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Kapitel 1. Kratzen und Krallen


"MAMIIII", schrie ich ängstlich. Schon wieder das Geräusch der Krallen, welche an meinem Fenster scharrten. Tränen strömten über meine Wangen.
"Bitte nicht, geh weg", ich schluchzte immer lauter. Das Scharren verstummte als die Tür aufging. Meine Mutter stand im Ramen.
"Emma, bitte hör auf zu schreien! Bist du nicht schon zu alt, um an Monster zu glauben? Vor zwei Wochen war dein Achter Geburtstag. Irgendwann musst du einsehen, dass da keine Monster sind. Desto früher, desto besser", meinte sie sauer. Ich Schluchzte ein letztes Mal und verkrümelte mich unter meiner Decke. Es fiel mich schwer, nicht zu weinen, doch irgendwie schaffte ich es. Als ich nun eine Hand auf meiner Schulter spürte beruhigt ich mich und entspannte meine Augen, die ich zuvor schmerzhaft zusammengekniffen hatte. Ein tiefes Summen ging von der Person aus, deren Hand auf meiner Schulter ruhte. Es war ein außergewöhnlich tiefes Summen. Innerlich wusste ich, dass es zu tief für die Stimme meiner Mutter war, doch ich hatte Angst davor, was sich vor meinen Augen verbarg.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schmerzte mein Rücken. Nicht, als hätte ich mir etwas gezerrt, es war ein brennender, stechender Schmerz, als wäre meine Haut gerissen. Vorsichtig zog ich mein Schlafhemd bis zu den Schultern hoch und zog scharf die Luft ein, als drei riesige verkrustete Kratzer auf meinem Rücken zu sehen waren. Wieder fing ich an zu zittern. So wie jeden Tag, wenn mir klar wird, dass es nicht nur ein Alptraum war.
Nicht schon wieder, dachte ich deprimiert. Ich schloss die Badezimmer Tür hinter mir, nahm eine Wundsalbe und verstrich sie vorsichtig auf meinem Rücken. Bei jeder Berührung zuckte ich leicht zusammen.
Meine Mutter wusste von all dem nichts. Sie meinte, ich würde heimlich Filme ab Zwölf schauen und daher Alpträume haben. Wenn sie nur wüsste, dass diese Alpträume mich Praktisch verletzten.
Nachdem mein ganzer Rücken von der kühlen Salbe verdeckt war, nahm ich den Notfall Kasten, der unter dem Waschbecken stand und nahm ein Verband heraus. Vorsichtig und langsam wickelte ich ihn um meinen Oberkörper. Sowas kann ich, doch die Schuhe zubinden, kann ich nicht allein, dachte ich und gewann mir dadurch ein kleines Lächeln ab.
Das Ende des Verbands befestigte ich mit zwei Pflastern und versteckte das Ganze unter einem Grünen T-Shirt und einem Roten Rollkragenpullover.
Nachdem ich auch meine Jacke und meine Schuhe anhatte, macht ich mich auf den Weg zur Schule. Ich war in der 3. Klasse. Freunde hatte ich keine, aber ich hatte gehört, dass ein neuer Jung in die Klasse kam. Vielleicht ist der ja so nett und freundet sich mit mir an, dachte ich optimistisch, na ja so lange, bis er die Geschichten über mich hört.
Ich war in gewisser weise berühmt auf unserer Schule. Das verrückte Kind.
Diesen Namen habe ich einer Schul Übernachtung zu verdanken. Immer, wenn es dunkel wird und ich schlafen will, dann kommen sie. Logischerweise hat niemand sonst sie bemerkt. Als sie mir immer näher kamen, habe ich angefangen zu schreien.
Nachdem die Sache geklärt war, musste ich ein paar Wochen zum Schul Psychologen. Der meinte allerdings, dass ich nur Aufmerksamkeit wolle. Liegt vielleicht auch daran, dass er meine Verletzungen noch nie gesehen hatte. Die Blutergüsse und blauen Flecken, die jede Nacht Zahlreicher wurden.
Ich hörte die Schulklingel und rannte in mein Klassenzimmer. Wie immer war der Sitzplatz neben mir frei. Mein Platz war in der letzten Reihe, in der Rechten Ecke. Wenn ich meine Mitschüler ansah, wichen sie meinem Blick bewusst aus. Niemand sprach mit mir oder wollte mit mir gesehen werden.
Ich seufzte und ließ mich auf den Stuhl fallen. Bei dem Laut sah meine Klassenlehrerin zu mir und warf mir einen strengen Blick zu. Als sie sich wieder zu Tafel gewand hatte, verdrehte ich die Augen und zog eine Grimasse. Blöde Kuh, dachte ich bei mir. Sollte die doch machen was sie wollte.
Die Minuten zogen sie in die länge, während ich den Text von der Tafel abschrieb. Plötzlich spürte ich einen kleinen Schmerz am Kopf. Ich sah auf.
Zwei Jungs kicherten und sahen mich argwöhnisch an. Steine! Sie warfen mich mit Steinen ab!
"Hey, hört auf damit", erklärte ich befehlshaberisch. "Emma, sei leise", zischte nun Frau Winkel, meine Lehrerin.
"Nein", erwiderte ich stur. "Die beiden sind schuld. Sie bewerfen mich mit..." Weiter kam ich nicht, da Frau Winkel ein Buch auf den Tisch schlug und ihre Stimme sich erhob, wie ein donnerndes Grollen.
