kerl.

 

Wir hatten mal Ratten, alle weg. Gestorben, noch nicht sehr lange her. Sie haben mir öfters Trost gegeben. Aber wir haben immer noch unsere Katzen, wir können sie sogar draußen herum laufen lassen, wenn wir das möchten, durch sie haben wir erfahren, dass sie keine Tiere wollen, sondern nur Menschen. Man war das ein Drama mit mir und meiner Mutter, als sie eiskalt einfach die Katzen hinaus ließ. Das waren meine Erwachsenen Kinder und mein Baby! Mein kleines süßes Baby Manni. Manfred um Genau zu sein, ein kleiner süßer Kater gerade Mal 3 Monate alt und so süß wie ein Himbeerbonbon! Jeder liebte ihn, vor allem mit seiner kleinen blauen, weiß gepunkteten schleife um seinen Hals. Aber das ganze Drama war umsonst sowie die vielen Tränen, denn sie kamen wieder. Unversehrt. Mit einem gut trainierten Hund wäre das Leben sicher einfacher. Aber na ja, was soll man machen.

 

 

 

Wolfgang ist gerade jagen, was mich sehr stört, da ich nicht dabei bin. Er macht sich zu große Sorgen. Ich hätte gerne unser Spiel weiter gespielt, immerhin muss man immer das Beste aus seiner Situation machen, oder? Eigentlich ist es sehr einfach zu verstehen unser Spiel. Was wirklich sehr vom Vorteil sein kann ist, wenn man die Punkteskala aus dem Kopf weiß, das erspart Zeit um mehr Punkte zu machen. Diese Skala ist irgendwie seltsam, aber seht selbst. Die Punkteskala:

 

 

 

Kopfschuss: 100 Punkte!

 

In die Brust: 50 Punkte!

 

In die Arme: 30 Punkte!

 

In die Beine: 20 Punkte!

 

Verfehlen: -50 Punkte!

 

Sonderpunkte: Bein oder Arm abschießen: 50 Punkte!

 

: Kopf abschießen: 150 Punkte!

 

Und die meisten Punkte: In die Genitalien eines Mannes schießen! Das gibt satte 175 Punkte!

 

 

 

Ich glaube mein Bruder ist fast genau 5000 Punkte besser als ich… mal sehen. Ich habe 162300 Punkte, er hat 183000… na ja O.K. er ist doch viel besser. Ich sollte mal ausrechnen wie viele Zombies das gewesen sein könnten… bei meinem Bruder könnten es 1830 Kopfschüsse sein, bei mir weiß ich nicht, keine Lust zu rechnen.

 

Ach ja… Schule, das alte leidige Thema. Das waren noch Zeiten. Ich hatte meinen Realschulabschluss einigermaßen gut hinbekommen, es waren gerade Sommerferien. Also Ferien als alles begann, wo es ausbrach. Kurz nach meinen 17. Geburtstag. Inzwischen bin ich schon 18… Ein Freund von mir, flog über diese Ferien zwei Wochen nach Indien, meine beste Freundin nach Kroatien…ich hoffe wirklich ihnen geht es gut… ich würde ihn ja gerne fragen, aber die Regierung und was weiß ich wer, hat alle Handynetze, und Telefone nutzlos gemacht. Wie weiß ich auch nicht, ich weiß nichts wenn ich ehrlich bin. Doch wieso haben wir Wasser? Und wieso haben wir kein Fernsehen oder Internet oder Telefon? Nicht mal Radio können wir hören. Anfangs konnten wir das noch, aber nach zwei Monaten war auch damit Schluss. Strom haben wir nur, da wir das Benzin, Öl und so weiter aus den Tanks der Autos, welche nicht mehr gebraucht werden, stehlen und damit einen Generator antreiben, der uns Strom bringt und dazu noch sehr Energiesparend ist. Allerdings versuchen wir viel mit Kerzen zu belichten, um nicht zu viel Strom, den wir besser verwenden könnten, zu verbrauchen. Mein Bruder hat sich das alles ausgedacht… wie schon gesagt, ohne ihn wären wir sicher schon längst tot. Ich habe auch keine Ahnung von diesem Generator... ich verstehe nichts was er ausklügelt.

 

Ach Herrje. Mein 17. Geburtstag… oh ja. Das war ein Tag! Die Party des Jahres war das! Es war eine Beach-Party, ich habe Sand bestellt und eine Bar aufgestellt, einen Pool hatten wir ja schon. Ich hatte alles was man brauchte für eine perfekte Party, so wie sie eine war. rundum waren insgesamt etwa 50 Leute da, wir haben gegessen, getrunken und spaß gehabt, bis 5 Uhr früh am morgen. Zwei stunden später wollte ich aufräumen, noch sturzbesoffen und müde, und das Chaos war einfach unglaublich. Ein ganzer Kühlschrank Schnaps war anfangs noch da, und morgens, leer. Satte fünf Kästen Bier hatte ich, kein Einziges war übrig. Ich hatte sogar ein kleines Planschbecken gefüllt mit ekelhaften glitschigen Kugeln, welche eigentlich für Blumen als Wasserspender gedacht sind, und Wasserbomben – war das eine Schlacht… Lagerfeuer, Strand, Pool, Musik und tolle Leute. Welche jetzt wahrscheinlich fast alle tot sind.

 

Früher hatte ich oft schlimme Gedanken, dachte mein Leben ist zum Scheitern verurteilt, ist im Arsch, ist so scheiße und schlimm, warum? Liebe, Kummer, Familie und diese alte Leier. Nun denke ich; Sag mal wie dumm war ich damals eigentlich? Meine Welt war so schön damals, und nun? Ich habe IHN nicht mehr, keine Freunde mehr, kaum Essen hier, ich habe nur noch meine Mutter und meinem Bruder. Mein Leben war schön, ich hatte alles was ich wollte, alles was ich brauchte, alles um glücklich zu sein, alles, was ich jetzt nicht mehr habe. Wolfgang und meine Mutter sind die Einzigen, die mir geblieben sind und die Einzigen, die mich etwas glücklich machen. Ich vermisse die alte Zeit, selbst die Zeit, als ich so unglücklich war, da hatte ich wenigstens noch Freunde. Jetzt male ich mir immer wieder aus wie es wohl sein wird, nie wieder zu lieben, nie wieder zu küssen, nie wieder zu schmusen, nie wieder … na ja und nie wieder andere Menschen zu sehen. Wir gehen nie weit weg. Wir fahren immer nur durch die Stadt, dachten wir könnten wenigstens hier diese Dinger ausrotten, doch es kommen immer mehr… Ich habe kaum noch Hoffnung, dass alles wieder wird wie es mal war. Es wird sich immer weiter verbreiten und die, die übrig sind, so wie wir, werden sterben. Entweder wegen ihnen, oder weil sie es einfach nicht mehr schaffen, schwach werden, oder verhungern. Diese Welt, so wie wir sie kennen, wird es nie wieder geben. Nie wieder.

 

Damals bin ich fast jedes Wochenende mit Freunden weg gewesen, habe gefeiert, getrunken und Spaß gehabt, und jetzt komme ich kaum noch aus dem Haus. Doch das Leben geht weiter und wir werden auch immer weiter um eine bessere Welt kämpfen. Damals, hatten wir eine Familie, doch von ihnen haben wir nichts mehr gehört, als es ausbrach, wir konnten keinen Kontakt mehr aufbauen. Wer weiß, vielleicht leben sie alle noch, doch genau wissen wir es nicht. Wir könnten nachsehen würden wir die Stadt verlassen, doch das tun wir nicht, noch nicht. Damals hatte ich öfters feste Freunde, Jungs die alle ziemlich unterschiedlich waren, doch seit meiner großen Liebe, war es so, das sie sich alle mit meinem Bruder anfreundeten, und dann waren sie immer noch bei uns zu hause, nicht mehr bei mir, sondern bei meinem Bruder. Einer von ihnen ist schon tot. Meinem Bruder fiel es sehr schwer, ihn zu erschießen, es war sein Freund. Ein dummer, leichtsinniger, aber lieber, netter und guter Freund.

 

 

 

Meine Familie feierte oft Gartenpartys. Grillen, Lagerfeuer, Musik, Zigaretten und Alkohol. Mehr brauchen wir nicht um eine gute, fette Party zu feiern. Selbst wenn wir uns dachten; „Grillen wir heute Abend ein paar Bratwürste“, wurde meistens eine Party daraus, denn plötzlich kam mein Freund, Freunde, die Nachbarn, welche auch Freunde waren und sogar Leute, die ich überhaupt nicht kannte. Dann entstand wieder ein Lagerfeuer und wie immer floss der Alkohol in strömen. Der 18. Geburtstag meines Bruders war eine echt krasse Party. Er hatte so viel Alkohol gekauft, etwa 150 Euro dafür ausgegeben, für gerade einmal 20 Leute, und alles war weg, außer eine halbe Flasche Rum. Wie immer kamen spät abends noch Leute dazu. Doch meine Party übertraf alles.

 

Habe ich schon erwähnt was für einen großen Garten wir haben? Er ist wirklich riesig im Vergleich zu vielen anderen. Wir haben einen Apfelbaum darin, zwei große Kirschbäume, einen kleinen Sauerkirschbaum, einen Birnenbaum und einen Pflaumenbaum. Außerdem wachsen bei uns seit den letzten zwei Jahren Johannisbeeren, Brombeeren und Himbeeren. Wir haben auch einen Pool, einen Kicker und auch noch einen Billardtisch! Die Jukebox ist leider kaputt gegangen… Aber was soll’s, ich wollte damit nur sagen; ich hatte eine sehr schöne Kindheit und Jugendzeit.

 

Damals habe ich viel gelesen, erst Vampirbücher, dann alles Mögliche mit Liebe, oder Horror, dann Elfenbücher und am Ende eher Bücher über die Zukunft. Science-Fiction. Endtime-Storys. In diesen beschrieben die Autoren die Zukunft ganz anders als sie jetzt ist, wäre es nicht so gekommen wie es jetzt ist, wäre sie vielleicht sogar so geworden wie sie schrieben. Wäre sogar gut möglich gewesen, da man sich es auch sehr gut vorstellen konnte, dass die Welt einmal so werden würde. Kontrolliert von der Regierung und bestehend aus Menschen, die sich immer ähnlicher sehen. Vielleicht wäre das sogar eine bessere Welt geworden als diese jetzt.

 

 

 

Mein Bruder kommt jetzt schon nach Hause!

 

Die Reifen quietschten als er in den Hof fuhr. Ich renne zum Fenster, und sehe aus einem Loch in einem der vielen Bretter, kein Zombie in Sicht. Meinen Bruder sehe ich nicht. Ich höre wie er aus dem Wagen steigt, die Tür zu knallt, über dem Schotter zur Haustür läuft und sie öffnet. Er schließt sie wieder und ich renne zu ihm hin in den Flur. Und ich konnte nicht fassen, was ich dort sah. Wen ich dort sah. Der Anblick war schrecklicher als jeder Anblick zuvor, den ich von ihm hatte… Blut, überall Blut. Es war nicht so, dass ein paar Stellen noch unberührt waren, nein, das Blut war überall wo es sein konnte. Ohne etwas zu sagen lief er davon, ins Bad. Und auch ohne irgendeinen Ton von mir zu geben, lief ich hinterher. Ich sah ihm zu, wie er das Blut als erstes von seinem Gesicht wischte, ist ja klar, er darf es ja nicht in den Mund oder in die Augen bekommen.

 

„Was ist passiert…?“

 

Er sah auf den Boden, nicht in mein Gesicht. Das Blut tropfte alles voll, und färbte die Umgebung rot. Er sah elendig aus, kaputt und erschöpft. Was ist nur passiert… Ich wünschte ich wäre dabei gewesen und hätte meinen Bruder unterstützen können, bei was auch immer. Es ist etwas passiert, und ich muss wissen, was es war.

 

„Da war ein Mensch.“

 

Ganz aufgeregt, wie ein kleines Kind schrie ich:

 

„Ein Mensch?! Wie das? Wir haben so lange keinen mehr gesehen! Wo hast du ihn gefunden? War es nur einer? Kannten wir ihn vielleicht? Was ist passiert? Wegen dem vielen Blut?! Was ist mit diesem Menschen passiert.“

 

Meine Euphorie minderte sich ein wenig, als ich daran dachte, dass dieser Mensch vielleicht überhaupt nicht überlebt hat. Er ist wahrscheinlich tot, wie alle, die wir gefunden oder gesehen haben. Denn diese Leute hatten noch mehr Euphorie als ich, als sie uns in unserem Auto sitzen sahen. Sie hatten plötzlich wieder Hoffnung und der Übermut wurde ihnen dann zum Verhängnis. Die Zombies stürzten sich auf sie drauf bei dem Versuch aufmerksam auf sich zu machen.