"Zum Direktor, du kleine Besserwisserin!"
Ich öffnete ungläubig den Mund. Schon wollte ich protestieren, da kam sie zu mir, packte mich am Arm und zog mich zur Tür.
"Wieder sprich mir nicht, du kleine Göre", ermahnte sie mich ein letztes Mal und schubste mich leicht aus dem Zimmer. Erst nachdem die Tür sich hinter mir schloss, wurde mir klar, was eben passiert war. Am liebsten würde ich schreien. So konnte und durfte sie nicht mit mir umgehen, ich war noch ein Kind! Ja, so dachte ich eben, und fragte mich, ob sie von der Schule fliegen würde, wenn ich weinte und sagte, sie hätte mir weh getan. Doch wenn es nicht funktionierte, würde sie mir das Leben zur Hölle machen, also ließ ich es bleiben.
Trotzdem hörte ich nicht auf sie und setzte mich neben die Tür. Die kühlen Spinde an meinem Rücken fühlten sich gut an. Sie kühlten meine, vor Wut, heiße Haut.
"'tschuldigung", sagte eine zarte Stimme neben mir. Ich sah auf. Ein Junge, ein bisschen größer als ich, sah zu mir herab. Seine Augen waren eisblau, beinahe leuchtend. Ein leicht freches Lächeln auf den Lippen und trotzdem so ein weicher Ausdruck im Gesicht. Die Braunen Haare waren nicht ganz kurz, aber schon etwas. Sie waren zu einer coolen Frisur hoch gestylt.
"Ja?", fragte ich leise. Der Junge schien seine Frage vergessen zu haben, denn er dachte kurz nach. Ohne mir zu antworten setzte er sich neben mich. "Warum bist du hier", wollte er nun wissen. Ich zuckte die Schultern. Diesen Jungen hatte ich noch nie gesehen. Vielleicht war er der Neue.
"Meine Lehrerin ist doof. Müsste eigentlich zum Direktor, aber ich will nicht", meinte ich und sah, dass seien Mundwinkel leicht zuckten.
Er streckte mir die Hand entgegen und sah mich mit diesen Eisblauen Augen an. "Mein Name ist Spencer, aber bitte nen mich Spike!" Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter. leicht nickend nahm ich seine Hand. "Mein Name ist Emma. Schön dich kennen zu lernen Spike."
Leicht lächelnd nahm ich seine Hand. Die Wärme die von ihm ausging, schien kühl auf meiner Haut zu knistern. Schnell zog ich meine Hand wieder zurück.
"Du bist sicher der neue Schüler, hab ich Recht? Ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen."
Stumm nickte er um meine Frage zu beantworten. "Es ist echt mies, der Neue zu sein. Da wird man so Außenseiter mäßig behandelt. Deswegen wundere ich mich auch, warum du hier alleine sitzt."
Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. Er wird es so oder so raus finden, also dann doch lieber von mir.
"Ich bin hier auch ein Außenseiter. Naja, die meisten hier halten mich für verrückt und gehen mir aus dem Weg. Ja, ich war beim Schulpsychologen, der meint ich brauche mehr Aufmerksamkeit. Der Grund für all das ist sehr kindisch, wenn man es nicht selbst erlebt. Jede Nacht."
Mit jedem Wort hatten sich Spikes Augen mehr mit Sorge gefüllt. "Was ist den los", wollte er nun leise von mir wissen.
Ein ersticktes Lachen kam aus meiner Kehle. "Monster. Jede Nacht sind sie da." Das Lachen erstarb als ich ihn ansah. "Emma, ich glaube dir."
Nun war ich es, die ihn besorgt ansah. "Sind sie auch bei dir?"
Er schüttelte den Kopf. "Nein, aber sie haben meine Schwester geholt." Nun stiegen mir die Tränen in die Augen.
"Ich habe Angst, dass sie mich auch holen. Sie sind jede Nacht so nah dran." Ich kniff die Augen zusammen, da sie anfingen zu brennen. Nicht losheulen, ermahnte ich mich.
Er nahm mich in seine Arme und ich lehnte mich an seine Schulter.
"Spike, ich muss dir was zeigen", meinte ich fest. Ich stand auf und zog ihn gleich mit hoch. Wir liefen durch die Gänge, des Schulgebäudes. Mein Ziel war klar. Die Kammer des Hausmeisters.
Es war halb so groß wie ein Klassenzimmer, doch genau so gut beleuchtet. "Ich habe Angst, Spike. Große Angst. Sie kommen immer näher. Letzte Nacht ist das passiert."
Mit diesen Worten zog ich meinen Pullover aus und das T-Shirt hoch. der Verband hinten fühlte sich seltsam feucht an. Bei der Bewegung, als ich den Pullover über den Kopf gezogen hatte, war die Kruste an den Krallen spuren aufgerissen.
Der Schmerz war nicht groß, nur fühlte ich mich ein bisschen komisch. Träge, Müde und sowas. Auf einmal spürte ich Hände an meinem Rücken.
"Emma, das ist nicht mehr witzig, du musst zu einem Arzt. Das sieht gefährlich aus."
Wieder dieses kühle Brennen auf meiner Haut. "Ich will nicht...", flüsterte ich und der Rest des Satzes erstarb. Die Schwerkraft brach über mich herein und zog mir den Boden unter den Füßen weg.