 

„Ja. Ein Mensch.“

 

Er sah mich an, böse und entschuldigend zugleich. Er kannte ihn vielleicht. Er kannte ihn bestimmt, so wie er sich verhält. Es ist immer das schlimmste jemanden tot zu sehen, wenn man ihn kannte…

 

„Wer war es Wolfgang.“

 

„Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Er ist tot.“

 

„Wer war es!“

 

Er schwieg und stützte sich am Waschbecken ab.

 

„Könntest du bitte hinaus gehen? Ich möchte duschen. Sag Mama sie soll meine Wäsche waschen, wenn ich fertig bin ja?“

 

Es durchfuhr mich wie ein schlag als ich sein Gesicht im Spiegel sah. Tränen. Er weint… Ich habe ihn selten weinen sehen. Sehr selten. Die paar male, war es verständlich, ich wusste warum, doch jetzt bin ich mir nicht einmal mehr sicher ob er denjenigen, den er gesehen hat, wirklich kannte. Er hatte Schuldgefühle… Und diese zerrissen ihn von innen. Es war jemand den er kannte, so viel weiß ich schon, und ich weiß noch etwas… So etwas hat er noch nie getan, es ist ihm noch nie passiert… Es muss einen sehr guten Grund gehabt haben, warum er das gemacht hat… Ich weiß was er getan hat. Er hat diesen Menschen erschossen…

 

 

 

 

2. Kapitel - Die Suche

 

„Es… er war da, ich habe ihn gesehen. Er ist zu mir gelaufen, gehumpelt, schnell und dazu war er noch blutverschmiert… ich dachte es wäre einer von ihnen… aber da habe ich falsch gedacht. Als ich ihn in die Brust schoss, sah ich die Waffe die er in der Hand hielt. Welcher Zombie könnte eine Waffe bedienen? Geschweige denn überhaupt in der Hand halten… dann wurde mir klar, er war keiner von ihnen. Ich hätte es sehen sollen, er hatte sich anders verhalten. Ich war so dumm. Noch dazu… war es… John.“

 

John? Wer zum Teufel…

 

„Wer ist John?“

 

„ Er war aus dem Trakt E meiner Arbeit…“

 

Er weint wegen einem Mann den er nie wirklich kannte…

 

„Aber..“

 

„Jess du verstehst das nicht! Es war ein Mensch, es tut nicht zur Sache ob ich ihn kannte oder nicht, ich habe ihn erschossen! Einen normalen Menschen… Es war ein Mensch!“

 

Seine Stimme klang jetzt anders, bedrohlich und doch voller Trauer. Doch jetzt verstand ich… Es ist eine Sache einen Zombie zu erschießen, diese Dinger wollen einen fressen, die normalen Menschen wollen bloß Hilfe. Er hat einen hilfsbedürftigen Menschen erschossen und nicht einfach ein Tier, was etwas komplett anderes ist, auch wenn jeder Vegetarier oder Veganer anders denken würde. Doch ich glaubte ihm nicht so wirklich, dazu kannte ich ihn zu gut. Ich durchschaue seine Lügen, genauso wie die meiner Mutter, aber lasse sie damit leben, und stelle sie nicht an den Pranger. Wenn es etwas ist was sie nicht sagen wollen, ist es eben so.

 

Das Leben ist eben nicht immer einfach, weiß Gott, das ist es wirklich nicht. War es noch nie, würde „Leben“ eine Person sein, würde ich sie täglich verprügeln wollen. Nicht nur wegen mir, sonder auch wegen dem Leid, welches anderen zugefügt wird. Leben. Wozu? Wozu braucht man das? Das Leid, die Sehnsucht nach alten Zeiten? Wir leben nur noch um zu überleben. Und das was wir gerade tun, würde ich nicht Leben nennen. Wir existieren, ja.

 

„Wolfgang wir müssen etwas tun. Du heulst dich aus, duscht dich, und wir gehen hinaus. Wir fahren durch die Stadt. Wir haben nicht umsonst eine Ramme am Auto! Wir suchen sie. Überlebende. In den Häusern die genauso aussehen wie unsere, in Häusern von Bekannten, welche wir noch nicht erschossen haben, einfach überall! Wir müssen etwas tun, uns geht der Lebenswille verloren.“

 

Das ging er wirklich und deswegen mussten wir endlich etwas unternehmen. Endlich einen Ausweg finden, endlich einen Weg nach Amerika, endlich weg hier und die Wesen ausrotten.

 

 

 

Ich lasse ihn duschen, gehe hinunter in mein Zimmer, mache das Licht an und lege mich auf mein Bett. Die Hand greift instinktiv zur Zigarettenschachtel auf meinem Nachttisch. Ich nehme mir eine, zünde sie an und lass mich erst einmal gehen. Ausruhen. Vielleicht sogar schlafen. Schon lange habe ich nicht mehr gut schlafen können… das Gejaule, Geschreie, Geheule. Es ist unerträglich, da muss man einfach mitleiden. Einmal tief den Rauch der Zigarette inhalieren und das alles vergessen. Einfach mal ausruhen und an nichts denken außer an schöne alte Zeiten. Das erste Date mit ihm… wie wir da lagen, in die Sterne sahen und einfach nur glücklich waren. Wo wir uns zum ersten Mal küssten, zum ersten Mal kuschelten, zum ersten Mal zusammen in einem Bett schliefen… das erste Mal von vielen darauffolgenden Malen. Ich drücke die Zigarette aus. Damals haben wir zusammen angefangen zu rauchen… nur wegen ihm habe ich wieder angefangen zu rauchen. Ich bin selbst schuld wie mein Leben so verlief. Ich habe mir alles versaut was ich je wollte. Das war meine erste große Liebe.

 

Ohne es zu wollen kullert eine Träne meine Wange hinunter, doch es ist keine Zeit zum weinen. Schwäche ist hier nicht zu gebrauchen. Ich wünschte nur ich könnte ihn wieder sehen… oder sonst jemanden der mir etwas bedeutete. Und schon kommt die nächste Träne. Und die nächste… und noch eine, noch eine… und immer mehr…

 

 

 

Ich habe geweint. Nach langer, langer Zeit habe ich endlich wieder geweint und es tat unglaublich gut mal wieder Gefühle zu zeigen, wenn auch nur mir. Mein Bruder kam vor etwa zwei Minuten aus der Dusche und hat sich fertig gemacht. Er hatte noch etwas zu Essen und zu trinken mitgebracht, was wir erst einmal ins Haus brachten. Dann hat er sich angezogen um mit mir Überlebende suchen zu gehen. Ich dachte wirklich nicht, dass er das mit machen würde, aber umso begeisterter bin ich, dass er das mit mir macht. Ich meine, vielleicht haben ja einige überlebt, oder vielleicht hatten sie die Chance und sind geflüchtet, wer weiß das schon. Und ganz plötzlich überkam mich ein Geistesblitz!

 

„Wolfgang! Ich habe eine Idee!“

 

„Was denn.“

 

„… na ja. Wir schreiben Zettel. Mit unserer Adresse, unseren Namen und das Datum. Wir hängen sie überall verteilt auf und falls sie ein Mensch liest könnten sie uns aufsuchen, denn, wenn jemand überlebt hat, dann muss er auch einkaufen gehen, also hinaus gehen. Wir sollten sie in die nähe von Essensquellen aufhängen.“

 

„Machen wir das morgen. Wir haben nicht mehr viel Zeit dann wird es dunkel, und da willst du sicher nicht unterwegs sein.“

 

„Wenn wir wieder zurück sind, mache ich mich gleich an die Arbeit.“

 

Er nickte kurz, drückte mir eine Schrotflinte in die Hand, Patronen für sie und machte mir mit einer ruckartigen Kopfbewegung klar, dass er gehen wollte. Ich nickte nur kurz und folgte ihm hinaus durch die geöffnete Tür.

 

Jedes einzelne Mal hoffe ich, wir kommen unversehrt und wohlauf wieder zuhause an.

 

 

 

 

 

 

 

Er fährt und ich sehe aus dem Fenster. Keine Menschen, nur Monster. Hässliche, sehr, sehr hässliche Monster, einige töten wir. Ich blicke über die zerstörte Silhouette der Stadt und versinke wieder in Gedanken. Ich stelle mir die Stadt vor wie sie früher war, die Menschen überall. Kinder, Erwachsene, Senioren, Männer und Frauen, Hunde an Leinen… Pflanzen. Wir konnten damals auch nicht einfach mit einem Auto über den Marktplatz fahren, jetzt schon, zumindest über dem, was von ihm übrig ist. Wir haben nun freie Bahn, keine Gesetze mehr und alles was man sich als Teenager so wünscht – Freiheit, doch so wollte ich sie nicht. Damals ging es mir ums feiern, Freunde und Jungs natürlich und nun frage ich mich wie ich nur so naiv sein konnte. Das Chaos ist ganz einfach zu beschreiben - Bomben. Sie haben versucht diese Dinger auszulöschen indem Sie Bomben abwarfen, bis sie bemerkten, dass sie eher mehr schaden damit anrichteten. Die Stadt stand in Flammen. Ich kannte diese Szenen nur aus Filmen, oder Büchern, doch nun bekam ich sie selbst mit. Andere glaubten an einen dritten Weltkrieg, einige an eine Apokalypse durch Außerirdische, wieder andere glaubten an Zombies. So kam es dann auch. Zombies. Darauf folgten laute feurige Tage und schlaflose, lodernde Nächte. Verlust von geliebten Menschen, Kontaktabbruch, Medienverlust und Nahrungsschwund. Nein, nun konnte man sich nicht mal eben eine Pizza bestellen wenn man Hunger hatte, oder mal eben zu McDonalds fahren, nein. Nun waren wir die, die in der Nahrungskette an zweiter Stelle standen, nicht mehr an erster.

 

Ein Ruck und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Doch Peng, und das Ding ist tot. Oh man wie ich diese Dinger hasse! Diese Zombies sind einfach überall! Ich kann nicht einmal in meinen Gedanken bleiben, in ruhe und für mich. Nein, dann muss ja so ein dämlicher Zombie angerannt kommen und mir den Tag versauen indem er unser tolles Auto rammen muss. Was soll das?! Man, man, man, ich wünschte die hätten wenigstens noch ein wenig anstand, oder Hirn.

 

Anfangs war ich verzweifelt, dann kam die „Das stehen wir durch - Phase“ und nun bin ich bei der „alles nervt mich - Phase“, die Frage ist nur, was kommt nach dieser Phase? Die Phase in der ich nicht mehr weiter leben will?! Soweit darf ich es nicht kommen lassen. Ich sah aus dem Fenster um zu sehen wo wir waren. Rödental, was wollen wir hier? Ich hatte nur eine Freundin in Rödental, deren Bruder schon tot war… Doch als Wolfgang in diese eine Straße einbog, wusste ich was wir hier wollten. Unser Vater.

 

Er brachte das Auto mit einer Vollbremsung zum stillstand und stürmte aus dem Wagen. Er ging zur Tür, abgeschlossen. Wir gingen eine kleine Treppe hinunter in den Vorgarten und dann zur Hintertür, welche offen war – kein gutes Zeichen. Wir gingen in das Haus. Das beängstigende war, es gab so viele Zimmer und nur eine Treppe nach oben, in das erste Obergeschoss und nach unten, in den Keller. Es könnten überall Zombies sein. Wir waren gerade im Wohnzimmer, rechts von uns war der Essbereich und von dort aus führe rechts eine Tür zur Küche, und eine geradeaus auf den Flur. Vom Flur aus wieder eine zur Küche, eine zu einem Gästezimmer, beide Treppen und die Tür zum Windfang nach der Haustür. Im Windfang verlief noch eine zur Gästetoilette. Im Keller gab es wieder vier Räume, genauso wie im Obergeschoss. Jetzt brauchten wir einen gut durchdachten Plan. Ich sah nach draußen, falls einer von ihnen aus dem Hinterhalt angerannt kommt, Wolfgang dachte nach und lief einen Schritt nach vorne, geduckt, ich duckte mich auch. Langsam lief ich ihm hinterher, schloss die Hintertür und verriegelte sie. Hier ist es anders als im Supermarkt, wir können keinen absichtlichen Krach machen, wir wissen ja nicht was auf uns zukommen könnte, zudem ist dieses Haus zu verschachtelt, sie könnten aus jeder Ecke kommen.

 

„Du beobachtest den Durchgang zum Flur, ich gehe näher an die Küche, verstanden?“

 

„Verstanden.“

 

Antwortete ich meinem Bruder. Ich beobachtete den Flur, Wolfgang pirschte sich vor zur Küche. Später erzählte er mir das dort alle Schranktüren und Schubladen aufgerissen waren, als hätte ein Mensch nach Nahrung gesucht, doch die Küche und der Flur waren Clean – also keine Zombies. Wir liefen in den Flur, immer noch geduckt und ich behielt die Kellertreppe im Auge während Wolfgang den Windfang und das Gästeklo begutachtete. Wieder nichts. Kein einziger Zombie bisher, nicht schlecht. Er kam wieder und wir wollten das Gästezimmer ansehen, da gab es nur ein Problem, direkt daneben war die Kellertreppe… das könnte unter Umständen sehr gefährlich werden, aber da mussten wir durch. Ich übernahm wie immer meinen Part beim Türen öffnen. Das verlief so: Wolfgang setzte sich mit einer Schrotflinte bewaffnet direkt vor die Tür, den Lauf geradeaus gerichtet, während ich langsam die Tür öffnete mit einer Pistole bewaffnet um jederzeit schießen zu können falls direkt beim öffnen ein hässliches Zombiegesicht mich ansieht. Doch, dort war wieder kein Zombie.