Goodbye und auf nimmer Wiedersehen...?


Mein Lider flattern, mein Atem geht leicht stoßweise. Ich versuchte die Augen zu öffnen, doch das grelle Licht ließ mich die Augen sofort wieder schließen. Meine Hand glitt zu meinen Augen, hielt sie darüber, sodass ich die Augen öffnen konnte. Vorsichtig setzte ich mich auf und sah mich um.
Mein Kopf brummte und ich war verwirrt. Alles war so grell, hell erleuchtet. Ich taste um mich herum. Offenbar lag ich in einem Bett. Endlich haben sich meine Augen an das Licht gewöhnt und ich kann mich umsehen. Anfangs ist alles noch leicht verschwommen, aber mein blick klärt sich.
"Hallo", rufe ich, in der Hoffnung, jemand hörte mich. Kaum zwei Sekunden waren vergangen, als meine Mutter ins Zimmer gestürzt kam und aufgeregt schrie; "Doktor! Doktor sie ist wach!" Ihre Stimme war viel zu laut und ich brumme. Die Augen meiner Mutter waren verheult, ihr blondes Haar zerzaust, als hätte sie mehrere Tage nicht geschlafen.
Wenige Minuten später kam ein Mann herein. Nur schwer erkannte ich ihn wieder. Er war mein Arzt, seid ich das erste Mal wegen meiner Verletzungen ins Krankenhaus musste.
Da war ich also, im Krankenhaus. Dr Manson sah mich mit riesigen Augen an und flüsterte :"Das ist unmöglich."
Dr Manson kam einen Schritt näher. Dann noch einen. Zögernd, aber als er da war, hebt er mein Handgelenk. "Der Puls ist normal. Sie ist stabil."
Ich winkte ab, als Dr Manson mir in die Augen sehen wollte, mit einer kleinen Taschenlampe. "Lassen sie das, mir geht es gut", meinte ich und merkte, dass es erstaunlich wahr war.

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Tag der Veröffentlichung: 12.02.2012

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