 

„Erst runter?“ flüsterte ich zu Wolfgang

 

„Schlauer wäre es… aber oben verstecken sich die meisten Menschen bei Gefahren…“

 

Das war wahr. Doch es ist wohl auch gefährlicher hoch zu gehen da von unten immer etwas hoch kommen könnte. Doch genau das haben wir getan, mein Blick war dabei nach unten gerichtet, Wolfgangs nach oben. Ich sah durch jede Spalte der Stufen in den Keller, doch sah nichts. Die Tür zu seiner rechten war geöffnet und nichts darin, die Tür zum Schlafzimmer und zum Kinderzimmer geradeaus waren auch beide offen und nichts befand sich in ihnen, doch als er die Badezimmertür öffnen wollte stieß er einen Laut aus, welchen ich schon lange nicht mehr hörte, er ist verblüfft. Die Tür ist abgeschlossen und selbst mit aller kraft konnte er sie nicht aufdrücken. Der Schlüssel steckte im Schloss und sie war verschlossen. Ich drehte mich zu ihm um noch einmal sicher zu gehen, dass man wirklich nicht durch das Schlüsselloch sehen konnte und das konnte man tatsächlich nicht. Fragt sich nur, wer oder was hat sich dort eingeschlossen? Ich meine gut, man hat Wasser, was wichtig ist, und das zu genüge, aber was ist mit essen? Obwohl. Die Schränke, wie war das noch? Sie standen alle offen als hätte jemand nach Nahrung gesucht? Wer weiß, vielleicht ist dort jemand drin, lebend oder schon verhungert. Es ist aber auch möglich, dass dieser Jemand schon durch das Fenster geflüchtet ist.

 

Ich sah noch einmal durch das Schlüsselloch und sah das sich etwas bewegte, ein Schatten sah ich, obwohl der Schlüssel steckte, erkannte ich es ganz deutlich.

 

„Wo-„

 

„pscht!“

 

Ich war leise, wie Wolfgang wollte, doch sah immer noch durch das Schlüsselloch und sah wie der Schlüssel langsam aber sicher die Sicht frei machte, mein Herz raste und mein Atem wollte sich kaum beruhigen. Ich wollte meinen Blick abwenden, aus Angst, aber ich konnte nicht, aus Neugier. Und dann sah ich etwas, einen Bruchteil einer Sekunde sah ich etwas rundes – ein Auge!

 

Bei dieser Erkenntnis zuckte ich zusammen und wich zurück. Wolfgang sah mich verdutzt an, doch ich sah nur das Schlüsselloch an. Nun wollte er sehen was ich sah, doch da war schon wieder alles Schwarz wie er erzählte. Er flüsterte zu mir.

 

„Was hast du gesehen?“

 

Ich sah zu Boden und dachte an das Geschehnis. „Ein Auge.“

 

„Wie jetzt ein Auge..?“

 

„Ein Auge! Rund, weiß, mit einer Iris und einer Pupille! Ein Auge eben was glaubst du denn was ich meine?!... meinst du es ist ein Mensch?“

 

„lass uns das ganz einfach heraus finden. Lass uns mit ihm reden“

 

Ich weiß nicht warum Wolfgang sich so sicher war das es ein Junge sein soll, aber die Idee erschien mir nicht schlecht und ziemlich simpel. Er nickte mir noch einmal kurz zu und dann wand er sich zur Tür. Er legte eine Hand flach auf sie auf und legte sein Ohr an das helle Holz um besser horchen zu können. Ich griff mir meine Schrotflinte wieder und richtete mich zur Treppe, nicht das wir in einen Hinterhalt geraten. Er fing an sich mit dieser Tür zu unterhalten. Fragte völlig einfache Dinge wie „Wie heißt du?“, „Wie geht es dir?“, „Hast du Angst?“. Er machte ihm klar keine Angst haben zu müssen doch irgendwie brachte alles nichts.

 

„Ach komm soll der Kerl da drinnen doch verrecken. Is mir Wurst was mit dem passiert, wenn der keine Hilfe will, is mir das auch recht.“

 

„Wolfgang…“

 

Ich wollte ihm ins Gewissen reden, doch stattdessen wendete ich mich nun der Tür zu.

 

„Joni? Bist du das da drin? Bitte… sag mir nur ob du das bist. Mehr möchte ich nicht wissen…“

 

Pause, doch nichts.

 

„Gut… anscheinend bist du es nicht. Kanntest du ihn? Oder vielleicht meinen Vater, Klaus, oder seine Freundin Ina, dessen Sohn Jonas hieß, kurz Joni. Das hier ist ihr Haus… Ich hatte gehofft meinen Vater zu sehen oder sonst jemand menschliches, aber nun ja. Was soll’s. Ich kann das nicht bestimmen, leider. Nun gut, ich gebe dir meine Adresse, falls du irgendwann da raus kommen solltest, kannst du ja versuchen da hin zu kommen. Übrigens sind hier oben keine Zombies. Wir werden nun wieder gehen.“

 

Ich nahm mir ein Blatt Papier aus Jonas’ Zimmer und einen Stift und schrieb unsere Adresse auf. Das Papier schob ich unter der Tür hindurch und richtete mich auf.

 

„Auf Wiedersehen“ wendete ich mich noch ein letztes Mal an die Tür und machte meinem Bruder mit einer Kopfbewegung klar was wir gehen sollten. Er nickte kurz und lief die Treppe vor mir hinunter.

 

 

 

Irgendwann waren wir wieder dort, doch da war die Tür offen und mein Zettel weg.

 

 

 

 

 

 

 

Daheim angekommen verzog ich mich in mein Zimmer, aus der Idee mit den Flyern wurde leider nichts, ich hab mich einfach nicht dazu überwinden können, doch vielleicht war das auch gut so.

 

 

 

Wolfgang und ich fuhren zwei Tage später über eine Schnellstraße, welche recht leer war im Gegensatz zu anderen. Wir fuhren dort entlang um die Tanks anderer Autos zu plündern, doch während ich an dem Gummischlauch sog, welcher in dem Tank eines Mercedes steckte, viel mir ein kleiner pinker Zettel an einem Baum auf. Er hing zwischen vielen Blättern, doch… er war pink, da musste ich einfach hin sehen. Ich stieg über die Absperrung und lief ein kleines Bissen in Richtung grün, unter dem Zettel blieb ich stehen, versuchte durch springen an ihn ran zu kommen, doch das war eine weniger durchdachte Aktion von mir gewesen. Also schnappte ich mir einen Ast und schlug ihn ein paar mal kräftig gegen die Blätter mit dem Zettel, bis der Baum schließlich aufgab und mir das pinke Blatt Papier überließ. Es glitt herab wie eine Feder und kam vor meinen Füßen auf dem Boden auf. Ich hob es auf und drehte es um, da auf der anderen Seite etwas stand. So wie es aussah war dies einst ein Post-it gewesen, ein Blättchen aus einem Block voller Farbiger Zettel welche man mit wichtigen Dingen beschriftete die zu erledigen waren, und sie dann an etwas klebte wo man tagtäglich drauf sieht.

 

Ich sah ihn mir ganz genau an, und zögerte ein wenig als ich ihn umdrehte. Die obersten zwei Buchstaben auf dem Zettel waren „DE“ welche anscheinend auf Deutschland bezogen waren was ich im verlaufe des weiteren Textes bemerkte.

 

 

 

In englischer Sprache stand dort ein Ort, keine Ahnung wo genau, irgendwo in Deutschland, wo angeblich ein Lager für Überlebende sein soll und ein Datum, den 16. März, das ist etwa 3 Monate her… Ich wusste nicht was ich davon halten soll, also steckte ich den Zettel erst einmal ein und zapfte weiter an meinem Mercedes.

 

 

 

Zuhause machte ich mich erst einmal auf die suche nach diesem Ort, ich durchkämmte jede einzelne Landkarte welche wir hatten. Und schließlich fand ich diesen Ort. Er war nahe München doch im Gegensatz zu der Hauptstadt Bayerns ein Staubkorn. Aber es gab diese Stadt, war das nicht schon einmal ein gutes Zeichen? Vielleicht gab es dann ja auch dieses Lager… doch ich war schon immer sehr naiv gewesen. Hätte man mir erzählt der Mond wäre eigentlich unsere Sonne hätte ich das bestimmt sogar geglaubt so wie mich die Jungs damals verarschen konnten. Ich sollte nichts überstürzen obwohl ich zu gerne dort hin würde um zu sehen was an der Sache dran ist.

 

Ich schrieb den Zettel ab und steckte das pinke etwas in meine Tasche, und den nachgemachten Zettel auf stinknormalen, weißen Papier, legte ich auf meine Kommode. Doch dann fiel mir auf wie viel klüger es wäre noch ein Drittes Exemplar zu machen, für Wolfgang. Irgendwann müsste ich es ihm ja erzählen und berichten über meinen Fund im Baum, dann könnte ich ihm ein Exemplar geben, sollte mir etwas zustoßen wüsste er trotzdem noch wohin er musste. Dann hatte ich wieder eine Idee wie ich meine Familie dazu bringen konnte hier weg zu gehen, ohne ihnen von diesem Zettel zu erzählen, denn schon zu oft habe ich auf solche Zettel gehört und meine Mutter und meinen Bruder wütend gemacht weil sie falsch waren und es meistens nicht einmal diese Orte gab. Doch diesmal werde ich es schlauer machen.

 

 

 

In der Küche bereitete meine Mutter gerade etwas zu essen zu. Es roch gut, auch wenn ich gar nicht wissen wollte was sie da überhaupt machte. Ich setzte mich an den Tisch, trank ein Glas Wasser und rauchte genüsslich eine Zigarette dazu. Nun wo ich 18 bin und das endlich darf, gibt es niemand mehr der es mir verbieten könnte… welch Ironie. Ich darf nun all das machen was ich schon seit mehreren Jahren tue, nur juckt das jetzt keinen mehr.

 

 

 

Meine Mutter hat mir das rauchen nie verboten, oder das Trinken, doch genau so… habe ich auch nicht versucht es zu übertreiben oder so. Natürlich lernt man seine Grenzen kennen, doch das muss man ja auch. Ich war nie so schlimm wie die Kinder die man im Fernsehen gesehen hatte, oder ein paar viele Menschen die ich kannte.

 

Die, die denken sie müssten sich gegen ihre Eltern auflehnen und damit all das Familienleben zerstören, doch da sind die Eltern auch nicht ganz unschuldig daran. Sie geben zu viele Verbote und lassen dem Kind, na gut, dem Teenager nicht seine eigenen Erfahrungen machen. Ich mein, zu merken wie man auf die Fresse fliegt muss man ja auch selbst herausfinden, und das sollte man nicht nur auf physischer Ebene, sondern auch auf emotionaler bzw. psychischer. Und diejenigen, die dann nicht mehr aufstehen wollen, sind nicht etwa zu schwach dafür, oh nein. Die wollen nur das einem eine Hand gereicht wird, und dann werden einem plötzlich so viele Hände hingehalten, denn, man liegt ja auf dem Boden und dem armen Menschen dort muss ja geholfen werden, doch das sind dann die, die einfach liegen bleiben und denen man noch so viele Hände hinreichen kann, sie stehen einfach nicht mehr auf, denn sie wollen mehr Hände. - Das sind dann im Endeffekt die Menschen, denen man den kleinen Finger reicht, und sie trotzdem die ganze Hand nehmen.

 

Oftmals kennen diese Menschen ihre Grenzen nicht, auch wenn Sie sie schon so oft hätten lernen können und ohne nachzudenken das die Hände die ihnen hingehalten werden dadurch auch zu jenen die am Boden liegen werden können, und ohne überhaupt das Interesse dafür zu haben, machen sie einfach weiter und nehmen immer wieder Hände an. Denn nach einer Zeit wollen sie ja gar nicht mehr aufstehen.

 

 

 

Na gut. Genug Psychogefasel, diese Zeiten habe ich lang hinter mir, wenigstens etwas Gutes. Also, kurz vor dieser „Apokalypse“ bestand ich meinen Führerschein, was nun völlig egal ist. Wozu hab ich dann überhaupt Geld dafür ausgegeben? Alles was ich wissen musste wusste ich schon davor, wie man los fährt und wie zu schalten ist, mehr zählt jetzt sowieso nicht mehr. Ja gut, meine Mutter gab das ganze Geld dafür aus, aber trotzdem war das sinnlos. Andererseits braucht man auch gar kein Geld mehr… also ist das wohl in Ordnung. Gas geben, herum fahren und versuchen keine liegengebliebenen Autos zu rammen ist das einzige was nun zählt beim Autofahren und das beherrsche ich ziemlich gut. Meine Mutter brachte mir schon ziemlich früh bei wie man anfährt, schaltet, usw. Ich brauchte also keinen Unterricht, da ich jetzt nur das machen muss. Keine Schilder beachten, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Fußgänger oder Fahrräder, Kinder, Tiere und diesen Ganzen Müll den man beachten muss. Na gut, vorbei ist vorbei.

 

 

 

Ich sitze also am Tisch drücke meine Zigarette aus und wende mich an meine Mutter. Ich habe mir überlegt, dass ich sie ja evtl. überreden könnte weg zu fahren, einen Tapetenwechsel versteht ihr? Weg hier… als Vorwand für dieses Auffanglager für Überlebende.

 

„Würdest du gerne dein Leben lang hier bleiben?“

 

Man hörte meine Mutter regelrecht nachdenken während sie mir einen Teller voller Nudeln und irgendeiner Soße hinstellte.

 

„Würdest du das denn nicht gerne?“ kam sie entgegen.

 

Ich nahm die Gaben in die Hand die sie mir reichte und stocherte etwas in meinem Essen herum.

 

„Ach Mama. Ich meine… in dieser Welt, hier sterben? Hier? Ohne jemand anderes? Alleine?“

 

„Ich hab doch euch, was soll das?“

 

Ich nahm einen Happen von den Nudeln und dachte über meine nächsten Worte nach während ich schluckte.

 

„Du verstehst nicht was ich meine. Was wäre, wenn wir zu anderen gehen könnten… mehr Menschen die noch nicht so sind…?“

 

War ja n super Plan von mir ich Trottel.

 

„Fängst du schon wieder damit an Jess. Du hast Tagelang Radio gehört, wir haben alle Adressen abgeklappert und nirgends Menschliches Leben gesehen. Ich habe langsam die Nase voll von dir weißt du! Wer soll sich um die Katzen kümmern!?“

 

„Du weißt ganz genau, dass die sich selbst versorgen können. Wir haben schon lange kein richtiges Katzenfutter mehr gehabt weil wir uns nicht weiter weg trauen. Ich habe da von einem Ort gehört, man-„

 

„Hör jetzt auf! Ich will nichts mehr darüber hören. Und ist Manni nicht dein kleines Baby? Hm? Was ist daraus geworden?“

 

Jetzt ließ ich die Gabel unachtsam in den tiefen Teller plumpsen welche mit einem Dumpfen klirren auffiel.

 

„Alter Mama! Ich hab’ keinen Bock den ganzen Tag nichts tun zu können! Bald geht uns das Essen aus, wir können nicht mal etwas anbauen weil wir da draußen nicht sicher sind! Wären wir mehr, einfach zehn bis zwanzig Mann, könnten wir viel mehr bewirken… Denk darüber nach ich werde jetzt zu Wolfgang gehen und ihm dasselbe sagen.“

 

Ich dampfte aus dem Esszimmer und stürmte durch was Wohnzimmer und den Flur in den Keller - in das Zimmer meines Bruders. Der Weg dorthin war durch Kerzen etwas erhellt, doch immer noch sehr dunkel. Angekommen stieß ich die Tür auf und trat ein. Wolfgang saß auf seiner Couch und polierte seine Pistole, eine USP Compact mit 21 Schuss, - das war sein Baby - ich setzte mich neben ihn und sagte nichts, einfach nichts. Genauso wie er. Wir saßen einfach nebeneinander, ich mit gesenktem Kopf und er mit dem Blick direkt auf seine Waffe. Das Quietschen des Tuches mit der Politur auf der Pistole in den Ohren. Sonst gab es nur Stille, mehr nicht. Ich wusste wenn ich dieses Thema ansprach würde er genauso reagieren wie Mutter, mit Ablehnung. Ich sah auf den Fernseher der schon lang nutzlos geworden war und fing wieder an nachzudenken über eine längst vergangene Zeit.

 

Wir saßen da, gefesselt von dem Spiel das wir spielten. Ich war eine Kriegerin mit einem Bogen und er ein Krieger der gerne Äxte benutze, es war ein Rollenspiel. Dieses Spiel war an 18 und wir spielten es Tagelang bis wir es geschafft hatten den Endgegner zu erledigen. Ich schoss mit meinem Bogen die Feinde ab während er sich im Nahkampf bewies und ich ihm gleichzeitig Rückendeckung gab. Wir kämpften gegen Untote und Monster, wie jetzt auch, doch damals war es nur ein Spiel, jetzt ist es die Wirklichkeit. Wenn wir in diesem Spiel starben bekamen wir eine zweite Chance, doch wenn wir jetzt sterben gibt es keine zweite Chance mehr. Das Ende dieses Spiels war erniedrigend. Er trank immerzu während des Spielens so ein Getränk welches ihn stärker machte, doch da wussten wir ja noch nicht was das für Auswirkungen auf das Ende hatte. Er brachte mich am Ende um, weil er der neue „Endgegner“ sozusagen wurde, er war besessen von diesem Getränk welches mehr und mehr seinen Verstand übernahm. Dieses Getränk symbolisiert für mich den Wahnsinn der sich mehr und mehr in unser Hirn frisst. Vielleicht dreht einer von uns letztendlich durch und es würde mich nicht wundern wenn ich das wäre…

 

 

 

Durch einen Laut wurden Wolfgang und ich plötzlich hellhörig und ich wurde mal wieder aus meinen Gedanken gerissen während er seine Waffe und die Politur zur Seite Legte. Ein schrilles lautes Klingeln drang in unsere Ohren. Unsere Blicke waren an die Zimmertür geheftet und unsere Ohren gespitzt, wir warteten noch einen Moment, doch dann kam es wieder, das klingeln der Haustür.

 

 

 

Wir liefen leise hoch zu unserer Mutter welche wie gefesselt vor der verriegelten und undurchdringlichen Eingangstür stand und sahen sie mit einem Fragendem Blick an. Doch schon wieder ein Klingeln und dann ein Klopfen, doch niemand sagte etwas, weder wir noch der, oder das, was da draußen auf uns wartete. Wolfgang machte eine Geste, indem er seinen ausgestreckten Zeigefinger vor seinen gespitzten Lippen legte, um zu symbolisieren das wir leise sein sollen, dann lief er in das Wohnzimmer um durch das Loch zu sehen, durch das ich ihn einst beobachtet hatte. Mutter und ich lauschten seinen Schritten und blieben wie angewurzelt vor der Tür stehen bis Wolfgang etwas Unerwartetes tat.

 

„Oh mein Gott!“ schrie er fast und rannte zur Tür, er schob die Riegel vor und öffnete sie, zur selben Zeit zog ich meine Pistole aus dem Gurt und rannte zu meiner Mutter, das eventuelle Ziel im Visier. Doch der Anblick der mich erwartete war überraschender als erwartet.

 

 

3. Kapitel - Das Wiedersehen



„Dad?“ hauchte ich.
Ein Wort welches schon seit Ewigkeiten nicht mehr aus meinem Mund kam. Wir standen da, die Münder und Augen weit aufgerissen und meine Mutter hielt mich im Arm. Wir brachten keinen Ton heraus und das atmen viel schwerer. Was tut man denn in einer Situation wie dieser? Ich werde ihn sicher nicht sofort um den Hals fallen. Ich habe ihn schon vor der Apokalypse kaum gesehen… da ändert ein Jahr das auch nicht, aber vielleicht die Situation… ja ich muss zugeben ich habe ihn vermisst, aber ich bin zu stolz es zu zeigen. Mein Gesichtsausdruck wird wieder härter, fast wütend wenn ich ihn ansehe.
Als erster rührte sich mein Bruder der meinen Vater in den Arm nahm und die beiden weinten los, bis auch meine Mutter mich los ließ und auf die beiden zu ging um mit zu machen bei der Kuschelattacke, doch ich rührte mich nicht vom Fleck. Was auch nicht weiter schlimm war, denn sie bemerkten mich sowieso nicht, so beschäftigt waren sie mit der Wiedersehensfreude. Also lief ich ins Wohnzimmer, zündete eine Kerze an, nahm mir eine Zigarette, zündete auch sie an und ließ mich auf der Couch nieder. Gerade als ich die Augen schloss um mich richtig gehen zu lasen, kamen die drei auch herein. Da standen sie nebeneinander wie die Zeugen Jehovas wenn sie an der Tür klingelten. So, als wollten sie mich auch „bekehren“, aber ich weiß nicht was ich machen soll. Natürlich habe ich ihn vermisst, ich bin seine Tochter, aber es kann so schwer sein wieder jemanden zu verlieren den man ins Herz geschlossen hat. Und das will ich nicht riskieren, nicht bei ihm, wenn er aufgegessen wird, soll es mich nicht so mitnehmen wie bei meiner Mutter oder meinem Bruder.
Da kam mein Vater, setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm. Ohne es zu wollen fing ich an zu weinen, wie damals wo ich die Führerscheinprüfung nicht bestand. Ich wollte es nicht, aber tat es.

Ich wachte auf. Der erste Morgen zu viert brach an und den wollte ich nicht verpassen, nachdem ich mich gestern einfach in mein Zimmer verzog und nicht wieder herauskam. Als ich in Boxershorts und einem Top in die Küche kam, stand ein Festmahl auf dem Tisch. Brötchen, Brot, Schinken, Butter, Milch – auch wenn aus Pulver gewonnen worden-, Marmelade, Kaffee, und sogar Äpfel und rote Weintrauben lagen auf dem Tisch. Meine Mutter muss die ganze Nacht gebacken haben… und jetzt stand sie da, und schenkte in jede Tasse etwas Kaffee. Wolfgang und mein Vater – Klaus – waren noch nicht da.
„Woher hast du die Äpfel und Weintrauben?“
Meine Mutter sah mich erschrocken an, anscheinend war sie so in ihre Arbeit vertieft, dass sie mich nicht bemerkte, doch dann fing sie an zu lächeln und fing fröhlich an zu sprechen.
„Die Nachbarn hatten doch immer Weinreben, da waren noch einige Trauben dran, und unser Apfelbaum trug auch noch einige wenige Früchte. Gut das ich draußen war, ihr hättet das nie bemerkt!“
Da hatte sie wohl recht.
Und schon hörte ich schritte von oben
„Er hat bei dir im Bett geschlafen?! MIT DIR?“
Ich war fassungslos. Dreizehnjahre des Zankens und Streitens einfach so weggeblasen oder wie? Das sah ich nicht ein. Wenn er mal unterhalt Zahlte für uns, seine Kinder, dann Monate später und wenn etwas war, meldete er sich nie bei ihr oder bei mir, immer nur bei Wolfgang. Er gratulierte mir nicht einmal zu meinem siebzehnten Geburtstag. Das einzige was ich bekam war ein Anruf in dem es ging „ich bring dir n’ bisschen Geld vorbei für deinen Urlaub“ und Tage darauf lag in unserem Briefkasten ein Umschlag für mich mit 150 Euro darin. Der Sohn seiner damaligen Freundin und dessen Freundin, kamen zu meiner Feier. Und er? Gab mir einen Umschlag mit Geld. Geld allein macht aber nicht glücklich. Aber nun ja, das war er eben, mein Vater. Natürlich gab es nicht nur schlechtes über ihn zu sagen… als wir noch kleiner waren hat er immer alles für uns getan, zumindest als meine Mutter und er sich scheiden ließen. Aber umso älter wir worden, und umso selbstständiger, umso mehr brach der Kontakt ab. Ach das ist vorbei! Wir fangen ein neues Leben an.
„Jess wir waren einsam und…“
„Ist schon O.K. mum, ehrlich.“ Und so war es auch gemeint.
Sie ist erwachsen, er auch, und wir leben in einer Zeit in der sowieso alles scheiß egal ist, also warum nicht wenigstens spaß haben?
Da fällt mir ein... ich habe sogar noch die Antibabypille für ganze 5 Monate! Das heißt, wenn ich auch jemanden kennen lernen sollte, kann ich auch meinen Spaß haben, ohne Kondom! Nun ja, falls es so weit kommen sollte, was ich eher bezweifle.
Mein Vater und mein Bruder rannten gleichzeitig die Treppe hinunter, bzw. hinauf und standen alle beide in Boxershorts und T-Shirt in der Küche. Die einzige die angezogen war, war meine Mutter. Wir anderen standen da, der Mund gefüllt mit Speichel der uns hinunter tropfen wollte bei diesem Geruch… Schinken.
Meine Mutter hob immer einen getrockneten Schinken auf, seit ich denken kann, das war immer ein riesiges Teil. Doch eigentlich wollte sie diesen hier für schwere Zeiten aufbewahren aber anscheinend war ihr dieser Moment wichtiger.

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Tag der Veröffentlichung: 25.04.2012

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